Der Umgang von Strafbehörden mit Journalisten ist nicht unproblematisch. Er wirft eine Reihe von Fragen auf, die vom Amtsgeheimnis über die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen bis hin zur Ermittlungstaktik reichen können.
In einer Reihe von Beschlüssen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts ging es kürzlich um die Frage, ob die Korrespondenz zwischen Strafbehörden und Journalisten zu den Strafakten gehört und wie es sich mit dem Akteneinsichtsrecht der beschuldigten Person in Bezug auf diese Kommunikation verhält (vgl. dazu die Beschlüsse des Bundesstrafgerichts, Beschwerdekammer, BB.2015.128 vom 28. April 2016 und BB.2016.270 vom 19. Dezember 2016 sowie BB.2017.65, BB.2017.66 und BB.2017.69, alle vom 8. September 2017).
Die beiden betroffenen Journalistinnen nahmen den Standpunkt ein, dass die Korrespondenz nicht Bestandteil der Strafakten werden dürfe. Die Verteidigung hingegen verlangte, die entsprechende Korrespondenz zu den Akten zu nehmen, und fordert unbeschränkte Akteneinsicht.
Akteneinsicht mit Einschwärzungen
Das Bundesstrafgericht entschied salomonisch. Die Korrespondenz zwischen der Bundesanwaltschaft und den Journalisten sei zwar zu den Akten zu nehmen. Es sei hingegen zulässig, die Akteneinsicht der beschuldigten Person in dem Sinne zu beschränken, dass die Namen der Journalisten eingeschwärzt werden dürfen.
Im Entscheid BB.2015.128 vom 28. April 2016 wies die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts die Bundesanwaltschaft auf Beschwerde der Verteidigung hin an, Medienmitteilungen und die Korrespondenz mit den Journalisten zu den Strafakten zu nehmen. Die Strafbehörde könne bei Erforderlichkeit wohl die Öffentlichkeit orientieren, habe dabei aber die Unschuldsvermutung und die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu beachten. Die Orientierung der Öffentlichkeit sei verfahrensrelevant und damit zu dokumentieren.
Daran änderte der von der Bundesanwaltschaft offenbar ernsthaft vorgebrachte Umstand nichts, dass sich nicht die Verfahrensleitung um die Orientierung der Öffentlichkeit kümmere, sondern die Medienstelle. Nachdem die Bundesanwaltschaft dem Beschluss nicht nachgekommen war, musste das Bundesstrafgericht mit dem Beschluss BB.2016.270 vom 19. Dezember 2016 nachdoppeln.
In der Folge waren es zwei ukrainische Journalistinnen, welche die Entfernung ihres gesamten E-Mail-Verkehrs aus den Akten verlangten. Im Einklang mit der Bundesanwaltschaft machten sie geltend, die Anweisungen des Bundesstrafgerichts stellten schwere Eingriffe in die Medienfreiheit und in das Redaktionsgeheimnis dar. Das Bundesstrafgericht folgte ihren Argumenten nicht (BB.2017.65 und BB.3017.69, beide vom 8. September 2017). Die Korrespondenz mit der Bundesanwaltschaft sei aus freien Stücken erfolgt, stelle keine behördliche Zwangsmassnahme dar und könne nicht als Eingriff in die Medienfreiheit qualifiziert werden.
Anonymisierung verletzt Akteneinsichtsrecht nicht
Im Übrigen, so das Bundesstrafgericht, hätten Journalisten gestützt auf Artikel 95 Absatz 2 der Strafprozessordnung (StPO) auch nachträglich «die Möglichkeit, zu verlangen, dass ihre Namen und weitere Passagen ihrer Anfrage, die Rückschlüsse auf ihre Quellen erlauben, anonymisiert oder eingeschwärzt werden». Die erforderlichen Schutzmechanismen seien somit gesetzlich vorgesehen.
Aus einer weiteren Beschwerde der Verteidigung geht hervor, dass die Bundesanwaltschaft die Namen von Journalisten – soweit sie sich nicht bereits selbst in den Medien exponiert hatten – unter Hinweis auf Risiken für Medienschaffende in der Ukraine eingeschwärzt hatte. Die Verteidigung machte geltend, die Anonymisierung sei ein Vorwand, um ihre Nachforschungen zu verhindern, ob angebliche Journalisten ausserhalb des gesetzlichen Rahmens Informationen erhalten hätten. In einem Fall seien Informationen an einen Presseagenten gegangen, der ein politischer Gegner des Beschuldigten und Mitglied des ukrainischen Parlaments sei. Es sei unverständlich, dass angeblich bedrohte Journalisten mediale Attacken unter Verletzung der Unschuldsvermutung führten und sich mit Informationen der Bundesanwaltschaft brüsteten. Das Bundesstrafgericht fand keine schutzwürdigen Interessen gegen die Anonymisierung. Die Behauptungen der Verteidigung seien nicht belegt und der genannte politische Gegner sei tatsächlich auch als Journalist tätig (BB.2017.66 vom 8. September 2017).
