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Plädoyer 03/2020
25.05.2020
Juana Vasella
Ein Forschungsjahr in der Hansestadt Greifswald! Meine Vorfreude auf die Auszeit an der Ostseeküste bezog sich nicht auf die Universität Greifswald, die zu den ältesten in Mitteleuropa gehört. Vielmehr hatte ich eines der jährlich acht bis zwölf Stipendien am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg ergattert.
Diese Stipendien, international vergeben an Professoren («Senior Fellows») oder Postdocs («Junior Fellows&...
Ein Forschungsjahr in der Hansestadt Greifswald! Meine Vorfreude auf die Auszeit an der Ostseeküste bezog sich nicht auf die Universität Greifswald, die zu den ältesten in Mitteleuropa gehört. Vielmehr hatte ich eines der jährlich acht bis zwölf Stipendien am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg ergattert.
Diese Stipendien, international vergeben an Professoren («Senior Fellows») oder Postdocs («Junior Fellows») für Projekte aus allen Fachbereichen umfassen Büro- und Wohnräume, ein Salär und weitere materielle und ideelle Fördermassnahmen. Dazu zählt etwa der wöchentliche Mittagstisch für den persönlichen Austausch, zu dem jeweils auch Gäste aus dem akademischen Umfeld geladen werden. In meinem Fall wurde das Habilitationsprojekt zu «standardisierten Sorgfaltspflichten» gefördert, das ich in einer öffentlichen Fellow Lecture vorgestellt habe.
Ich nutzte die Fellowship für die ergänzende Recherche und die Niederschrift meines Manuskripts. Ein Kolloquium und bilaterale Treffen mit Greifswalder Juristen und Sprachwissenschaftlern lieferten mir wertvollen Input zu aktuellen und historischen Standards in anderen Rechtsordnungen. Und die Diskussionen mit den Co-Fellows haben mich angeregt, (rechts-)philosophische Gedanken zur Legitimität, Verbindlichkeit und Anerkennung von Standards aufzunehmen.
Schliesslich wirkte ich am «Academic Career Day» der Graduiertenakademie mit. Im Rahmen eines Workshops und einer Paneldiskussion gab ich meine Erfahrungen im Wissenschaftsbetrieb weiter und nahm neue Erkenntnisse zur akademischen Laufbahn in den Geistes- und Sozialwissenschaften mit.
Mein Fazit: Das Kolleg bietet ein «Paradies für Wissenschaftler». Es wird rundum für die Stipendiaten gesorgt, sei es mit geistiger oder weltlicher Nahrung. Im Sabbatical gedeihen nicht nur die geförderten Projekte, sondern entwickeln sich die Fellows selbst fachlich und persönlich weiter. Mir bleiben ein Netzwerk zu Forschern anderer Disziplinen und gemeinsame Projekte über Fächer- und Ländergrenzen hinweg.
Juana Vasella, 42, Anwältin in Zürich und Zug, ist Vertretungsprofessorin für Wirtschaftsrecht an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena, Deutschland. Im Rahmen ihrer Tätigkeit als wissenschaftliche Oberassistentin an der Universität Luzern war sie bis Ende März als Junior Fellow am Wissenschaftskolleg in Greifswald.