Nur 8 von 20 Anwaltskanzleien antworteten auf eine plädoyer-Umfrage zum Thema «Erfolgshonorare». Und von den acht Antworten gingen zwei inhaltlich auf die gestellten Fragen gar nicht ein. Anwälte sind offenbar verschwiegen, wenn es um Honorarfragen geht.
Honorare, die vom Ausgang des Verfahrens abhängig sind, sind unter bestimmten Umständen in der Schweiz zulässig. Das Bundesgericht konkretisierte die Kriterien im Sommer 2017 (siehe unten). Deshalb wollte plädoyer wissen, ob und wie die Anwaltschaft von dieser Möglichkeit Gebrauch macht. Die Umfrage richtete sich an 20 zufällig ausgewählte Kanzleien in verschiedenen Kantonen der Deutschschweiz.
Fünf dieser Kanzleien können als «gross» bezeichnet werden (mehr als 20 Anwälte), zehn als «mittelgross» (bis 20 Anwälte) und bei weiteren fünf handelte es sich um Einzelbüros. Die Fragen lauteten: Vereinbaren Sie mit Ihren Klienten Erfolgshonorare? Falls ja: In wie vielen Fällen pro Jahr kommt das vor? Wie gross ist der Erfolgsanteil am Gesamthonorar ungefähr?
Die Rückmeldungen stammen von drei kleinen, zwei mittelgrossen und drei grossen Kanzleien.
“Leider bislang kein Erfolgshonorar”
Kurz und bündig die Antwort von Beat Frischkopf, der in Sursee LU eine Einzelkanzlei führt: Auf die Frage, ob er schon jemals ein Erfolgshonorar vereinbart habe, schreibt der Luzerner Anwalt: «Leider bisher nein. Es hätte sich aber oft gelohnt.» Eine Anwältin aus dem Kanton Zürich erklärt, grundsätzlich keine Erfolgshonorare zu vereinbaren: «Das hat eigentlich in erster Linie damit zu tun, dass ich gar nicht auf die Idee komme. Für mich ist es einfach normal, auf Stundenbasis zu arbeiten.»
Eine Schwyzer Anwältin konkretisiert: «Ich bin seit über 20 Jahren Anwältin, habe aber noch nie ein Erfolgshonorar vereinbart. An so etwas bin und war ich nie interessiert. Überhaupt stand das Honorar in meinem Anwaltsleben nie im Vordergrund. Es war für mich immer ein Anliegen, meine Arbeit gut zu machen, um dem Klienten oder der Klientin zu helfen.»
Bedenken wegen falscher monetärer Anreize
«Wir vereinbaren praktisch nie Erfolgshonorare, auch nicht in Kombination mit einem Grundhonorar», schreibt Franz Probst, Gründer und Mitinhaber einer Kanzlei mit 13 Anwälten und Standorten in Winterthur und Zürich. «Wir sind gegenüber erfolgsbasierten Honorarvereinbarungen generell sehr zurückhaltend und verfügen kaum über einschlägige Erfahrungen.» Ein Anwalt einer mittelgrossen Kanzlei aus dem Kanton Solothurn erklärt, dass sein Büro bisher noch nie ein Erfolgshonorar vereinbart hatte. Dies aus grundsätzlichen Erwägungen: «Ich habe Bedenken gegen diese Honorarform, weil ich davon ausgehe, dass der Anwalt in seiner Meinungsbildung monetär beeinflusst wird. Die Versuchung, mit Blick auf das Erfolgshonorar rasch einen mittelmässigen Vergleich zu empfehlen, statt für die Anliegen des Klienten zu kämpfen, lässt sich nicht leugnen.»
Die Kanzlei Vischer mit Büros in Basel und Zürich beschäftigt rund 80 Anwälte. Managing Partner Andreas Albrecht schreibt: «Erfolgshonorare vereinbaren wir mit unseren Klienten grundsätzlich nicht. Höchstens in sehr besonderen Konstellationen kann es ausnahmsweise vorkommen, dass ein Erfolgshonorar vereinbart wird. Quantitativ sind diese Fälle nahe bei null Prozent unseres Mandatsvolumens, also völlig irrelevant.»
Grundsätzliche Vorbehalte gegenüber dem Thema Erfolgshonorar habe man aber nicht, so Albrecht. «Im Rahmen der Standesregeln können Erfolgshonorare den Wünschen der Klientschaft entsprechen. Aber die emotionale Unabhängigkeit des Anwalts muss gewährleistet werden.»
Den Mandanten trotzdem uneigennützig beraten
Der Schweizerische Anwaltsverband verfügt laut Geschäftsführer René Rall über keine Erkenntnisse zur Verbreitung von Erfolgshonoraren: «Es gibt beim Verband keine Erhebung zu dieser Frage. Daher haben wir keine Anhaltspunkte. Und Vermutungen sind ein schlechter Ratgeber.» Der Schweizerische Anwaltsverband stützt seine Standesregeln auf das Anwaltsgesetz. Dieses verbietet die Vereinbarung eines Honorars ausschliesslich auf Erfolgsbasis, geht aber von der Zulässigkeit einer Erfolgsprämie aus, die zusätzlich zum Honorar geschuldet ist.
Gemäss Bundesgericht darf das erfolgsabhängige Honorar nicht höher sein als das erfolgsunabhängige. René Rall: «Solche Absprachen dürfen den Anwalt nicht daran hindern, den Klienten unabhängig und uneigennützig in der Überführung, Fortführung oder Beendigung des Prozesses zu beraten.»
Bundesgericht: Erfolgsprämien unter drei Voraussetzungen zulässig
Laut Bundesgericht ist eine Vereinbarung, wonach dem Anwalt nebst einem Stundenhonorar auch ein Erfolgs-
honorar zusteht, zulässig (BGE 143 III 600 ff.). Dies ergebe Artikel 12 litera e des Anwaltsgesetzes. Damit präzisierte das Bundesgericht seine bis anhin uneinheitliche Praxis.
Eine Beteiligung am Prozessgewinn ist jedoch weiterhin unzulässig. Gemäss Bundesgericht müssen die folgenden drei Voraussetzungen erfüllt sein:
Das Verbot des reinen Erfolgshonorars darf nicht mit einer geringfügigen erfolgsunabhängigen Entschädigung unterlaufen werden. Der Rechtsanwalt muss unabhängig vom Ausgang des Verfahrens ein Honorar erzielen, welches ihm nebst der Deckung seiner Selbstkosten auch einen angemessenen Gewinn ermöglicht.
Die vom Erfolg abhängige Honorarkomponente darf im Verhältnis zum in jedem Fall geschuldeten Honorar nicht so hoch sein, dass die Unabhängigkeit des Anwalts beeinträchtigt wird und die Gefahr einer Übervorteilung seines Klienten besteht. Als klar überschritten sieht das Bundesgericht die Grenze dann, wenn das erfolgsabhängige Honorar höher ist als das erfolgsunabhängige.
Es besteht eine zeitliche Grenze für den Abschluss einer Erfolgsprämie. Sie darf nur zu Beginn eines Mandatsverhältnisses oder nach Beendigung des Rechtsstreites abgeschlossen werden, nicht aber während eines laufenden Verfahrens.