Am 1. April 1998 trat das Bundesgesetz zur Bekämpfung der Geldwäscherei im Finanzsektor in Kraft. Die Anwälte, die von ihren Kunden Vermögenswerte annehmen oder aufbewahren oder ihnen helfen, diese anzulegen oder zu übertragen, mussten um eine Bewilligung zur Ausübung dieser Tätigkeiten nachsuchen und sich staatlich beaufsichtigen lassen.
Die auf diese Weise als sogenannte Finanzintermediäre tätigen Anwälte hatten zwei Jahre Zeit, um sich einer Selbstregulierungsorganisation anzuschliessen. Der Schweizerische Anwaltsverband (SAV) und der schweizerische Notarenverband gründeten eine eigene Selbstregulierungsorganisation. Ziel war, dass sich die Anwälte und Notare von einer Organisation sollten beaufsichtigen lassen können, die das Metier der klassischen Anwaltstätigkeit kennt – also der Beratung und Vertretung von Klienten vor Gerichten und Behörden. Und die gleichzeitig das Funktionieren der staatlichen Aufsicht garantiert, ohne das anwaltliche Berufsgeheimnis anzutasten.
Pflichten zur Verhinderung von Geldwäscherei
Konkret bedeutet dies, dass die Anwälte ihre Finanzintermediär-Dossiers getrennt von den übrigen Mandaten führen und dabei strenge Regeln einhalten müssen. So haben sie neben den Eigentümern der von ihnen verwalteten Vermögenswerte vor allem auch die daran wirtschaftlich berechtigten Personen festzustellen. Des Weiteren müssen sie die Herkunft der Vermögenswerte eingehend abklären. Sie haben sämtliche Banktransaktionen, Vermögensverschiebungen usw. auf deren Rechtmässigkeit und Plausibilität hin zu überprüfen. Bei einem begründeten Verdacht auf Geldwäscherei muss der Anwalt die Vermögenswerte blockieren und gleichzeitig bei der zuständigen Bundesstelle (MROS) eine Meldung erstatten. Diese prüft den Verdacht und entscheidet, ob sie den Sachverhalt zur Eröffnung eines Strafverfahrens wegen Geldwäscherei an die Strafbehörden weiterleitet. Verletzt der Anwalt diese Pflichten, drohen ihm empfindliche Strafen.
Gleichzeitig macht sich ein Anwalt im Sinne von Artikel 305bis StGB strafbar, wenn er eine Geldwäschereihandlung vornimmt, dazu anstiftet oder dazu Beihilfe leistet. Dies unabhängig davon, ob er über fremde Vermögenswerte tatsächlich verfügt. Es genügt eine Handlung, um die Ermittlung der Herkunft und die Auffindung oder Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, von denen er weiss oder annehmen muss, dass diese von einem Verbrechen herrühren.
2009 wurde der Geltungsbereich des Geldwäschereigesetzes ausgedehnt. Es sollten nicht nur wie bisher das Waschen «schmutziger» Gelder verhindert, sondern auch die Verwendung – unter Umständen – sauberer Gelder zur Finanzierung terroristischer Tätigkeiten unterbunden werden. 2014 wurde das Gesetz nochmals ergänzt, indem der Anwalt Vermögenswerte blockieren und dem Bund melden musste, von denen er wusste oder einen begründeten Verdacht hatte, dass sie von einem qualifizierten Steuervergehen herrührten.
Umfangreiche Liste von Neuerungen
Im Juni 2019 verabschiedete der Bundesrat weitreichende Änderungen zuhanden des Parlamentes. Die Pflichten gemäss Geldwäschereigesetz sollen nicht nur für als Finanzintermediäre, sondern auch für als Berater tätige Anwälte Gültigkeit erlangen. So sollen nach dem Gesetzesentwurf neu bestimmte Tätigkeiten der Anwälte im Zusammenhang mit der Gründung, Führung oder Verwaltung ausländischer und bestimmter schweizerischer Gesellschaften sowie sogenannter Trusts staatlich beaufsichtigt werden. Erstmals sollen damit klassische Anwaltstätigkeiten vom Geldwäschereigesetz erfasst werden.
Künftig soll jeder Anwalt von den neuen Regeln erfasst werden, der zum Beispiel:
für Klienten Statuten einer schweizerischen oder ausländischen Sitzgesellschaft aufsetzt (oder auch nur prüft) und öffentlich beurkundet,
Klienten, die in einer neu zu gründenden schweizerischen oder ausländischen Sitzgesellschaft über eine Zeichnungsberechtigung verfügen sollen, instruiert, wo und wie sie ihre Unterschrift beglaubigen lassen können,
für Klienten, die in einer neu zu gründenden schweizerischen oder ausländischen Sitzgesellschaft im Aufsichtsrat Einsitz nehmen wollen, eine Kopie von deren Pass anfertigt,
Klienten, die in einer neu zu gründenden schweizerischen oder ausländischen Sitzgesellschaft als Organ tätig sein werden, Auskünfte darüber erteilt, welche sozialversicherungsrechtlichen Anmeldungen sie gegebenenfalls vornehmen müssen,
Klienten Auskunft darüber erteilt, welche Verjährungsfristen bei Gewährleistungsfragen im Zusammenhang mit dem Kauf oder Verkauf einer schweizerischen oder ausländischen Sitzgesellschaft gelten,
Klienten über Rechte und Pflichten beim Verkauf von schweizerischen oder im Ausland gelegenen Sitzgesellschaften informiert,
Klienten bei der finanziellen Absicherung von deren minderjährigen Kindern oder der Lebenspartnerin durch schweizerische oder ausländische Sitzgesellschaften berät,
für Klienten im Zusammen- hang mit der Vermietung von Büroräumlichkeiten an eine schweizerische oder ausländische Sitzgesellschaft einen Mietvertrag aufsetzt,
für Klienten Büroräumlichkeiten an eine schweizerische oder ausländische Sitzgesellschaft vermietet oder
Klienten auch nur Anbieter von Domizildienstleistungen nennt, an welche sie sich wenden können, um Büroräumlichkeiten für eine schweizerische oder ausländische Sitzgesellschaft anzumieten.
