11. Gebot: Du sollst keine Akten kopieren
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Plädoyer 06/2016
14.11.2016
Letzte Aktualisierung:
21.11.2016
Gian Andrea Schmid
Ein spanischer Priester und eine Vatikanangestellte sind im Sommer vom vatikanischen Gericht zu Freiheitsstrafen verurteilt worden, weil sie vertrauliche Dokumente an Journalisten übergeben hatten. Diese thematisierten dann in ihren Büchern mit den Titeln «Geiz» und «Alles muss ans Licht» das zweifelhafte Finanzgebaren der Kurie und den Umgang der Kardinäle mit Spendengeldern. So soll die Heiligsprechung ein Geschäft sein, das bis zu einer halben Mi...
Ein spanischer Priester und eine Vatikanangestellte sind im Sommer vom vatikanischen Gericht zu Freiheitsstrafen verurteilt worden, weil sie vertrauliche Dokumente an Journalisten übergeben hatten. Diese thematisierten dann in ihren Büchern mit den Titeln «Geiz» und «Alles muss ans Licht» das zweifelhafte Finanzgebaren der Kurie und den Umgang der Kardinäle mit Spendengeldern. So soll die Heiligsprechung ein Geschäft sein, das bis zu einer halben Million Euro kostet, und Spenden von Gemeinden aus aller Welt für die Armen sollen in der Vatikanverwaltung versickert sein.
Der Hauptangeklagte, ein spanischer Priester und Mitarbeiter einer Wirtschaftsprüfungskommission des Vatikans, wurde zu 18 Monaten Haft verurteilt, seine Mitangeklagte zu 10 Monaten bedingt. Die Kirchenanwälte hatten für sie wegen «Anstiftung zur Bildung einer kriminellen Vereinigung zum Verrat vatikanischer Geheimdokumente» eine Strafe von 3 Jahren und 9 Monaten verlangt. Angeklagt waren auch die beiden Journalisten, welche die Dokumente veröffentlichten. Das Gericht sprach sie frei, weil es nur über Angeklagte richten könne, deren Straftat im Vatikan geschehen sei oder wenn die Beschuldigten durch ihre Anstellung im Vatikan zum Stillschweigen verpflichtet seien.
Um die Beschuldigtenrechte stand es nicht zum Besten. Zwei nicht bei der vatikanischen Gerichtsbarkeit akkreditierte Strafverteidiger wies der Vatikan zurück. Und die Akten, die dem Prozess zugrunde lagen, wurden den Parteien nicht zugestellt. Sie lagen nur im Gerichtssaal auf und durften nicht kopiert werden.
Die anklagenden Kirchenanwälte hätten laut vatikanischem Prozessrecht gegen den Entscheid des Gerichts Berufung einlegen können, wenn «für die Wiedergutmachung des Ärgernisses oder die Wiederherstellung der Gerechtigkeit nicht genügend gesorgt ist» (Can. 1727 § 2). Sie verzichteten darauf – offenbar trifft sich das Strafmass mit ihren Vorstellungen. Das Urteil gegen den spanischen Priester entspricht der Strafe, die schon den Kammerdiener des letzten Papsts Benedikt XVI. ereilte: Er war zu 18 Monaten Haft verurteilt worden, weil er sich geheime Dokumente aneignete, die später veröffentlicht wurden.
Auch die Verurteilten verzichteten auf eine Berufung. Das Verdikt ist nun rechtskräftig. Das letzte Wort hat aber der Papst. Er kann das Urteil verwerfen, bestätigen, verschärfen – oder die Angeklagten begnadigen. Papst Franziskus rief das Jahr 2016 als Jahr der Barmherzigkeit aus. Vielleicht folgen den Worten Taten. Auch Benedikt begnadigte seinen Kammerdiener kurz nach dem Urteil.