1. Allgemeiner Teil
1.1 Revision bei veränderten Verhältnissen
Im Bereich des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) sind einige Urteile zur Frage der veränderten Verhältnisse und der Revision im Sinne von Artikel 17 ATSG gefällt worden. So wurde eine Verschlechterung der Herzleistung, konkret einer linksventrikulären Auswurffraktion (LVEF), als Revisionsgrund nach Artikel 17 ATSG anerkannt.1
Der regionale ärztliche Dienst (Rad) hatte auf eine unveränderte Restarbeitsfähigkeit postuliert, da trotz der Verschlechterung weiterhin eine mittelschwere Funktionsbeeinträchtigung vorliege.2 Das Bundesgericht hob diese Beurteilung auf und wies die Sache zur Prüfung einer Verschlechterung zurück.
Bemerkenswert ist auch ein Urteil, das ein «früher nicht gezeigtes Verhalten» als eine relevante Tatsachenänderung anerkennt, worunter dann eine Aggravation oder eine ähnliche Konstellation subsumiert wurde.3
Das Bundesgericht präzisierte zudem den massgeblichen Zeitpunkt der Zumutbarkeit der Selbsteingliederung. Bei der Zusprechung von Renten gilt der Grundsatz «Eingliederung vor Rente». Entsprechend gilt bei Rentenaufhebungen der Grundsatz «Eingliederung vor Rentenaufhebung».
Grundsätzlich geht das Invalidenversicherungsrecht von der Selbsteingliederungspflicht der Versicherten aus. Eingliederung vor Rentenerhöhung gilt auch bei rückwirkender Zusprache einer in der Höhe abgestuften oder zeitlich befristeten Invalidenrente. Bei der Frage der zumutbaren Selbsteingliederung (welche nach der Rechtsprechung nur bis zum Erreichen des 55. Altersjahres gilt) ist auf den Zeitpunkt der Revisionsverfügung abzustellen.4
1.2 Verwirkung und Verjährung
In zwei Urteilen beschäftigte sich das Bundesgericht mit Verwirkungsfragen und hielt fest, dass eine vom ATSG abweichende Verwirkungsregelung für kantonale Leistungen und Rückforderungen zulässig ist.5 Die Durchführungsstelle für Zusatzleistungen AHV/IV der Gemeinde Pfäffikon ZH forderte von einem Erben während rund 20 Jahren rechtmässig bezogene kantonale Beihilfen und Zuschüsse gestützt auf das Zusatzleistungsgesetz ZH zurück.
Der Beschwerdeführer machte geltend, diese vom ELG und damit vom ATSG abweichende Verjährungsregelung sei nicht zulässig. Das Bundesgericht verwies auf Artikel 2 Absatz 2 ELG, welches die Kantone ausdrücklich ermächtigt, die Zuschüsse eigenständig zu regeln. Diese Befugnis erstreckt sich auch auf die Rückforderung von gestützt auf kantonales Recht ausgerichteten Unterstützungsbeiträgen und deren Verjährung.6
Das Bundesgericht schützte mit Hinweis auf Urteil 8C_805/2019, das die die sogenannte «Lokomotivverjährung» als bundesrechtskonform einstufte, somit die Rückforderung für vor über 20 Jahren bezahlte Leistungen.7
Bei der Vollstreckung rechtskräftig festgesetzter sozialversicherungsrechtlicher Forderungen und Leistungen gilt zweigübergreifend eine Verwirkungsfrist von zehn Jahren, falls das Einzelgesetz keine andere Regelung enthält. Zur Wahrung der Frist genügen im Sozialversicherungsrecht alle Akten, namentlich einfache schriftliche Erklärungen, mit denen die Forderung gegenüber dem Schuldner in geeigneter Weise geltend gemacht wird.8
1.3 Kriterien für eine Wiedererwägung
Ein Dauerbrenner war im letzten Jahr die Wiedererwägung nach Artikel 53 Absatz 2 ATSG. Die Zulässigkeit der Wiedererwägung mangels Erfüllung der versicherungsmässigen Voraussetzungen wurde bejaht.9 Im konkreten Fall ging es nicht um eine Überprüfung des Rentenanspruchs, sondern um die ursprüngliche Rentenverfügung. Eine spätere Erfüllung der in Artikel 6 Absatz 2 IVG verankerten versicherungsmässigen Voraussetzungen für ausländische Staatsangehörige fällt insoweit ausser Betracht.10 Die fehlende Befristung der Wiedererwägung verletzt Artikel 53 Absatz 2 ATSG nicht.11 In der Unfallversicherung wurde die wiedererwägungsweise Aufhebung einer Invalidenrente als zulässig erachtet.12
Die 1951 geborene Beschwerdeführerin erlitt mit 43 Jahren ein Schleudertrauma. Die Versicherung sprach eine Invalidenrente aufgrund eines Invaliditätsgrads von 25 Prozent und eine Integritätsentschädigung von 25 Prozent zu. Im Oktober 2020 hob die Versicherung die Verfügung wiedererwägungsweise auf. Bei der vergleichsweisen Zusprache der Rente sei seinerzeit die Adäquanzprüfung unterlassen worden. Das stelle eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes und eine offensichtliche Unrichtigkeit dar.