All diese Handlungen – die Liste liesse sich beliebig verlängern – würden neu den Anwalt verpflichten, sich staatlich beaufsichtigen zu lassen. Lehre, Praxis und Rechtsprechung arbeiteten seit Einführung des Geldwäschereigesetzes konkrete Kriterien aus, um die sogenannte klassische Anwaltstätigkeit (die juristische Arbeit steht dabei im Vordergrund) von der sogenannten akzessorischen (das kaufmännische Element bildet den entscheidenden Faktor) abzugrenzen.
Dabei wurde immer auf das Kriterium der «Verfügung über fremde Vermögenswerte» abgestellt. Das heisst: Der Anwalt untersteht nur dann den Regeln des Gesetzes, wenn er über fremde Vermögenswerte verfügt oder zum Beispiel gestützt auf eine entsprechende Vollmacht eventuell auch nur verfügen kann.
Von diesem klaren Kriterium rückt der bundesrätliche Entwurf nun erstmals ab, indem er Anwaltstätigkeiten, mit denen keine Verfügungsmacht über fremde Vermögenswerte verbunden sind, dem Geldwäschereigesetz und damit einer staatlichen Aufsicht unterstellt. Der Gesetzesentwurf weicht damit in der Praxis sehr gut anwendbare Kriterien in völlig ausufernder Art und Weise auf und schafft sowohl für Anwälte als auch für Klienten eine gefährliche Situation.
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass Berater im beschriebenen Sinn die Einhaltung der gesetzlichen Sorgfaltspflichten durch ein Revisionsunternehmen kontrollieren lassen und diesem alle für eine Prüfung erforderlichen Informationen und Unterlagen herausgeben müssen. Das bedeutet: Ein Anwalt, der Klienten im vorbeschriebenen Sinne berät, müsste in regelmässigen Abständen
einem aussenstehenden Revisionsunternehmen Zugang zu seinen Mandatsdossiers gewähren.
Aufweichung des Anwaltsgeheimnisses
Inwieweit allenfalls auf dem Verordnungsweg die Möglichkeit geschaffen wird, dass ebenfalls dem Anwaltsgeheimnis unterstehende Prüfer für solche Revisionen mandatiert werden können, ist zur Zeit völlig offen.
Dieses Vorgehen ist rechtsstaatlich höchst problematisch. Während die klassische anwaltliche Beratungstätigkeit seit jeher den Schutz des Berufsgeheimnisses nach Artikel 321 StGB genoss, soll dies für einen Teil der Anwaltstätigkeit, bei der notabene ebenfalls die juristische Arbeit im Vordergrund steht, nun plötzlich nicht mehr gelten. Indem die vorstehend beispielhaft aufgezählten Anwaltstätigkeiten nun von einem aussenstehenden Revisionsunternehmen kontrolliert werden sollen, wird das Anwaltsgeheimnis, als ein seit jeher unerlässlich und selbstverständlich erachtetes Rechtsgut über Bord geworfen.
Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Klient würde mit der Unterstellung der Beratertätigkeit unter das Geldwäschereigesetz massiv leiden. In erster Linie ist das Berufsgeheimnis ein «Klientengeheimnis». Es geht nicht darum, den Anwalt zu schützen, sondern die Interessen des Klienten. Der Mandant soll entsprechend geschützt Informationen dem Anwalt anvertrauen können, sodass dieser seine Interessen in einer rechtsstaatlich geregelten Weise vertreten kann.
Die enge Verflechtung gesellschaftsrechtlicher Fragestellungen mit weiteren Rechtsgebieten hätte zur Folge, dass zahlreiche Beratungen im Zivil-, Handels-, Familien-, Erbrecht usw. möglicherweise unter das Geldwäschereigesetz und damit aus dem Schutzbereich des Anwaltsgeheimnisses fallen würden. Bisher übliche Arbeiten im Zusammenhang mit der Gründung, Führung und Verwaltung von bestimmten Gesellschaften würde neu Abklärungsmassnahmen nach sich ziehen, die vom Klienten schnell als Misstrauensvotum empfunden würden.
Zudem würden der Beratungsaufwand und damit die Kosten erheblich ansteigen und schnell ein Niveau erreichen, welches vom Klienten zu Recht als überrissen empfunden würde.
Es bleibt deshalb zu hoffen, dass das Parlament den bundesrätlichen Entwurf zur Revision des Geldwäschereigesetzes in dem Sinne korrigieren wird, dass die in der Praxis bisher weitestgehend bewährten und griffigen Instrumente zur Geldwäschereibekämpfung beibehalten werden und gleichzeitig das rechtsstaatlich grundlegende Prinzip des Berufsgeheimnisses unangetastet bleibt.