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Plädoyer 5/12
25.09.2012
Letzte Aktualisierung:
04.10.2013
Seit Ende Juli 2012 absolviere ich ein juristisches Kurzpraktikum bei Boss & Young in Shanghai. Boss & Young ist eine chinesische Anwaltskanzlei, die vor allem im Bereich des Wirtschaftsrechts tätig ist und Beratung bei internationalen Rechtsfragen anbietet.
Während meines Praktikums habe ich schon bei mehreren chinesisch-schweizerischen Mandaten mitgearbeitet und mich intensiv mit dem chinesischen sowie dem schweizerischen internationalen Privatrecht b...
Seit Ende Juli 2012 absolviere ich ein juristisches Kurzpraktikum bei Boss & Young in Shanghai. Boss & Young ist eine chinesische Anwaltskanzlei, die vor allem im Bereich des Wirtschaftsrechts tätig ist und Beratung bei internationalen Rechtsfragen anbietet.
Während meines Praktikums habe ich schon bei mehreren chinesisch-schweizerischen Mandaten mitgearbeitet und mich intensiv mit dem chinesischen sowie dem schweizerischen internationalen Privatrecht beschäftigt. Besonders gefällt mir, dass ich neben der Mandatsarbeit die Möglichkeit habe, mithilfe von Lehrbüchern und wissenschaftlichen Artikeln das chinesische Rechtssystem im Selbststudium kennenzulernen und so mein praktisches und theoretisches Wissen in Bezug auf das chinesische Recht auszubauen - etwa mit Publikationen von Xu Guojian und Harro von Senger. Es ist interessant zu sehen, wie sehr das chinesische Recht vom deutschen und schweizerischen Recht beeinflusst ist und wie es sich dennoch davon unterscheidet - vor allem in der Rechtsanwendung. So beeindruckend wie erschreckend ist, dass nach der Kulturrevolution innerhalb von wenigen Jahrzehnten die gesamte chinesische Rechtsordnung neu konzipiert wurde.
An der chinesischen Mentalität gefällt mir, dass sich die Menschen hier in einer Weise ausleben, die mir aus der Schweiz nicht bekannt ist. Wenn es den Männern im Sommer zu heiss ist, dann krempeln sie ungeniert ihr Hemd über den nackten Bauch und strecken ihn stolz der Sonne entgegen. Und wer Lust hat, in der Öffentlichkeit ein chinesisches Lied zu singen oder ein wenig zu tanzen, folgt diesem Impuls. Diese Zwanglosigkeit und Gelöstheit schätze ich sehr. Selbstverständlich ist dies in Lujiazui, dem schicken Shanghaier Finanzviertel, in dem sich auch das Büro der Anwaltskanzlei Boss & Young befindet, seltener zu beobachten. Doch sobald ich diese strahlende Businesswelt verlasse und mich auf den Heimweg Richtung Changning, einem Geschäfts- und Wohnviertel im Westen der Stadt, begebe, sehe ich die tanzenden Pärchen und entblössten Männerbäuche wieder. Das löst bei mir jedes Mal ein Lächeln aus.
Lea Schwab, 22, studiert Jus an der Universität Zürich. Sie arbeitet neben dem Studium in der Wirtschaftskanzlei Homburger und ist im Vorstand von Elsa Schweiz tätig, dem nationalen Dachverband der European Law Students’ Association. Informationen zu Boss & Young: www.boss-young.com