Die «Studentin, die nicht gendern will», titelte die «Sonntagszeitung» im letzten Dezember. Gemeint war Sarah Regez, Mitglied der Jungen SVP und Studentin der Politik- und Rechtswissenschaften an der Universität Basel. Sie weigerte sich, den Sprachleitfaden zu beachten, den die Uni Basel im Oktober herausgegeben hatte.
Der Leitfaden empfiehlt «die Verwendung einer inklusiven Sprache» und bietet einen «Werkzeugkasten», um das generische Masku- linum zu vermeiden (siehe Kasten). Mit Ausnahme der Fernuni Schweiz hat das generische Maskulinum an allen Schweizer Hochschulen ausgedient: Sie raten in ihren Sprachleitfäden von dessen Verwendung ab.
“Keine Vorgaben bezüglich genderinklusiver Sprache”
Die Universität Luzern begründet ihren Entscheid damit, dass bei der Verwendung des generischen Maskulinums meist nicht an Frauen und Leute mit anderer Geschlechtsidentität gedacht werde. In ihrem Leitfaden steht: «Für eine chancengleiche und faire Kommunikation müssen wir in unserer Sprache alle Menschen einbeziehen.»
Als Alternative zum generischen Maskulinum empfehlen die Universitäten zum Beispiel, die substantivierte Partizipialform zu verwenden: Studierende statt Studenten, Dozierende statt Dozenten oder Mitarbeitende statt Mitarbeiter.
Auch der Genderstern «*» oder die Genderlücke «_» sei der maskulinen Form vorzuziehen. Denn so spreche man nebst Männern und Frauen auch Leute an, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlten. Zudem raten die Leitfäden, neutrale Personenbegriffe wie Mitglied oder Person wie auch Paarformen (männliche und weibliche Form) zu verwenden.
Die Uni Basel weist immerhin darauf hin, dass eine zu strikte Umsetzung die Verständlichkeit, Einfachheit, Lesbarkeit und Eleganz der Texte gefährden könne. Und sie stellt klar, dass die «Studierenden keinen universitären Vorgaben bezüglich genderinklusiver Sprache unterliegen»: Die Verwendung inklusiver Zeichen wie Stern und Doppelpunkt sei weder vorgeschrieben noch verboten und soll nicht in die Bewertungen einfliessen.
Ähnlich tönt es an den Universitäten Bern und St. Gallen. Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Uni Bern kennt laut Mediensprecherin Natalie Matter nur eine Anleitung für wissenschaftliche Arbeiten, die keine Ausführungen zu gendergerechter Sprache enthalte. Beim Sprachleitfaden handle es sich um blosse Empfehlungen, die keinen Einfluss auf die Noten hätten.
Junge SVP übernimmt im Streitfall die Anwaltskosten
Die Universitäten Luzern, Freiburg und Zürich sowie die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Winterthur dagegen überlassen es den Dozenten, ob die Einhaltung des Sprachleitfadens die Note beeinflusst. Dies, obwohl der Zürcher Regierungsrat den kantonalen Schulen nach zwei parlamentarischen Anfragen Anfang Jahr mitteilte, dass die Vorgaben zur gendergerechten Sprache nicht noten- oder leistungsrelevant sein sollen.
Der Zürcher Anwalt Didier Kipfer vertritt Studenten, die bei Prüfungen durchgefallen sind. Seines Erachtens wäre ein Notenabzug bei nicht gendergerechter Sprache nur zulässig, wenn dies in der Prüfungsordnung vorgesehen wäre.
Die Junge SVP Schweiz tritt dem «Gender-Gaga» an den Universitäten entschieden entgegen. Sie würde einen Musterprozess finanzieren, sollte ein Student wegen der Missachtung eines Sprachleitfadens mit Notenabzügen bestraft werden. Auf Anfrage von plädoyer schreibt die Partei, es sei noch keine entsprechende Anfrage eingegangen.
Das generische Maskulinum
Die geschlechtsneutrale Verwendung maskuliner Substantive wird generisches Maskulinum genannt. Personenbezeichnungen wie Lehrer, Anwälte oder Professoren haben aus sprachlicher Sicht keinen Bezug zum biologischen Geschlecht einer Person. Genus steht für die Gattung, zu der jemand gehört. Es gibt verschiedene Umfragen, gemäss denen viele Leute angeblich bloss an Männer denken, wenn sie solche Gattungsbegriffe hören oder lesen. Die Ursachen dieser Assoziationen sind umstritten: Ist es die grammatikalisch männliche Schreibweise – oder sind es in den Köpfen verankerte Rollenbilder?
Im englischsprachigen Raum gibt es für viele Berufe nur neutrale Begriffe. So wird sowohl eine Anwältin als auch ein Anwalt als «lawyer» bezeichnet und eine Ärztin und ein Arzt als «doctor».