Das Bundesgericht schützte diesen Standpunkt, da sich weder aus der Verfügung noch aus den übrigen Akten eine explizite oder implizite Adäquanzprüfung ergebe. Beim Widerruf war die Versicherte 69 Jahre alt. Das Bundesgericht verneinte eine analoge Anwendung von Artikel 22 UVG, wonach die Unfallversicherungsrente nach Erreichen des Rentenalters nicht mehr revidiert werden kann. Der klare Wortlaut der Bestimmung beziehe sich nur auf Revisionen nach Artikel 17 ATSG, nicht auf Wiedererwägungen.13
Bemerkenswert: Das Bundesgericht betont in Erwägung 8, die Rechtmässigkeit der Rentenaufhebung ändere nichts daran, dass das Vorgehen der Versicherung nach der fälschlicherweise unterlassenen Adäquanzprüfung «fragwürdig erscheint».
Es sei daran erinnert, dass der Entscheid über eine Wiedererwägung im Sinne von Artikel 53 Absatz 2 ATSG beim Fehlen von Revisionsgründen im alleinigen Ermessen des Versicherungsträgers liegt.14 Ein bedachtsamer Umgang mit dem Institut der Wiedererwägung wäre deshalb ratsam.
Zur Revision im Sinne von Artikel 53 Absatz 1 ATSG entschied das Bundesgericht, dass die Revisionsfrist nicht zwingend mit dem Zeitpunkt des revisionsbegründenden Strafurteils beginnt, sondern erst mit dem Ergebnis der in Folge vorgenommenen Analyse der im Strafurteil berücksichtigten Sachverhaltselemente.15
1.4 Verfahrensrecht
1.4.1 Parallelverfahren
Verschiedentlich hatte das Bundesgericht verfahrensrechtliche Fragen zu entscheiden. Allgemein ist beachtlich, dass bei Parallelverfahren in jedem Verfahren die vollständigen Akten beigezogen werden müssen.16 In zwei hängigen Parallelverfahren vor kantonaler Instanz reichte die Invalidenversicherung die Akten in einem Verfahren ein.
Das Gericht erliess das Urteil, ohne die Beschwerdeführerin dazu einzuladen, die Akten einzusehen. Die Anfrage der Beschwerdeführerin, ob es mehrere Dossiers gebe und ihr Verlangen nach Kopien ist laut Bundesgericht ein ausreichender Antrag nach Akteneinsicht. Dass dem Antrag nicht entsprochen wurde, verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör, weshalb die Angelegenheit ans kantonale Gericht zurückgewiesen wurde.
1.4.2 Rechtliches Gehör
Es verletzt das rechtliche Gehör, wenn sich die Vorinstanz zu einem Beiladungsgesuch nicht äussert. Das vorinstanzliche Urteil ist aufzuheben.17 Ebenso ist das vorinstanzliche Urteil aufzuheben, wenn von einem Gerichtsgutachten abgewichen wird, ohne Ergänzungsfragen zu stellen.18
Die Beschwerdeführerin verunfallte ein erstes Mal während der Versicherungsdauer bei der Swica (Juli 2009 bis Februar 2011) und verletzte sich an der Schulter. Im Rahmen einer späteren Tätigkeit als Hauswartin stürzte sie erneut auf die Schulter – diesmal war sie bei der Zurich versichert. Umstritten war, welche Versicherung nun zuständig war.
Die Vorinstanz veranlasste ein Gutachten, das eine richtunggebende Verschlimmerung postulierte. Im kantonalen Verfahren reichte die Zurich eine widersprechende vertrauensärztliche Beurteilung ein und entschied in Abweichung des gerichtlichen Gutachtens. Gemäss Bundesgericht ist die vertrauensärztliche Kritik nicht von der Hand zu weisen. Doch ihr kommt geringere Beweiskraft zu, zumal sie nicht auf den Originalakten beruht. Indem das kantonale Gericht weitere medizinische Abklärungen unterliess, verletzte es den Untersuchungsgrundsatz. Das Bundesgericht wies die Sache zu weiteren Abklärungen zurück.
1.4.3 Zustellung
Das Bundesgericht stellte klar, dass Zustellungen per A-Post plus zulässig sind. Im Sozialversicherungsverfahren bestehen keine Vorschriften, wie die Versicherungsträger Verfügungen zustellen müssen. Der Versand eines Einspracheentscheids mit A-Post plus ist nicht zu beanstanden.19 Zustelllungsfehler sind bei A-Post plus nicht ausserhalb jeder Wahrscheinlichkeit. Eine fehlerhafte Zustellung ist jedoch nur anzunehmen, wenn sie aufgrund der Umstände plausibel erscheint.20
2. Alters- und Hinterlassenenversicherung
2.1 Versicherungspflicht
Wegweisend ist die Einordnung von Uber-Fahrdiensten. Uber-Fahrer sind sozialversicherungsrechtlich als Unselbständigerwerbende einzustufen.21 In Erwägung 6 ordnet das Bundesgericht die Plattformarbeit rechtlich ein. Die konkrete Würdigung der Einordnung der Fahrer als Unselbständigerwerbstätige erfolgt in Erwägung 7, Erwägung 9 erläutert die Arbeitgebereigenschaft.
