1. Verhältnis zum Strafrecht
1.1 Strafurteil als Res iudicata für Kausalität?
Am 19. Juni 2014 (4A_76/2014) beurteilte das Bundesgericht die Haftung einer Hebamme. Bei der Geburt erlitt das Kind schwerste Hirnlähmungen. Die Hebamme wurde im Strafverfahren durch das kantonale Obergericht einer schweren Körperverletzung für schuldig gesprochen. Laut Obergericht hat die Hebamme ihre Sorgfaltspflichten verletzt und das Kind lebensgefährlich i.S.v. Art. 122 Ziff. 1 Abs. 1 StGB geschädigt. Daher könne offen bleiben, welches die Ursachen für die diagnostizierte Hirnlähmung seien. Im Strafverfahren wurden die Zivilansprüche dem Grundsatz nach gutgeheissen und im Übrigen auf den Zivilweg verwiesen.
Im anschliessenden Zivilverfahren waren sich die Parteien uneins, ob mit dem Strafurteil auch über das Vorliegen des Kausalzusammenhangs zwischen Fehlverhalten der Hebamme und bleibenden Schäden entschieden worden sei, d.h. ob bezüglich Kausalzusammenhang eine res iudicata vorliege. Gemäss Bundesgericht erlangt das Feststellungsurteil des Strafgerichts bezüglich der grundsätzlichen Gutheissung der Zivilansprüche prinzipiell Rechtskraft und ist für eine beim Zivilrichter zu erhebende Leistungsklage verbindlich. Davon bestehen Ausnahmen, namentlich bezüglich des Kausalzusammenhangs oder wenn das Strafgericht bei der Anwendung des geltenden Rechts auf den Sachverhalt nicht alle Rechtsfragen klärt (E. 3.2.1). Vorliegend werde nicht behauptet, das Strafgericht habe die natürliche Kausalität mittels zivilrechtlichem Beweismass abgeklärt. Es verletze daher nicht den Grundsatz der res iudicata, wenn das Zivilgericht die natürliche Kausalität geprüft und bejaht habe (E. 3.2.2). Somit sei die vorinstanzliche zivilprozessuale Bejahung der natürlichen Kausalität nicht verfassungswidrig.
2. Verhältnis zur Sozialversicherung
2.1 Adäquanz und Überwindbarkeitspraxis
Mit rechtskräftigem Urteil vom 15. Juli 2014 (1B 14 14 / 1U 14 11)1 beurteilte das Kantonsgericht Luzern die haftpflichtrechtlichen Folgen eines HWS-Distorsionstraumas. Den beklagtischen Einwand der fehlenden Adäquanz und der Überwindbarkeit der Beschwerden weist das Kantonsgericht wie folgt ab:
«Der Begriff der adäquaten Kausalität ist im Haftpflicht- und im Sozialversicherungsrecht zwar derselbe. Doch kann die Beurteilung als wertende Zuordnung zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Im Bereich von Schleudertraumata treten Fälle auf, die im sozialen Unfallversicherungsrecht als nicht adäquat kausal gewertet werden, die man demgegenüber jedoch haftpflichtrechtlich als adäquat kausal einstuft. Dies soll auch so sein, weil das soziale Unfallversicherungsrecht und das zivile Haftpflichtrecht unterschiedliche Regelungsinhalte aufweisen und darum derselbe Begriff haftpflichtrechtlich richtigerweise weiter ausgelegt wird. Wenn nun der Begriff der Adäquanz in der Sozialversicherung durch die in BGE 134 V 109 zusätzlich festgelegten Kriterien nochmals und zusätzlich eingeengt wurde, kann daraus erst recht nicht eine Übertragung ins Zivilrecht erfolgen.
In diesem Sinn hat das Bundesgericht auch im Urteil 4A_171/2012 vom 25. Juni 2012 bestätigt, dass die Adäquanz im Haftpflichtrecht weiterhin nach der allgemeinen Formel geprüft und die weitere Zurechnung beibehalten werde (vgl. Have 2014, S. 42 ff.). Von vornherein nicht stichhaltig ist die Behauptung der Beklagten, die Klägerin hätte die bestehenden Leiden überwinden können. Die Frage der Überwindbarkeit stellt sich einzig im Sozialversicherungsverfahren, jedoch nicht im Haftpflichtprozess (S. 14 Ziff. 4.3.3).»
Bezüglich der Schadensposition «vorprozessuale Anwaltskosten» entschied das Kantonsgericht, dem Datum der Honorarrechnung komme keine Bedeutung zu. Entscheidend sei vielmehr, wann die Honorarschuld mit den jeweiligen Mandatsverrichtungen entstanden ist. Es sei daher nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz den vorprozessualen Anwaltsaufwand ab Datum des mittleren Verfalls (der Periode der Leistungserbringung) verzinse (S. 21 Ziffer 6.9).
2.1.1 Exkurs ins Sozialversicherungsrecht
Mit Urteil vom 3. Juni 2015 (9C_492/2014) hat das Bundesgericht seine Überwindbarkeitspraxis im IVG aufgegeben. Päusbonog-Beschwerden2 gelten damit nicht mehr per se als vermutungsweise überwindbar. Vielmehr ist künftig via Standardindikatoren und medizinischer Leitlinien jeweils im Einzelfall abzuklären, ob die Beschwerden überwindbar seien. Gleichwohl verweist das Bundesgericht auf Art. 7 Abs. 2 ATSG, wonach eine Erwerbsunfähigkeit nur vorliegt, wenn sie aus objektiver Sicht überwindbar ist.
