Sechs Monate lang sass ich Tag für Tag in einem kambodschanischen Gerichtssaal - und beobachtete. Angeklagte im Prozess waren Angehörige des Regimes der «Khmer Rouge», die in den Siebziger-jahren Massenmord am eigenen Volk begangen hatten. Die Möglichkeit, in Phnom Penh als Prozessbeobachterin zu arbeiten, bot mir meine Doktormutter, Professorin Christine Kaufmann, im Rahmen meiner Zürcher Dissertation im Völkerstrafrecht.
Das sogenannte «Trial Monitoring Program» wird vom Kompetenzzentrum Menschenrechte der Universität Zürich in Zusammenarbeit mit dem War Crimes Study Center der Universität Berkeley, USA, durchgeführt. Die Teilnehmer kommen primär aus dem asiatischen Raum (Kambodscha, Indonesien, Singapur, China und Japan), aber auch aus Deutschland, der Schweiz und den USA.
Unsere Aufgabe am «Khmer Rouge Tribunal» bestand darin, das Verfahren gegen den ersten Angeklagten, «Duch» alias Kaing Guek Eav, in wöchentlichen Berichten zu dokumentieren. Dabei achteten wir primär auf die Einhaltung eines fairen Prozesses und andere prozessrechtliche Aspekte. Wir kritisierten zum Beispiel den ruppigen Umgang des Gerichts mit den Zeugen, was sich daraufhin auch besserte. Unsere Berichte wurden an das Gericht, an lokale NGOs, Universitäten und andere Interessengruppen verteilt.
Ausserdem waren wir Berater einer kambodschanischen Fernsehsendung, die wöchentlich über den Prozess gegen «Duch» berichtete. Somit verbrachten wir den prozessfreien Freitag meist im Fernsehstudio und wählten Videosequenzen aus, die der Bevölkerung die Ereignisse vor dem Strafgerichtshof vermittelten.
Die Zusammenarbeit mit Juristen aus so vielen verschiedenen Ländern war eine Herausforderung. Je nach Rechtssystem sind zum Beispiel Suggestivfragen im Prozess erlaubt oder nicht - was sollte nun für das Tribunal gelten? Bei solchen Diskussionen konnten wir in grossem Masse voneinander profitieren.
Phnom Penh ist eine aufregende Stadt. Am Anfang war ich überfor-dert vom Verkehr, dem ungewohnten Einkauf auf den Märkten und der launischen Strom- und Internetverbindung. Doch ich gewöhnte mich sehr schnell daran, und am Ende wollte ich die Stadt gar nicht mehr verlassen. Zu sehr genoss ich die Fahrten mit der kambodschanischen Autorikscha «Tuk-Tuk», die kulinarischen Köstlichkeiten und die unglaubliche Lebensfreude der Kambodschaner.
Caroline Ehlert (25) promoviert in Völkerrecht an der Universität Zürich. Sie hat sechs Monate am «Khmer Rouge Tribunal» als Prozessbeobachterin gearbeitet und ist in der Zwischenzeit wieder in die Schweiz zurückgekehrt. Link zum Khmer Rouge Tribunal: www.eccc.gov.kh