Ein neuer Brennpunkt ist die Abgrenzung zwischen selbständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit. Dazu drei Beispiele:
Prostitution kann in der Schweiz sowohl in selbständiger wie auch in unselbständiger Form ausgeübt werden.22 Steuerrechtliche Einschätzungen eines bestimmten Einkommens präjudizieren die beitragsrechtliche Qualifikation der AHV nicht.23 Das Bundesgericht beurteilte auch die Frage der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gegenüber einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung.24
Eine Dozententätigkeit war durch verschiedene Kriterien gekennzeichnet, die im konkreten Fall für eine unselbständige Erwerbstätigkeit sprachen. Insbesondere wurde der Unterricht regelmässig erteilt, zudem bestand eine grosse arbeitsorganisatorische Abhängigkeit.25
Ein Ingenieur war im konkreten Fall wirtschaftlich und arbeitsorganisatorisch weit mehr von den Aufträgen der als Arbeitgeberin eingestuften Person abhängig, als dass er ein eigenes Unternehmerrisiko trug.26
2.2 Schadenersatz des Arbeitgebers
Ein Thema, zu dem das Bundesgericht alljährlich Urteile fällt, ist die Haftung des Arbeitgebers nach Artikel 52 AHVG. Dabei wurde die Schätzung der Lohnsumme als zulässig erachtet.27 Vorliegend war der Beschwerdeführer aus der Gesellschaft ausgeschieden und hatte nur noch teilweise Einfluss auf die Meldung von AHV-Lohndaten.
Das Bundesgericht statuierte zudem, dass ein strafrechtliches Verhalten von Drittpersonen die adäquate Kausalität unterbrechen kann.28 Bei der Verjährung des Verantwortlichkeitsanspruchs ist auf die Übergangsbestimmung (Artikel 49 Schlusstitel ZGB) abzustellen.29 Die längere Verjährungsbestimmung kommt zur Anwendung, wenn bei Inkrafttreten der neuen Regelung die bisherige kürzere Verjährung noch nicht eingetreten ist.30
3. Invalidenversicherung
3.1 Beginn der Rente
Das Bundesgericht thematisierte mehrfach die Frage des invalidisierenden Charakters eines Gesundheitsschadens. Eine Vorinstanz entschied, nach Ablauf des Wartejahres reiche eine Arbeitsunfähigkeit zur Begründung eines Rentenanspruches trotz des Wortlauts von Artikel 4 Absatz 1 und Artikel 28 Absatz 2 litera c IVG sowie Artikel 8 UVG nicht aus. Gemäss Bundesgericht entschied der Gesetzgeber bewusst, dass eine Invalidenrente nur entstehen kann, wenn nach einem Wartejahr eine rentenbegründende Erwerbsunfähigkeit vorliegt.31
In tatsächlicher Hinsicht ging es darum, ob bei einem Versicherten ein Suchtmittelentzug als zumutbare Massnahme verlangt werden kann. Die IV-Stelle ging davon aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Abstinenz in einer Hilfsarbeit voll einsetzbar wäre. Er brauche zum Absetzen der Suchtmittel weder ärztliche Hilfe noch eine Therapie.
Diesen Standpunkt schützte das Bundesgericht. Es verneinte sogar die Notwendigkeit eines Mahn- und Bedenkzeitverfahrens nach Artikel 21 Absatz 4 ATSG, da der Versicherte durch eine «soziale Fachstelle D.» vertreten war und keinerlei Eigenanstrengungen zeigte.32
3.2 Medizinische Dauerbehandlungen
Das Bundesgericht stellte in einem anderen Fall klar, dass ein invalidisierender Gesundheitsschaden trotz Dauerbehandlung ausgewiesen sein kann.33 Die an Zwangsstörungen, Untergewicht und Mangelernährung leidende Versicherte beantragte eine Psychotherapie als medizinische und berufliche Massnahme. Die Invalidenversicherung verneinte den Anspruch, weil es sich um eine Dauerbehandlung handle.
Das kantonale Gericht hob die Verfügung auf, das Bundesgericht bestätigte den Entscheid. Die Annahme der Vorinstanz, es handle sich nicht um eine Dauertherapie, verstosse nicht gegen Bundesrecht. Die Therapie habe zwei Jahre gedauert und Forschritte bewirkt. Die Versicherte sei wieder zur Schule gegangen und aus der Tagesklinik ausgetreten.
Anders beurteilte das Bundesgericht eine Anpassungsstörung in einer Mobbingsituation. Medizinisch gesehen sei diese Störung per definitionem zeitlich begrenzt. Sie falle daher ausser Betracht als langdauernde und damit potenziell invalidisierende Krankheit.34 Im konkreten Fall sei die ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit durch das Mobbing erklärbar.35
3.3 Wiedereingliederung
Im Zusammenhang mit Wiedereingliederungen konkretisierte das Bundesgericht, wann vom Mindestinvaliditätsgrad von 20 Prozent für eine Umschulung abgewichen werden kann. Ein 1976 geborener Elektroinstallateur meldete sich wegen verschiedener Beschwerden bei der Invalidenversicherung an. Die angestammte Tätigkeit war nicht mehr möglich. In einer Verweistätigkeit (leicht bis gelegentlich mittelschwer, wechselbelastend) wurde von einer 100-prozentigen Arbeitsfähigkeit ausgegangen und der Invaliditätsgrad auf 12 Prozent festgelegt.
Die IV verweigerte eine Rente und eine Umschulung. Die Vorinstanz verpflichtete die IV aber zur Übernahme der Umschulung mit der Begründung, die Erwerbsphase werde noch 21 Jahre dauern.
