Sandro Sosio, 58, Jurist, steht mit dem Anwaltsmonopol auf Kriegsfuss. Auf seiner Homepage Rechtsberatung-zh.ch bietet er «mobile Rechtsberatung» an. Für 200 Franken pro Stunde besucht er Klienten zu Hause. Laut Website hat er 1992 die Zürcher Anwaltsprüfung bestanden. Das trifft zu – nur wurde ihm das Patent später wieder entzogen. Das hindert ihn nicht, auch heute immer wieder Klienten vor Gericht zu vertreten.
Ende Oktober stand er deswegen vor den Schranken des Bezirksgerichts Bülach ZH. Nicht als Anwalt, sondern als Beschuldigter. Der Einzelrichter verurteilte ihn wegen Verletzung des Anwaltsmonopols zu einer Busse von 600 Franken. Der Entscheid ist nicht rechtskräftig. Denn Sosio gibt sich gegenüber plädoyer kämpferisch: «Ich werde den Fall weiterziehen.» Der Mann seiner Klientin sei sein Freund. «Ich habe die beiden schon mehrfach unentgeltlich in juristischen Angelegenheiten vertreten. Laut Sosio sind schon neun oder zehn Strafanzeigen wegen angeblicher Verletzung des Anwaltsmonopols gegen ihn eingereicht worden. Die Verfahren seien aber stets eingestellt worden. Er wolle sich auch in Zukunft nicht verbieten lassen, seine Freunde vor Gericht zu vertreten.
Bettina Groth, 53, langjährige Abteilungsleiterin bei der Zürcher Staatsanwaltschaft I für schwere Gewaltkriminalität, hat kürzlich einige wenig schmeichelhafte höchstrichterliche Kommentare zu ihrer Amtsführung zur Kenntnis nehmen müssen. Die Anwältin eines Beschuldigten hatte ein Ausstandsgesuch gegen Groth gestellt, weil sie befangen sei. Die Staatsanwältin hatte einem Beschuldigten nach einer Hafteinvernahme einzig die letzte Seite eines Haftantrags zur Unterschrift vorgelegt. Die vorangehenden Seiten durfte er nicht lesen. Als sein Verteidiger dagegen protestierte, wies ihn Groth aus dem Büro.
Das Bundesgericht bezeichnet dieses Verhalten der Staatsanwältin als «unüblich und nicht den Normen des Strafverfahrens entsprechend». Es kritisierte auch die Weigerung der Staatsanwältin, das Verfahren während zwei Monaten fortzuführen, in denen der Beschuldigte inhaftiert war. Das stelle «einen nicht leicht zu nehmenden Verfahrensfehler dar». Beides zusammen stelle aber noch keine so schwere Verletzung der Amtspflichten dar, dass eine Befangenheit vorliege (1B_293/2019).
Gegenüber plädoyer rechtfertigte Groth ihr Verhalten: Ihr Vorgehen bezüglich Unterschrift entspräche der gängigen Praxis und stehe im Einklang mit dem geltenden Recht.
Gianluca Padlina, 39, Präsident des Tessiner Anwaltsverbandes, verteidigt eine sehr ungewöhnliche Klausel in der Standardvollmacht seiner kantonalen Kolleginnen und Kollegen. Die Konsumentenzeitschrift «L’Inchiesta» kritisierte den Ausschluss jeglicher Haftung für Handlungen ohne Auftrag des Klienten, welche mit der Unterzeichnung der Vollmacht automatisch akzeptiert wird. Wörtlich heisst es darin: «Darüber hinaus ist der Auftragnehmer berechtigt, alle und jegliche anderen Handlungen vorzunehmen, die er im Interesse des Auftraggebers für erforderlich hält. Dieser (...) befreit den Auftragnehmer von jeglicher Haftung.»
Padlina rechtfertigt die in der Schweiz einzigartige Klausel damit, sie gälte schon seit Jahren und habe noch nie zu Problemen geführt. Die Klausel sei für Notfälle gedacht. «Sie kommt nur zur Anwendung, wenn der Rechtsanwalt seinen Mandanten nicht erreichen kann und es schnell gehen muss.» Padlina verneint auch, dass der Passus in der Vollmacht den Rechtsanwalt von jeglicher Haftung befreie. «Im Streitfall ist die Klausel nämlich auslegungsbedürftig – und kann sich als nichtig erweisen.»