Es ist ungeklärt, was dieses Urteil für Unfallopfer mit organisch nicht nachweisbaren Verletzungen3 in der Versicherungspraxis von IV und UV bewirkt. Die Zukunft wird zeigen, ob Unfallopfer künftig bessere Chancen auf Leistungen der Sozialversicherungen haben oder ob sie wegen Art. 7 Abs. 2 2. Teilsatz ATSG nach wie vor primär haftpflichtrechtlich zu entschädigen sind. Mindestens im Bereich der unfallkausalen UV geht der Autor wegen des unterschiedlichen Adäquanzbegriffs auch künftig von Letzterem aus (vgl. nachstehende Ziff. 2.2).
Zu beachten bleibt zudem, dass der Krankheitsbegriff im Sozialversicherungsrecht enger gefasst wird als im Haftpflichtrecht.4 Deshalb geht die haftpflichtrechtliche Entschädigungspflicht weiter als die Leistungspflicht der Sozialversicherungen. Gleiches gilt bezüglich des unterschiedlich definierten Arbeitsmarktes, der haftpflichtrechtlich zu einem grösseren Schaden führen kann.5
2.2 UVG-Adäquanz und Prädispositionen
Im Urteil BGer 4A_115/2014 vom 20. November 2014 ging es um einen Verkehrsunfall zwischen dem Lenker eines Lieferwagens und einem Motorrad. Der vortrittsberechtigte Motorradfahrer fuhr mit überhöhter Geschwindigkeit in eine Kreuzung, kollidierte mit dem Lieferwagen, wurde ins Feld geschleudert, das Motorrad fing Feuer und der Motorradfahrer starb.
Der Lieferwagenlenker wurde kantonal einer fahrlässigen Tötung für schuldig befunden, vor Bundesgericht indessen wegen groben Selbstverschuldens und Nichtvorhersehbarkeit des Fehlverhaltens des Motorradfahrers freigesprochen. Durch die Einleitung des Strafverfahrens entwickelte der Lieferwagenfahrer eine psychisch bedingte Invalidität, verlor seine Stelle und erhielt eine IV-Rente zugesprochen. Nach dem strafrechtlichen Freispruch machte er geltend, der Verkehrsunfall und die anschliessend grundlose strafrechtliche Anklage hätten die Invalidität verursacht. Das Bundesgericht verneinte im UVG-Verfahren den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen Unfall und psychischer Invalidität. Daraufhin klagte der Lieferwagenlenker gestützt auf Art. 58 i.V.m. Art. 65 SVG gegen die Haftpflichtversicherung des Motorradfahrers (nachfolgend Versicherung).
Das Appellationsgericht Basel-Stadt bejahte die adäquate Kausalität. Daran ändere nichts, dass die Fehlverarbeitung der erst vom Bundesgericht aufgehobenen strafrechtlichen Verurteilung durch den Lieferwagenlenker auf einer prämorbiden Persönlichkeitsstörung beruhe. Eine konstitutionelle Prädisposition unterbreche den adäquaten Kausalzusammenhang nicht (lit. B).
Die Versicherung bestritt vor Bundesgericht die Anwendbarkeit von Art. 58 SVG: Der Gefährdungstatbestand von Art. 58 SVG bezwecke nicht, vor Folgen zu schützen, die mit den unmittelbaren Gefahren des Strassenverkehrs im Hinblick auf Personen- und Sachschäden nichts zu tun hätten und mit dem Unfall nur in marginaler Verbindung stünden. Art. 58 SVG verlange Unmittelbarkeit des Schadens und damit eine hohe Intensität der Kausalität zwischen der Verwirklichung des Betriebsrisikos und dem Schaden. An einer solchen fehle es hier. Die psychischen Symptome seien gemäss psychiatrischem Gutachten losgelöst von somatischen Beschwerden hauptsächlich durch das Strafverfahren und die beiden ungerechtfertigten Verurteilungen sowie seinen Vorzustand ausgelöst worden; der Unfall als solcher sei für die psychische Belastung klar nebensächlich (E. 5.1).
Dem hielt das Bundesgericht entgegen, die Vorinstanz habe den natürlichen Kausalzusammenhang gestützt auf zwei psychiatrische Gutachten bejaht. Sowohl der Unfall als auch das Strafverfahren seien Conditio sine qua non für die psychischen Schwierigkeiten (E. 5.2). Ferner habe die Vorinstanz den adäquaten Kausalzusammenhang bejaht, wenn der Unfall und das Strafverfahren beim Lieferwagenlenker zu bleibenden psychischen Schäden geführt haben (E. 6): Auch singuläre, aussergewöhnliche Unfallfolgen könnten adäquat sein. Es könne nicht gesagt werden, dass jedermann die ungerechtfertigte Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung durch zwei Instanzen einfach so wegstecken können müsse.
Der Lieferwagenlenker habe eine erhöhte psychische Vulnerabilität aufgewiesen (narzisstische Problematik, Anpassungsstörung, instabiles Selbstwertgefühl, Verwundbarkeit für Ungerechtigkeiten des Lebens, Vorbelastung mit schuldhaft verarbeiteter unfallbedingter Hirnverletzung seines Sohnes, ungünstige Entwicklung der familiären Verhältnisse). Er sei daher in psychischer Hinsicht keine Durchschnittsperson. Der Vorzustand unterbreche aber den adäquaten Kausalzusammenhang nicht (E. 6.1). Die UVG-Adäquanzpraxis gelte im Haftpflichtrecht nicht. Weil die Zivilgerichte nicht an sozialversicherungsrechtliche Urteile gebunden seien, schade dem Lieferwagenlenker die bundesgerichtliche Verneinung der UVG-Adäquanz nicht (E. 6.3).