Das Bundesgericht hielt fest, der Schwellenwert von 20 Prozent sei keine absolute Erheblichkeitsgrenze.36 Die Kriterien zum Abweichen seien vorliegend aber nicht erfüllt, da der Versicherte nicht mehr jung sei. Triftige Gründe für eine Rechtsprechungsänderung lägen keine vor.37
3.4 Invaliditätsbemessung
3.4.1 Einkommen
Aus den zahlreichen Urteilen zum Einkommensvergleich und Invaliditätsgrad fielen im vergangenen Jahr folgende Entscheide auf:
Versicherte dürfen sich nicht mit einem Einkommen begnügen, das tiefer ist als jenes, das sie aufgrund des verbleibenden Rendements zumutbarerweise erzielen könnten. Vorausgesetzt ist, dass die Einkünfte im Rahmen eines stabilen Arbeitsverhältnisses erzielt werden. Lohnbestandteile, für die Versicherte keine Gegenleistung erbringen können, zählen nicht zum massgebenden Einkommen.38
Bestehen Einschränkungen bei praktisch allen Körperhaltungen und beim Heben und Tragen von mehr als drei Kilogramm, wäre ein unrealistisches Entgegenkommen eines Arbeitgebers erforderlich.39
Bei der Bestimmung des Invaliditätsgrads bei hypothetischer Teilerwerbstätigkeit ohne Aufgabenbereich erfolgt ein reiner Einkommensvergleich. Macht konkret eine versicherte Person geltend, ohne gesundheitliche Beeinträchtigung hätte sie nur Teilzeit gearbeitet, um Zeit für ihre Hunde zu haben, ist sie bezüglich Hundehaltung nicht im Aufgabenbereich tätig.40
3.4.2 Assistenzbeiträge
Als publikationswürdig erachtete das Bundesgericht den Entscheid, wonach das sogenannte Fakt2-Abklärungsinstrument für den Assistenzbeitrag nur teilweise zur Ermittlung des Hilfsbedarfs geeignet sei.41 BGE 140 V 543 bejahte die Beweiskraft eines auf Fakt2 beruhenden Abklärungsberichts.42
Vorliegend beanstandete die Beschwerdeführerin, das Fakt2-Blatt sei für sie als Paraplegikerin mit Kindern zur Ermittlung des Hilfsbedarfs bei der Erziehung und Kinderbetreuung nicht geeignet. Das Bundesgericht präzisierte seine Rechtsprechung nun dahingehend, dass Fakt2 zur Ermittlung des Hilfsbedarfs in der Erziehung und der Kinderbetreuung ungeeignet ist.
4. Unfallversicherung
4.1 Unfallbegriff
4.1.1 Diskushernie
Das Bundesgericht beschäftigte sich im vergangenen Jahr auch verschiedentlich mit dem Unfallbegriff.Ein Beschwerdeführer stürzte rücklings von einem Hoverboard (zweirädriges Rollbrett mit Elektroantrieb) und schlug mit dem Hinterkopf auf. Streitig war, ob die festgestellte Diskushernie unfallkausal war. Das Bundesgericht wies darauf hin, dass Diskushernien in aller Regel nicht unfallkausal sind. Die gemäss Bundesgericht «advokatisch anmutenden Schreiben» eines Professors vermöchten keine Zweifel an der Beurteilung der Versicherungsärzte zu wecken.43
4.1.2 Verletzung ohne Sturz
Eine Versicherte zog sich bei einer Fahrt mit dem Mountainbike an der Schulter eine Verletzung zu. Zum Sturz kam es nicht. Das abrupte Blockieren des Vorderrads hatte aber heftige Schläge auf die Arme und die Schulter der Versicherten bewirkt. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz wurde ein Unfallereignis verneint mit Hinweis auf die Praxis zu Schlaglöchern auf Biketouren, die nicht als ungewöhnlich gelten.44
Das Bundesgericht hielt angesichts unterschiedlicher Meinungen von Orthopäden fest, es entscheide nicht Expertenstreite, sondern beurteile den Einzelfall.45
4.1.3 Operationsrisiko
Wenn sich bei einer Operation ein statistisch seltenes Risiko verwirklicht und der Eingriff lege artis im Rahmen des medizinisch Üblichen erfolgte, sind die Kriterien des Unfallbegriffs nicht erfüllt.46
4.1.4 Berufskrankheiten
Bei Berufskrankheiten kann als massgebliche Expositionsdauer nur diejenige Zeit angerechnet werden, in der jemand obligatorisch versichert war.47 Zu beurteilen war eine Überstreckung der Schulter.48 Unbestrittenermassen lag eine unfallähnliche Körperschädigung vor. Im konkreten Fall wurde aber eine vorwiegend degenerative Verursachung des Schulterschadens bejaht und die Beschwerde abgewiesen.
Bei der Beurteilung der Kausalität nach einem Gehörtrauma ist zwischen Tinnitus und anderen Gehörschädigungen zu unterscheiden. Das Zertrennen eines Metallstabes verursachte ein Geräusch, das einer kleinen Explosion glich und es wurde ein hohes Pfeifen erzeugt. Der Beschwerdeführer erlitt eine Hörminderung und einen Tinnitus, klagte über Schwindelstress, Angst- und Einschlafstörungen, Brust- und Rückenschmerzen.
Die Suva und die Vorinstanz verneinten den adäquaten Kausalzusammenhang. Das Bundesgericht hielt fest, dass bei einem Tinnitus, der nicht auf organisch bedingte Gesundheitsschäden zurückzuführen oder objektivierbar ist, die Adäquanzprüfung gemäss psychischen Störungen zur Anwendung kommt.49
Die Adäquanz der Tinnitusbeschwerden wurde laut Bundesgericht zu Recht verneint. Im Zusammenhang mit der beantragten Integritätsentschädigung wurde die Sache jedoch an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen mit dem Hinweis, dass die Suva aufgrund der Hörminderung verpflichtet gewesen wäre, die Leistungen zu erbringen.
