Kolumne: Anwälte auf Abwegen
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Plädoyer 03/2024
27.05.2024
Letzte Aktualisierung:
01.07.2024
Milad Al-Rafu
Anwälte nagen am Hungertuch. Zumindest entsteht dieser Eindruck, wenn man neuere Urteile des Bundesgerichts betrachtet. Ein Anwalt aus Zug etwa überwies in seiner Rolle als Erbschaftsverwalter den Nachlass von 17'000 Franken auf sein Konto und behielt das Geld. Weiter kassierte er von der Erbin rund 4000 Franken, ohne Rechenschaft für seinen Aufwand abzulegen.
Eine Rechnung des Erbschaftsamts in der Höhe von 800 Franken bezahlte er nicht. Er gaukelt...
Anwälte nagen am Hungertuch. Zumindest entsteht dieser Eindruck, wenn man neuere Urteile des Bundesgerichts betrachtet. Ein Anwalt aus Zug etwa überwies in seiner Rolle als Erbschaftsverwalter den Nachlass von 17'000 Franken auf sein Konto und behielt das Geld. Weiter kassierte er von der Erbin rund 4000 Franken, ohne Rechenschaft für seinen Aufwand abzulegen.
Eine Rechnung des Erbschaftsamts in der Höhe von 800 Franken bezahlte er nicht. Er gaukelte dem Amt vor, dass kein Nachlass vorhanden sei. Im Verfahren der Zuger Anwaltsaufsicht kamen sieben weitere Disziplinarmassnahmen der vergangenen 15 Jahre zutage. Im Urteil vom 25. März 2024 bestätigte das Bundesgericht das befristete Berufsausübungsverbot von vier Monaten gegen den Anwalt.
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Ähnlich dreist ging ein Anwalt aus dem Kanton Schwyz vor. Er vertrat seine Mandanten in einem Verfahren rund um eine Kiesabbaubewilligung. 2008 zog er die Einsprache zurück, ohne mit dem Mandanten geredet zu haben. Hierfür liess er sich von der Gegenpartei mit 12'000 Franken entlöhnen. Die Schwyzer Strafbehörden tun sich dagegen schwer, den Anwalt wegen ungetreuer Geschäftsführung zu verurteilen. So hob das Bundesgericht am 4. April 2024 schon zum zweiten Mal den Freispruch des Kantonsgerichts Schwyz auf.
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Geld stand auch für einen Anwalt aus Zürich im Zentrum, als er seinem Mandanten erklärte, er könne das Urteil nicht mit ihm im Gefängnis besprechen. Sein Honorar sei «massiv und bis zur Unkenntlichkeit gekürzt worden». Diese Vernachlässigung des Klienten brachte dem Anwalt eine Busse der Zürcher Anwaltsaufsicht von 2000 Franken ein. Das Bundesgericht bestätigte den Entscheid am 13. Februar 2024.
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Geht es hingegen um die Äusserung von Kraftausdrücken, zeigt sich der gleiche Rechtsanwalt nicht so geizig. So warf er dem Bezirksgericht Zürich im April 2019 eine «voreingenommene, bösartige und feindselige, ja geradezu höhnische Haltung» vor. Ausserdem schloss er sich vorbehaltlos dem Votum des zweiten Verteidigers an. Dieser plädierte, dass es «Richter und keine Fertigmacher» brauche, die sich an beeinträchtigten Personen «gütlich tun» würden. Dafür wurde er mit 5000 Franken gebüsst.
Das Bundesgericht bestätigte den Entscheid mit Urteil vom 26. März 2024. Anwälte dürften zwar «übertriebene Bewertungen und sogar Provokationen» äussern, wenn diese weder völlig sachwidrig noch unnötig beleidigend seien, so die Lausanner Richter. Die Aussagen des Anwalts seien jedoch unzulässig gewesen, da sie ganz generell die «Denkweise des Verfahrensleiters» und die «Schludrigkeit» seines Verhandlungsstils kritisiert hätten.