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Plädoyer 5/10
05.10.2010
Letzte Aktualisierung:
07.10.2013
Alfred Früh
Zwei Schläge braucht der Oberbürgermeister nur, dann fliesst das Bier. «O'zapft is!» Routinierte Siegerpose, der macht das nicht zum ersten Mal. Der Ministerpräsident - genauso routiniert - hält die erste Mass, prostet. Fotografen knipsen, die Kapelle bläst. Man ist gemütlich, sogar wenn die ARD filmt.
Ausgerechnet in München, der Kapitale gelebter Tradition also, forsche ich zur Innovation - am Institut für Geistiges Eige...
Zwei Schläge braucht der Oberbürgermeister nur, dann fliesst das Bier. «O'zapft is!» Routinierte Siegerpose, der macht das nicht zum ersten Mal. Der Ministerpräsident - genauso routiniert - hält die erste Mass, prostet. Fotografen knipsen, die Kapelle bläst. Man ist gemütlich, sogar wenn die ARD filmt.
Ausgerechnet in München, der Kapitale gelebter Tradition also, forsche ich zur Innovation - am Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht der Max-Planck-Gesellschaft. Deren naturwissenschaftliche Institute sind in der Bevölkerung immer noch bekannter als die geisteswissenschaftlichen. Etwa, weil es keine Nobelpreise für Juristen gibt? Oder weil man sich nicht recht vorstellen kann, wie Grundlagenforschung im Recht aussieht?
Dieses Institut ist das permanente oder auch nur temporäre Zuhause für Spitzenforscher und Stipendiaten aus der ganzen Welt und gleichzeitig die wichtigste unabhängige Institution, die sich auf deutscher und europäischer Ebene zu Gesetzgebungsvorhaben im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht äussert. Bloss: Was tut man da?
Es geht um die Auseinanderset-zung mit nationalen Rechtsordnungen und dem europäischen Recht. Es geht um Interessenausgleich, um «policy shaping». Immer lauten die Fragen, welche Anreize das Recht setzen soll oder muss und wie dadurch wirtschaftliche und gesellschaftliche Abläufe gesteuert werden.
Seit ich am Institut begonnen habe, arbeite ich selbständig und in Teams an kleinen Puzzleteilen der grossen Frage, auf welche Weise sich Innovation und Kreation in die Wettbewerbsordnung einfügen. Das Ergebnis: Eine Dissertation über relevante Märkte im Technologiebereich, Aufsätze zum Immaterialgüter- und Europarecht und vor allem: viele kleine Wahrheiten.
Dafür braucht es viel Geduld. Nur langsam kondensieren diese kleinen Wahrheiten als Ideen irgendwo in der Peripherie der Wahrnehmung. Dann sind sie plötzlich da; wie konnte man sie nur übersehen? Das Schutzsystem des Immaterialgüterrechts hat dysfunktionale Bereiche! Der europäische Integrationsprozess müsste schweizerischer sein! Die kartellrechtliche Marktabgrenzung ist ein paradoxer Vorgang!
Gelernt habe ich einiges. Vor allem: Mit den Besten des Fachgebiets nicht nur Tür an Tür zu arbeiten, sondern auf Augenhöhe zu agieren und Projekte zu stemmen. Das geht nur in München. Anscheinend vertragen sich Innovation und Tradition gar nicht so schlecht. Ob ich eine Lederhose trage, verrate ich nicht.
Alfred Früh (29) arbeitet bis Jahresende am Münchner «Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht» an einer Dissertation an der Schnittstelle von Immaterialgüter- und Kartellrecht und an weiteren Projekten, die der Schweizerische Nationalfonds zum Teil finanziert.