4.1.5 Unfall nach Unfall
Zu Reaktionen in der Lehre hat ein Urteil zur Adäquanz eines zweiten versicherten Ereignisses geführt.50 Der Beschwerdeführer war nach einem Sturz auf der Baustelle im Jahr 1989 auf einen Rollstuhl angewiesen. Im Jahr 2019 blieb er beim Rückwärtsfahren mit dem Rollstuhl an einer Bettkante hängen und stürzte mit der linken Schulter auf den Boden, was zu Sehnenrissen führte. Umstritten war, inwieweit das Ereignis im kausalen Zusammenhang zum Unfall aus dem Jahr 1989 stand.
Das Bundesgericht referierte eine altrechtliche, mit dem Urteil in Sachen Biel vom 15. Januar 1919 begründete Praxis, die eine Kausalität unter gewissen Bedingungen bejaht. Es warf aber die Frage auf, ob nicht eher eine Adäquanzprüfung wie bei organisch nicht hinreichenden Unfallfolgen erfolgen sollte oder eine solche nach allgemeiner Adäquanzformel. Die Frage wurde offengelassen und die Adäquanz mangels erhöhter Unfallgefahr verneint, weil sich der Unfall im Wohnbereich ereignete und nicht etwa beim Bergabfahren.
4.1.6 Adäquanz
Ein wichtiges Kriterium bei der Adäquanz ist die Sturzhöhe.51 Stürze zwischen zwei und vier Metern gelten als mittelschwer im engeren Sinne (nicht an der Grenze zu schweren Unfällen). Massgeblich für die Ermittlung der Sturzhöhe ist der Abstand der Füsse bezüglich der tragenden Fläche vom Boden zur Fläche, auf welche ein Versicherter stürzt (und nicht der Abstand vom Kopf).52
Verminderte Belastbarkeit und Reizbarkeit sind keine körperlichen Dauerschmerzen.53
4.2 Leistungsbemessung
4.2.1 Rente
Das Bundesgericht hat das Verhältnis von Artikel 18 Absatz 2 UVG und Artikel 28 Absatz 4 UVV (mittleres Alter) zur Frage des Abzugs vom Tabellenlohn wegen des fortgeschrittenen Alters geklärt. Es entschied, dass für die Bemessung des Invaliditätsgrads kurz vor dem Rentenalter ausschliesslich Artikel 28 Absatz 4 UVV zur Anwendung kommt und ein Abzug vom Tabellenlohn zufolge fortgeschrittenen Alters ausser Betracht fällt.54
Dem Urteil lag der Sachverhalt zugrunde, dass ein Spital seinen Angestellten ein Betreuungsangebot (Kinderkrippe) zur Verfügung stellte und sich je nach Einkommen teils an den Betreuungskosten finanziell beteiligte. Gemäss Bundesgericht gelten diese Beiträge als Entgelt für in unselbständiger Stellung geleistete Arbeit (Artikel 5 Absatz 2 erster Satz AHVG). Um Haushalts- oder Familienzulagen im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 litera f AHVV handelt es sich nicht, da bei solchen nicht nach dem elterlichen Einkommen differenziert werden kann.
4.2.2 Hilfsmittel
Das Bundesgericht entschied, welche Hilfsmittel ein querschnittgelähmter Anwalt benötigt. Der Beschwerdeführer erlitt 2006 einen Motorradunfall mit Querschnittlähmung und erhielt einen manuellen Rollstuhl.
2019 wurde ihm eine leichte Hilflosenentschädigung wegen Schulterproblemen zugesprochen. 2021 beantragte er die Übernahme eines elektrischen Antriebssystems für den Rollstuhl als Hilfsmittel, da ihm das Rollstuhlfahren Schulterbeschwerden bereite. Er müsse als Anwalt regelmässig zu Terminen in seine Kanzlei und zum Kantonsgericht, wo er als beisitzender Richter arbeite.
Das Bundesgericht befand, ein Rollstuhl mit Elektromotor werde nur in Ausnahmefällen gewährt. Der Anwalt könne einen Kilometer mit dem manuellen Rollstuhl zurücklegen.55 Seine Kanzlei liege in dieser Distanz, die Schule der Kinder ebenso. Die selbständige Mobilität sei somit gewährleistet. Die Kosten eines elektrischen Rollstuhls sind nicht zu übernehmen.
4.2.3 Deckungsfragen
Ein bemerkenswertes Urteil zu Deckungsfragen erging in französischer Sprache.56 Die beschwerdeführenden Eheleute bewirtschafteten einen Bauernhof mit Gaststätte. Sie schlossen mit der Swica einen Versicherungsvertrag ab. Als «Art des Unternehmens» wurde ein Gasthaus aufgeführt. 2018 verunfallte der Ehemann tödlich, als er mit dem Traktor vom Hof wegfuhr.
Die Unfallversicherung verneinte die Deckung, weil nur der Gastbetrieb versichert sei. Die Witwe wandte sich erfolgreich ans kantonale Gericht, das die Swica zu Leistungen verurteilte.
Das Bundesgericht schützte das kantonale Urteil mit der Begründung, dass als «Métairie» (Meierei), was so in der Police vermerkt sei, ein Bergbauernhof bezeichnet wird, der Verpflegung anbietet. Ein Unfallversicherer habe aufgrund seiner Beratungspflicht umfassende Abklärungen vorzunehmen und den Betrieb zu beraten, wenn er ihn nach Artikel 69 UVG versichert.57 Sobald die Versicherung vereinbart und die Prämien erhoben werden, kann die Versicherungsdeckung nicht mehr zurückgekommen werden.
