Das Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (BGFA) schreibt für den Erwerb des Anwaltspatents in Artikel 7 lediglich den erforderlichen Studienabschluss und ein mindestens einjähriges Praktikum vor. Den Kantonen bleibt es überlassen, diese Vorgaben mit Einführungsgesetzen und Verordnungen zu konkretisieren. Das Resultat ist ein Flickenteppich.
Praktikum, Prüfung - jeder Kanton macht es anders
Schon die Voraussetzungen für die Anmeldung zur Anwaltsprüfung sind nicht einheitlich. So sind in Bern 18 Monate Praktikum und der Besuch von Lehrveranstaltungen in Rechtsmedizin, gerichtlicher Psychiatrie, Kriminologie und Anwaltsrecht an der Universität sowie ein Buchhaltungskurs Pflicht. Die übrigen fünf hier verglichenen Kantone (Aargau, Basel-Landschaft, Luzern, St. Gallen und Zürich) begnügen sich mit 12 Monaten Praktikum. Danièle Wüthrich-Meyer, die Präsidentin der Berner Prüfungskommission, begründet die längere Dauer des geforderten Praktikums dahingehend, dass mit dieser Regelung eine fundierte praktische Ausbildung gewährleistet werden soll.
Die Berner Kandidaten sehen sich mit einem zusätzlichen Hindernis konfrontiert, wenn sie ein ausserkantonales Praktikum absolvieren wollen. Im Gegensatz zu den anderen Kantonen brauchen sie dafür nämlich vor Praktikumsbeginn eine Bewilligung.
In anderen Kantonen gibt es andere Hürden. In Luzern können Praktikumsplätze schon zwei Jahre vor Arbeitsbeginn über das Obergericht reserviert werden. Sie sind in der Regel auch weit im Voraus ausgebucht. Demgegenüber ist in Zürich eine Bewerbung für ein Praktikum am Gericht erst mit dem Lizenziats- respektive Masterabschluss in der Tasche möglich.
Die Leidenszeit während der Prüfung variiert ebenfalls. Die schriftliche Prüfung dauert zwischen 8 (St.Gallen) und 22 Stunden (Basel-Landschaft), die mündliche zwischen 80 (Bern) und 210 Minuten (St. Gallen). Basel-Landschaft verlangt zusätzlich eine Hausarbeit von fünf Tagen, Bern einen öffentlichen Probevortrag von zehn Minuten. Der Probevortrag hat einen praktischen Fall aus dem Gebiet des Zivil- oder Strafrechts zum Gegenstand. Die Akten werden den Kandidaten am Tag des Probevortrages für vier Stunden Studium abgegeben. Gehalten wird er im Obergericht, wobei zwei Kandidaten jeweils eine Rolle (Kläger/Beklagter, Staatsanwalt/Verteidiger) übernehmen. Wüthrich-Meyer begründet den Probevortrag damit, dass für einen Anwalt gutes Plädieren wichtig sei. In einer mündlichen Prüfung könne diese Fähigkeit zu wenig geprüft werden.
Repetiert werden kann die Prüfung in den verglichenen Kantonen ein- oder zweimal. Die Zahl der Kandidaten, die am Schluss endgültig ohne Patent dastehen, sei es, weil sie abbrechen oder weil sie wegen mangelnder Leistung abgewiesen werden, ist wegen der Möglichkeit, die Prüfung zu wiederholen, nicht sehr hoch. In Luzern werden lediglich 3 Prozent abgewiesen, in St. Gallen erhalten 12,5 Prozent das Patent nicht, in Zürich 15 Prozent (11 Prozent davon Abbrecher) und in Bern 21 Prozent. Wer genug Durchhaltevermögen zeigt, wird also meist belohnt.
Kaum offizielle Infos für Zürcher Kandidaten
Wer sich als Kandidat über die Anwaltsprüfung informieren möchte, kann neben den kantonalen Erlassen in den meisten Kantonen im Internet zusätzliche Informationen abrufen. Eine Ausnahme bildet ausgerechnet der Kanton Zürich, der am meisten Kandidaten pro Jahr prüft (seit 2002 im Durchschnitt 224 Anmeldungen pro Jahr). Die notwendigen Informationen zur Anwaltsprüfung sind dort von offizieller Seite - mit Ausnahme derjenigen, die in publizierten Erlassen stehen - nicht zu erhalten. Eine Website auf der Obergerichtsseite, wie dies in den anderen Kantonen Standard ist, gibt es in Zürich nicht.
Die Website des Obergerichts wird zwar auf Januar 2011 neu gestaltet, ein Bereich für Informationen über die Anwaltsprüfung ist gemäss Handelsrichter Johann Zürcher, dem Präsidenten der Kommission für die Prüfung der Rechtsanwaltskandidaten, nicht vorgesehen. So muss sich der Prüfungskandidat wie bis anhin an Informationen früherer Kandidaten und an private Wegleitungen zur Anwaltsprüfung halten.
Es dauert lange, bis man das Resultat kennt
Die Korrektur der Prüfungen ist die nächste Sorge der Zürcher Kandidaten. Die schriftlichen Prüfungen werden in Zürich nämlich den fünf Experten nacheinander zur Korrektur vorgelegt, zuerst jenem, der die Prüfung ausgearbeitet hat. Er hat in der Regel einen Monat Zeit, danach kommen der zweite bis vierte und am Schluss der Präsident der Kommission an die Reihe. Die Korrekturdauer zieht sich dadurch stark in die Länge. Problematisch dabei ist, dass sich die Kandidaten für die mündliche Prüfung erst nach dem Bestehen der schriftlichen anmelden können. Wenn sich die Experten bei einem Resultat uneinig sind, muss gemäss der Verordnung des Obergerichts über die Fähigkeitsprüfung für den Anwaltsberuf die Prüfung nochmals in Umlauf gegeben werden, bis eine Einigung vorliegt. Notfalls müssen sich die Experten sogar in einer Expertenrunde treffen.
Korrekturzeit wäre zwei Monate
Kann sich ein Kandidat anschliessend endlich für die mündliche Prüfung anmelden, heisst es oft: «Die Prüfungstermine für die nächsten sechs Monate sind schon ausgebucht.»
Über diese Organisation ärgern sich nicht nur die Kandidaten. Auch die Bezirksgerichte und die Anwaltskanzleien haben damit zu kämpfen, dass die Substituten und die juristischen Sekretäre mit dem Anwaltsurlaub schlecht in die Planung einbezogen werden können. So wurde von diesen Seiten in letzter Zeit Druck bei der Kommission für die Prüfung der Rechtsanwaltskandidaten ausgeübt. Der Zürcher Anwaltsverband hat die zu lange Prüfungskorrekturzeit bemängelt.
Dies hat offenbar in letzter Zeit zu einer Verbesserung geführt, indem die Dauer der Korrekturen kürzer geworden ist. Die Kommission kommt damit dem Auftrag in Paragraf 11 Absatz 2 der Anwaltsverordnung näher, wonach das Ergebnis der schriftlichen Prüfung innert zwei Monaten eröffnet werden soll.
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