Seit fast drei Jahren praktiziere ich als Barrister bei Mitre House Chambers in London Ausländer- und Menschenrecht. Diese Praxisgemeinschaft ist mit rund 25 Barristern für Londoner Verhältnisse eher klein. Grösser sind die Kanzleien von Solicitors, den mehrheitlich beratenden oder verhandelnden Anwälten. Der Barrister ist der prozessierende Anwalt, dem der Solicitor die Akten zusendet, wenn ein Gerichtstermin bevorsteht.
Die volle Qualifikation des Barristers kann innerhalb von fünf Jahren ab Studienbeginn erlangt werden. Die grosse Hürde ist, in einer Kanzlei als Substitut (Pupil) aufgenommen zu werden - es kann gut 500 Anfragen für eine Stelle geben. Ich habe nach dem Bachelor und einem Master in Menschenrechten und Rechtsphilosophie am King's College London Öffentliches Recht unterrichtet. Danach absolvierte ich verschiedene Praktika bei NGOs und am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. All dies erhöhte meine Chancen, in einer Menschenrechtskanzlei aufgenommen zu werden.
Fast täglich vertrete ich vor Gericht einen neuen Klienten. Der Tag beginnt mit dem Gerichtstermin, der zwischen etwa zwei Stunden bis zu einem ganzen Gerichtstag dauern kann. Danach kehre ich in die Kanzlei - Chambers genannt - zurück und unterrichte meinen Solicitor über den Verfahrensverlauf. Zudem erwarten mich dort die Unterlagen für den nächsten Fall, der meistens am folgenden Tag verhandelt wird.
In meinem Fachgebiet, dem Ausländer- und Menschenrecht, konnte ich in verschiedenen britischen Städten vor dem Ausländerrechtstribunal auftreten. Asyl- und Migrationsrechtsfälle können bis zu vier Instanzen durchlaufen. Finanziert werden insbesondere Asylfälle meist durch unentgeltliche Rechtshilfe (legal aid).
Wegen der Finanzkrise sind erhebliche Einschränkungen in der unentgeltlichen Rechtshilfe geplant. Zusammen mit einer Kollegin zeigte ich in einer Studie auf, dass gewisse Prozesse so komplex sind, dass sie nicht ohne unentgeltlichen Rechtsbeistand verhandelt werden können. Durch diese und weitere Kampagnen konnte ein Teilerfolg gegen die Kürzungen erzielt werden: für eingewanderte Opfer häuslicher Gewalt.
Nach diesen bereichernden Jahren in London kehre ich nach Zürich zurück, wo ich ebenfalls im Ausländerrecht praktizieren werde.
Stephanie Motz, 29, erwarb den Bachelor of Laws (LL.B.) am King's College London, den Master (B.C.L.) an der Universität von Oxford. Sie absolvierte die Barristerschule an der Inns of Court School of Law (City University). Danach war sie Pupil und Barrister bei Mitre House Chambers in London.