5. Arbeitslosenversicherung
5.1 Versicherungspflicht
5.1.1 Tätigkeit im Ausland
Das Bundesgericht befasste sich mit der Anrechnung von ausländischen Beitragszeiten.58 Eine Beschwerdeführerin war zuletzt an einem Schweizer Gericht angestellt und wurde arbeitslos.
Umstritten war, ob bei der Erfüllung der Beitragsrahmenfrist ein am internationalen Gericht in den Niederlanden absolviertes unentgeltliches Praktikum eine Versicherungszeit darstellt. Damals wurde bei der Versicherten ein Zwischenverdienst abgerechnet. Ein tragendes Prinzip des Freizügigkeitsrechts der EU ist die Totalisierung der in Mitgliedsstaaten erworbenen Versicherungs- und Beschäftigungszeiten.59
Die Versicherungszeiten sind zusammenzurechnen. Zuständig für die Ausrichtung von Arbeitslosentaggeldern ist der Mitgliedsstaat, in dem die versicherte Person unmittelbar vor Eintritt der Arbeitslosigkeit durch unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit arbeitslosenversicherungsrechtlich relevante Zeiten zurückgelegt hat. Im zu beurteilenden Fall beantwortete der niederländische Träger die Anfrage der Arbeitslosenkasse betreffend Bescheinigung von Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten mangels Angabe der «Burger Servicenummer» nicht.
Darauf nahm die Arbeitslosenkasse keine weiteren Abklärungen vor und vereinte die Beitragszeit. Das Bundesgericht sah darin eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes und wies die Sache zu weiteren Abklärungen an die Arbeitslosenkasse zurück.60
5.1.2 Nebentätigkeit
Ein weiterer Entscheid betraf die Abgrenzung von Zwischenverdienst zur Nebentätigkeit im Rahmen eines politischen Amts.61 Der Beschwerdeführer war Mitglied eines Kantonsparlaments. Er wurde arbeitslos und bezog Arbeitslosentaggelder. Während des Taggeldbezugs deklarierte er das Einkommen im Grossen Rat nicht. Die Arbeitslosenversicherung forderte Geld zurück und machte einen Zwischenverdienst geltend.
Das Bundesgericht wies auf die Unterscheidung zwischen Zwischenverdienst und Nebenverdienst hin.62 Weil das Grossratsmandat schon lange neben der 100-prozentigen Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde und die Anzahl der Sitzungen vom Ratsmitglied nicht beeinflusst werden könne, dürfe auch bei vermehrten Sitzungstaggeldern keine Einkommenssteigerung angenommen werden, die zur Annahme eines Zwischenverdienstes führen würde.
Entschädigungen für Mitglieder des Parlaments sind AHV-pflichtiges Einkommen.63 Werde ein erheblicher Verdienst erzielt, seien die Einnahmen als Zwischenverdienst abzurechnen. Wenn die Parlamentstätigkeit im Vergleich einzelner Jahre schwanke, sei hingegen keine Pensumssteigerung zu erblicken.64
5.2 Kurzarbeit
Als Nachwehen der Corona-Pandemie finden sich in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung weiterhin regelmässig Urteile zur Kurzarbeitsentschädigung. Bei Geltendmachung des Anspruchs auf Kurzentschädigung muss der Arbeitgeber innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Abrechnungsperiode den Entschädigungsanspruch erheben.65 Dabei handelt es sich um eine Verwirkungsfrist.66
Während der Covid-19-Pandemie wurden diese Fristen mehrfach geändert. Das Seco erliess Weisungen bezüglich der Verwirkungsfrist, welche nicht gesetzeskonform waren. Die Beschwerdeführerin berief sich auf eine falsche Auskunft der Arbeitslosenkasse gegenüber einem Treuhänder im Mai 2020 und beantragte, die Gesprächsteilnehmer als Zeugen zu befragen.
Das Gericht wies den Antrag ab mit der Begründung, dass höchstwahrscheinlich jede Partei auf ihrer Position beharren werde. Hinzu komme, dass der Betroffenen mitgeteilt worden sei, dass ihr Antrag verspätet eingereicht worden war. Sie habe aber darauf nicht sofort reagiert, sondern über einen Monat zugewartet. Der geltend gemachte Vertrauensschutz wurde vor diesem Hintergrund verneint.
Ein Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung kann gemäss einem anderen Entscheid über eine IT-Zustellungsplattform angemeldet werden, doch handelt es sich dabei um eine empfangsbedürftige Willenserklärung.67 Der Absender einer E-Mail ist gehalten, vom Empfänger eine Empfangsbestätigung zu verlangen. Dasselbe gilt gemäss Bundesgericht für das elektronische Hochladen des Antrags auf Kurzarbeitsentschädigung auf die Zustellplattform Arbeit.swiss.68
6. Berufliche Vorsorge
6.1 Waisenrenten
In BGE 148 V 334 war zu klären, ob die in Artikel 25 Absatz 5 AHVG und Artikel 49bis AHVV vorgesehene Regelung, wonach Waisenrenten entfallen, wenn das Einkommen eines Waisen die Einkommenslimite der maximalen AHV-Rente übersteigt, auch in der beruflichen Vorsorge angewendet werden kann.
