Die ersten Barwerttafeln von Wilhelm Stauffer und Theo Schaetzle sind im Jahr 1948 erschienen. Damit liessen sich bereits Renten nach Lebenserwartung und Aktivitätserwartungen kapitalisieren. 1960 hat das Bundesgericht erstmals in einem Entscheid auf die Aktivitätstafeln abgestellt.
Mit der Digitalisierung ist die Rechnerei einfacher geworden: Seit gut zehn Jahren lassen sich Personenschäden mit einem von Stephan Weber und Marc Schaetzle entwickelten Leonardo-Computerprogramm berechnen.
Zuletzt erschienen die Barwerttafeln im Jahr 2001 – in zwei Bänden. Der eine enthielt Berechnungsbeispiele, der andere Tabellen. In der Neuauflage sind drei Bände vorgesehen. Der erste ist kürzlich erschienen. Er enthält die aktualisierten Barwerttafeln sowie neu die Software Capitalisator 2.0 mit vielen Kapitalisierungs-, Verrentungs- und Zinsrechnungsfunktionen. Das Buch wurde abgespeckt, da sich Berechnungen mit beliebigen Zinsfüssen, Zahlungsweisen und zeitlichen Limitierungen mit dem Programm berechnen und tabellarisch darstellen lassen.
Im zweiten Band werden laut Schaetzle die statistischen und mathematischen Grundlagen der neuen Barwerttafeln erläutert werden. Er erscheint im Laufe dieses Jahres. Der dritte Band behandelt einzelne Probleme bei der Berechnung von Personenschäden.
Die Neuauflage basiert auf den aktuellsten Zahlen der Schweizer Bevölkerung. Sie stammen vom Bundesamt für Statistik. Die Zahlen des BFS wurden bis ins Jahr 2030 extrapoliert. Schaetzle: «Bei den Frauen sind die Änderungen klein, ihre Lebenserwartung steigt kaum mehr.» Ganz anders bei den Männern. Deshalb wurde die Neuauflage notwendig.
Laut Schaetzle liegt der tiefere Grund für die Neuauflage in der Capitalisator-2.0-Software. Sie leite eine neue Ära der Kapitalisierung mit umfangreichen Möglichkeiten ein. Heute habe jeder Anwalt einen Computer. Auch die meisten Gerichte würden mit Leonardo und Capitalisator arbeiten.
«Komplizierter, aber auch transparenter»
Die Anwendung ist einfach: Nach der Installation der Software kann man Zahlen eingeben und dann analysieren, wie sich die Ergebnisse unter verschiedenen Annahmen verändern. Schaetzle: «Das Programm wurde komplizierter, aber auch transparenter.»
Das Buch enthält die Tabellen mit Kapitalisierungsfaktoren auf der Basis von 2,5 bis 3,5 Prozent. Das Bundesgericht hielt bisher an einer Kapitalisierung der Renten auf der Basis von 3,5 Prozent fest. Schaetzle kritisiert: «Das Bundesgericht mutet einem Geschädigten seit 1949 zu, auf seinem Kapital eine reale jährliche Rendite von 3,5 Prozent zu erwirtschaften. Bei einer Teuerung von rund 1 Prozent müsste somit eine Nominalrendite von 4,5 Prozent erreicht werden. Das schaffen nicht einmal alle Pensionskassen!»
Capitalisator 2.0 ist für Haftpflichtrechtler unverzichtbar, aber auch in anderen Bereichen nützlich – etwa dem Familienrecht, Steuerrecht, Erbrecht oder zur Kalkulierung von Wohnrechten.
Schaetzle selbst wird nicht mehr mit dem Capitalisator rechnen. Er ist mit 70 Jahren in den Ruhestand getreten. Mit gutem Gewissen: Kein anderes Land verfüge über ein solches Nachschlagewerk zur Kapitalisierung. Und mit dem neuen Tool sei die Schweiz erst recht Pionierin.