Manchmal fehle ihr die «Ehefrau», sagt Susan Emmenegger, Professorin für Obligationen- und Bankrecht und Direktorin des Instituts für Bankrecht an der Universität Bern: «Eine, die mir den Rücken freihalten, den Koffer packen, zu den Kindern schauen, ein Sabbatical-Jahr organisieren oder den Kühlschrank füllen würde.» Denn ihre Tage sind ausgefüllt, trotz familieninterner Arbeitsteilung. Zweimal die Woche bleibt sie «open end» im Büro. An den übrigen drei Tagen geht sie zwar um Viertel vor sechs Uhr, kommt aber oft nochmals ins Büro zurück, wenn ihre zwei drei- und fünfjährigen Söhne schlafen. Es wird dann meist ein Uhr morgens, bis sie das Büro verlässt. «Ich brauche nicht viel Schlaf», sagt sie.
Auch am Samstag kommt sie dank ausserfamiliärer Betreuung mit einer Kombination von Krippe und Tagesmutter oft ins Büro. Früher habe sie sehr viel Bergsport betrieben und auch Tennis gespielt, sagt die sehr sportlich wirkende 45-Jährige. Doch heute habe sie neben Beruf und Familie eigentlich keine Freizeit mehr. Aber das störe sie nicht.
«Wenn ich am Morgen in der Eingangslounge der Uni S an der Schanzeneckstrasse völlig unökologisch einen Cappuccino im Kartonbecher bestelle, erinnert mich das an amerikanische Unis.» Dann denke sie jeweils: «Cool, dass ich an einem solchen Ort arbeiten darf.» In ihrem charmanten Freiburger Dialekt schwärmt sie von den «perfekten» Arbeitsbedingungen an der Universität Bern, die sie nun seit sieben Jahren hat. So sei beispielsweise in Bern die Administration auf ein Minimum beschränkt und Entscheide würden ohne lange Diskussionen gefällt. Hoch rechnet sie der Universität Bern aber auch an, dass sie und ihr Ehemann beide am gleichen Tag eine Professur erhielten. Axel Tschentscher ist Professor für Staatsrecht, Rechtsphilosphie und Verfassungsgeschichte.
Susan Emmenegger ist sichtlich angetan von ihrem Beruf: «Ich habe bestimmt den schönsten Job der Welt. Ein Traumjob! Es ist wohl der einzige Beruf, in dem ich mir die Herausforderungen selber suchen kann.» Theoretisch hätte sie die Möglichkeit, sich jeden Tag einem neuen Rechtsgebiet zu widmen. Spass machen ihr aber auch die Lehre und der Kontakt mit den Studentinnen und Studenten.
Dabei wollte sie gar nie Professorin werden. Sie wollte die Welt verbessern, etwa als IKRK-Delegierte. Und so antwortete sie abwehrend auf einen Brief ihres Doktorvaters Peter Gauch, der sie nach mehrfach preisgekrönter Dissertation mit dem Titel «Feministische Kritik des Vertragsrechts» zur Habilitation ermunterte: «Nie in meinem Leben werde ich mich in diese wissenschaftliche Dunkelkammer zurückziehen. Ich will etwas mitten im Leben mit Menschen machen.»
Und so ging sie, die in ihrem Leben viel gereist ist, erst einmal auf eine achtmonatige Weltreise und arbeitete anschliessend für die Eidgenössische Bankenkommission. Doch Peter Gauch liess nicht locker. Sie habilitierte schliesslich zu «Bankenorganisationsrecht als Koordinationsaufgabe».
Wie kommt man von feministischer Rechtswissenschaft zum Bankrecht? «Ich wollte einmal etwas anderes machen. Zudem: Bankenrecht ist weniger komplex als feministische Rechtstheorie, das Thema ist beherrschbar - ich lief zum ersten Mal nicht immer am Limit», sagt sie. Sie gibt jedoch zu, dass Überforderung süchtig macht. Zudem vertritt sie die Ansicht, dass es immer möglich ist, noch mehr zu machen - «es ist nie genug». Wer Emmenegger zuhört, spürt einen grossen Ehrgeiz, aber auch eine grosse Passion für die Rechtswissenschaft. Und so erstaunt nicht, wenn sie sagt: «Ich wusste schon immer, dass ich Rechtswissenschaft studieren wollte.» Passend auch, wenn sie das Wort «Trauer» braucht, wenn sie über Entwicklungen in «ihrem» Rechtsgebiet spricht: «Ich trauere dem klassischen Obligationenrecht nach.» Das Privatrecht verliere seine Regulierungsmacht immer mehr, werde auf eine Inhaltskontrolle der AGB reduziert: «Heute muss ein Normalbürger in Privatrechtsstreitigkeiten im Bankenbereich auf Artikel 8 des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb hoffen.»
Als Frau in ihrem Rechtsgebiet wäre es naheliegend, dass sie viele Verwaltungsratsmandate hat. Doch solche nimmt sie bewusst nicht an. «Wir werden vom Staat goldig bezahlt, um unabhängig zu sein», erklärt sie ihre Überlegungen, schliesst aber nicht aus, dass sie später einmal Einsitz in einem Verwaltungsrat nimmt. Vorderhand beschränkt sie sich auf Expertenkommissionen des Bundes und die Übernahmekommission. Medienanfragen dazu geht sie bewusst aus dem Weg, weil sie ja nicht eine Arbeit kritisieren könne, bei der sie dabei war.
Susan Emmenegger lacht viel und hat offensichtlich Humor - so beispielsweise wenn sie als Gradmesser für das Eindringen der Frauen in bisherige Männerdomänen die Länge der Schlange vor dem Frauen-WC an einer Tagung zum Thema Mergers & Acquisitions erwähnt. Und sie lacht schallend, als sie hört, dass ihr der Ruf einer «toughen Frau» anhaftet, die vor allem Frauen fördere. Dass sie mehr Assistentinnen als Assistenten hat, sei ein Zufall und habe damit zu tun, dass in ihrem Bereich heute generell mehr Frauen diesen Job suchen als Männer. Das führt sie auf die Abwertung der Dissertation zurück. Sie betreibe Frauenförderung eher passiv, indem sie als Beispiel vorangehe -, etwa Vorlesungen mit einem dicken Bauch gehalten habe.
Als Professorin will sie für die Studenten erreichbar sein. Sie ist auch in der Pause ansprechbar und beantwortet deren E-Mails gerne. Wichtig ist ihr, Erlebnisse mitzugeben - denn auch sie erinnere sich viel mehr an Erlebnisse als an die Vorlesungen. Und so gilt bei ihr die Regel: Wenn ein Handy in der Vorlesung klingelt, muss der Besitzer alle im Saal zu einem Apéro einladen.
Auch sie hat schon solche Erlebnis-Apéros ausrichten müssen. Zudem hat sie sich fest vorgenommen, die «famosen Skilex» auch in Bern ins Leben zu rufen - jene von Peter Gauch begründeten Lager der Universität Freiburg, an denen OR und Skifahren verbunden werden. Das will sie angehen, wenn sie «einmal wieder mehr Energie» habe. Das sagt die Frau, die vor Energie nur so zu strotzen scheint.