Bei den meisten Strafverfolgungsbehörden dürften nicht die geringsten Zweifel darüber bestehen, dass im Internet allgemein zugängliche Informationen zu Ermittlungs- und Fahndungszwecken gesammelt und ausgewertet werden dürfen. Informationsbeschaffung im Internet sei das digitale Analogon zum Streifzug durch eine Bibliothek. Solche «Open Source Information» sei eine unabdingbare Quelle – und finde sich heutzutage eben primär im Internet.
Doch der Vergleich hinkt. Er suggeriert, dass eine Internetrecherche so harmlos wie ein Bibliotheksbesuch ist, der höchstens ein paar Eselsohren hinterlässt. Die Argumentation verkennt, dass bei jeder Internetrecherche notwendigerweise Daten eingespiesen werden müssen und dadurch komplexe Datenverbeitungsprozesse in Gang gesetzt werden, die auch für Behörden kaum je nachvollziehbar sind.
Das Spektrum allgemein zugänglicher Rechercheformen ist breit. Es reicht von einer Namenssuche auf einer Suchplattform bis hin zum Upload von Fahndungsbildern auf Internetseiten oder Apps, die mit algorithmenbasierter Gesichtserkennungssoftware operieren. Obschon etablierte westliche Unternehmen eine Internetsuche mittels biometrischer Merkmale zurzeit nicht anbieten, sind solche Anwendungen im Internet frei zugänglich. Nicht selten kommen sie unbedenklich daher, wie etwa eine App, die via Eingabe eines Gesichtsbildes einen Abgleich mit den Teilnehmern des «Zurich Marathon» vornimmt und hochaufgelöste Fotos inklusive Startnummern ausspuckt, was eine Identifikation ermöglicht.
Die Zulässigkeit eines Rückgriffs der Behörden auf solche Informationen kann nicht von deren «Zugänglichkeit» abhängen. Es handelt sich dabei um die Inanspruchnahme externer Dienstleistungen zu Strafverfolgungszwecken. Für die Beurteilung der Grundrechtskonformität ist unerheblich, ob der externe Dienstleister eine finanzielle Gegenleistung verlangt. Entscheidend ist vielmehr die Ausgestaltung der Datenverarbeitungsprozesse und die Datensicherheit.
Überdies haben auch scheinbar kostenlose Suchdienste einen Preis: die Offenbarung sensibler Daten und den Verlust der Datenherrschaft. Etwa so, als müssten nach Benutzung einer Bibliothek die relevanten Teile des Strafdossiers – ohne jede weitere Kontrolle – zurückgelassen werden. Derartige Recherchen ohne Rechtsgrundlage sind auch im Lichte des Amtsgeheimnisses problematisch.
Die Eingabe von Daten ins Internet tangiert insbesondere die informationelle Selbstbestimmung. Der automatische, massenhafte Abgleich mit anderweitigen Daten steigert die Eingriffsintensität erheblich. Das Bundesgericht hat betreffend die automatisierte Fahrzeugfahndung jüngst einen schweren Eingriff bejaht, obschon keine biometrischen Daten betroffen waren. Auch das revidierte Datenschutzgesetz setzt für ein sogenanntes «profiling» (genauso wie für die Bearbeitung von biometrischen Daten) eine formell-gesetzliche Grundlage voraus. Internetrecherchen, welche die informationelle Selbstbestimmung tangieren, setzen mithin eine – je nach Intensität – hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage voraus.
Soweit ersichtlich, fehlt es auf allen denkbaren Ebenen an derartigen Rechtsgrundlagen, sowohl für die vorgelagerten Bereiche der polizeilichen und nachrichtendienstlichen Vorermittlung als auch im Strafprozess. Zu Recht wurde darauf hingewiesen, dass sowohl Artikel 95 der Strafprozessordnung (Beschaffung von Personendaten) wie auch Artikel 306 (Aufgaben der Polizei) mangels Bestimmtheit nicht als Rechtsgrundlagen taugen. Die Frage der Zulässigkeit entsprechender Internetrecherchen ist daher zu verneinen.