Geheimhaltungspflicht im Vorverfahren
Die Auseinandersetzungen erfolgten im Stadium des nicht publikumsöffentlichen Vorverfahrens. Ein Informationsanspruch der Öffentlichkeit oder der ihr dienenden Medien besteht nicht. Artikel 73 StPO auferlegt den Mitgliedern von Strafbehörden sogar strikte Geheimhaltungspflichten. Diese dürfen nur nach Massgabe von Artikel 74 StPO durchbrochen werden. Jede Information der Öffentlichkeit setzt einen der gesetzlichen Informationszwecke voraus, wobei in casu nur die besondere Bedeutung des Falls infrage kommen kann (Artikel 74 Absatz 1 litera d StPO).
Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, darf mit Fug bezweifelt werden. Der Straffall hat – jedenfalls in der Schweiz – soweit ersichtlich kein überdurchschnittliches öffentliches Interesse geweckt (siehe dazu Urs Saxer, Artikel 74 Note 16 f., in: Marianne Heer / Marcel Alexander Niggli / Hans Wiprächtiger (Hrsg.), Basler Kommentar Schweizerische Strafprozessordnung, Basel 2014).
Nicht zu bestreiten ist ein erhebliches Interesse in der Ukraine. Dabei erscheint es aber zumindest als fraglich, ob es Aufgabe der Bundesanwaltschaft sein kann, ein allfälliges Informationsbedürfnis der ukrainischen Öffentlichkeit zu bedienen.
Besonders heikel erscheint im vorliegenden Fall die reaktive Kommunikation mit bestimmten Medienschaffenden, insbesondere wenn die Behörde keine Akkreditierung verlangt und damit über keine Garantien gegen einen Missbrauch der preisgegebenen Information verfügt. Reaktive Kommunikation schafft Missbrauchsmöglichkeiten auch auf der Seite der Behörden. Sie fördert selektive Information und gefährdet die Gleichbehandlung behördenkritischer Medien. Solchen Gefahren kann bei Vorliegen eines gesetzlichen Informationsgrunds nur mit aktiver Information der gesamten Öffentlichkeit begegnet werden. Aber auch dabei ist grösste Zurückhaltung angebracht. Medienmitteilungen über laufende Strafverfahren sind immer geeignet, unzulässige mediale Vorverurteilungen zu ermöglichen.
Die Beschlüsse des Bundesstrafgerichts erscheinen überzeugend und sind auch aus Sicht der Verteidigung grundsätzlich zu begrüssen. Insbesondere die Klarstellung, dass auch Korrespondenz mit Medienschaffenden Bestandteil der Akten sein muss, erscheint richtig und wichtig.
Unbeschränktes Akteneinsichtsrecht
Anlass zur Kritik könnte die Anonymisierung bieten. Sie ist als Beschränkung des Akteneinsichtsrechts der Parteien zu qualifizieren. Eine solche Beschränkung ist – nach der ersten Befragung der beschuldigten Person und nach Abnahme der übrigen wichtigsten Beweise – nur nach Massgabe von Artikel 108 StPO zulässig. Dieser Artikel setzt aber einen begründeten Missbrauchsverdacht beziehungsweise Personensicherheits- oder Geheimhaltungsinteressen voraus.
Einschränkungen gegenüber der Verteidigung sind darüber hinaus nur zulässig, wenn sich solcherlei Bedenken auf die Person der Verteidigerin selbst beziehen. Die Einschwärzung durch die Bundesanwaltschaft hatte notwendigerweise auch eine Einschränkung des Akteneinsichtsrechts der Verteidigung zur Folge. Dazu äusserte sich das Bundesstrafgericht nicht. Es begnügte sich damit, die angerufenen Sicherheitsbedenken nach Artikel 108 Absatz 1 litera b zu prüfen und sie aufgrund der von der Bundesanwaltschaft eingereichten Dokumentation zu bejahen. Offenbar hat die Verteidigung das ihr zustehende unbeschränkte Akteneinsichtsrecht aber gar nicht geltend gemacht (vgl. BB.2017.66 E. 2.4).
Kein Angriff auf den Quellenschutz
In den Medien wurden die Beschlüsse als Angriffe auf den Quellenschutz kritisiert. Anfragen von Journalisten könnten Rückschlüsse auf ihre Quellen zulassen. Zudem werde die sowieso schon schwierige Zusammenarbeit mit den Medienstellen von Strafverfolgungsbehörden zusätzlich erschwert, so etwa in der NZZ vom 14. März 2017.
Die Kritik ist unberechtigt und teilweise auch unverständlich. Zunächst ist es primär Aufgabe der Medienschaffenden selbst, ihre Quellen zu schützen. Es ist zudem schwer vorstellbar, dass Quellen für Medienanfragen offengelegt werden müssten. Entscheidend aber ist, dass das Vorverfahren von Gesetzes wegen nicht öffentlich ist und dass der verfassungsmässig garantierte Gehörsanspruch der Parteien Einsicht in die vollständigen Strafakten garantiert. Die offenbar schwierige Zusammenarbeit zwischen Journalisten und Medienstellen der Strafverfolgungsbehörden ist im Gesetz selbst angelegt. Das ist im Hinblick auf faire Strafverfahren ohne öffentliche Vorverurteilungen auch gut so.