Wer an einer Universität arbeitet, ist privilegiert. So die gängige Vorstellung. Zumindest auf die Angehörigen des Mittelbaus trifft dies nicht zu. Dazu gehören Assistenten sowie Promovierte, die nach dem Doktortitel an einer Uni angestellt sind.
Im Herbst 2021 reichten Nachwuchsforscher eine Petition mit über 8500 Unterschriften bei der Bundesversammlung in Bern ein. Darin fordern sie unter anderem mehr unbefristete Stellen für Angehörige des Mittelbaus. Denn aktuell arbeitet die überwältigende Mehrheit von ihnen in befristeten Arbeitsverhältnissen. Die Pensen sind meist niedrig. Die Löhne reichen oft nur knapp zum Leben, und Beruf und Familie lassen sich schwer unter einen Hut bringen.
An der Universität Zürich liegt der Lohn für ein 50-Prozent-Pensum bei gut 3500 Franken brutto, an der Universität Bern sind es rund 500 Franken weniger.
Im Begleittext der Petition ist von «versteckten Überstunden», «struktureller Arbeitsplatzunsicherheit» und «prekären Bedingungen» die Rede. Die «Wochenzeitung» sprach von einem «feudalistischen Modell»: Dem ausgebeuteten Mittelbau stünden wenige, üppig ausgestattete Lehrstühle gegenüber, alle Macht liege bei den Professoren.
An der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Uni Zürich arbeiten 53 Professorinnen und Professoren. Auf sie kommen über 300 Assistentinnen und Assistenten. Einem ordentlichen Lehrstuhl stehen rund 250 Assistenzprozente zur Verfügung, die unter vier bis zehn Personen aufgeteilt werden.
Einer von ihnen ist Luca Ranzoni. Er arbeitet als Assistent am Lehrstuhl von Strafrechtsprofessor Marc Thommen und ist Präsident der Vereinigung der Jus-Assistierenden und Oberassistierenden der Universität Zürich. Er spricht von «Selbstausbeutung», der sich einige Mittelbauangehörige unterwerfen würden: «Viele verfolgen den Traum einer wissenschaftlichen Karriere und sagen sich, dass sie dafür Extraschichten auf sich nehmen müssen.»
Bologna-Reform brachte viel Mehrarbeit
Die meisten Assistenten verfassen nebst ihrer Tätigkeit an der Universität noch eine Dissertation. Zur Assistenzarbeit selbst gehört das Korrigieren von Prüfungen oder Seminararbeiten. «Verglichen mit den Mittelbauangehörigen anderer Fakultäten müssen die Juristen viel Zeit für solche Arbeiten aufwenden», sagt Philip Zimmermann, Co-Präsident der Vereinigung Akademischer Nachwuchs der Universität Zürich. Seit der Bologna-Reform müssen die Studenten zahlreiche Leistungsnachweise erbringen, die es zu bewerten gilt. Viele Assistenten ha-ben deshalb zu wenig Zeit für ihre Doktorarbeit. «Sie sind auf Verlängerungen ihrer Anstellung oder Drittmittel angewiesen», sagt Zimmermann.
Laut Luca Ranzoni werden Verlängerungen von jeweils einem Jahr in der Praxis grundsätzlich gewährt. Eine Sicherheit auf dem Papier gebe es aber nicht.
Von der Gunst der Professoren abhängig
Die Uni Zürich reagierte auf die Petition. Doktoranden sollen künftig mindestens die Hälfte des Pensums oder anderthalb Tage für ihre Dissertation aufwenden können. Das Vorhaben soll bis Mitte Jahr konkretisiert werden, sagt Thomas Gächter, Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät.
Mittelbau-Vertreter Philip Zimmermann begrüsst die Pläne, sagt aber auch: «Wenn die Werte nicht eingehalten werden, ist es für die Betroffenen schwierig, sich zu wehren.» Im Konfliktfall müssten die Mittelbauangehörigen auf das Verständnis der Professoren hoffen – die auch ihre Arbeiten bewerten und über Anstellungsverlängerungen entscheiden.
Juristen haben einen Vorteil im Vergleich zu Mittelbauangehörigen anderer Fakultäten: Ausserhalb der Universität gibt es für sie mehr Möglichkeiten, beruflich Fuss zu fassen. Die juristische Fakultät müsse daher darauf bedacht sein, gute Juristen nach ihrem Studienabschluss halten zu können, sagt Dekan Gächter.
Luca Ranzoni hält die von den Uni-Verantwortlichen hochgehaltene «Exzellenz der Forschung» für gewährleistet. Allerdings nicht wegen, sondern trotz des Systems.