Vier Goldbarren zu 10 und 20 Gramm, fünf Uhren, zwei Manschettenknöpfe und eine Krawattennadearl: Das sind die Gegenstände, die über die Plattform «eGant» versteigert werden. Sie stammen aus der Pfändung eines Zürcher Betreibungsamtes. Die Mindestpreise betragen zwischen 140 Franken (Nadel) und 10 000 Franken (Uhr).
Die erste Versteigerung beginnt am 13. September um 7 Uhr. Sie wird zehn Tage dauern. Bereits 13 Minuten später kommt das erste Gebot. «JessicaBalbi» – so der Benutzername – bietet für einen 10-Gramm Goldbarren den Mindestpreis von 280 Franken. Einen Tag später wird sie von «Iven70» um 20 Franken überboten. Der gleiche «Iven70» bietet auch für die anderen drei Goldbarren, und zwar zwischen 290 Franken und 660 Franken (20-Gramm Barren). Für die teuren Uhren und die anderen Gegenstände gibt es in den ersten Tagen keine Gebote.
Die «eGant» wird vom Betreibungsamt Zürich 5 betrieben. Dieses Amt führt seit über 40 Jahren das einzige Gantlokal in der Stadt Zürich. Dort werden jeden Donnerstagnachmittag Hunderte von Gegenständen «versteigert» – vom Occasionsauto über Lederjacken bis zur Armbrust. Pro Jahr beträgt der Umsatz der Auktionen 600 000 bis 800 000 Franken. Der 58-jährige Jurist Thomas Zeller leitet seit dreissig Jahren das Betreibungsamt Zürich 5. Er stellte fest, dass an die Versteigerungen im Gantlokal immer weniger Leute kamen. Meistens seien es Händler gewesen, die sich oft untereinander absprachen. Dies führte zu schlechteren Erlösen für die einzelnen Gegenstände, sagt Thomas Zeller. «Wenn ich einem Schuldner das Auto wegnehmen und es versteigern muss, will ich dafür wenigstens einen möglichst hohen Preis erzielen. So hat auch der Schuldner etwas davon, weil sich seine Schulden reduzieren. Und der Gläubiger erhält mehr Geld.»
SP-Mitglied Zeller kam daher die Idee, Gegenstände übers Internet zu versteigern. Nicht in Frage kamen Verkäufe über die privaten Auktionsplattformen wie Ricardo und Ebay, weil dies rechtlich unzulässig wäre (plädoyer 5/2017). Im November 2015 wollte Thomas Zeller einen Pilotversuch starten. Doch die Verwaltungskommission des Zürcher Obergerichts lehnte ab. Begründung: «Für den Betrieb einer elektronischen Plattform zur Durchführung von Onlineversteigerungen ist eine Bewilligung erforderlich.»
Im Oktober 2017 reichte der Betreibungsbeamte Zeller ein Bewilligungsgesuch ein. Acht Monate später hiess die Verwaltungskommission den Betrieb der «eGant» gut. Die Stadt Zürich übernahm die einmaligen Investitionskosten von 30 000 Franken.
Über die «eGant» können fast alle Gegenstände versteigert werden – mit wenigen Ausnahmen wie Tiere, Lebensmittel, Waffen, unverzollte und gefälschte Waren. Schmuck und Edelmetalle müssen vor der Versteigerung von der Edelmetallkontrolle geprüft werden. Für Luxusgüter braucht es eine Quittung und bei Fahrzeugen die Bestätigung der Fahrtüchtigkeit durch eine Garage. Die Gegenstände werden ohne Garantie verkauft – wie bei privaten Onlineplattformen.
Deutlich geringere Gebühren als bei Ebay
«Wir wollen Ebay und Ricardo nicht konkurrenzieren», sagt Thomas Zeller. «Aber bei uns muss die Ware vor der Versteigerung abgegeben werden. Betrügereien wie bei anderen Plattformen können so ausgeschlossen werden.»
Die «eGant» steht allen Betreibungs- und Konkursämtern in der Schweiz offen. Aber auch andere Behörden und Privatpersonen können sie benutzen.
Die Internetversteigerung ist nicht gratis. Die Höhe der Gebühren hängt davon ab, ob es sich um eine zwangsrechtliche oder eine freiwillige Versteigerung handelt. Im ersten Fall betragen sie je nach Zuschlagspreis ein bis fünf Prozent. Bei den freiwilligen muss man nur 1,5 Prozent des Verkaufserlöses abliefern. Das ist nicht viel im Vergleich zu Ricardo und Ebay, die 9 und 10 Prozent des Erlöses verlangen. Bei der Versteigerung via «eGant» kommen aber noch Lagergebühren dazu – zum Beispiel für Autos fünf Franken pro Tag. Zudem wird der Zeitaufwand für die Entgegennahme und den Transport der Gegenstände verrechnet.
Zeller hofft auf viele Interessenten. Bis Ende September registrierten sich rund 200 Leute bei «eGant». «Wir sind froh, dass wir starten konnten», sagt er und ist zuversichtlich: «Wenn alles klappt, werden wir bald ein Gemälde mit einem Schätzwert von 12 000 bis 15 000 Franken übers Internet versteigern können.»
So funktioniert die «eGant»
Teilnahmeberechtigt sind volljährige Privatpersonen und juristische Personen. Sie müssen sich als Benutzer registrieren lassen.
Jeder Gegenstand hat einen Startpreis.
Die Steigerung erfolgt in vorgegebenen Steigerungsschritten (z.B. 10 Franken).
Angebote können auch automatisch über einen Biet-Agenten gemacht werden. Dieser bietet dann automatisch mit bis zu einem vom Benutzer definierten Höchstpreis.
Wer bietet, ist so lange an sein Gebot gebunden, bis er überboten wird.
Eine Versteigerung dauert zehn Tage mit fixem Ende.
Das höchste Gebot muss mindestens fünf Minuten vor dem Ende bestehen. Anschliessend erfolgt der dreimalige Aufruf («Zum Ersten!», «Zum Zweiten!», «Zum Dritten!»). Kommt kein höheres Angebot, erfolgt der Zuschlag («Verkauft!»). Andernfalls wird die Versteigerung um fünf Minuten verlängert.
Der Ersteigerer muss den Preis innert zehn Tagen ab Steigerung bezahlen. Bei Säumnis wird der Zuschlag aufgehoben und die Versteigerung wird wiederholt.
Der ersteigerte Gegenstand muss innert 20 Tagen im Gantlokal abgeholt werden. Bei Säumnis wird der Gegenstand erneut versteigert.
Weitere Informationen: www.bazuerich5.ch/egant