«Hundsverlochete» mit viel Polizeipräsenz
Inhalt
Plädoyer 01/2023
05.02.2023
Benjamin Rothschild
Volksnähe und Gastfreundschaft sind den Verantwortlichen des neuen Zürcher Polizei- und Justizzentrums wichtig: Im letzten Frühling beherbergte der pompöse Betonkoloss beim Zürcher Güterbahnhof zwischenzeitlich 190 Freiwillige, die an einem sogenannten «Testlauf» im Gefängnistrakt teilnahmen. Sie sollten das U-Haft-Regime unter semi-realistischen Bedingungen kennenlernen und durften für zwei Tage vermeintlich raue Knastlu...
Volksnähe und Gastfreundschaft sind den Verantwortlichen des neuen Zürcher Polizei- und Justizzentrums wichtig: Im letzten Frühling beherbergte der pompöse Betonkoloss beim Zürcher Güterbahnhof zwischenzeitlich 190 Freiwillige, die an einem sogenannten «Testlauf» im Gefängnistrakt teilnahmen. Sie sollten das U-Haft-Regime unter semi-realistischen Bedingungen kennenlernen und durften für zwei Tage vermeintlich raue Knastluft schnuppern – «Erlebnishotellerie» nennt man so etwas wohl. Die Inbetriebnahme des echten, für die Betroffenen etwas härteren U-Haft-Regimes im Neubau verzögert sich derweil aus unbekannten und ungenannten Gründen, wie die NZZ berichtete.
•
Auch anlässlich der offiziellen Eröffnung Ende Oktober 2022 präsentierten sich die Strafverfolgungsbehörden der Bevölkerung von ihrer volkstümlichen Seite. Es gab ein Zelt, Festbänke und Luftballone, die Polizeimusik spielte zackige Marschmusik. Von einer «Hundsverlochete mit viel Polizeipräsenz» berichtet ein Zürcher Strafverteidiger, der am «Tag der offenen Tür» mit seinen Sprösslingen zugegen war. Für ihn sei der Anlass besonders heimelig gewesen – kannte er doch zahlreiche Gesichter der anwesenden Beamten aus Einvernahmesituationen. Die zwischenmenschliche Stimmung zwischen Essensständen und herumtollenden Kindern war allerdings etwas gelöster als im Berufsalltag. Auf dem Vorplatz des neuen Justizpalastes spielte die Kapo-Sondereinheit «Diamant» in einem Rollenspiel martialische Szenen aus dem Berufsalltag nach.
Scharf geschossen wurde nicht, stattdessen setzte sie Knallpetarden ein. Ähnlich wie an einer Chilbi wurde das Geschehen von einer Art Animator mittels Lautsprecher kommentiert. In einer anderen Show bissen sich Polizeihunde in die Herzen der zahlreichen kleinen Besucher. Ihre schauspielernden «Opfer» waren indes dick gepolstert und kamen ohne Fleischwunden davon.
•
Auch die Fahrzeugflotte der Kantonspolizei war präsent. Interessierte konnten unter anderem das Innere eines Gefangenentransporters bestaunen. Ganz realistisch waren die Bedingungen jedoch auch an diesem Posten nicht: «Ich hatte schon Klienten, welchen auf der Fahrt in solchen Fahrzeugen derart schlecht wurde, dass sie sich an der Hauptverhandlung vor Gericht übergeben mussten. So etwas bekam man am Fest nicht mit», meint der Strafverteidiger.
•
Ob es um den U-Haft-Testbetrieb oder die Eröffnungsfeier geht – die Verantwortlichen sind offensichtlich um Volksnähe bemüht. Ob die gute Stimmung bei den PJZ-Besuchern anhält, wird der Alltag im Justiz- und Polizeizentrum zeigen.