Shanghai ist eine faszinierende Stadt. Schnell taucht man in  ein lärmendes Gewimmel aus weissen Bussen, türkisblauen Taxis, hupenden Motorrädern, klingelnden Fahrrädern und drängelnden Fussgängern ein. Diese engen, vor Leben strotzenden Gassen sind mir ans Herz gewachsen, ganz zu schweigen von der atemberaubenden Skyline.

Studiert habe ich an der East China University of Political Science and Law (ECUPL). Sie hat sich als eine der wenigen Hochschulen im Land auf Recht und Politikwissenschaften spezialisiert und bietet englische Master- und Doktoratsprogramme an. Ich besuchte Einführungskurse in das chinesische Rechtssystem und Vertiefungen in internationalem Handelsrecht und Investitionsrecht.

Chinesisch lernte ich nach einem Einführungskurs durch Privatunterricht. Mein Aufenthalt inklusive ­Unterkunft, Verpflegung, Versicherung, Schulgebühren und -materialien wurde durch ein Vollstipendium des China Scholarship Council (CSC) ­finanziert. Das ist ein Regierungs­stipendium, für welches sich Schweizer Studenten und Studentinnen bei Swissuniversities.ch bewerben können.  

Ich entschied mich für Shanghai aus Unwissen, Neugierde und Zufall. Das wenige, was durch die Medien über Asien und China nach Europa dringt, beschränkt sich oft auf ablehnende Aussagen über die chinesische Politik, Gesellschaft oder die Wirtschaft. ­Dabei ist China weltweit der drittwichtigste Handelspartner der Schweiz. Die Kenntnis der Besonderheiten beider Rechtssysteme ist sicher nützlich. Beispiel: Ein Vertragsabschluss kommt in der Schweiz durch die Unterschrift der Parteien zu­stande, in China genügt ein Stempel.

China hat aus kulturellen und praktischen Gründen eine jahr­hundertealte Schiedsgerichtstradition, eine im internationalen Handels­verkehr sehr geschätzte Streitschlichtungsmethode. Die Auseinandersetzung mit anderen Rechtssystemen gibt Anstoss dazu, die eigenen Rechtsinstitute und deren zugrunde liegende Werte zu überdenken. Aus all diesen Gründen ist eine Ausbildung in ­China interessant. Was ein Master in Shanghai aber auch noch bringt, sind Selbstvertrauen, Erfahrung im ­Umgang mit der für uns so fremd­artigen asiatischen Kultur – und ein reicher Schatz an persönlichen ­Erfahrungen.

Josephine Rüegsegger, 23, ist Masterstudentin im zweiten Semester an der Universität Freiburg. Von September 2015 bis Mai 2016 ­studierte sie in Shanghai im Programm Juris Master in International Economic Law.