Ludwig A. Minelli, 84, Rechtsanwalt, Gründer und Geschäftsführer der Sterbehilfeorganisation Dignitas, sieht sich nach einem Nachfolger um. Minelli wird im Dezember 85-jährig – spätestens da sollte man seiner Meinung nach über eine Ablösung nachdenken. Gesucht ist ein Anwalt oder eine Anwältin mit «kämpferischer» Grundhaltung und «bar religiöser Scheuklappen». Kenntnisse in Zivil-, Straf-, Verfassungs- und Menschenrecht (EMRK, Uno-Pakte etc.) seien Voraussetzung, ebenso ein Know-how der politischen Prozesse.
Wer in Minellis Fussstapfen treten will, muss einen «Sensor und Phantasie» für nationale und internationale Rechtsfortentwicklung haben, praktische Herausforderungen erkennen, sie in juristische Argumente umsetzen und «dann als Präzedenzverfahren an die Gerichte tragen». Nach dem Motto: «Getrennt marschieren, vereint schlagen», müsse der Nachfolger auch mit anderen Anwälten, Politikern und Jus-Professoren vernetzt sein. Aus langjähriger Erfahrung weiss Minelli, dass die gesuchte Person auf Ruhm und Ehre verzichten können muss. Der Verein Dignitas zählt 8400 Mitglieder. Minelli: «Es geht um den juristisch-intellektuellen Widerstand gegen Macht-, Finanz- und Glaubensinteressen auf Kosten der Freiheit und Wünsche des Durchschnittsbürgers.»
Christine Steiger, 61, Richterin am Bezirksgericht Frauenfeld, versteckt sich nicht hinter dem Bericht eines externen Gutachters, sondern verlässt sich lieber auf die eigene Wahrnehmung. In einem Strafverfahren gegen eine Autofahrerin musste das Gericht entscheiden, ob eine fahrlässige Tötung vorlag. Die Angeklagte hatte bei Dunkelheit einen Mann überfahren, der betrunken auf der Strasse eingeschlafen war. Wesentliche Frage: Auf welche Distanz konnte die Autolenkerin den am Boden liegenden Mann bemerken?
Zur Beantwortung setzte sich Steiger gleich selbst ans Steuer – wie auch ihre beiden Richterkollegen und der Gerichtsschreiber. Die Unfallsituation wurde von der Verkehrspolizei rekonstruiert und eine Puppe auf die Strasse gelegt, die farblich ähnliche Kleider wie das Opfer trug. Die Polizei sperrte das fragliche Strassenstück ab. Resultat der richterlichen Abklärung: Es war höchst zweifelhaft, ob die Angeklagte das auf der Strasse liegende Opfer rechtzeitig hätte sehen und den Unfall vermeiden können. Deshalb sprach das Gericht die Angeklagte frei. Weitere Erkenntnis: «Ein Augenschein bei der Entscheidfindung kann sehr hilfreich sein und ist daher zu empfehlen», so Steiger zu plädoyer.
Peter V. Kunz, 52, Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Bern, hat sich im Arbeitsrecht ziemlich weit zum Fenster hinausgelehnt. In einer Kolumne in der «Aargauer Zeitung» bejahte er, ob ein Angestellter freinehmen darf, wenn sein Büsi krank ist – unter anderem mit Hinweis auf einen Bericht der «New York Times», wonach eine Hundehalterin zur Pflege ihres Hundes zwei bezahlte Freitage erhalten habe. Kunz: «Ein Tier ist nämlich kein Auto, das in der Garage zum Service oder zur Reparatur gebracht werden kann. Es braucht keinen Ölwechsel, sondern Liebe und Zuwendung, wie jedes Lebewesen.»
Arbeitsrechtler sind etwas zurückhaltender: Laut Professor Thomas Geiser ist der Lohn in solchen Fällen nur geschuldet, «wenn das Tierschutzgesetz gebietet, sich um das Büsi zu kümmern und jemand deshalb nicht arbeiten kann». Rechtsanwalt und Arbeitsrechtskommentator Adrian von Kaenel präzisiert: Voraussetzung sei, dass der Arbeitnehmer seiner gesetzlichen Pflicht zur Gewährleistung der Pflege «nicht anders als durch Fernbleiben von der Arbeit nachkommen kann». Als bekennender Katzenfreund wisse er: «Katzen sind im Krankheitsfall wohl lieber allein.» Das «Fernbleiberecht von der Arbeit» umfasse in akuten Fällen den Gang zum Tierarzt und in schweren Fällen ins Tierspital.