Die Vorinstanz habe die konstitutionelle Prädisposition zu Recht im Rahmen der Schadenersatzbemessung nach Art. 43/44 OR und nicht bei der Schadensberechnung (Art. 42 OR) berücksichtigt, weil der Lieferwagenlenker trotz prämorbider Persönlichkeitsstörung und vorbestehender Belastungen ohne Unfall wahrscheinlich weiterhin gesund und voll arbeitsfähig geblieben wäre (E. 7).
Die kantonalen Gerichte hatten bei der Schadenersatzbemessung wegen der konstitutionellen Prädisposition gemäss Art. 44 OR eine Schadenersatzreduktion von 20 Prozent vorgenommen (E. 8). Dies schützte das BGer als korrekte richterliche Ermessensausübung. Der Hinweis der Versicherung sei unbehelflich, der psychiatrische Gutachter rechne dem Unfall am Zustand des Lieferwagenlenkers bloss eine Teilkausalität von 30 Prozent an. Das ärztlich geschätzte Gewicht des Unfalls als Teilursache sei nicht direkt für die Reduktion nach Art. 44 OR relevant (E. 8.1).
Bemerkung: Der Entscheid ist eine Fundgrube für Hinweise zur korrekten Berücksichtigung von Prädispositionen bei der Kausalität und Schadenersatzbemessung.
3. Haftungsgrundlagen
3.1 Werkeigentümerhaftung
3.1.1 Haftung eines Skiliftbetreibers für Piste
In BGer 4A_206/2014 vom 18. September 2014 beurteilte das Bundesgericht die Folgen eines Skiunfalls in Zermatt im Jahre 1996. Ein zehneinhalbjähriges Mädchen war auf dem Gletscher auf Anweisung ihres Vaters ihrem Bruder in Hocke-Position nachgefahren. Mit möglichst hohem Tempo wollte sie ein Flachstück passieren. In einer leichten Kurve fuhr sie geradeaus, kam vom präparierten Pistenteil ab und prallte ungebremst mit dem Kopf gegen eine nicht gepolsterte Pistenmarkierungs-Eisenstange.
Das Kantonsgericht Wallis bejahte die Haftung des Skiliftbetreibers und setzte die Haftungsquote auf 80 Prozent fest.
Gemäss Bundesgericht verpflichtet die Pistensicherungspflicht Bergbahn- und Skiliftunternehmen aus Transportvertrag mit der Benutzerin, auf Pisten die zur Gefahrenabwehr zumutbaren Vorsichts- und Schutzmassnahmen vorzukehren. Gleiches folgt deliktsrechtlich aus dem Gefahrensatz (E. 3.2). Die Verkehrssicherungspflicht verlangt, dass Pistenbenützer vor nicht ohne weiteres erkennbaren, sich als eigentliche Fallen erweisenden Gefahren geschützt werden.
Weiter hat die Pistenbetreiberin Pistenbenützer vor Gefahren zu bewahren, die selbst bei vorsichtigem Fahrverhalten nicht vermieden werden können. Die Gren-ze der Verkehrssicherungspflicht bilden die Zumutbarkeit sowie die Selbstverantwortung des einzelnen Pistenbenützers. Dem Schneesport inhärente Gefahren soll der Schneesportler tragen. Wie weit die Verkehrssicherungspflicht reicht, hängt jeweils von den Gegebenheiten des Einzelfalles ab.
Als Massstab werden in der Gerichtspraxis Unfallverhütungs- und Branchenrichtlinien beigezogen. Allerdings können die örtlichen Verhältnisse einen über die Richtlinien hinausgehenden, höheren Sicherheitsstandard erfordern. Das Gericht ist an die Richtlinien nicht gebunden, sondern entscheidet selbst über die im Einzelfall gebotene Sorgfalt (E. 3.3).
Der Unfall ereignete sich ein bis zwei Meter neben der Piste und damit im räumlichen Bereich der Verkehrssicherungspflicht (E. 3.4). Das Bundesgericht stützte den vorinstanzlichen Entscheid, der Kunststoffstangen als zumutbare und sicherere Alternative und eine Verwendung nicht gepolsterter Eisenstangen als haftungsbegründende Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bejaht hatte. Nichts an der Zumutbarkeit der Kunststoffstangen ändere, dass hochalpines Gebiet mit grosser Erosion und Gletscherverschiebung vorliege (E. 3.4.5.2).
Ein allfälliges Verschulden der Eltern darf der verunfallten Klägerin nicht als Selbstverschulden angerechnet werden (E. 4.6).
Die Geschädigte erhielt aus einer privaten VVG-Summenversicherung eine Kapitalzahlung von 426 000 Franken. Die Beklagte verlangte im Haftpflichtprozess, die Genugtuung sei zu reduzieren, weil diese VVG-Kapitalzahlung das erlittene seelische Unbill mit entschädige. Dies lehnt das Bundesgericht mit Verweis auf fehlende Subrogation und Regress (Art. 96 VVG) sowie Beitragsfinanzierung dieser privaten Zusatzversicherung ab (E. 5.3.2).
3.1.2 Haftung der Bergbahn für Schlittelpiste
Im Prozess 4A_489/2014 vom 20. Februar 2015 beurteilte das Bundesgericht die Haftung einer Bergbahn für einen Schlittelunfall. Die im Unfallzeitpunkt 15-jährige Geschädigte befuhr mit dem Schlitten einen Nachtschlittelweg. Die Geschädigte sass hinten auf dem Schlitten, während ihre Kollegin vorne den Schlitten lenkte. In einer Rechtskurve kamen die beiden Mädchen vom Weg ab, fuhren über das am Rand der Piste angebrachte Stocknetz hinaus und stürzten. Dabei schlug die Geschädigte mit dem Kopf an die Wand eines sich hinter dem Netz befindlichen Stalles und erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma.
