Das Letzte: Diplomatisches Geschick, Meeranstoss und Wetterglück
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Plädoyer 02/2019
01.04.2019
Gian Andrea Schmid
Viele internationale Erlasse heissen nicht einfach ZGB, OR oder SchKG. Sie werden nach dem Ort benannt, an dem der endgültige Text ausgearbeitet und unterzeichnet wurde. Astrid Epiney, Professorin an der Uni Freiburg, sagt: «Dieser Ort beruht auf dem diplomatischen Geschick der Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Staaten.»
Auffallend viele solcher Abkommen tragen die Namen attraktiver Reiseziele. Bereits bei der Unterzeichnung der ers...
Viele internationale Erlasse heissen nicht einfach ZGB, OR oder SchKG. Sie werden nach dem Ort benannt, an dem der endgültige Text ausgearbeitet und unterzeichnet wurde. Astrid Epiney, Professorin an der Uni Freiburg, sagt: «Dieser Ort beruht auf dem diplomatischen Geschick der Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Staaten.»
Auffallend viele solcher Abkommen tragen die Namen attraktiver Reiseziele. Bereits bei der Unterzeichnung der ersten Genfer Konvention zum humanitären Völkerrecht im August 1864 konnten die Diplomaten den Sommerabend bei einem Glas Wein am Genfersee geniessen. Das Lugano-Übereinkommen zum internationalen Zivilprozessrecht schlossen die Delegierten im Oktober 2007. Das milde Klima war sicher ideal für eine Bootsfahrt oder einen Ausflug auf den Monte Brè oder San Salvatore.
Auch trendige Städte am Meer sind bei Ministern begehrt. Etwa die türkische Metropole, wo im Mai 2011 die Istanbul-Konvention zur Verhütung von Gewalt an Frauen unterzeichnet wurde. Das Marmarameer lockte mit angenehmen Badetemperaturen. Kulturell Interessierte besuchten die Hagia Sophia und die Sultan-Ahmet-Moschee.
Feriengefühle dürften auch bei den Diplomaten aufgekommen sein, die im Oktober 2007 auf der kanarischen Insel die Lanzarote-Konvention zum Schutz junger Menschen vor sexuellem Missbrauch unterzeichneten. Im Gepäck dürften sich auch Badehose und Sonnenbrille befunden haben. Im Dezember 1974 schlossen Diplomaten bei mildem Wetter das Athener Übereinkommen zu Seereisen ab.
Meeranstoss und Wetterglück sind nicht in jedem Fall Bedingung für ministerielle Aktivitäten. Beispiel: Das Dubliner Übereinkommen zu Asylverfahren. Es wurde im Juni 1990 abgeschlossen. Die irische Hauptstadt ist bekannt für dunkles Bier, lange Nächte und unzählige Pubs. Wer helles Bier bevorzugt, nahm im Mai 1969 am Abschluss der Wiener Vertragsrechtskonvention teil.
Die Donau-Metropole ist immer eine Reise wert: Stephansdom, Hofreitschule und Museen laden zum Verweilen ein. Ähnlich die Weltstadt am St.-Lorenz-Strom: Das Montrealer Abkommen zum internationalen Luftverkehr vom Mai 1999 liess wohl noch etwas Zeit für ein Pub-Crawling in der pittoresken Altstadt. Und Aviatik-Fans dürften bei der An- und Rückreise ordentlich Flugmeilen gesammelt haben.
Der Reiseverlag «Lonely Planet» kürte Kopenhagen 2019 zum weltweiten Trendziel Nummer eins. Beste Voraussetzung, um einem internationalen Abkommen bald den Namen geben zu können.