Das Bundesgericht befand, dass ein über 18-jähriger Waise in Ausbildung, dessen Einkommen über der maximalen AHV-Rente liegt, trotzdem einen Rentenanspruch gegenüber der Pensionskasse hat. Es begründete dies damit, dass Sinn und Zweck der AHV die Deckung des reinen Lebensbedarfs sei, die berufliche Vorsorge aber einen weitergehenden Bedarf abdecke.
6.2 Massgebliche Steuerperiode beim Einkauf
Ein weiteres Urteil betrifft eine Problematik im Grenzbereich zwischen Vorsorge und Steuerrecht. Eine tragende Säule des Vorsorgerechts ist, dass die Beiträge an die gebundene Vorsorge steuerlich privilegiert sind. Im konkreten Fall ging es um die Zuordnung zur Steuerperiode. Das Bundesgericht entschied, nicht der Zeitpunkt der Einzahlung sei massgeblich, sondern der der Gutschrift auf dem Vorsorgekonto des Steuerpflichtigen.69
6.3 Zuständige Vorsorgeeinrichtung
In einer eher seltenen Konstellation war über die Revision eines kantonalen Urteils zur beruflichen Vorsorge zu entscheiden.70 Nach einer rechtskräftigen bundesgerichtlichen Beurteilung über die Zuständigkeit einer Vorsorgeeinrichtung stellte diese einige Monate nach dem Urteil ein Revisionsgutachten mit der Begründung, es sei eine aktenwidrige erhebliche Tatsache übersehen worden. Die IV-Stelle habe den Beginn des Wartejahrs so festgelegt, dass nicht die Revision beantragende Vorsorgeeinrichtung zuständig sei. Das Bundesgericht sah keinen Revisionsgrund, weil die Unterbrechung des zeitlichen Konnexes auch anders als durch eine Wiedererlangung der Arbeitsunfähigkeit in der angestammten Tätigkeit erfolgen kann.71
7. Krankenversicherung
7.1 Wohnsitz im Ausland
Das Krankenversicherungsrecht knüpft an den Wohnsitz an. Das Bundesgericht bestimmt den Wohnsitz in sozialversicherungsrechtlichen Streitigkeiten auch in internationalen Sachverhalten anhand der Normen des ZGB.72 Artikel 13 Absatz 1 ATSG verweist nicht auf die Normen des IPRG. Im konkreten Fall verfügt die im Strafvollzug stehende Person weder über einen Wohnsitz in der Schweiz, noch liegt ein alternativer Anknüpfungspunkt vor.73
In einem anderen Fall beurteilte das Bundesgericht eine Ausnahme von der Versicherungspflicht. Ein Deutscher war seit 2003 von der schweizerischen Versicherungspflicht befreit. Der Kanton Zürich verweigerte die weitere Ausnahme von der Versicherungspflicht in der Schweiz, zumal der Versicherte nun keinen Grenzgängerstatus mehr hatte.74 Das Bundesgericht entschied sich für eine Unterstellung unter die schweizerische Krankenversicherung.75
7.2 Leistungen im Ausland
Auslandsbehandlungen werden im KVG aufgrund des Territorialitätsprinzips nur ausnahmsweise übernommen, für einen gesichtsfeminisierenden Eingriff besteht keine Versorgungslücke.76 Im Rahmen einer Transsexualität verneinte die Krankenkasse die Leistungspflicht für einen gesichtsfeminisierenden Eingriff in Belgien.77
Das Bundesgericht hielt fest, dass das Krankenversicherungsrecht keinen Anspruch auf die bestmögliche Versorgung im Ausland verleihe. Zudem gebe es in der Schweiz Spezialisten mit einem Erfahrungsstand, der weit über die Behandlung von Transpersonen hinausgehe.
8. Erwerbsersatz
8.1 Ortsüblicher Lohn
8.1.1 Durchdiener im Militär
In einem Urteil zur Höhe der Erwerbsausfallentschädigung konkretisierte das Bundesgericht die Voraussetzungen der Glaubhaftmachung des orts- oder branchenüblichen Lohns.78 Der Beschwerdeführer besuchte nach Erlangen des kaufmännischen Fähigkeitsausweises und einer erweiterten Grundausbildung mit Berufsmatura den Durchdienerdienst. Er beantragte bei der Ausgleichskasse die Entschädigung nach einem orts- und branchenüblichen Jahreslohn von 60'091 Franken.
Die Erwerbsausfallkasse sprach ihm lediglich die Grundentschädigung von 62 Franken pro Tag zu. Er habe das halbe Jahr bis zum Durchdienerdienst mit einem unbezahlten Praktikum überbrückt.79
Das Bundesgericht sah hingegen die Aufklärungspflicht gemäss Artikel 27 ATSG verletzt, da «allgemeine Informationen über die Möglichkeit und die Voraussetzung der Berechnung nach Artikel 1 Absatz 2 litera b EOV kaum verfügbar sind». Somit wurde die Ausgleichskasse verpflichtet, eine Neuberechnung der Taggelder vorzunehmen.
8.1.2 Studienabgänger
Das Gericht hatte einen weiteren Fall zur Anwendung des ortsüblichen Lohns zu beurteilen.80 Der Beschwerdeführer schloss das Bachelor-Studium in Wirtschaftswissenschaften ab und arbeitete neben dem Studium als Aushilfe im Verkauf. Die Ausgleichskasse sprach die Entschädigung basierend auf dem Lohn eines Praktikanten von 2600 Franken aus. Der Beschwerdeführer machte einen ortsüblichen Anfangslohn für Studienabgänger der Wirtschaftswissenschaften von 72 000 Franken geltend.