Das Bundesgericht prüfte eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Bergbahn (E. 5.1, vgl. auch vorne Ziff. 3.1.1). Unfallverhütungs- und Branchenrichtlinien als Massstab für die Verkehrssicherungspflicht gelten auch für Schlittelpisten. Die hohen Anforderungen an das Steuern und Bremsen des Schlittens verlangen Vorsicht beim Fahren (E. 5.4). Der Unfall ereignete sich sieben Meter neben dem Pistenrand und damit ausserhalb des laut Richtlinien zu sichernden zwei Meter breiten Randbereichs. Der Verlauf der Schlittelpiste war mit roten Holzpfosten gekennzeichnet, drei Meter vom Pistenrand war ein orangefarbenes Stocknetz angebracht, das die Piste visuell absperrte.
Voraussetzung für eine ausnahmsweise und punktuelle Erweiterung der Verkehrssicherungspflicht über den engeren Pistenrand hinaus ist erstens eine atypische oder besonders grosse Gefahr für Leib und Leben, und zweitens eine durch die Geländeverhältnisse indizierte Möglichkeit, dass auch vorsichtige Pistenbenützer ungewollt in den Einzugsbereich der ausserhalb der Piste gelegenen Gefahrenstelle geraten können. Nur unter diesen kumulativen Voraussetzungen besteht eine erweiterte Verkehrssicherungspflicht (E. 6.1).
Vorliegend sei der Stall von weitem zu erkennen gewesen. Der gut einsehbare Verlauf der Piste, die Rechtskurve mit weitem Radius und die Schwungbreite von mehreren Metern innerhalb der Kurve hätten ein frühes Ausholen ermöglicht. Ein aufmerksamer, vorsichtiger Pistenbenützer wäre demnach nicht geradewegs auf den Stall zugefahren (E. 6.4). Angesichts der örtlichen Umstände sei eine zusätzliche Signalisation oder andere Pistenführung nicht angezeigt gewesen.
Es habe daher keine atypische oder besondere Gefahr für Leib und Leben vorgelegen (E. 6.5). Auch wenn die Piste in der Falllinie auf den Stall zugelaufen sei, seien die Platzverhältnisse weiträumig und der Pistenverlauf wie auch der Stall gut erkennbar gewesen (E. 6.6). Es bestehe deshalb kein Anlass, weitere, über den Pistenrand hinausgehende Sicherungsmassnahmen zu ergreifen. Die Bergbahn sei nicht verpflichtet gewesen, vor dem Stall ein korrekt verankertes Sicherheitsnetz aufzustellen (E. 6.7). Die Bergbahn habe ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt (E. 7).
3.1.3 Haftung der Eigentümerin eines Gehwegs
Im Urteil 4A_114/2014 vom 18. August 2014 prüfte das Bundesgericht die Haftung einer Stockwerkeigentümergemeinschaft für einen schneebedeckten und teilweise vereisten Gehweg. Abends zwischen 18 und 18.30 Uhr war die Klägerin im Winterurlaub am 31. Dezember 2007 auf dem Gehweg gestürzt und hatte sich erheblich verletzt. Sie klagte daher gegen die Stockwerkeigentümergemeinschaft als Werkeigentümerin nach Art. 58 OR auf Schadenersatz und Genugtuung. Kantonal wurde die Klage abgewiesen.
Auch das Bundesgericht verneinte eine Haftung der Werkeigentümerin: Schranke der Sicherungspflicht bilde die Zumutbarkeit. Zu berücksichtigen sei, ob die Beseitigung allfälliger Mängel oder das Anbringen von Sicherheitsvorrichtungen technisch möglich sei und die entsprechenden Kosten in einem vernünftigen Verhältnis zum Schutzinteresse der Benützer und dem Zweck des Werkes stehen (E. 2.1).
Welche Sicherheitsvorkehren in einem bestimmten Zeitpunkt die zu beurteilende örtliche Situation erfordert hat, ist wesentlich eine Frage des Ermessens des Sachrichters. Einen solchen Ermessensentscheid überprüft das Bundesgericht trotz freier Kognition nur zurückhaltend und greift nur bei Ermessensüberschreitung ein (E. 2.3).
Gemäss kantonalem Obergericht sei die Unfallstelle im Unfallzeitpunkt zwar sichtbar gesplittet, aber trotzdem sehr glatt und insoweit mangelhaft gewesen. Der Hauswart habe jedoch täglich zwischen 4 und 20 bis 21 Uhr regelmässig alle ein bis drei Stunden Kontrollgänge durchgeführt und nach Bedarf gesalzen oder gesplittet. Mit Blick auf die Beweislastverteilung nahm die Vorinstanz zugunsten der Stockwerkeigentümergemeinschaft an, beim letzten Kontrollgang habe die Rutschhemmung des gestreuten Splitts noch angehalten. Eine höhere Kontrolldichte (halbstündliche Kontrollgänge) wäre durch eine einzige Person nicht durchzuführen gewesen. Die Einstellung eines weiteren Hauswarts erachtete die Vorinstanz als unverhältnismässig, das fortwährende Abtragen des Eises mit einem Pickel als unrealistisch und unzumutbar und das Auslegen eines Teppichs als ungeeignet (E. 3).
Vorliegend sei nicht davon auszugehen, dass die Beklagte ein eigenes Interesse daran gehabt hätte, dass die Klägerin zu ihr gekommen wäre. Insofern sei der Fall nicht mit einem früheren Bundesgerichtsurteil vergleichbar, in welchem der Eigentümer eines Sportgeschäfts für den Unfall eines Kunden haftete, der beim Verlassen des Geschäfts auf einer Eisschicht ausgeglitten war (E. 5.2). Aus der Tatsache, dass ein Schaden eingetreten ist, könne vorliegend nicht schon auf die Zumutbarkeit der Mangelbeseitigung geschlossen werden.
