Fristen einhalten ist im Anwaltsberuf Pflicht. Das kann zu ungeplanten Arbeitseinsätzen am Abend und an Wochenenden führen. Das Zeitmanagement ist ein zentraler Faktor im Anwaltsleben, es beeinflusst die Arbeitszufriedenheit stark. Vom Versuch, Stress zu reduzieren, profitiert auch eine gut ausgelastete Beratungsindustrie. Andy Gilgen, Co-Geschäftsleiter von der Work Smarter AG, veranstaltet Seminare, wie man das Zeitmanagement im Arbeitsalltag verbessern kann. Er konstatiert: «Viele Leute sind dermassen überhäuft mit Arbeit, dass sie nicht einmal mehr Zeit haben, ihre Arbeitsmethoden zu hinterfragen.»
Ein verbreitetes Problem ist es, unangenehme Aufgaben vor sich her zu schieben. Unterlagen immer wieder sichten verschlingt Zeit – und doch wird nichts erledigt. Gilgen empfiehlt das «Sofort-Prinzip». Das heisst: Bei jedem Dokument oder E-Mail entscheidet man sofort, ob man es wegwirft oder behält. Anwälte sollten aber die Aufbewahrungspflicht berücksichtigen.
Im zweiten Schritt erledigt man laut Gilgen alles sofort, was weniger als drei Minuten dauert. Dazu gehört auch, etwas zu delegieren oder abzulegen. Dauert die Sache länger, trägt man den Zeitpunkt der definitiven Erledigung im Wochenplan ein.
Ein Zeitfresser sind Störungen während der Arbeit – etwa durch Telefonanrufe, Bürokollegen oder eingehende E-Mails. Sich in eine angefangene Arbeit wieder hineinzudenken, kann laut Gilgen bis zu zwanzig Minuten dauern. Es lohnt sich, täglich für mindestens ein bis zwei Stunden störungsfreie Zeit zu sorgen. Was dabei hilft:
- Keine Telefonate annehmen, Eingangssignale von E-Mails, Chats und Internetplattformen ausschalten.
- Den Arbeitsplatz frei halten. Auf dem Pult sollten sich nur Dokumente und Bücher befinden, die das Mandat betreffen. Dasselbe gilt digital, das Schliessen von Internetbrowserfenstern hilft gegen Ablenkung.
Im Wochenplan 40 Prozent Zeitreserve frei halten
Gilgen empfiehlt, jeweils am Freitag die folgende Woche zu planen. Dabei sollte man nicht die gesamte Zeit verplanen, sondern Zeit für dringende unvorhergesehene Aufgaben frei halten. Seine Faustregel: Nicht mehr als 60 Prozent der Arbeitszeit verplanen. Zudem überprüft man täglich am Vorabend die Planung: fünf Minuten vor Arbeitsschluss aufräumen, eine To-do-Liste für den nächsten Tag machen, die drei wichtigsten Aufgaben markieren. Am nächsten Tag mit der wichtigsten Aufgabe auf der Liste starten.
Wer Prioritäten setzt, arbeitet effizienter. Nur was wichtig ist, erledigt man selber – Dringendes sofort. Nicht Dringendes plant man im Terminkalender ein. Unwichtiges, das aber dringend ist, delegiert man an Mitarbeiter oder das Sekretariat. Pendenzen, die weder wichtig noch dringend sind, erhalten eine tiefe Priorität.
Bei Anwälten beliebt ist laut Gilgen die sogenannte Pomodoro-Technik: Man macht eine Liste mit den Aufgaben, geordnet nach Dringlichkeit. Dann stellt man einen Timer auf 25 Minuten und arbeitet in dieser Zeit konzentriert an einer Aufgabe. Es folgen fünf Minuten für eine Pause oder um etwas anderes zu erledigen. Hat man das vier Mal gemacht, legt man eine Pause von 15 bis 20 Minuten ein.
Fristendruck, komplexe oder tragische Fälle lassen manche Anwälte in der Freizeit nicht los, was zu Stress führen und sogar krank machen kann. Der Berner Rechtsanwalt Max Berger sagt: «Effizienz war nie mein Problem, ich konnte aber in der Freizeit nicht gut abschalten.» Das habe ihm zugesetzt. Berger wendet inzwischen die von einem US-Medizinprofessor entwickelte Entspannungsmethode «Stressbewältigung durch Achtsamkeit» (MBSR) an. Dabei lernt man, ohne zu urteilen im gegenwärtigen Augenblick zu sein. «Die Gedanken an die Arbeit lasse ich nun im Büro und bin zu Hause ganz Vater und Ehemann.»
Stressabbau ist auch mit autogenem Training möglich, einer von einem Berliner Psychiater entwickelten Selbsthypnose. Wiederholtes Vorsagen von Gedankenformeln versetzt Körper und Psyche in einen Entspannungszustand. Autogenes Training hilft gegen Schlafprobleme und steigert die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit.