1. Haftung des Werkeigentümers
Im Urteil 4A_189/2018 vom 6. August 2018 beurteilte das Bundesgericht eine Haftung für einen Arbeitsunfall auf dem Bau: Eine Malerin war auf ein Baugerüst heruntergesprungen. Das Gerüstbrett brach ein und die Frau stürzte zweieinhalb Meter in die Tiefe. Für die daraus folgende Arbeitsunfähigkeit klagte sie gegen die Eigentümerin des Baugerüsts und die Bauherrin in solidarischer Haftbarkeit auf Schadenersatz. Die kantonalen Instanzen hiessen die Klagen gut. Dagegen gelangte die Eigentümerin des Baugerüsts vor Bundesgericht und beantragte die Klageabweisung.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab und schützt die Klage. Gemäss vorinstanzlicher Feststellung sei der Sprung aus maximal 50 cm Höhe nicht bestimmungswidrig gewesen. Laut Fotografien und Unfallbericht der Suva ergebe sich im Sinne eines Anscheinsbeweises, dass das Gerüstbrett mangelhaft war. Gemäss Unfallbericht habe das Gerüst stellenweise verrottete respektive delaminierte Holzteile enthalten (E. 2).
Die Vorinstanz hatte eine Parteibefragung und Beweisaussage mit der Klägerin durchgeführt, was die Beklagte vergeblich kritisierte: Eine solche ist laut Bundesgericht gesetzlich vorgesehen (Art. 168 Abs. 1 lit. f ZPO) und ein objektiv taugliches Beweismittel. Das Gericht bilde sich seine Überzeugung nach freier Beweiswürdigung (Art. 157 ZPO). Eine geschickte Befragung durch das Gericht kann erfahrungsgemäss ein gutes Mittel sein, die Wahrheit zu erforschen, wenn die Befragte eindringlich verhört wird und auf unerwartete Fragen Antwort geben muss, vor allem aber, weil das die Partei befragende Gericht dabei einen persönlichen Eindruck gewinnt, der gestatten kann, die Glaubwürdigkeit der Befragten zu beurteilen. Die Vorinstanz habe die Darstellung der Klägerin zum Unfallhergang als plausibel und lebensnah betrachtet. Diese freie Beweiswürdigung als glaubhaft und beweiswertig zu taxieren verletze kein Bundesrecht (E. 3.2.2). Der Suva-Unfallreport sei zwei Tage nach dem Unfall durch Abklärungen am Unfallort und Gespräche mit Mitarbeitenden erstellt worden. Damit basiere er auf indirekten Angaben. Dennoch sei er grundsätzlich zum Beweis zugelassen.
Ob aussagende Personen eigene Interessen verfolgen, sei im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu berücksichtigen und mache ein Beweismittel nicht per se untauglich. Die eingebrochene Gerüstplatte wurde nicht gefunden. Diese Beweisschwierigkeit habe den Anscheinsbeweis in dem Sinne erlaubt, dass die Vorinstanz vom Einsturz des Gerüstbretts auf dessen fehlende Standfestigkeit schloss (E. 3.2.4). Das Baugerüst sei ein Werk i.S.v. Art. 58 OR und stehe im sachenrechtlichen Eigentum der Beklagten (E. 4.1). Daher sei diese Werkeigentümerin und Haftungssubjekt. Im Bereich des Art. 58 OR hafte nicht der Mieter oder Pächter für Werkschäden, wobei die Eigentümerin gegebenenfalls auf diese zurückgreifen könne. Entsprechend hafte die Beschwerdeführerin trotz nur mittelbaren Besitzes ihres Werks weiterhin nach Art. 58 OR. Nichts daran ändere, dass mit Abschluss des Gerüstbauvertrags und Ablieferung des Werkes «die Obhut» des Werks auf die Bauherrin überging und keine Vertragspflicht der Eigentümerin gegenüber der Bauherrin für Kontrollen bestand (E. 4.2 f.).
Laut Vorinstanz war der Sprung auf den unteren Gerüstgang bestimmungsgemäss und mangels örtlicher Alternative nachvollziehbar. Einem solchen Sprung mit dynamischer Einwirkung hätte das Gerüst gemäss Art. 37 Abs. 2 lit. e Bauarbeitenverordnung standhalten müssen (E. 4.3.1 f.). Die Beklagte habe nicht behauptet, den Bauherrn vergeblich um Zugang zur Baustelle gefragt zu haben. Aber selbst wenn ihr der Zugang verweigert worden wäre, hätte dies nichts an der Kausalhaftung für Mängel geändert. Es hätte ihr indessen Regressansprüche gegen den Bauherrn erlaubt (E. 4.4).
Die von der Beklagten gesetzte Ursache des mangelhaften Werkes werde durch die fehlende Sichtkontrolle der Klägerin nicht derart in den Hintergrund gerückt, dass sie rechtlich nicht mehr beachtlich erscheine. Gemäss Vorinstanz sei daher die Adäquanz nicht durchbrochen. Immerhin sei der Beklagten eine Haftungsreduktion von 15 Prozent zu gewähren, da die Klägerin die gesetzlich vorgeschriebene Sichtkontrolle (Art. 49 Abs. 1 BauAV) unterliess (E. 4.5.2).
Bemerkungen: Das Urteil ist eine Fundstelle betreffend Haftung für Baustellenunfälle. In solchen bestehen für Geschädigte in der Praxis häufig Beweisschwierigkeiten: Arbeitsteilung, mehrere mögliche Passivlegitimierte, regelmässiger Beizug von Subunternehmern und Temporärmitarbeitern und unklare Zuständigkeiten erschweren die Zuordnung einer Verantwortlichkeit für Sorgfaltspflichtverletzungen. Zudem kommen Vertuschungsmanöver vor, die Suva klärt den Unfallhergang meist verspätet und teilweise einseitig ab, und der Arbeitgeber hat oft kein Interesse an einer umfassenden Abklärung (drohende Strafverfahren und Haftung).1 Daher ist das bundesgerichtliche Verdikt zu begrüssen, dass zur Klärung einer Haftung die Ergebnisse einer Parteibefragung und Beweisaussage auch einer Geschädigten sowie wenn nötig der Anscheinsbeweis zu Hilfe genommen werden können.
2. Strassenverkehrsgesetz
2.1 Haftungsquote bei Selbstverschulden
Im Urteil 4A_290/2018 vom 11. Oktober 2018 ging es um den Lenker eines gemieteten Motorrads. Auf einer Fahrt über den Gotthard verpasste er eine Kurve, kollidierte mit einem Stein und starb. Er hinterliess eine Witwe und vier Söhne. Erst eine gewisse Dauer der Miete macht einen Mieter zum Halter und schliesst dessen Klage (resp. die der Angehörigen) gegen die «eigene Versicherung» aus.2 Aufgrund der nur kurzen Mietdauer klagten die Angehörigen aus SVG-Kausalhaftung gegen die Haftpflichtversicherung des Motorrads auf Schadenersatz und Genugtuung. Die Haftpflichtversicherung verneinte eine Haftung infolge groben Selbstverschuldens (Art. 59 Abs. 1 SVG).
Das Handelsgericht Zürich und das Bundesgericht schützten die Klage mit einer Haftungsquote von 90 Prozent infolge eines Abzugs von 10 Prozent wegen leichten Selbstverschuldens. Die Kurve hätte laut unfallanalytischem Gutachter von einem geübten Fahrer mit bis zu 70 km/h durchfahren werden können, Strassen- und Sichtverhältnisse seien optimal gewesen. Die Kollisionsgeschwindigkeit lag bei 63,5 km/h. Ein leichtes Selbstverschulden ergebe sich aus fehlenden Kenntnissen der gefahrenen Strecke, des Mietfahrzeugs und der eingeschränkten Erfahrung als Motorradlenker. Daher hätte der Verunfallte seine Geschwindigkeit noch weiter reduzieren müssen (E. 2.2).
Dass der Verunfallte die letzten zehn Jahre kein Motorrad besessen und nur dreimal eines gemietet hatte, habe die Vorinstanz bundesrechtskonform beim Selbstverschulden berücksichtigt (E. 2.3 f.). Nebst dem Selbstverschulden gebe es andere Unfallursachen: Die Fahrdynamik des Motorrads, allfällige Bodenunebenheiten oder eine Korrektur der Fahrlinie durch ein unerwartetes Ereignis seien laut Gutachter typische Unfallursachen, die gänzlich oder teilweise ausserhalb des Herrschaftsbereichs des Verunfallten liegen. Der Gutachter könne somit die konkrete Unfallursache nicht angeben.
Nebst der überhöhten Geschwindigkeit (E. 2.2) sei daher nicht auszuschliessen, dass ausserhalb des Herrschaftsbereichs des Verunfallten liegende Elemente den Unfall mitverursachten. Daher sei – anders als im Urteil 4A_262/2016 – der Anscheinsbeweis nicht erbracht, wonach der Unfall einzig auf überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen sei (E. 2.4.1). Die Vorinstanz habe deshalb ihr Ermessen bei der Haftungsquote gewahrt (E. 2.5).
2.2 Unzulängliche Entschädigungsvereinbarung
Im Entscheid 4A_228/2018 vom 5. November 2018 ging es darum, ob eine Vereinbarung über eine Entschädigung aus einem Verkehrsunfall offensichtlich unzulänglich und damit innert Jahresfrist i.S.v. Art. 87 Abs. 2 SVG anfechtbar ist. Die Beifahrerin eines Autos erlitt 1996 bei einem Verkehrsunfall eine Commotio cerebri (Hirnerschütterung). In der Folge litt sie an neurologischen Beschwerden, später an einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Die Arbeitsunfähigkeit wurde für einen Monat auf 100 Prozent und danach bis 1998 auf 50 Prozent bestimmt. 1998 schätzte ein neurologischer Gutachter die Arbeitsunfähigkeit in der bisherigen Tätigkeit auf 10 bis 20 Prozent. Nach einer Verschlechterung im Jahr 2000 bezifferte der behandelnde Psychiater die längerfristige Arbeitsunfähigkeit mit 50 Prozent, bezogen auf ein Pensum von 50 Prozent, wobei die kognitiven Störungen organischer Natur seien.
Im Sommer 2000 vereinbarten die anwaltlich vertretene Geschädigte und die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers 180 000 Franken Schlussentschädigung (100 000 Franken Erwerbsausfallschaden/Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens, 60 000 Franken Haushaltschaden, 20 000 Franken Genugtuung). Zudem übernahm die Versicherung 30 000 Franken für vorprozessuale Anwaltskosten.
Damit waren die Parteien per Saldo aller Ansprüche (gegenüber allen Passivlegitimierten) auseinandergesetzt. Die Parteien stellten fest, die Geschädigte beanspruche keine Rente der Invalidenversicherung sowie keine Rente und Integritätsentschädigung der Unfallversicherung, andernfalls eine Rückerstattung kongruenter Leistungen an die Haftpflichtversicherung zu erfolgen hätte.
Wegen Persistenz der Beschwerden und weiter bestehender Arbeitsunfähigkeit bei leichter Verschlechterung focht die Klägerin die Vereinbarung als offensichtlich unzulänglich i.S.v. Art. 87 Abs. 2 SVG an. Es folgten medizinische Abklärungen und Behandlungen. Die IV sprach eine halbe, später eine ganze Rente zu. Die Geschädigte klagte vor Zivilgericht gegen die Motorfahrzeughaftpflichtversicherung auf 2 Millionen Franken Schadenersatz und erhöhte ihre Forderung später auf 2,8 Millionen Franken. Die Klage der Geschädigten wird abgewiesen: Nach Art. 87 Abs. 2 SVG sind Vereinbarungen, die eine offensichtlich unzulängliche Entschädigung festsetzen, binnen Jahresfrist anfechtbar.
Ob die vereinbarte Entschädigung offensichtlich unzulänglich ist, ist anhand eines Vergleichs mit dem Mindestbeitrag zu entscheiden, der im Prozessfall gerichtlich zugesprochen worden wäre. Massgebend sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung. «Offensichtlich unzulänglich» ist eine Vereinbarung bei einem krassen Unterschied. Das Kriterium der offensichtlichen Unzulänglichkeit entspricht dem offenbaren Missverhältnis bei der Übervorteilung im Sinne von Art. 21 OR. Das Gericht hat einen doppelten Ermessensentscheid zu treffen: Zunächst bestimmt es unter Würdigung der Umstände die Bandbreite der objektiv angemessenen Entschädigung. Alsdann hat es diese mit der vereinbarten Abgeltungssumme zu vergleichen und zu entscheiden, ob es die Differenz als annehmbar betrachtet oder als derart eklatant, dass die Abgeltungssumme offensichtlich unzulänglich erscheint. Der Beweis für das offensichtliche Ungenügen der Entschädigung obliegt dem Geschädigten (E. 4.1).
Die Klägerin sei vorinstanzlich zumindest teilweise anwaltlich vertreten gewesen. Wenn sie in Kenntnis der bundesgerichtlichen Rechtsprechung auf Ausführungen zur Angemessenheit der Entschädigung im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses verzichtet habe, könne sie sich anschliessend nicht auf die gerichtliche Fragepflicht berufen (E. 4.3). Die Klägerin habe nicht bewiesen, dass die gesundheitliche Verschlechterung bei Abschluss der Vereinbarung berücksichtigt worden sei, womit die Vereinbarung nicht offensichtlich unzulänglich sei (E. 4.4).
Bemerkungen: Der Entscheid ist sehr lesenswert bezüglich Möglichkeiten und Grenzen der Anfechtung einer Per saldo-Vereinbarung. Er zeigt auch auf, mit welchen Schwierigkeiten und Risiken solche Vereinbarungen behaftet sind, wenn Sozialversicherungsansprüche noch nicht beurteilt sind oder wenn es um gesundheitliche Prognosen und ihre Auswirkungen auf den Schaden geht. Anwälte tun deshalb gut daran, die Vergleichsparameter schriftlich festzuhalten und ihre Klientschaft mit aller Sorgfalt und Beweisbarkeit abzumahnen, bevor sie Schadenersatzansprüche per Saldo regulieren.
2.3 Keine Solidarhaftung bei verschiedenen Unfällen
Im Urteil 4A_508/2018 vom 17. April 2019 ging es um eine solidarische Haftung von zwei Motorfahrzeughaftpflichtversicherungen für zwei Verkehrsunfälle in den Jahren 2005 und 2008. Beide bewirkten bei der geschädigten Klägerin je ein Distorsionstrauma der Halswirbelsäule und insgesamt eine 40-prozentige Invalidität.
Daraufhin klagte die Geschädigte beide Versicherungen ein und verlangte eine solidarische Haftung i.S.v. Art. 60 SVG. Als Gerichtsstand wählte sie den Sitz der ersten Versicherung mit der Begründung, die Unfälle seien konnex. Das rechtfertigte eine einfache Streitgenossenschaft nach Art. 71 Abs. 1 ZPO und eine örtliche Zuständigkeit für beide Versicherungen. Die zweite Versicherung bestritt die örtliche Zuständigkeit und das Gericht trat auf die sie betreffende Klage nicht ein.
Das Obergericht und das Bundesgericht schützten dies: Die Unfälle ereigneten sich unabhängig voneinander in unterschiedlicher Weise sowie an unterschiedlichen Orten und Zeiten. Nötig seien unterschiedliche Beweiserhebungen. Eine Vereinfachung durch Konzentration der Beweismassnahmen in einem einzigen Verfahren sei nicht erkennbar. Es bestehe weder ein tatsächlicher noch ein rechtlicher Zusammenhang zwischen den zwei Unfällen. Das Bundesgericht verneinte daher prozessökonomische oder anderweitige Gründe (u.a. die Gefahr widersprüchlicher Urteile), welche die Bildung einer einfachen passiven Streitgenossenschaft zwischen den Motorfahrzeughaftpflichtversicherungen rechtfertigten (E. 4.2.1 und 4.3.1). Die Versicherungen haften nicht solidarisch aus Art. 60 SVG, zumal diese Bestimmung nicht für mehrere Unfälle anwendbar ist (E. 4.3.2–4.3.5).
3. Staatshaftung
3.1 Keine Information über gefährlichen Ex-Partner
Im Urteil 2C_816/2017 vom 8. Juni 2018 beurteilte das Bundesgericht die Haftung des Kantons Luzern für eine Unterlassung der Polizei: Eine Frau (nachfolgend: Geschädigte) teilte ihrem Freund 2007 per E-Mail mit, sie beendige die Beziehung. Auf seine nachfolgenden Telefonanrufe reagierte sie nicht. Noch am gleichen Abend entführte der Freund die Frau, vergewaltigte und misshandelte sie und verletzte sie mit einer Armbrust schwer. Nach seiner Festnahme beging er Suizid.
Der Täter hatte eine strafrechtliche Vorgeschichte: 1995 war er wegen Mordes und Vergewaltigung zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. 2001 wurde er bedingt aus dem Strafvollzug entlassen. 2006 war er wegen Drohung, Nötigung und weiterer Delikte während eineinhalb Monaten in Untersuchungshaft. Bei seiner Entlassung auferlegte man ihm ein Kontaktverbot zur früheren Partnerin, eine Schutzaufsicht und eine ambulante Psychotherapie. Die Staatsanwaltschaft wies die Polizei an, eine Missachtung der Auflagen zu melden. Ein psychiatrischer Gutachter beurteilte unmittelbare Trennungssituationen als kritisch, weil gewaltsame Handlungen zu befürchten seien. Es seien auch massivere Gewaltdelikte z.B. gegen Intimpartnerinnen zu erwarten.
Die Geschädigte lernte den Täter 2006 kennen. Seine Vorgeschichte kannte sie im Tatzeitpunkt nicht. Aufgrund seines Verhaltens kontaktierte sie 2007 seinen Hausarzt. Dieser wiederum kontaktierte die Polizei. Daraufhin rief ein Polizist die Geschädigte an und empfahl ihr, die Beziehung zum Täter zu beenden; über die strafrechtliche Vergangenheit informierte er sie nicht.
Die Geschädigte klagte gegen den Kanton Luzern auf Genugtuung mit der Haftungsbegründung, dessen Beamte hätten sie nicht über die strafrechtliche Vergangenheit des Täters und seine Gefährlichkeit informiert. Alle Gerichte wiesen die Klage ab: Die Staatshaftung des Kantons Luzern ist eine Mischform zwischen Kausal- und Verschuldenshaftung (E. 3.2).
Die Staatshaftung für eine Unterlassung setzt die Verletzung einer Handlungspflicht im Sinn einer Schutznorm voraus, welche das Interesse der Geschädigten verfolgt, sodass für diese eine Garantenpflicht besteht (E. 3.3). Nicht willkürlich sei der kantonale Entscheid, wonach der Zweck der strafprozessualen Auflagen hier nicht den Schutz Dritter bezweckt habe, sodass sich daraus keine Schutznormverletzung ergebe (E. 4.1.2). Zwar beinhalte das kantonale Polizeigesetz eine Pflicht der Polizei, Menschen vor unmittelbar drohenden Gefahren zu schützen (E. 4.2.1). Der vorinstanzliche Entscheid sei aber nicht willkürlich, es habe keine unmittelbare Gefahr gedroht, weil nicht mit einem sofortigen Angriff habe gerechnet werden müssen, als der Polizist mit dem Opfer telefoniert habe. Daher habe der Polizist weder eine Handlungspflicht noch eine Garantenstellung gehabt. Damit sei auch seine unterlassene Aufklärung über die deliktische Vergangenheit des Täters nicht widerrechtlich gewesen (E. 4.2.2 und 4.2.4).
Es sei angesichts der appellatorischen Kritik jedenfalls nicht willkürlich, die kantonale Staatshaftung derart einzuschränken, dass eine individuelle Zurechenbarkeit eines Fehlverhaltens zu einem bestimmten Beamten nötig sei, und darüber hinaus eine Staatshaftung für mangelhafte Behördenorganisation zu verneinen (E. 4.3 f.). Zudem bleibe ungewiss, ob eine Information des Polizisten über die Vergangenheit des Täters letztlich das Opfer erfolgreich geschützt hätte. Die diesbezügliche vorinstanzliche Würdigung sei jedenfalls nicht willkürlich, wonach der Verlauf nur möglicherweise anders gewesen wäre (was für eine Haftung nicht genügt: E. 4.4.2).
Bemerkungen: Angesichts der Vorgeschichte hätte man zumindest auf kantonaler Ebene genauso gut annehmen können, dass eine Information des Polizisten über die Vergangenheit des Täters das spätere Opfer geschützt hätte: Es ist unwahrscheinlich, dass das Opfer in Kenntnis der Fakten untätig geblieben wäre. Wahrscheinlicher scheint die Ergreifung von Schutzmassnahmen. Haftpflichtrechtlich genügt Teilkausalität; daher wäre bereits eine hypothetisch weniger schwere Verletzung kausale Folge der Information gewesen.
Sodann offenbart eine fehlende Staatshaftung bei unmöglicher individueller Zurechenbarkeit eines Fehlverhaltens Deckungslücken im Rechtsschutz, die zu schliessen sind. Es erscheint stossend, wenn eine Staatshaftung bei einer mangelhaften staatlichen Organisation daran scheitert, dass nicht beweisbar ist, wer konkret welchen Fehler gemacht hat. Schliesslich überzeugt es mässig, den Zweck strafprozessualer Auflagen nur auf die damalige Partnerin zu beschränken, wenn doch der Gutachter explizit vor der Gefährdung Dritter (weitere Intimpartnerinnen) gewarnt hat.
Das Bundesgericht hat das kantonale Recht allerdings nur unter Willkürgesichtspunkten überprüft (E. 1.2 f.). Dies erklärt seine Zurückhaltung. Immerhin gelten seit dem 1. Februar 2018 im Luzerner Polizeigesetz neue Bestimmungen zu Gefährdungen. Sie sollen den Behörden ermöglichen, früher tätig zu werden und die Prävention von Gewalttaten verbessern (E. 4.2.4 und 4.4.3).
3.2 Nicht eingezogene Armeewaffe
In den Fällen A-3025/2017 sowie A-3047/2017 vom 8. Februar 2019 beurteilte das Bundesverwaltungsgericht eine Klage aus Staatshaftung zweier Sozialversicherungen: Die Wohnung eines ehemaligen Angehörigen der Armee wurde im Mai 2011 von einem Betreibungsbeamten mit Unterstützung zweier Polizisten zwangsweise geräumt. Dabei tötete der Bewohner einen Polizeibeamten und verletzte den anderen mit seiner Armeepistole. Bereits vier Jahre zuvor war der Täter von der Armee wegen einer Persönlichkeitsstörung aus der Wehrdienstpflicht entlassen worden. Die Dienstwaffe wurde nicht eingezogen. Die für ihre Leistungen subrogierenden Sozialversicherungen machten beim Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) gestützt auf eine Staatshaftung Schadenersatzansprüche geltend. Das EFD verneinte eine Staatshaftung mit der Begründung, die Schweizer Armee habe keine Pflicht zur Handlung oder Sorgfalt verletzt. Die Ausübung einer Gewalttat mit der Armeewaffe falle in den Verantwortlichkeitsbereich des kantonalen Kreiskommandos.
Das Bundesverwaltungsgericht sieht das anders: Bei der Gefährdung eines absoluten Rechtsguts wie vorliegend des Rechts auf Leben hat nach dem Gefahrensatz zu handeln, wer einen gefährlichen Zustand schafft oder unterhält (E. 7.9.4). Durch die Unterlassung, beim als gefährlich eingestuften und deshalb untauglich erklärten Armeeangehörigen die Waffe einzuziehen, habe die Armee einen gefährlichen Zustand geschaffen (E. 7.9.5). Zwar sei für die administrative Abwicklung der Abrüstung das kantonale Kreiskommando zuständig. Die eigentliche Rücknahme der Waffen und die entsprechende Kontrolle oblägen indessen der Logistikbasis der Armee. Die Armee habe die Rücknahme der Waffe nicht überprüft, weshalb sie die nicht erfolgte Abrüstung nicht bemerkt habe. Zudem habe sie es unterlassen, das kantonale Kreiskommando über die Dringlichkeit der Abrüstung zu informieren. Der blosse Eintrag ins Informationssystem der Armee sei ungenügend, weil nur die Armee gewusst habe, weshalb der Täter die Waffe nicht behalten dürfe (E. 7.10). Daher sei die Unterlassung der Abrüstung widerrechtlich (E. 7.11). Der Fall geht ans EFD zurück, um die weiteren Voraussetzungen der Staatshaftung zu prüfen.
Bemerkungen: Das Urteil warf hohe Wellen. Die Armee änderte ihre Abläufe, überprüfte 300 000 Dossiers von ehemaligen Angehörigen der Arme und zog etliche Waffen ein. Heute würde innert 24 Stunden nach der Diagnose die Waffe eines als gefährlich eingestuften Soldaten eingezogen.3
3.3 Verwirkungsfrist nach Verantwortlichkeitsgesetz
Mit Entscheid vom 21. November 2018 beurteilte das Bundesgericht ein Schadenersatzbegehren einer Sammelstiftung gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft (2C_245/2018): Die Stiftung machte geltend, das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) habe seine Aufsichtspflicht missachtet und damit die Reduktion von Stiftungsvermögen durch Organe nicht bemerkt und nicht verhindert. Vor Bundesgericht streitig war, wann die Verwirkungsfrist bezüglich «Kenntnis des Schadens» zu laufen begonnen hatte (E. 2.1 und 5 f.). Zwei Stiftungsräte und Geschäftsführer der Stiftung waren wegen mehrfacher qualifizierter Veruntreuung verurteilt worden. Dazu hatte die Vorinstanz erwogen, sie hätten um die unrechtmässige und zweckwidrige Verwendung der Vorsorgegelder gewusst. Ihr Wissen sei der Stiftung zuzurechnen, weshalb Schadenersatzansprüche verwirkt seien (E. 5.3).
Dies sah das Bundesgericht anders: Zwar müsse sich eine juristische Person das deliktische Verhalten ihrer Organe anrechnen lassen. Dies bedinge aber, dass das Organ in Wahrung seiner Organtätigkeit, also innerhalb der Organkompetenz, handle, und nicht bloss als Privatperson. Die Vertretungsmacht der Organe beziehe sich aber nicht mehr auf Rechtshandlungen, die völlig ausserhalb des Zwecks der juristischen Person stehen oder diesem geradezu widersprechen (E. 6.1). Eine derart deliktische Handlung von Organen zur Selbstbereicherung und Schädigung der juristischen Person widerspreche dem Stiftungszweck. Daher könne das Wissen der verurteilten Stiftungsräte der Stiftung selber punkto Beginn der relativen Verwirkungsfrist nicht angerechnet werden (E. 6.7.5).
3.4 Entschädigungspflicht für formelle Enteignung
Gleich zwei Urteile sind zur Publikation vorgesehen: Im Bundesgerichtsurteil 1C_485/2017 vom 23. April 2019 waren Entschädigungsansprüche wegen Bauarbeiten auf der Nationalstrasse streitig. Der Zugang zu einer Raststätte war vorübergehend gesperrt. Die Baurechtsnehmerin/Betreiberin verlangte die Enteignung der nachbarrechtlichen Abwehransprüche und eine volle Entschädigung bzw. die Feststellung der Schadenersatzpflicht. Streitig war die Übermässigkeit der Immission aus Strassenbauarbeiten.
Von der Übermässigkeit der vorübergehenden Immissionen und damit von einem Bestehen einer Entschädigungspflicht ist auszugehen, wenn die Beeinträchtigung länger dauert (Richtwert über ein halbes Jahr), erhebliche positive (wie Lärm, Staub usw.) oder negative (wie Zugangserschwernisse) Immissionen zu dulden sind, die Beeinträchtigung beim Geschäft den Umsatz erheblich reduziert (Richtwert 20 bis 30 Prozent) oder einen erheblichen Zusatzaufwand (wie für Reinigung) verursacht (E. 4.6).
Hier sei die zweimonatige Totalsperrung der Zufahrt im zweiten Baujahr besonders einschneidend gewesen. Ansonsten war diese Zufahrt zwar offen, die Bauverhältnisse vor und bei der Zufahrt stellten sich aber nach einigen Monaten immer wieder anders dar. Am Anfang des ersten Baujahrs und dann vor allem im zweiten Baujahr war die Zufahrt erheblich erschwert. Dazwischen lag eine Phase, bei der die Zufahrt nicht anspruchsvoll war, aber dennoch der Eindruck einer Grossbaustelle bestand. Dazu trugen Baulärm, Staub und Erschütterungen bei. Zu einer markanten wirtschaftlichen Erholung kam es bei der Raststätte in dieser Zwischenphase nicht. Das Zusammenspiel dieser Nachteile führte von 2012 bis 2014 zu einer erheblichen Umsatzeinbusse, die den Rahmen des normalen Betriebsrisikos der Raststätte überstieg. Die Immissionen seien somit übermässig und entschädigungspflichtig (E. 7.7).
Anders hat das Bundesgericht in 1C_435/2018 vom 15. Mai 2019 entschieden: Die Eigentümer eines Grundstücks mit Wohnhaus in der Landwirtschaftszone verlangten eine Entschädigung für die Enteignung ihrer nachbarrechtlichen Abwehransprüche gegen Immissionen aus dem Betrieb eines Asylzentrums. Laut Bundesgericht waren die Immissionen nicht unzumutbar – zumal in der Landwirtschaftszone gewisse Immissionen hinzunehmen sind. Zudem sei dort früher eine Schule betrieben worden, was ebenfalls Immissionen verursacht habe (E. 6.3). Auch die von den Beschwerdeführern beschriebenen ideellen Immissionen (ungutes Gefühl bzw. Gefühl des Bedrohtseins oder latente Angst) hätten bei objektiver Betrachtung die Intensität des zumutbaren Masses nicht überschritten (E. 6.4).
4. Sorgfaltsbeweis des Hundehalters
Im Entscheid 4A_36/2019 vom 21. Februar 2019 ging es um einen Unfall mit einem Hund: Nach einer Hundesportstunde unterhielten sich die Hundetrainerin, die Halterin eines Labradormischlings und eine Drittperson auf einem eingezäunten Hundesportplatz. Dabei kollidierte der herumrennende Labrador mit der Hundetrainerin, die stürzte und sich verletzte. Die Trainerin klagte gegen die Halterin des Hundes.
Das Bundesgericht verneinte wie schon die Vorinstanzen eine Haftung: Nach Art. 56 Abs. 1 OR haftet für den von einem Tier angerichteten Schaden, wer dasselbe hält, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt in der Verwahrung und Beaufsichtigung angewendet habe (E. 3.1). Gemäss verbindlicher vorinstanzlicher Sachverhaltsfeststellung (E. 4.3) habe der Hund weder einen aggressiven Charakter aufgewiesen, noch sei ein früherer Vorfall bekannt, bei dem er eine andere Person umgerannt oder verletzt habe. Die Geschädigte habe den Hund aus mehr als 20 Lektionen bestens gekannt und toleriert, dass er sich nach der Trainingsstunde frei auf dem Trainingsplatz bewege. Sie habe trotz entsprechender Weisungsbefugnis von der Halterin nicht verlangt, dass diese das Herumrennen des Hundes unterbinde (z.B. durch Anleinen). Auch habe den drei diskutierenden Frauen nicht entgehen können, dass sich der Hund während ihrer Diskussion lebhaft und energiegeladen auf dem Trainingsgelände bewege. Entsprechend habe die Halterin die nach den Umständen gebotene Sorgfalt in der Verwahrung und Beaufsichtigung ihres Hundes angewendet, sodass sie nicht hafte (E. 3.2).
Die von Art. 56 Abs. 1 OR geforderte Sorgfalt verlange nicht, dass der Tierhalter jede erdenkliche Möglichkeit ausschöpft, um irgendwie vorstellbare Schäden zu vermeiden. Gefordert werde, dass mit der objektiv gebotenen Sorgfalt gehandelt wird, was mit dem Ergreifen geeigneter Massnahmen zur Verhinderung voraussehbarer konkreter Gefährdungen erfüllt sei. Auf einem speziell für Hunde eingerichteten, eingezäunten Trainingsplatz müsse ein Hund weniger beaufsichtigt werden als im öffentlichen Raum (E. 5.3.2).
5. Haftung der SBB für «Zugschubser»
Im Urteil 4A_602/2018 vom 28. Mai 2019 bejahte das Bundesgericht die Haftung der SBB für einen Personenunfall: Ein Passagier wurde von einem psychisch Kranken (Schuldunfähigen) auf das Gleis gestossen und schwer verletzt. Der Passagier klagte gegen die SBB und verlangte eine Genugtuung aus Kausalhaftung (Eisenbahngesetz, EBG). Das Handelsgericht Zürich und das Bundesgericht schützten die Klage. Nach Art. 40b Abs. 1 EBG haftet der Inhaber eines Eisenbahnunternehmens für den Schaden, wenn die charakteristischen Risiken, die mit dem Betrieb der Eisenbahn verbunden sind, zur Tötung oder Verletzung eines Menschen oder zu einem Sachschaden führen (E. 2.). Von der strengen Kausalhaftung wird ein Eisenbahnunternehmen nur entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als Hauptursache anzusehen ist (Art. 40c Abs. 1 EBG; insb. höhere Gewalt oder grobes Selbst- oder Drittverschulden; E. 3.). Mit Verweis darauf verlangten die SBB eine Haftungsbefreiung: Das Verhalten des «Zugschubsers» sei Hauptursache, weshalb sie zu entlasten seien (E. 2.3).
Eine solche Haftungsbefreiung verneint das Bundesgericht (E. 3.4.3): Historisch habe der Gesetzgeber mit der Ausweitung der Entlastungsgründe in erster Linie die Verantwortung der Bahnunternehmen für Selbsttötungen im Zustande der Urteilsunfähigkeit ausschliessen wollen (E. 3.3.2).
Bei der Beurteilung, ob der adäquate Kausalzusammenhang unterbrochen wird, ist das objektive Verhalten eines Dritten in Bezug zum Einfluss der charakteristischen Betriebsgefahr der Eisenbahn zu setzen (E. 3.3.4). Der kalkulierte Stoss des Urteilsunfähigen könne eher mit einem die SBB grundsätzlich ebenfalls nicht entlastenden unabsichtlichen Stoss eines unvorsichtigen Dritten verglichen werden als mit einer Selbsttötung (E. 3.4.2). Anders als bei einer Selbsttötung fehle ein Umstand, welcher der Risikosphäre des Geschädigten als eines gewöhnlichen Bahnbenutzers mit ordnungsgemässem Verhalten auf dem Perron zuzurechnen wäre (E. 3.4.2). Zudem liesse sich das hier verwirklichte Risiko wie teils im Ausland durch technische Vorkehrungen (z.B. Schranken) minimieren, selbst wenn dies in der Schweiz nicht zumutbar wäre (E. 3.4.2). Auch eine Herabsetzung der Genugtuung gem. Art. 40f EBG i.V.m. Art. 43 f. OR lehnt das Bundesgericht ab (E. 4.).
6. Delikthaftung für Foul im Sport
Im Urteil 6B_52/2019 vom 5. März 2019 beurteilte das Bundesgericht eine fahrlässige Körperverletzung: Der beschuldigte Amateurfussballer hatte seinen Gegner mit gestrecktem Bein auf einer Höhe von 10 bis 15 cm getackelt, sodass Letzterer einen Knöchelbruch erlitt. Der Schiedsrichter qualifizierte dieses Tackling als «gefährliches Spiel» und ahndete die Aktion mit einer gelben Karte. Der Fussballer, der ohne Verletzungsabsicht handelte, wurde wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt.
Das Freiburger Kantonsgericht und das Bundesgericht bestätigten das Urteil: Fahrlässig handelt, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (E. 2.1). Bei Verletzungen im Rahmen einer Sportveranstaltung beurteilen sich das vom Verletzten stillschweigend akzeptierte Risiko und die massgebenden Sorgfaltspflichten in Abhängigkeit von den anwendbaren Spielregeln und des allgemeinen Schädigungsverbotes. Wird eine Spielregel, welche den Schutz der Spieler vor Verletzungen bezweckt, absichtlich oder grob missachtet, so darf keine stillschweigende Einwilligung in das der sportlichen Tätigkeit innewohnende Risiko einer Körperverletzung angenommen werden.
Je krasser solche Regeln verletzt werden, desto weniger kann von der Verwirklichung eines spieltypischen Risikos gesprochen werden und desto eher rückt eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Spielers ins Blickfeld (E. 2.2). Rücksichtsloses Tackeln führt gemäss internationalen Spielregeln des Fussballverbands zu einer Verwarnung. Rücksichtslos handelt, wer ohne Rücksicht auf die Gefahr oder die Folgen für den Gegner spielt (E. 2.3). Indem der Schiedsrichter hier eine gelbe Karte verhängt hat, ist er von einer schwerwiegenden Spielregelverletzung ausgegangen (E. 2.4). Angesichts der Gefährlichkeit des Tacklings wiegt die Verletzung der Spielregel zum Schutz der Spieler vor Verletzungen schwer. Daher verneint das Bundesgericht eine stillschweigende Einwilligung des Verletzten (E. 2.5).
Bemerkungen: Der verurteilte Spieler wird zivilrechtlich Schadenersatz leisten müssen (Art. 41 OR). Anders liegt der Fall, wenn es keine Regel gibt, welche das Verhalten eines Spielers ausdrücklich verbietet. Diesfalls sind die im Reglement statuierten allgemeinen Verhaltenspflichten Sorgfaltsmassstab, der unter Berücksichtigung der sportartspezifischen Usanzen im Wettkampf zu konkretisieren ist. Im Radsport ist ein Überholmanöver, welches zum tragischen Sturz mit Todesfolge führte, ein sportartspezifisches nicht auszuschliessendes Risiko, das einer strafrechtlichen Ahndung entgegensteht (BGer 6B_261/2018, 6B_283/2018, 6B_284/2018, E. 5.1 ff.).
7. Haftung im Auftragsrecht
7.1 Unterlassene Aufklärung durch Anwalt
Im Urteil 4A_550/2018 vom 29. Mai 2019 klagte ein ehemaliger Klient gegen seine frühere Anwältin und verlangte Schadenersatz aus Auftragsrecht mit folgender Begründung: Seine Anwältin habe ihn nicht darüber aufgeklärt, dass ein erstinstanzliches Urteil, das ihn zur Zahlung gegenüber Dritten verpflichtete, mangelhaft gewesen sei und der Rechtsmittelweg aussichtsreich gewesen wäre. Bei korrekter Aufklärung über die Rechtsmittelchancen hätte er das Urteil (erfolgreich) angefochten und müsste nun die Dritten nicht zahlen.
Die Parteien hatten einen Weiterzug besprochen, die beklagte Anwältin hatte das Gespräch darüber allerdings nicht dokumentiert. Der Kläger brachte vor, die fehlende schriftliche Dokumentation der Besprechung über die Chancen eines Rechtsmittels verletze die auftragsrechtliche Rechenschaftspflicht oder sei als Beweisvereitelung zu qualifizieren, sodass die Beklagte die Substanzierungslast und die Beweislast trage (E. 4.). Das Bundesgericht lehnt dies ab: Eine Beweisvereitelung im prozessrechtlichen Sinn setzt voraus, dass einerseits eine gesetzliche oder vertragliche Pflicht zur Bewahrung des betreffenden Beweismittels besteht und dass andererseits die Bedeutung für den zukünftigen Prozess erkennbar ist. Die unterlassene Dokumentation der Aufklärung über die Chancen und Risiken eines Prozesses habe, unbesehen ihrer Bedeutung für die Beweissicherung in einem künftigen Prozess, stets eine Beweiserleichterung für den Auftraggeber zur Folge.
Als Ausfluss der Treuepflicht obliegt dem Anwalt insbesondere, seinen Mandanten über die Schwierigkeit und die Risiken der Geschäftsbesorgung umfassend aufzuklären, damit dieser sich über das von ihm zu tragende Risiko bewusst wird. Eine gesetzliche Verpflichtung, diese Aufklärung schriftlich zu unterbreiten, besteht nicht. Erfolgt die Aufklärung mündlich, hat der Rechtsuchende einen auftragsrechtlichen Anspruch auf eine schriftliche Dokumentation über diese Aufklärung, namentlich um die Risiken und Chancen mit der notwendigen Distanz abzuwägen und die informierte Entscheidung zu treffen, ob ein Prozess geführt werden soll. Verlangt er die umfassende Aufklärung indes nicht schriftlich, sondern begnügt er sich mit einer mündlichen Aufklärung, so ist die Anwältin auftragsrechtlich zur schriftlichen Dokumentation nur insoweit verpflichtet, als die entsprechenden Überlegungen der künftigen Mandatsführung dienen, nicht jedoch zur Beweissicherung zugunsten des Mandanten (E. 4.1). Bei fehlender Dokumentation ist das Beweismass auf überwiegende Wahrscheinlichkeit reduziert, um den bei negativen Tatsachen bestehenden Beweisschwierigkeiten Rechnung zu tragen. Hier habe der Kläger von der Beklagten nicht zeitgerecht eine schriftliche Dokumentation der mündlichen Aufklärung verlangt (E. 4.2).
Die fragliche Besprechung über die Rechtsmittelchancen sei siebeneinhalb Jahre her. Dass sich die Beklagte daran nicht mehr detailliert erinnere, sei keine Beweisvereitelung. Sie habe das Urteil dem Kläger vor der Besprechung übermittelt. An der Besprechung habe auch die klägerische Treuhänderin teilgenommen. Sodann seien weitere Angaben des Klägers und seiner Ehefrau widersprüchlich. Zudem seien Anwälte üblicherweise eher daran interessiert, das Einlegen eines Rechtsmittels zu empfehlen. Gemäss Vorinstanz lasse sich daher nicht mehr rekonstruieren, inwieweit die Rechtsmittelchancen besprochen worden seien. Gemäss Vorinstanz gelinge dem Kläger selbst unter Berücksichtigung der Beweiserleichterung nicht, die fehlerhafte Aufklärung über Mängel des Urteils als überwiegend wahrscheinlich erscheinen zu lassen (E. 5.1). Darin vermöge der Kläger keine willkürliche Beweiswürdigung aufzuzeigen, womit seine ehemalige Anwältin nicht hafte (E. 5.3).