3.2 Staatshaftung für widerrufene Baubewilligung
Das Bundesgericht beurteilte am 28. Oktober 2014 (2C_960/2013) die Staatshaftung für eine rechtswidrig erteilte, später widerrufene Baubewilligung. Wegen des Widerrufs musste der Bauherr einen neu erstellten Schweinestall wieder abreissen. Dafür forderte er von Kanton und Gemeinde erfolgreich Schadenersatz. Das Bundesgericht grenzt die Staatshaftung von der Vertrauenshaftung ab; Urteil mit spezifischen Ausführungen zum Kanton Solothurn (E. 3.2).
3.3 Verantwortlichkeit eines Verwaltungsrats
Im Entscheid 4A_428/2014 vom 12. Januar 2015 wurde die Klage eines Arbeitnehmers gegen die Verwaltungsräte seiner ehemaligen Arbeitgeberin (Aktiengesellschaft) beurteilt. Die ehemalige Arbeitgeberin hatte die Prämien einer Krankentaggeldversicherung nicht bezahlt. Daher hatte sich der Versicherer geweigert, dem Arbeitnehmer Krankentaggeld auszurichten. Weil über die ehemalige Arbeitgeberin zwischenzeitlich der Konkurs eröffnet wurde, klagte der Arbeitnehmer gegen die Verwaltungsräte.
Das Bundesgericht hält fest: Wird zugunsten eines Arbeitnehmers eine Kollektiv-Krankentaggeldversicherung abgeschlossen, so hat der Arbeitnehmer ein selbständiges Forderungsrecht gegenüber der Versicherung. Der Arbeitnehmer wird dadurch nicht Partei des Versicherungsvertrags, Schuldnerin der Versicherungsprämie bleibt die Arbeitgeberin als Versicherungsnehmerin (E. 4.3 f.). Verletzt die Arbeitgeberin ihre Pflichten aus dem Versicherungsvertrag, so haftet sie dem Arbeitnehmer für den dadurch erlittenen Schaden, welcher hier aus den nicht ausbezahlten Versicherungsleistungen besteht (E. 4.5). Gemäss BGE 132 III 564 E. 3.1 hängen die Möglichkeiten eines Gläubigers einer Gesellschaft zur Klage gegen deren Organe von der Art des erlittenen Schadens ab (E. 5.2).
Vorliegend habe das Verhalten der Organe beim Arbeitnehmer einen direkten Schaden verursacht. Das Nichtbezahlen der Versicherungsprämie durch die Verwaltungsräte stelle hier eine unerlaubte Handlung dar. Gleichzeitig habe die unerlaubte Handlung der Verwaltungsräte auch die Gesellschaft geschädigt, weil sich mit ihrer Schadenersatzpflicht gegenüber dem Arbeitnehmer die Passiven der Gesellschaft erhöhten (E. 5.4.3). Der Arbeitnehmer habe daher gestützt auf Art. 41 OR (und nicht etwa nach Art. 717 und 754 OR) ein eigenes Klagerecht gegen die Verwaltungsräte (E. 5.3.3 und E. 6.1). Die Haftung der Verwaltungsräte für den rein wirtschaftlichen Nachteil des Arbeitnehmers setze gemäss der objektiven Widerrechtlichkeitstheorie die Verletzung einer Schutznorm voraus. Vorliegend seien die Verwaltungsräte wegen Missbrauchs von Lohnabzügen nach Art. 159 StGB verurteilt worden. Art. 151 StGB schütze das Vermögen des Arbeitnehmers und sei damit eine Schutznorm, deren Verletzung einer unerlaubten Handlung im Sinne von Art. 41 OR entspreche (E. 6.2).
3.4 Medizinalhaftpflicht
3.4.1 Keine Produktehaftung für Pille Yasmin
Im Entscheid 4A_365/2014 vom 5. Januar 2015 beurteilte das Bundesgericht die Haftung für die Verhütungspille Yasmin. Die Klägerin erhielt die Pille als 16-Jährige von ihrem Gynäkologen verschrieben. Wenige Monate darauf erlitt sie eine Lungenembolie und als Folge des Sauerstoffmangels eine schwere Hirnschädigung. Heute ist sie schwer invalid.
Die Geschädigte klagte gestützt auf das Produktehaftpflichtgesetz (PrHG) gegen den Pillenhersteller. Sie machte geltend, das Produkt Yasmin sei fehlerhaft, weil es zu einem erhöhten Risiko einer venösen Thromboembolie führt und in der Patienteninformation nicht genügend darauf hingewiesen werde, dass allenfalls ein doppelt so hohes Risiko für ein thromboembolisches Ereignis bestehe wie bei anderen vergleichbaren Pillen.
Das Bundesgericht hat einen Instruktionsfehler bezüglich des Produkts Yasmin verneint. Nach Art. 4 PrHG ist ein Produkt fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände erwarten darf. Massgeblich sind die Sicherheitserwartungen einer hypothetischen Durchschnittskonsumentin.
Bei rezeptpflichtigen Medizinalprodukten sei bezüglich der Sicherheitserwartungen nicht allein auf die individuellen Erwartungen des Patienten abzustellen, weil diesem in der Regel das nötige Fachwissen fehle, um die mit rezeptpflichtigen Medikamenten verbundenen Gefahren richtig einschätzen zu können. Für die Beurteilung, ob die Sicherheitserwartungen des Patienten bezüglich rezeptpflichtiger Medikamente berechtigt seien, müsse deshalb auch das Wissen des Arztes einbezogen werden, der das Medikament verschreibe.
