«Beschuldigte werden teils bis zu sechs Monate in den Strafvollzug versetzt, ohne zu wissen weshalb. Sie sehen nie einen Richter oder Anwalt und teilweise auch keinen Staatsanwalt oder Dolmetscher. Aufgrund der Zustellfiktionen bekommen sie den Strafbefehl oft gar nicht zu Gesicht.»
Angela Agostino, Advokatin, Riehen BS
«Die standardisierte Verletzung des rechtlichen Gehörs. Denn statistisch gesehen erfolgt die Eröffnung des Strafverfahrens meist erst mit der Zustellung des Strafbefehls.»
Camill Droll, Rechtsanwalt, Olten SO
«92 Prozent der Strafbefehlsverfahren werden ohne Verteidigung und 82 Prozent ohne nötige Übersetzung durchgeführt. Gerade bei ausländischen Beschuldigten ohne genügende Sprachkenntnisse ist dieses Verfahren regelmässig menschenunwürdig und grundrechtswidrig.»
Stephanie Motz, Rechtsanwältin, Zürich
«Der Strafbefehl ist oft ein Versuchsballon: Die Statistik zeigt, dass Staatsanwaltschaften nicht selten Verfahren einstellen, nachdem Einsprache gegen den Strafbefehl erhoben wurde.»
Raffael Gübeli, Rechtsanwalt, St. Gallen
«Juristendeutsch, fehlende Übersetzungen, kurze Einsprachefristen, die auch bei Nichtabholen des Einschreibens zu laufen beginnen, sowie eine restriktive Gewährung der amtlichen Verteidigung: Die Effizienz des Strafbefehlsverfahrens geht klar zulasten der Betroffenen.»
Angelina Grossenbacher, Rechtsanwältin, Burgdorf BE
«Die Kostenverteilung bei Einsprache vor Gericht: Auch wenn die beschuldigte Person ein milderes Urteil erhält, trägt sie bei einem Schuldspruch alle Kosten. Dies schreckt von der Anfechtung fehlerhafter Strafbefehle ab.»
Martino Locher, Rechtsanwalt, Aarau