Die UBS übernahm die Credit Suisse im März 2023 für 3 Milliarden Franken. Die CS-Aktionäre erhielten für 22,48 CS-Aktien eine UBS-Aktie. Das entsprach einem Kurs von 76 Rappen pro Credit-Suisse-Aktie.
Mit dem Umtauschverhältnis waren Tausende CS-Aktionäre nicht einverstanden, 39 reichten eine Überprüfungsklage am Zürcher Handelsgericht ein. Die Kläger verlangten eine Überprüfung des Umtauschverhältnisses und einen angemessenen Ausgleich.
Davon wollte die UBS nichts wissen. In ihrer Klageantwort schrieb sie, dass die CS am Montag, 20. März 2023, «kollabiert» wäre, wenn die UBS die CS nicht übernommen hätte. Aufgrund der desolaten Situation habe die Bewertung der CS für die Bestimmung des Umtauschverhältnisses der Aktien nicht wie üblich zum Fortführungs-, sondern zum Liquidationswert erfolgen müssen.
Zweifel an der Behauptung, die CS sei wertlos gewesen
Zudem sei der Liquidationswert auf einer «Stand-alone-Basis» zu bestimmen gewesen, also unter vollständiger Ausblendung der Fusion und der sich daraus ergebenden Konsequenzen und Synergien. Dabei stützte sich die UBS auf ein Parteigutachten von Thomas Vettiger. Die UBS kam zum Schluss, dass die CS zum Zeitpunkt der Fusion nichts mehr wert und daher jedes Umtauschverhältnis über null angemessen gewesen sei.
Dieser Argumentation widersprechen die Kläger. Die Organisationen Legal Pass und Schweizerischer Anlegerschutzverein (SASV), die nach eigenen Angaben mehr als 5000 Aktionäre vertreten, reichten Ende August mit ihren Repliken ein Rechts- und ein Bewertungsgutachten ein.
Das Rechtsgutachten wurde vom Zürcher Professor Harald Bärtschi erstellt, der an der Universität Zürich und an der ZHAW School of Management and Law in Winterthur lehrt. Er kommt gestützt auf die Praxis des Bundesgerichts (4A_341/2011) zum Schluss, dass die Bewertung der CS auf der Grundlage der Unternehmensfortführung zu bestimmen sei, da bei der Übernahme festgestanden habe, dass die CS durch die UBS fortgeführt würde. Zudem seien die Synergien, die sich aus der Fusion ergaben, bei der Bestimmung des Werts zu berücksichtigen.
Das Bewertungsgutachten wurde von der IVA Valuation & Advisory AG erstellt, einer auf Firmenbewertungen spezialisierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit Sitz in Frankfurt (D). Die Prüfer konnten sich bei der Bewertung der CS nur auf öffentlich zugängliche Informationen stützen, weil die UBS bis jetzt keine Finanzdaten der CS offenlegte. Je nach Bewertungsmethode bewegen sich die ermittelten Werte zwischen Fr. 2.30 und Fr. 9.17 pro CS-Aktie. Das ergäbe einen Übernahmepreis von zwischen 10 und 38 Milliarden Franken – also weit mehr als die bezahlten 3 Milliarden Franken.
Legal Pass und der SASV beantragen, dass das Zürcher Handelsgericht das Umtauschverhältnis mit Hilfe eines gerichtlichen Gutachters prüfen muss. Denn bei der Fusion war weder ein von einem Revisionsexperten geprüfter Fusionsbericht erstellt worden, noch durften die Aktionäre beider Gesellschaften über die Fusion abstimmen, weil der Bund mehrere Bestimmungen des Fusionsgesetzes per Notverordnung ausgeschaltet hatte.
UBS-Gutachter in Widersprüchen
Die UBS reichte im Dezember 2023 mit ihrer Klageantwort ein Gutachten von Thomas Vettiger ein. Der «Tages-Anzeiger» vom 7. September 2024 zweifelte dessen Unabhängigkeit an, da Vettigers Beratungsunternehmen IFBC bereits früher für die UBS tätig war.
Vettiger hat zudem seine Meinung zur gestellten Rechtsfrage geändert. Im Artikel «Unternehmensbewertung in der Rechtspraxis», der Mitte 2023 in der «Schweizerischen Zeitschrift für Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht sowie Umstrukturierungen» erschien, schrieb er mit einem Co-Autor, dass Artikel 7 des Fusionsgesetzes eine Berücksichtigung von Synergien in der Bewertung verlange. Im Gutachten zur Bewertung der CS behauptete er plötzlich, dass bei einer Fusion eine «Stand-alone-Bewertung» Praxis sei. Vettiger beantwortete eine Anfrage von plädoyer zu diesem Widerspruch nicht.
Bundesverwaltungsgericht auf Tauchstation
Seit Mitte 2023 sind am Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen 320 Beschwerden von rund 3000 CS-Obligationären hängig (plädoyer 2/2024). Sie wehren sich gegen den Entscheid der Finanzmarktaufsicht (Finma), dass die CS die AT1-Anleihen von 16 Milliarden Franken nicht zurückzahlen muss.
Bis Ende August 2023 mussten die UBS und die Finma zu den eingereichten Beschwerden Stellung nehmen. Bis Ende September stellte das Gericht die Stellungnahmen den Beschwerdeführern nicht zu, wie von plädoyer angefragte Anwaltskanzleien bestätigten. Diese erklärten auch, dass schriftliche Anfragen zum Verfahrensstand nicht beantwortet würden. Und telefonische Anfragen würden abgewimmelt.
Das Bundesverwaltungsgericht schreibt: «Es handelt sich um ein Mehrparteienverfahren, das einer aufwendigen und zeitintensiven Koordination bedarf.»