Mit sechs Künstlern und sechs Geisteswissenschaftern lebe ich in Rom im Istituto Svizzero zusammen: Der interdisziplinäre Vergleich prägt unsere Kontakte, die Infragestellung der eigenen Überzeugungen ist unvermeidlich. Das macht den Aufenthalt sehr interessant.
Vor einem Jahr bin ich in Rom gelandet, um meinem Luzerner Professor für Rechtsgeschichte, juristische Zeitgeschichte und Rechtstheorie zu folgen. Mindestens zwei Jahre werde ich in Italien bleiben, um meine Dissertation zu den Erwartungen ans Geschworenengericht zu schreiben. Die Arbeit ist fast die gleiche wie in der Schweiz: Ich unterstütze Professor Michele Luminati bei seinen rechtshistorischen Forschungen. Das Umfeld ist aber völlig anders. Einerseits, weil in Rom ein Teil der notwendigen Literatur fehlt. Andererseits, weil das Istituto Svizzero von der Eidgenossenschaft den Auftrag hat, in Italien einem breiten Publikum die Schweizer Kunst und Wissenschaft zu vermitteln. Das geht über die Tätigkeit an einer Universität hinaus.
Die Türen für die wissenschaftliche Tätigkeit sind hier weit offen. Ich geniesse als Mitarbeiter einer angesehenen Einrichtung eine privilegierte Stellung. Die Forschung ist in bürokratischer und inhaltlicher Hinsicht einfacher als in der Schweiz. Zum Beispiel habe ich freien Zugang zu Bibliotheken und Symposien. Dies ist nicht trivial: Unsere Forschung über die helvetische Gerichtsorganisation wird dadurch effizienter.
Das Programm im Institut prägt meine Arbeitszeit: Vernissagen, Konferenzen, Tagungen, Vorträge der Stipendiaten, kulturelle Ausflüge sind an der Tagesordnung. Die Bibliothek des Hauses ist eine Ruhe-Insel, die Tag und Nacht von Hausbewohnern besucht werden darf. Fixpunkte im Tagesablauf sind das Mittagessen in der Mensa und die Treffen mit Professor Luminati.
Was übrig bleibt, und das ist unendlich viel, ist Rom. Das Gefühl, sich in einer echten Weltstadt zu befinden, ist faszinierend. Für einen Juristen kann die zentrale Lage zudem sehr nützlich sein: Das Institut befindet sich nahe des Verfassungsgerichtshofs und des Kassationsgerichtshofs, den beiden Zentren des italienischen Rechts.
Filippo Contarini ist wissenschaftlicher Assistent von Professor Michele Luminati, Ordinarius für Rechtstheorie und Rechtsgeschichte, der seit Februar 2013 als Direktor des Schweizerischen Instituts in Rom tätig ist. Contarini ist Tessiner Doktorand der Rechtstheorie an der Universität Luzern.