Suchmaschinen müssen Links zu falschen Informationen löschen
Eine Suchmaschine muss einen Link aus der Liste der Suchergebnisse auf Antrag löschen, wenn die verlinkten Informationen nachweislich falsch sind. Die Grosse Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg hielt in einem Vorabentscheid fest, dass Betroffene nicht zuerst gegen den Verbreiter der falschen Information vorgehen müssen, sondern sich gestützt auf Artikel 17 Absatz 1 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) direkt an die Betreiber der Suchmaschine wenden können.
Der Fall betrifft ein Paar aus der Finanzbranche. 2015 erschienen auf einem US-amerikanischen Internetportal drei Artikel, die das Anlagemodell der Unternehmen der beiden kritisch darstellten. Einer der Artikel war mit Fotos illustriert, die den Mann am Steuer eines Luxusautos, mit Helikopter und Flugzeug und seine Lebenspartnerin in einem Cabrio zeigten. Die Betreiber des Portals wollen nach eigenen Angaben zur Betrugsprävention beitragen. Sie werfen dem Paar und seinen Unternehmen vor, Firmen zu erpressen. Zuerst publizierten sie negative Berichte über sie, dann böten sie den Firmen gegen Entgelt an, die Berichte zu löschen oder die Publikation zu verhindern.
Gab man Namen des Paars ein, zeigte Google in den Suchergebnissen Links zu den Artikeln und bei einer Bildersuche die vier Fotos als Vorschaubilder. Das Paar forderte Google auf, die Links und die Bilder zu entfernen, weil sie unrichtige und verleumderische Angaben enthalten würden. Das lehnte der Suchmaschinenbetreiber ab und wies auf den beruflichen Kontext der Artikel und Fotos hin. 2015 klagte das Paar am Landgericht Köln gegen Google, um die Löschung durchzusetzen. Die Klage wurde 2017 abgewiesen, ebenso 2018 die dagegen erhobene Berufung. Das Oberlandesgericht Köln hielt fest, die Kläger hätten die Wahrheitswidrigkeit nicht bewiesen. Damit sei Google keine abschliessende Bewertung möglich und der Suchmaschinenbetreiber nicht zur Auslistung verpflichtet. Die Fotos seien Bildnisse des Zeitgeschehens. Der vom klagenden Paar angerufene Bundesgerichtshof ersuchte den EuGH um einen Vorabentscheid.
Die Grosse Kammer des EuGH betont in ihrem Urteil den Stellenwert der Abwägung zwischen dem Recht auf Vergessenwerden oder Recht auf Löschung in Artikel 17 Absatz 1 DSGVO und dessen Grenzen durch das Recht auf freie Information (Absatz 3 DSGVO und Artikel 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union).
Wer bei einer Suchmaschine um eine Löschung von verlinkten Inhalten ersuche, kann laut EuGH nicht dazu verpflichtet werden, eine gegen den Herausgeber der betreffenden Internetseite erwirkte gerichtliche Beurteilung beizubringen. Der Betreiber einer Suchmaschine wiederum müsse nicht den Sachverhalt ermitteln. Er sei aber verpflichtet, einem Auslistungsantrag stattzugeben, wenn ihm die um Löschung ersuchende Person «relevante und hinreichende Nachweise vorlegt, die ihren Antrag zu stützen vermögen und belegen, dass die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist.»
Urteil C-460/20 der Grossen Kammer vom 8.12.2022, RU und RE c. Google, EU:C:2022:962