7.2 Unterlassene Aufklärung durch Arzt
Das Bundesgericht beurteilte mit Urteil 4A_353/2018 vom 1. April 2019 die Haftung eines Arztes für ein operationsspezifisches Risiko. Der Arzt hatte die Patientin nicht darüber aufgeklärt. Die Beweislast für die Aufklärung und Einwilligung liegt beim Arzt. Liegt keine solche Einwilligung vor, kann sich der Arzt auf eine hypothetische Einwilligung berufen. Dabei obliegt ihm die Beweislast, wobei der Patient mitwirken muss. Der Patient hat glaubhaft zu machen oder persönliche Gründe anzuführen, warum er sich bei Kenntnis der Risiken der Operation widersetzt hätte. Macht der Patient keine persönlichen Gründe geltend, ist darauf abzustellen, ob ein vernünftiger Patient nach objektivem Massstab den Eingriff ablehnen würde (E. 2.1).
Vorliegend hat die Patientin keine persönlichen Gründe angegeben. Sie machte bloss geltend, sie hätte sich bei gehöriger Risikoaufklärung «wie jeder vernünftige Patient» nicht für die OP, sondern für eine konservative Behandlung entschlossen (E. 2.2). Laut Vorinstanz galt die durchgeführte Operation für diesen Fall als medizinisch überlegene Behandlung (E. 3.). Daraus folgert sie, dass die Patientin sich auch bei vollständiger Aufklärung für eine Operation entschieden hätte, womit eine hypothetische Einwilligung vorliegt. Das Bundesgericht schützte dies (E. 3.3.5).
8. Schadenersatz für Minderwert
Im Urteil 4A_394/2018 vom 20. Mai 2019 ging es um die Schadenersatzhöhe für den Minderwert, den eine Immobilie infolge eines Wassereinbruchs bei einem späteren Verkauf erleidet. Ein merkantiler Minderwert ist die durch ein Schadensereignis verursachte Minderung des Verkehrswerts einer Sache, die unabhängig von deren technischer bzw. funktioneller Beeinträchtigung eintritt. Ausschlaggebend ist das subjektive Empfinden potenzieller Käufer, und zwar unabhängig vom Grund für den nicht technisch begründeten Preisabschlag des Markts.
In der bisherigen Rechtsprechung hat das Bundesgericht einen merkantilen Minderwert bei Motorfahrzeugen anerkannt (E. 3.1). Gemäss Lehre nimmt der merkantile Minderwert infolge Zeitablaufs ab und verschwindet bei Immobilien nach max. 15 Jahren ganz (E. 3.2.1). Grundsätzlich ist der Urteilszeitpunkt der massgebende Zeitpunkt für die Schadenermittlung, mithin für den Vergleich zwischen der tatsächlichen und der hypothetischen Vermögenslage gemäss Differenztheorie. Davon gibt es allerdings diverse Ausnahmen (E. 4.1.2.2), wie die Bestimmung von sich in der Zeit ändernden Schäden – z.B. der merkantile Minderwert (E. 4.1.4). Dieser kann bei allen Sachen eintreten, bei denen der Markt infolge eines schädigenden Ereignisses mit einem weder technisch noch funktionell begründeten Preisabschlag reagiert (E. 4.2.1).
Bei Motorfahrzeugen ist ein merkantiler Minderwert regelmässig eine bleibende Vermögensminderung (E. 4.2.2), wobei der Einzelfall, u.a. das Alter des Fahrzeugs, entscheidet und der Schaden abstrakt zu berechnen ist (E. 4.2.2). Bei Immobilien indessen ist ein merkantiler Minderwert kein bleibender, sondern allenfalls ein bloss vorübergehender Schaden, der nach höchstens 15 Jahren bei der Immobilienbewertung bedeutungslos wird. Für den Ersatz eines solchen ist die Vermögensverminderung konkret nachzuweisen (E. 4.2.3). Dies ist insbesondere bei einem Verkauf der Fall (Nachweis eines geringeren Erlöses infolge Schadensereignis: E. 4.2.3). Vorliegend könne die Klägerin keinen konkreten Schaden im Reinvermögen nachweisen.
9. Regressprivileg bei Leiharbeit
Mit Urteil 4A_442/2018 vom 24. Januar 2019 entschied das Bundesgericht, dass der Verleiher eines Temporärmitarbeiters als Arbeitgeber im Sinne von Art. 75 Abs. 2 ATSG gilt. Verunfallt ein Temporärmitarbeiter bei seiner Arbeit, so profitiert dessen Einsatzbetrieb daher nicht vom Regressprivileg gegenüber den Sozialversicherungen. Sondern diese können bei erfüllter Haftung auch bei leichter Fahrlässigkeit auf ihn Rückgriff nehmen.
10. Prozessuale Fragen
10.1 Beweischarakter von Fremdgutachten
Im Urteil 4A_9/2018 vom 31. Oktober 2018 hatten Suva, IV und AHV gegen die Haftpflichtversicherung eines Autohalters geklagt: Der Geschädigte wurde bei einem Unfall als Passagier schwer verletzt, der schädigende Halter und Lenker kam ums Leben. Die Sozialversicherungen regressierten gegen die Haftpflichtversicherung. Streitig war nebst den Anforderungen an die Substanziierung (E. 4.) der Beweischarakter von Fremdgutachten und Arztberichten.
Das Bundesgericht hielt dazu fest: Wird ein Gutachten von einer anderen Behörde in Auftrag gegeben und in einem anderen Verfahren erstattet (Fremdgutachten), darf es als gerichtliches Gutachten beigezogen werden, sofern den Parteien diesbezüglich im Hauptprozess das rechtliche Gehör gewährt wird (E. 5.2.1). Andernfalls stellt ein Gutachten ein Parteigutachten dar, das für sich allein nicht zum Beweis geeignet ist und nicht unter den Begriff der Urkunde fällt. Dies schliesst aber nicht aus, dass es zusammen mit – durch Beweismittel nachgewiesenen – Indizien den Beweis zu erbringen vermag (E. 5.2.2). Enthalten Arztberichte Informationen zu Tatsachen, die das Gericht nicht in gleicher Weise von einem gerichtlichen Gutachter erhältlich machen könnte (z.B. über durchgeführte Behandlungen), ist die Rechtsprechung zu Privatgutachten nicht einschlägig.
Sämtliche Schlüsse, die aufgrund des medizinischen Fachwissens gezogen werden, namentlich auch der abstrakte Schluss aus einer gesundheitlichen Beeinträchtigung auf das Mass der Arbeitsunfähigkeit, können Gegenstand eines gerichtlichen Gutachtens sein. Insoweit kommt die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Parteigutachen zum Zuge (E. 5.3).