Das Bundesgericht gelangte zur Auffassung, dass aufgrund des nachdienstlichen Verhaltens davon auszugehen sei, dass der Versicherte trotz Bachelorstudium zuerst ein Praktikum absolviert hätte und der versicherte Verdienst von 2600 Franken deshalb zutreffend sei.
1 BGer 9C_484/2022 vom 11.1.2023.
2 Ebd., E. 4.4.
3 BGer 8C_517/2021 vom 10.6.2022, E. 2.2 und 5.2.
4 BGE 148 V 321, E. 7.3.2.
5 BGer 8C_587/2022 vom 12.1.2023.
6 Ebd., E. 5 mit Hinweis auf 8C_805/2019 vom 6.5.2020, E. 5.3.
7 Ebd., E. 5.4.
8 BGer 9C_29/2022 vom 6.12.2022, E. 4.1.
9 BGer 8C_83/2022 vom 29.6.2022.
10 Ebd., E. 5.1.3.
11 Ebd., E. 5.2.2.
12 BGer 8C_616/2022 vom 15.3.2023.
13 Ebd., E. 7.6 und 7.7.
14 Vgl. BGE 133 V 30 E. 4.1; BGer 8C_414/2021 vom 12.10.2021, E. 4.3 mit Hinweisen.
15 BGer 8C_616/2022 vom 15.3.2023, E. 5.2.1.3.
16 BGer 9C_215/2022 vom 5.1.2023.
17 BGer 9C_343/2021 vom 29.6.2022.
18 BGer 8C_692/2022 und 8C_702/2022 vom 2.5.2023.
19 BGer a/2022 vom 15.12.2022, E. 4.5.
20 Ebd., E. 4.5.
21 BGer 9C_70/2022 und 9C_76/2022 vom 16.2.2023.
22 BGer 9C_94/2022 vom 16.8.2022, E. 2.2.
23 Ebd., E. 2.3.
24 Ebd., E. 3.
25 BGer 9C_552/2021 vom 25.8.2022, E. 7 und E. 8.
26 BGer 9C_159/2022 und 9C_160/2022 vom 14.9.2022, E. 4.
27 BGer 9C_437/2022 vom 19.12.2022.
28 BGer 9C_137/2022 vom 14.7.2022.
29 BGer 9C_429/2023 vom 3.11.2022, E. 5.1.1.
30 Ebd., E. 5.1.2.
31 BGE 148 V 397, E. 6.2.2.
32 Ebd., E. 7.2.3.
33 BGer 9C_300/2022 vom 26.1.2023.
34 BGer 9C_436/2022 vom 26.1.2023, E. 3.2.1.
35 Ebd., E. 3.2.2.
36 BGer 9C_15/2022 vom 19.12.2022, E. 6.
37 Ebd., E. 6.4.2.
38 BGer 8C_4/2023 vom 2.3.2023, E. 5.4.
39 BGer 9C_21/2022 vom 15.6.2022, E. 3.2.3.
40 BGer 8C_804/2021 vom 1.6.2022, E. 4.2.2 und E. 4.3.4.
41 BGE 148 V 408.
42 BGE 140 V 543, E. 3.2.2.
43 BGer 8C_467/2022 vom 3.1.2023.
44 BGer 8C_305/2022 vom 13.4.2023, E. 5.2 mit Hinweis auf SVR 2021 UV Nr. 28 S. 132, BGer 8C_534/2020 vom 17.2.2021, E. 4.2.
45 Ebd., E. 5.3.1.
46 BGer 8C_688/2021 vom 8.6.2022, E. 5.3.
47 BGer 8C_71/2022 vom 17.8.2022.
48 BGer 8C_25/2023 vom 24.4.2023.
49 BGer 8C_400/2022 vom 21.12.2022, E. 4.1.2.
50 BGE 148 V 356.
51 BGer 8C_596/2022 vom 11.1.2023.
52 Ebd., E. 4.4.1.
53 Ebd., E. 4.5.5.
54 BGE 148 V 419, E. 8.
55 BGer 8C_254/2022 vom 3.2.2022, E. 3.2 und 4.3.
56 BGer 8C_419/2022 und 8C_420/2022 vom 6.4.2023.
57 Ebd., E. 6.5.2.
58 BGer 8C_424/2022 vom 10.1.2023.
59 Ebd., E. 4.2.1.
60 Ebd., E. 4.6.
61 BGer 8C_504/2022 vom 23.12.2022.
62 Ebd., E. 5.4.
63 Ebd., E. 4.1 und 4.2.
64 Ebd., E. 5.3.
65 BGer 8C_73/2022 vom 26.1.2023.
66 Art. 38 Abs. 1 AVIG; BGE 104 V 123, E. 3a).
67 BGer 8C_309/2022 vom 21.9.2022.
68 Ebd., E. 6.1.3.
69 BGE 148 II 556.
70 BGer 9F_7/2022 vom 3.5.2023.
71 Ebd., E. 2.3; vgl. BGE 144 V E. 4.4 f.
72 BGer 9C_574/2021 und 9C_575/2021 vom 21.6.2022, E. 8.2.
73 Ebd., E. 9.
74 BGer 9C_146/2023 vom 10.5.2023, E. 4.1 respektive 4.2.
75 Ebd., E. 5.3.2.
76 BGer 9C_615/2021 vom 31.1.2023.
77 Ebd., E. 2.1.
78 BGE 148 V 427.
79 Ebd., E. 3.3.
80 BGE 148 V 373.