Zudem habe hier die Patienteninformation auf die grundsätzliche Möglichkeit von Thromboembolien und die damit verbundene Gefahr schwerster Gesundheitsschädigungen hingewiesen. Deshalb sei nicht zu beanstanden, dass nur die an die Ärzte gerichtete Fachinformation den Hinweis enthielt, dass allenfalls ein doppelt so hohes Risiko für eine Thromboembolie bestehe wie bei vergleichbaren Pillen, während in der Patienteninformation ein solcher Vergleich fehlte (E. 9.2).
3.4.2 Kein Anspruch aus «wrongful life»
In 4A_551/2013 vom 15. Dezember 2014 beurteilte das Bundesgericht die Haftung eines Arztes für ein Kind, das behindert zur Welt kam. Der Arzt hatte die Mutter während ihrer Schwangerschaft nicht über die Vor- und Nachteile eines Tests informiert, mit dem sich das Risiko eines Down-Syndroms hätte abschätzen lassen. Das Kind kam schwer behindert zur Welt. Gemäss Bundesgericht entsteht bei Behandlung einer schwangeren Mutter auch ein Vertragsverhältnis zwischen Arzt und Kind. Das Kind hat indessen kein Recht, nicht geboren zu werden («wrongful life»), weshalb der Arzt dem Kind keinen Schadenersatz schuldet, wenn er die Mutter nicht über den Früherkennungstest informiert, und diese daher die Schwangerschaft nicht abbricht (vgl. Besprechung in ius.focus 2/2015).
3.5 Haftung des Notars und Verjährung
Im Entscheid 4A_34/20146 vom 19. Mai 2014 beurteilte das Bundesgericht die Haftung des Notars für seine amtliche Tätigkeit, das anwendbare Recht sowie den Beginn der Verjährung: Ein Walliser Notar hatte 2005 einen Kaufvertrag beurkundet und die Parteien informiert, er werde die Urkunde beim Grundbuchamt zur Anmeldung einreichen. Dies unterliess er indessen. 2008 stellte die Käuferin (nachfolgend: Geschädigte) fest, dass das Grundstück nicht auf ihren Namen eingetragen worden war. Daraufhin holte der Notar die Anmeldung beim Grundbuchamt nach und das Grundstück wurde auf die Geschädigte übertragen. Kurz darauf verkaufte die Geschädigte das Grundstück weiter und erzielte einen Grundstücksgewinn. Am 22. Oktober 2008 informierte die Geschädigte durch ihren Anwalt den Notar, sie mache einen Schaden von 124 800 Franken geltend, weil der Satz der Grundstückgewinnsteuer infolge kürzerer Besitzesdauer7 höher sein werde: Hätte der Notar das Geschäft rechtzeitig beim Grundbuchamt angemeldet, wäre sie drei Jahre länger Eigentümerin gewesen und hätte einen tieferen Steuersatz für die Grundstückgewinnsteuer bezahlen müssen.
Das Bezirksgericht verpflichtete den Notar zu einer Schadenersatzzahlung von 103 632 Franken: Die Geschädigte habe erst beim Empfang der Veranlagungsverfügung am 29. April 2009 den Schaden gekannt. Erst zu diesem Zeitpunkt habe die einjährige Verjährungsfrist zu laufen begonnen. Der Zahlungsbefehl vom 15. April 2010 habe damit die Verjährung rechtzeitig unterbrochen.
Das Kantonsgericht hiess die Berufung des Notars gut und wies die Klage infolge Verjährung ab: Die Haftung des Notars sei im Sinne von Art. 61 Abs. 1 OR nach kantonalem Recht geregelt. Kraft dieser Bestimmung gelte als ergänzendes kantonales Recht die einjährige Verjährungsfrist von Art. 60 Abs. 1 OR. Die Geschädigte habe bereits am 22. Oktober 2008 Kenntnis über die nötigen Grundlagen gehabt, um den Schaden zu beziffern. Mit dem Zahlungsbefehl vom 15. April 2010 sei die Verjährung im Lichte von Art. 60 Abs. 1 OR verspätet unterbrochen worden (E. 3.1). Dagegen gelangte die Geschädigte ans Bundesgericht und machte geltend, das Kantonsgericht habe Art. 60 OR willkürlich angewandt, indem es die Verjährung ihrer Schadensersatzforderung festgestellt habe.
Gemäss Bundesgericht ist die amtliche Tätigkeit des Notars nicht eine gewerbliche Verrichtung im Sinne von Art. 61 Abs. 2 OR, sondern eine amtliche Aufgabe, die unter das öffentliche Recht fällt. Der Notar hafte für die schlechte Ausführung seiner amtlichen Aufgabe nicht gemäss Vertragsrecht. Grundsätzlich regle Art. 41 ff. OR die Haftung der Notare. Die Kantone seien aber frei, die Haftung der Notare durch Art. 61 Abs. 1 OR dem kantonalen öffentlichen Recht zu unterstellen (E. 4.1). Erlasse ein Kanton gestützt auf Art. 61 Abs. 1 OR eine gesetzliche Regelung, so bestimme ausschliesslich kantonales Recht die Haftung. Andernfalls werde die Haftung für die amtlichen Verrichtungen der Notare direkt von Art. 41 ff. OR aus subsidiärem Recht geregelt. Ob ein Kanton gestützt auf Art. 61 Abs. 1 OR die amtliche Notariatstätigkeit nach kantonalem Recht dem öffentlichen Recht unterstellt hat, sei eine Auslegung kantonalen Rechts.
Der Gläubiger kenne den Schaden genügend, wenn er mit Bezug auf sein Vorhandensein, seine Natur und seine Elemente die zur Begründung einer Klage geeigneten Umstände erfahre. Angesichts der Kürze der Verjährungsfrist von einem Jahr dürfe man beim Gläubiger nicht zu anspruchsvoll sein.
