Der vom Bundesrat vorgelegte Revisionsvorschlag wurde in der Vernehmlassung noch rundum kritisiert. Insgesamt 1224 Stellungnahmen gingen ein, die meisten verlangten substanzielle Änderungen. Die Anliegen reichten von der Forderung nach weitgehender Abschaffung des angeblich überholten Urheberrechts bis hin zum Ruf nach absoluter Kontrolle der Werknutzungen im Internet zum Zwecke der Pirateriebekämpfung.
Verzicht auf Netzsperren und Zugangsfilter
Angesichts dieser radikalen Forderungen erscheint das bisherige Resultat des Revisionsprozesses als wenig spektakulär. Statt Systemänderungen sind nun punktuelle Verbesserungen vorgesehen. So wurde die von der Musikindustrie verlangte Pirateriebekämpfung, die in der Vernehmlassungsvorlage noch zahlreiche Detailregelungen umfasst hatte und daher als «Urheberverwaltungsrecht» kritisiert worden war (Cyrill P. Rigamonti, in: sic! 3/2016, S. 117 ff.), auf eine einzige Bestimmung eingedampft. Sie verlangt, dass Plattformbetreiber, die einmal verpflichtet wurden, unerlaubt hochgeladene Werke zu entfernen, dafür sorgen müssen, dass kein erneuter Upload erfolgt. Der ganze Rest ist verschwunden: Auf Netzsperren und Zugangskontrollen wird ebenso verzichtet wie auf obligatorische Warnhinweise.
Weitgehend bei der bisherigen Regelung bleibt es auch bei den Entschädigungen für Werknutzungen im Internet. Sie werden nicht pauschal abgegolten oder gleich kostenlos erlaubt, wie es von verschiedenen Seiten gefordert worden war, sondern wie bisher durch ein differenziertes System von Einzel- und Kollektivvergütungen entschädigt.
Kollektivverwertungen in neuen Bereichen
Auch vom ursprünglich geforderten Ersatz der bestehenden, als Selbsthilfeorganisationen ausgestalteten Verwertungsgesellschaften durch staatliche Rechtsverwaltungsagenturen ist nicht mehr die Rede. Hier hatte eine vom zuständigen Bundesamt veranlasste wissenschaftliche Untersuchung gezeigt, dass gar kein Reformbedarf besteht, weil die aktuelle Regelung bestens funktioniert und die bestehenden Gesellschaften effizient und kostengünstig arbeiten.
Die geplante Revision bringt dennoch wesentliche Neuerungen. Dazu gehört insbesondere die Einführung von erweiterten Kollektivlizenzen. Dieses Instrument soll aus dem Urheberrecht der skandinavischen Länder, wo es seit einem halben Jahrhundert erfolgreich angewandt wird, in das schweizerische Recht übernommen werden.
Die Regelung besteht darin, dass Nutzer einerseits und eine Verwertungsgesellschaft andererseits einen Vertrag über die Verwendung grösserer Bestände von geschützten Werken oder Leistungen abschliessen können, welcher auch für Werke oder Leistungen gilt, die nicht zum Repertoire der betreffenden Verwertungsgesellschaft gehören.
So könnte Pro Litteris einer Bibliothek die Digitalisierung ihrer Bestände, einer Fotosammlung die Verwendung ihrer Fotos für die Herausgabe von Büchern, einem Bildarchiv den Upload seiner Bilder im Internet und so weiter mit allgemeinverbindlicher Wirkung erlauben. Die bezogenen Entschädigungen müssen danach auf alle Berechtigten verteilt werden – also auch an diejenigen, die nicht Mitglied oder Auftraggeber der betreffenden Verwertungsgesellschaft sind.
Heute sind Kollektivverwertungen nur in wenigen gesetzlich vorgesehenen Spezialfällen und nur unter gleichzeitigem Verbot der individuellen Verwertung möglich. Jede Ausdehnung der Kollektivverwertung auf neue Tatbestände erfordert daher eine Gesetzesänderung. Sie ist zwingend mit einer Einschränkung von Individualrechten verbunden. Das neue Instrument verbietet die Individualverwertung nicht, dehnt aber die Möglichkeit der Kollektivverwertung auf Nutzungsbereiche aus, in denen sie gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen ist.
Schiedskommissionen erhalten mehr Kompetenzen
Auch in anderer Hinsicht ist Flexibilisierung und Vereinfachung der administrativen und gerichtlichen Abläufe ein Orientierungspunkt der laufenden URG-Revision. So sollen die Verwertungsgesellschaften neu verlangen können, dass ihnen benötigte Nutzungsdaten in maschinenlesbarer Form geliefert werden, was die Auswertung und die Verteilung der Erlöse an die Berechtigten wesentlich beschleunigen und verbilligen würde.
Weiter soll die 2008 geschaffene Gesetzesbestimmung über die Verwendung von verwaisten Werken und Dienstleistungen, die toter Buchstabe geblieben ist, durch eine neue, umfassendere und mehr an der Praxis orientierte Bestimmung ersetzt werden. Das Verfahren zur Genehmigung von Tarifen soll dadurch gestrafft werden, dass die verfahrensmässigen Kompetenzen der Schiedskommission ausgeweitet und die Verfahren bei den gerichtlichen Beschwerdeinstanzen beschleunigt werden. Und schliesslich wird für die Durchsetzung von gesetzlichen Vergütungsansprüchen gegenüber ausländischen Nutzern ein inländischer Gerichtsstand geschaffen.
