Anwälte, die im Rahmen einer amtlichen Verteidigung oder der unentgeltlichen Rechtspflege tätig werden, müssen sich bei lang dauernden Verfahren in Sachen Honorar des öftern ziemlich gedulden. Wer gleich mehrere solcher Mandate parallel laufen hat, kann durchaus mal in einen Liquiditätsengpass geraten.
In Zürich einigten sich nun der Anwaltsverband und die Oberstaatsanwaltschaft darauf, dass künftig auch Akontozahlungen ab einem Aufwand von in der Regel 10 000 Franken bezahlt werden. Und mit dem Obergericht ist man übereingekommen, dass in begründeten Fällen Akontorechnungen unabhängig vom bisher als Faustregel geltenden Betrag von 10 000 Franken geleistet werden können.
Solche Regelungen sind nicht selbstverständlich, wie sich bereits im Nachbarkanton Aargau zeigt. Dort ist der kantonale Anwaltsverband mit der Zürcher Lösung bei der Staatsanwaltschaft vorstellig geworden. Er hat eine vergleichbare Vereinbarung vorgeschlagen. Ohne Erfolg.
Gesetzlicher Anspruch verneint
Laut Brigitte Bitterli, Präsidentin des aargauischen Anwaltsverbandes, stellen sich die Strafbehörden auf den Standpunkt, dass es für Akontozahlungen an einer gesetzlichen Grundlage fehlt. Nicole Payllier, Leiterin Kommunikation der Gerichte Aargau, bestätigt diese Aussage: «Weder das Bundesrecht noch das kantonale Recht räumen einen Anspruch auf Leistung einer Akontozahlung an den amtlichen Verteidiger ein.» Gemäss dem publizierten Entscheid des Aargauer Obergerichts vom 10. November 2011 sei eine Ausnahmesituation nur dann zu bejahen, wenn die Wirksamkeit der amtlichen Verteidigung ohne Ausrichtung einer Akontozahlung in Frage gestellt ist (AGVE 2011, Seite 64). «In einer derartigen Situation besteht allerdings auch nur Anspruch auf Deckung der notwendigen laufenden Kosten», so Payllier.
«Mir ist kein Fall bekannt, in dem eine Akontozahlung geleistet wurde», sagt die Präsidentin des aargauischen Anwaltsverbands. Payllier bestätigt, dass Akontozahlungen bei amtlicher Verteidigung und unentgeltlicher Rechtspflege in der Praxis sehr selten sind.
Unterschiede zwischen Zivil- und Strafverfahren
Die Anwälte in den Kantonen St. Gallen, Bern, Zug und Thurgau können auf mehr Entgegenkommen der Gerichte zählen. So sehen die Richtlinien des Kantonsgerichts St. Gallen zur unentgeltlichen Rechtspflege vor, dass in einem lang dauernden Verfahren auf ein «begründetes Gesuch des Anwalts oder der Anwältin Akontozahlungen geleistet werden». Bezüglich der amtlichen Verteidigung gibt es gemäss Nicole Zürcher Fausch, Geschäftsführerin des St. Galler Anwaltsverbands, keine festen Richtlinien. Sie erklärt in Absprache mit dem ersten Staatsanwalt, dass in grösseren Fällen, die mehr als ein halbes Jahr dauern und erheblichen Aufwand erfordern, auf Begehren des Anwalts Akontozahlungen getätigt werden.
Im Kanton Bern hält das Kreisschreiben Nummer 15 des Obergerichts vom 2. September 2011 fest, dass dem amtlichen Anwalt auf Gesuch hin ein Vorschuss zu leisten ist, wenn das Mandat zwölf Monate gedauert hat und das Verfahren voraussichtlich nicht in den kommenden sechs Monaten abgeschlossen werden kann. Die Verfahrensleitung entscheidet über die Ausrichtung des Vorschusses. Für die Zivilgerichtsbarkeit existiert im Kanton Bern hingegen keine entsprechende Regelung.
Gute Erfahrungen mit Akontozahlungen
Im Kanton Zug gibt es sowohl in Straf- als auch in Zivilverfahren Akontozahlungen, wenn ein Mandat mehr als ein Jahr dauert. Die Gesuche können unabhängig von der Höhe des Betrags gestellt werden, wie Andrea Hodel, Sekretärin des Advokatenvereins des Kantons Zug erklärt. «Im Kanton Zug machen wir recht gute Erfahrungen mit diesem System. Reklamationen dazu gibt es nicht, auch wenn die Anwältinnen und Anwälte damit natürlich ein Honorar grundsätzlich während zwölf Monaten vorschiessen», berichtet Hodel.
Im Kanton Thurgau wiederum können amtliche Verteidiger bei länger andauernden Verfahren gar halbjährlich Akontorechnungen stellen. Die Staatsanwaltschaft begleicht die Rechnung innert dreissig Tagen oder muss innerhalb gleicher Frist schriftlich erklären, weshalb und in welchem Umfang die Rechnung beanstandet wird, so Christoph Spahr vom thurgauischen Anwaltsverband.