Die Beschwerdeführerinnen verweisen auf die Rechtsprechung zu Fremdgutachten und sind der Auffassung, die von der Suva im Abklärungsverfahren eingeholten Berichte seien als Beweismittel anzusehen (E. 5.4). Berichte der behandelnden Ärzte über die zu stellenden Diagnosen, die erhobenen Befunde, die geklagten Beschwerden und die daraus resultierende Arbeitsunfähigkeit hätten nicht die Qualität und Unabhängigkeit eines gerichtlichen Gutachtens (E. 5.4.1). Auch Kreisärzten fehle es aufgrund ihrer Verbindung zur Suva und der Möglichkeit, sie auszuwählen, an der gutachterlichen Unabhängigkeit (E. 5.4.2). Daher greife für Kreisarztberichte die Rechtsprechung zur Übernahme von Fremdgutachten ins Haftpflichtrecht nicht (E. 5.4.3).
10.2 Negative Feststellungswiderklage
Laut Botschaft zur schweizerischen ZPO sollte die Teilklage u.a. eine kostengünstige Klärung der Haftung erlauben. Die Entwicklung der Bundesgerichtspraxis bedrohte dieses Ziel schon in der Vergangenheit.4 Im gleichen Stil geht es nun weiter: Der zur Publikation vorgesehene Bundesgerichtsentscheid 4A_29/2019 vom 10. Juli 2019 handelt von der Zulässigkeit einer negativen Feststellungswiderklage, die eine andere Verfahrensart zur Folge hätte. Die Beschwerdegegnerin hatte in ihrer Klageschrift behauptet, es stehe ihr eine «Gesamtforderung aus Überzeitentschädigungen aus den Jahren 2014, 2015 und 2016 im Umfang von 51 850 Franken» zu, klagte jedoch unter ausdrücklichem Nachklagevorbehalt lediglich die Überzeitentschädigung für das Jahr 2016 ein (E. 2.4). Die Beschwerdeführerin begehrte mittels Widerklage die gerichtliche Feststellung des Nichtbestands der Gesamtforderung (Sachverhalt A.).
Die Vorinstanz stützte sich auf BGE 143 III 506. Dort erwog das Bundesgericht, dass es gemäss Art. 224 Abs. 1 ZPO nicht zulässig ist, im vereinfachten Verfahren eine Widerklage zu erheben, für welche streitwertbedingt das ordentliche Verfahren anwendbar wäre (E. 2.1). Einschränkend hielt das Bundesgericht allerdings fest, dass dies dann nicht gelte, wenn die beklagte Partei als Reaktion auf eine echte Teilklage eine negative Feststellungswiderklage erhebe, auch wenn deren Streitwert die Anwendbarkeit des ordentlichen Verfahrens zur Folge habe (E. 2.1).
Die Vorinstanz verneinte vorliegend eine echte Teilklage, weshalb es die Beschwerde abwies (E.2.2). Das Bundesgericht stellt klar, dass die Ausnahme vom Erfordernis der gleichen Verfahrensart gemäss Art. 224 Abs. 1 ZPO nicht auf den Fall der echten Teilklage beschränkt ist (E. 2.3). Vielmehr gilt die Ausnahme allgemein dann, wenn die Teilklage eine Ungewissheit zur Folge hat, welche es rechtfertigt, im Sinne von Art. 88 ZPO die Feststellung des Nichtbestands einer Forderung oder eines Rechtsverhältnisses zu verlangen (E. 2.3). Dieses Feststellungsinteresse hat das Bundesgericht vorliegend bejaht, weshalb es die Beschwerde gutgeheissen hat (E. 3.).
Bemerkungen: Damit droht bei Teilklagen faktisch immer eine negative Feststellungsklage, mit Explosion des Kostenrisikos. Während Zivilprozesse bereits bisher kaum finanzierbar waren,5 führt diese Gerichtspraxis künftig bei gehöriger Aufklärung von Geschädigten noch mehr zum Rat, den Rechtsweg zu vermeiden, wenn finanzkräftige Beklagte am Recht stehen (typischerweise im SVG). Die Assekuranz freuts.
11. Zweifelsfälle in der Opferhilfe
Das Opferhilferecht ermöglicht Geschädigten finanziell, zu ihrem Recht zu kommen: Opfer einer Straftat haben u.a. Anspruch auf Soforthilfe (Art. 2 lit. a OHG, z.B. für anwaltliche Erstberatung). Zudem sind Kostenbeiträge für längerfristige Hilfe Dritter möglich (Art. 2 lit. c OHG). Dazu zählen – anders als bei der unentgeltlichen Rechtspflege auch die Gegenanwaltskosten, falls sie für das Opfer ein psychologisches Hindernis für die Interessenwahrung im Haftpflichtprozess sind.6 Sodann sind die finanziellen Voraussetzungen des OHG i.d.R. günstiger als diejenigen bezüglich Bedürftigkeit für die unentgeltliche Rechtspflege (vgl. Art. 3 OHV). Im Urteil 1C_705/2017 vom 26. November 2018 hat das Bundesgericht nun festgehalten, dass der Anspruch auf Opferhilfe nicht ausgeschlossen ist, wenn das Strafverfahren ohne Erfolg ausgeht: Ein Anspruch auf Opferhilfe besteht unabhängig von der Klärung der Täterschaft. Die Opfereigenschaft und damit die Straftat sind aus Sicht des OHG nur mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu beweisen.
12. Verwirkungsfrist der Versicherung
Bei Personenschäden-Haftpflichtfällen sind oft auch Zusatzversicherungen im Auge zu behalten. Im Urteil 4A_196/2019 vom 10. Juli 2019 stand eine Privatversicherung zur Beurteilung, deren AVB eine zweijährige Verwirkungsfrist ab Deckungsablehnung statuierte. Laut vorinstanzlicher Sachverhaltsfeststellung sind solche Klauseln branchenüblich (E. 2.2). Die Gerichte beurteilten den Anspruch als verwirkt: Das Verhalten der Versicherung sei nicht treuwidrig und rechtsmissbräuchlich, wenn sie trotz Verjährungseinredeverzicht und Weiterführung der Gespräche im Prozess die Anspruchsverwirkung eingewendet habe, da diese von Amtes wegen (= sowieso) zu berücksichtigen sei. Zudem habe sich die Versicherung im Verjährungseinredeverzicht alle übrigen Einreden und Einwendungen vorbehalten.
Eine Verfallklausel auf Anspruchsverwirkung und eine gesetzliche Verjährungsfrist schliessen sich sodann nicht gegenseitig aus, sondern die Verwirkungsfrist läuft trotz Verjährungseinredeverzicht weiter. Daher muss ein Anspruchsberechtigter gegebenenfalls sowohl die Verjährung unterbrechen als auch die für die Wahrung der Verwirkungsfrist vertraglich vorgesehene Rechtshandlung vornehmen (E. 3.1).
Adrian von Kaenel, «Unfall am Arbeitsplatz – Arbeitgeberhaftung», Rz. 14.18 f., in: Haftung und Versicherung, Handbücher für die Anwaltspraxis, 2. Aufl., Basel 2015.
BGE 62 III 189 f.
www.bit.ly/2UakpYh; zuletzt besucht am 1.4.2019.
plädoyer 5/2017, S. 56 f.
Vgl. Martin Hablützel, «Schweizerische ZPO, eine Anleitung, wie man Rechtssuchende vom Gang zum Gericht abhält!», in: Have 2/2019, S. 134 ff.
BGer 1A.165/2001 vom 4.3.2002, E. 6.4.