Ein Steuerpflichtiger könne erst im Zeitpunkt der Veranlagungsverfügung wissen, wie die Steuerbehörde entscheide. Bis zur Veranlagungsverfügung sei es möglich gewesen, dass die Steuerbehörde den offensichtlichen Fehler des Notars anerkenne und den Sachverhalt beurteile, als hätte der Verkauf 2005 stattgefunden. Bis zum Steuerentscheid sei der Bestand des Schadens daher nur eine mögliche künftige Tatsache gewesen, die zur Begründung eines Schadenersatzanspruchs nicht genügt habe. Es sei willkürlich, wenn das Kantonsgericht vor dem Erhalt der Veranlagungsverfügung von einer Schadenskenntnis i.S.v. Art. 60 Abs. 1 OR ausgegangen sei (E. 5.2). Mit Einreichen des Betreibungsbegehrens habe die Geschädigte somit die Verjährung rechtzeitig unterbrochen (E. 5.3).
4. Beweis bei Erwerbsausfall
Die Ungewissheit über die Höhe des entgangenen Einkommens geht zulasten des Schädigers. In Urteil 4A_260/2014 vom 8. September 2014 ging es um die Klage einer hirnverletzten Person gegen eine Motorfahrzeughaftpflichtversicherung. Die Geschädigte war 1989 im Alter von 14 Monaten von einem Lieferwagen überfahren worden. Dadurch erlitt sie schwerste Hirnverletzungen mit der Folge bleibender Invalidität.
Zuletzt streitig blieb der Erwerbsausfallschaden, insbesondere das mutmassliche Einkommen ohne Unfall. Das Bundesgericht nimmt dazu wichtige Abgrenzungen zwischen Sach- und Rechtsfragen vor. Schlussfolgerungen, die auf allgemeiner Lebenserfahrung beruhen, kann das Bundesgericht frei überprüfen (E. 2.2 f.). Das Gericht hat den künftigen Erwerbsausfall aufgrund statistischer Werte zu schätzen, wobei die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (E. 3.1).
Eine im Rahmen dieser Schätzung verbleibende Ungewissheit über das mutmasslich entgangene Einkommen als Erwachsene darf sich nicht zuungunsten der Geschädigten auswirken, sondern muss vom Haftpflichtigen in Kauf genommen werden (E. 3.2 in fine). Bei Kinderschäden darf daher nicht einfach auf statistische Werte abgestellt, sondern soll die innerhalb der Familie übliche Ausbildung berücksichtigt werden (E. 3.3 in fine).
Sodann folgen lesenswerte Ausführungen zur Frage, ob und wie die statistische Wahrscheinlichkeit einer Mutterschaft und Reduktion des Erwerbspensums und -einkommens konkret zu berücksichtigen sind (E. 4.3 und 5).
Weiter hielt das Bundesgericht am Kapitalisierungszinsfuss von 3,5 Prozent fest. Eine allfällige tiefere Anlagemöglichkeit bedinge keine Praxisänderung: Die Geschädigte hätte die Möglichkeit gehabt, bei tieferer Rendite eine Entschädigung in Renten- statt Kapitalform zu verlangen (E. 7)
5. Teilklage nicht rechtsmissbräuchlich
Mit Entscheid 4A_503/2014 vom 17. September 2014 urteilte das Bundesgericht über die Zulässigkeit einer Teilklage über 30 000 Franken einer Geschädigten eines Verkehrsunfalls. Die beklagte Versicherung erhob negative Feststellungswiderklage, deren Streitwert über 30 000 Franken lag. Daraufhin erklärte das erstinstanzliche Walliser Bezirksgericht die Teilklage als unzulässig und missbräuchlich, weil diese eine Widerklage mangels gleicher Verfahrensart ausschliesse.8
Dagegen erhob die Geschädigte Berufung ans Kantonsgericht Wallis. Dieses hob das erstinstanzliche Urteil auf und erklärte die Teilklage als keineswegs rechtsmissbräuchlich. Auf die von der Beklagten beim Bundesgericht erhobene Beschwerde gegen den rückweisenden Zwischenentscheid trat das Bundesgericht nicht ein. In einem Swisslaw-Speech sind spannende Hintergrundinformationen zum Thema Rechtsmissbrauch in Bezug auf diesen Prozess zu erfahren.9
Im vorne (Ziff. 1) erwähnten Urteil 4A_76/2014 hatte die Hebamme Rechtsmissbrauch des Instituts der Teilklage gerügt, weil nur ein Kleinstbetrag von 10 000 Franken eingeklagt worden sei, womit immer wieder spätere Teilklagen möglich seien. Diesen Einwand wies das Bundesgericht als unbegründet ab: Jeder Teilbetrag, der auf Teilklage hin zugesprochen wird, sei zu dem Betrag hinzuzählen, den die Klägerin bereits erhalten habe. Beanspruche sie mit späterer Klage weitere Leistungen, müsse sie nachweisen, dass der ihr zustehende Schadenersatzanspruch diesen Gesamtbetrag übersteige (E. 4.3).
6. Keine gesonderte Adäquanzprüfung
Eine Teilklage nach VVG ist trotz liquidem höherem Schaden nicht rechtsmissbräuchlich. Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil vom 16. September 2014 (Z1 2014 5) beurteilte das Obergericht des Kantons Zug eine Klage aus einer Versicherung für Unfall, Tod und Invalidität (UTI) im Sinne einer Zusatzversicherung nach VVG. Die Klägerin erlitt bei einem Verkehrsunfall ein HWS-Distorsionstrauma. In der Folge entwickelten sich psychische Beschwerden (depressive sowie chronische Schmerzstörung, posttraumatische Belastungsstörung). Die Geschädigte erhob daher Teilklage gegen ihre Versicherung auf Bezahlung von 25 000 Franken. Die Versicherung bestritt eine Invalidität, eine Unfallkausalität und die Zulässigkeit der Teilklage. Der Einzelrichter des Kantons Zug hiess die Klage gut. Dagegen erhob die Versicherung Berufung an das Kantonsgericht Zug.