Im Rahmen der Revision des Urheberrechts will die Schweiz auch den Vertrag von Peking über den Schutz von audiovisuellen Darbietungen und den Vertrag von Marrakesch über den Zugang von sehbehinderten Menschen zu urheberrechtlich geschützten Werken ratifizieren. Beides wird aber nur geringe Auswirkungen auf das nationale Urheberrecht haben: Der Schutz von audiovisuellen Darbietungen ist im URG seit 1992 verankert, und der Vertrag von Marrakesch erfordert lediglich eine kleine redaktionelle Änderung des Gesetzes.
Neue Berechtigte und zwei neue Vergütungsansprüche
Der Bundesrat schlägt vor, Fotografien auch dann urheberrechtlich zu schützen, wenn sie keinen individuellen Charakter haben und damit die Anforderungen an Werke im Sinne des URG eigentlich nicht erfüllen. Dadurch soll die in der Praxis immer wieder umstrittene Abgrenzung von geschützten zu nicht geschützten Fotografien obsolet werden. Der Nationalrat hat diesen Vorschlag trotz Widerstand von Seiten der Bibliotheken übernommen. Diese wehren sich dagegen, dass alle in bestehenden Fotoarchiven und anderen Gedächtnisinstitutionen seit Jahrzehnten vorhandenen Fotos plötzlich geschützte Werke sein sollen, und verweisen auf die Unmöglichkeit, die Berechtigten an diesen Fotos auszumachen und nachträglich die Erlaubnis zur Nutzung einzuholen. Bleibt die Bestimmung im Gesetz, wird eine Weiterverwendung dieser Fotosammlungen wohl nur über das neue Instrument der erweiterten Kollektivlizenzen geregelt werden können.
Weiter soll für die Nutzung von Spiel- und Dokumentarfilmen im Internet ein neuer Vergütungsanspruch eingeführt werden. Internetplattformen, die solche Filme anbieten, hätten danach den Verwertungsgesellschaften eine Vergütung zu bezahlen, welche an die Darsteller sowie an die Autoren der betreffenden Filme weiterverteilt würde. Allerdings soll die Bestimmung nur auf schweizerische Produktionen und auf Filme aus Ländern anwendbar sein, welche eine vergleichbare Regelung kennen, um einen einseitigen Abfluss der Gelder an die grossen Filmproduktionsländer zu verhindern.
Sozusagen als Gegenleistung sieht die Revision Erleichterungen für bestimmte Nutzungen von geschützten Werken und Leistungen vor. Diese kommen vor allem den Bibliotheken und ähnlichen Institutionen zugute. Diese dürfen in deutlich grösserem Umfang als bisher ihre Bestände automatisiert verarbeiten und ihre Register mit Textauszügen und Bildern aus den vorhandenen Beständen anreichern. Leider ist diese Schutzausnahme für «Bestandesverzeichnisse» viel zu detailliert und auf bestehende Medienformate beschränkt ausgefallen, weshalb sie wohl in kürzester Zeit überholt sein wird.
Neu wird auch die automatisierte Analyse von Text- und Bildbeständen zu Zwecken der wissenschaftlichen Forschung gesetzlich erlaubt. Damit dürfte das Arbeiten mit grossen Text- und Datenmengen, das bisher rasch einmal mit den Vorschriften des Urheberrechts kollidierte, wesentlich erleichtert werden. Im Unterschied zur analogen Neuregelung im Entwurf zur Revision der EU-Copyright-Richtlinie unterscheidet der schweizerische Vorschlag bewusst nicht zwischen kommerzieller und nichtkommerzieller Forschung. Nach Auffassung des Bundesrats ist eine solche Unterscheidung in der Praxis gar nicht umsetzbar.
Kein Erfolg war im Nationalrat zwei Interessengruppen beschieden, die bis zuletzt mit intensivem Lobbying versucht hatten, ihre in der Vorlage des Bundesrats nicht berücksichtigten Anliegen doch noch durchzusetzen: Die Veranstalter von werbefinanzierten Fernsehprogrammen wollten im URG festschreiben lassen, dass die Betreiber von Plattformen, welche den zeitverschobenen Konsum von TV-Programmen ermöglichen, ihren Kunden das Überspulen der Werbung verbieten müssten. Der Vorstoss hatte in der vorbereitenden Kommission zwar noch eine Mehrheit gefunden, unterlag aber im Plenum. Noch schlechter erging es einem Vorstoss der Journalistenverbände, welche für Plattformen mit Suchmaschinen einen Vergütungsanspruch zugunsten der Autoren der zitierten Zeitungs- und Zeitschriftenartikel einführen wollten. Dieser Antrag hatte schon in der vorberatenden Kommission keine Mehrheit gefunden.
Gastgewerbe fordert eine Extrawurst
Besser erging es der Lobby des Gastgewerbes, die sich dagegen wehrte, für die Vermittlung des Radio- und Fernsehkonsums in Hotelzimmer eine Urheberrechtsvergütung bezahlen zu müssen. Für die Schweiz verbindliche Staatsverträge verlangen zwar die Einführung einer solchen Pflicht, und das Bundesgericht hatte in einem Urteil vom Dezember 2017 (BGE 143 II 617) diese Entschädigungspflicht erneut bestätigt. Das kümmerte den Walliser Nationalrat Philippe Nantermod (FDP) wenig. Er setzte sich mit einem Antrag durch, der diese Pflicht beseitigen will. Allerdings ist die vom Nationalrat angenommene Bestimmung so formuliert, dass sie nach ihrem Wortlaut an der Entschädigungspflicht nichts ändern würde. Es bleibt zu hoffen, dass der Ständerat als Zweitrat hier noch korrigierend eingreift und diese Extrawurst für das Gastgewerbe wieder aus der Vorlage kippt.