Jean Asselborn, 72, hat noch nicht ausgelernt. Der Jurist vertritt seit 2004 die Luxemburger Regierung im Rat der Europäischen Union (EU). Ende Oktober hielt er an der Universität Zürich eine Rede. Darin kritisierte er unter anderem die Regierungen in Polen und Ungarn, weil sie «konsequent grundrechtliche Prinzipien wie Rechtsstaatlichkeit, Gewaltentrennung oder Meinungsfreiheit verletzen» würden. Laut Asselborn muss die EU diesen Ländern den Geldhahn zudrehen. Sonst drohe innerhalb der Union ein Wertezerfall.
Nach so viel Werbung für humanitäre Werte wollte plädoyer von Asselborn wissen, wann die EU der EMRK beitreten wird. Der Aussenminister zeigt sich irritiert: «Die EMRK? Was ist das?» plädoyer hilft nach: Die Europäische Menschenrechtskonvention. Asselborn erstaunt: «Was, wir sind da nicht dabei?» Das sei halt eine diplomatische Frage. Hintergrund: Im 2004 geschlossenen Vertrag von Lissabon verpflichtete sich die EU, der EMRK beizutreten. 2014 hob der EU-Gerichtshof die Vereinbarung auf. Sie sei nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. 2020 wurden die Beitrittsverhandlungen wieder aufgenommen. Ohne Beitritt können die Rechtsakte der EU-Organe in Strassburg nicht angefochten werden.
Thomas Sutter-Somm, 65, Professor für Zivilrecht und Zivilprozessrecht an der Universität Basel, ist nicht immer gleicher Meinung wie das Bundesgericht. Er warnt davor, bei der aktuellen ersten Revision der Zivilprozessordnung einfach die bisher ergangenen Urteile aus Lausanne in die Prozessordnung zu übernehmen. «Die Rechtsprechung sollte man nicht unreflektiert übernehmen.» Wichtiger seien angemessene Lösungen. Sutter-Somm kritisierte Mitte November am «ZPO-Tag 2021» in Basel unter anderem, das Bundesgericht
sei in seiner Rechtsprechung bei der negativen Feststellungswiderklage vom klaren Wortlaut abgewichen. «So kam es zu einer gesetzeswidrigen Überweisung ins ordentliche Verfahren.»
Laut Sutter-Somm sollte die Schweizerische Zivilprozessordnung, die 2011 in Kraft trat, nach Meinung der seinerzeitigen Expertenkommission einfach und verständlich sein. Die Erwartung des Gremiums war, dass die Gerichte bei der Auslegung des Gesetzes die Materialien stets berücksichtigen. Doch das sei nicht immer der Fall gewesen, stellt Sutter-Somm heute fest. Der Basler Professor war ab 1999 Präsident der Expertenkommission.
Daniel Staehelin, 61, Advokat, Notar und Titularprofessor an der Universität Basel, wirft nach fast 30-jähriger Tätigkeit einen kritischen Blick auf die Anwaltszunft. «Wir Advokaten sind zu teuer. Unsere Stundenansätze liegen substanziell über jenen von anderen Berufen mit ähnlich langer und intensiver Ausbildung», sagt Staehelin in einem Interview mit der «Zeitschrift für Zivilprozess- und Zwangsvollstreckungsrecht» (ZZZ). Einen moderaten Stundenansatz für Privatpersonen sieht er bei 250 Franken plus Mehrwertsteuer.
Staehelin betrachtet auch die lange Prozessdauer mit einem selbstkritischen Blick: «Wir Advokaten sind ein Teil des Problems. Wir erstrecken jede Frist, bis es nicht mehr geht.» Der 61-Jährige gesteht plädoyer: «Das mache auch ich häufig. Es geht oft nicht anders, wenn man mehrere Verfahren gleichzeitig führt.»
Der Basler Advokat bedauert, dass sich der Anwaltsberuf weg vom Generalisten zum Spezialisten hinbewegt: «Der Spezialist kann sich fokussieren und weiss dann über wenig sehr viel, bis er am Schluss über gar nichts alles weiss.» Das könne dazu führen, dass der Spezialist Probleme ausserhalb seines Gebiets nicht erkenne, sagt Staehelin. «Der Spezialist heilt die eine Wunde – der Patient stirbt dann an etwas anderem.»