Gemäss Kantonsgericht ist die Teilklage in diesem Fall zulässig: Die Möglichkeit einer Teilklage im Sinne von Art. 86 ZPO folge bei teilbaren Ansprüchen wie Geldforderungen als Selbstverständlichkeit aus der Dispositionsmaxime. Auch wenn der Anspruch deutlich höher sei, sei es einer klagenden Partei grundsätzlich unbenommen, erst einmal einen reduzierten Betrag einzuklagen. Der Vorteil der Teilklage liege namentlich in der Verminderung der Prozesskosten sowie in der Möglichkeit des vereinfachten Verfahrens und der entsprechenden Beschleunigung des Prozesses bei einem Streitwert bis 30 000 Franken.
Die Grenzen der Zulässigkeit der Teilklage lägen im Rechtsmissbrauchsverbot von Art. 52 ZPO. So dürfe beispielsweise ein Kläger eine Gesamtforderung nicht in viele kleine Teilbeträge aufteilen, bloss um den Beklagten zu schikanieren. Kein Verstoss gegen Treu und Glauben liege indessen vor, wenn die Teilklage den Genuss prozessualer Vorteile bezwecke (E. 2.1).
Die streitgegenständliche Forderung aus der UTI-Versicherung sei eine teilbare Geldforderung. Nichts an ihrer Teilbarkeit ändere, dass eine Summenversicherung vorliege. Es sei nicht rechtsmissbräuchlich, dass die Klägerin die Teilklage zur Eingrenzung des Kostenrisikos oder zur Erlangung des vereinfachten Verfahrens erhoben habe. Zudem sei es der Klägerin im Rahmen der Dispositionsmaxime freigestellt, welchen Teilbetrag sie einklagen will, und sie brauche ihre Beweggründe dafür nicht darzulegen (E. 2.2).
Alsdann beurteilte das Kantonsgericht ein streitiges Gutachten als Schiedsgutachten und damit als für das Gericht verbindlich (E. 3.6). Gestützt auf dieses Gutachten erachtete es den natürlichen Kausalzusammenhang zwischen Unfall und bleibender Invalidität mit Invaliditätsgrad von 80 Prozent als erstellt (E. 4.5).
Bezüglich des von der Versicherung erhobenen Einwands der fehlenden Adäquanz hielt das Gericht fest, die Leistungspflicht des Privatversicherers bestehe bei Vorliegen eines natürlichen Kausalzusammenhangs zwischen versicherter Gesundheitsschädigung und versichertem Risiko. Der Versicherte habe alle Anspruchsvoraussetzungen mit dem Beweismass der annähernden Sicherheit nachzuweisen. Der Versicherer könne die Einwendung der fehlenden Adäquanz bzw. Zurechnung im Anwendungsbereich der Personen- und Schadensversicherung nur so weit erheben, als in den AVB Zurechnungsbestimmungen vorhanden seien. Entscheidend sei, ob der tatsächlich eingetretene Gesundheitsschaden versichert und natürliche Folge des versicherten Risikos sei. Keine Rolle spiele, ob das versicherte Ereignis oder der Schaden aussergewöhnlich seien.
Mit der Geltendmachung des Anspruchs auf Auszahlung des Invaliditätskapitals verlange die Geschädigte die Erfüllung des Versicherungsvertrages und damit nicht einen Schadenersatz-, sondern einen Erfüllungsanspruch. Eine Reduktion der Versicherungsleistung könne gestützt auf VVG nur bei Grobfahrlässigkeit oder Verletzung der Rettungspflicht (Art. 14 sowie Art. 61 VVG) oder bei einem vertraglich vereinbarten Reduktionsgrund erfolgen (E. 5.1).
Gemäss hier massgeblichen AVB müsse die Invalidität «als Folge eines Unfalls» eintreten. In den AVB fehlten Hinweise, wonach über die (gemäss AVB in der Regel ärztlich festgestellte) natürliche Kausalität hinaus eine Adäquanzprüfung durchzuführen sei. Entsprechend könne die Versicherung nicht den Einwand der fehlenden Adäquanz erheben und die gerichtliche Prüfung des adäquaten Kausalzusammenhangs könne unterbleiben. Vielmehr sei auf die Beurteilung des Schiedsgutachters abzustellen (E. 5.2). Die vorliegende UTI-Versicherung sei eine Zusatzversicherung nach Privatversicherungsrecht, in welchem nicht der sozialversicherungsrechtliche, sondern der haftpflichtrechtliche Adäquanzbegriff gelte. Selbst wenn daher die Adäquanz zu prüfen wäre, müsste diese vorliegend bejaht werden (E. 6.6).
Bemerkung: Das Urteil stärkt die Position von Geschädigten, indem eine Teilklage sogar dann als zulässig erachtet wird, wenn der gesamte Schaden liquid ist und einen rund zehnmal so hohen Betrag erreicht. Das Urteil ist eine Fundgrube im Bereich VVG und findet sich online.10 Damit können Geschädigte weiterhin mittels Teilklage die Prozesskosten reduzieren sowie zur Beschleunigung des Verfahrens nur einen liquiden Teil des Anspruchs einklagen, was die Botschaft zur ZPO11 als Ziel definierte.