Die Konsumentenzeitschrift «K-Tipp» wollte Anfang April von den Mitgliedern des Schweizerischen Anwaltsverbandes wissen: «Welche Rechtsschutzversicherung würden Sie empfehlen?» Hintergrund der Umfrage: Die Tarife der Rechtsschutzversicherungen sind ähnlich, die Leistungen recht unterschiedlich. Und Anwälte mit Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Rechtsschutzversicherungen können deren Leistungen am ehesten vergleichen.
Das Resultat: Am besten schnitt Coop Rechtsschutz ab, gefolgt von Dextra und Protekta. Schlusslicht war die Fortuna (siehe «K-Tipp» Ausgabe 10/2016). Für die Noten massgebend waren insgesamt sieben Kriterien – von der freien Anwaltswahl bis zur Beurteilung der Kulanz.
Interessant waren Bemerkungen der Befragten auf den 318 retournierten Fragebögen. Zahlreiche Anwälte beschwerten sich über den Kostendruck, den die Versicherungen ausübten. Ein Umfrageteilnehmer schrieb: «Der Druck, wenig Kosten zu generieren und Fälle schnell zu erledigen, wird immer grösser.» Andere stellten fest, dass die Kostendächer bei Kostengutsprachen immer tiefer liegen. Nach Erreichen von 1000 oder 2000 Franken Honorar müssten sie um erneute Kostengutsprache betteln. So würden Anwälte «zu oberflächlicher und schlechter Arbeit gezwungen», meint ein anderer.
Versicherungen decken Honorare in üblicher Höhe
Ein weiteres Ärgernis: Einige Versicherungen begrenzen den Stundenansatz. So schreibt ein in Biel BE tätiger Anwalt, dass die Assista des TCS ihm nur 230 Franken pro Stunde zahle, obwohl der durchschnittliche Stundensatz in der Region höher sei. «Damit ist die Deckung für den Klienten unvollständig», meint er. Auch ein Zürcher Anwalt beklagt sich über zu tiefe Stundenansätze von 220 bis 250 Franken. Nur: Die Rechtsschutzversicherungen decken laut den Policen bei bestimmten Fällen die entstandenen Anwaltskosten – nicht nur ein bestimmtes Honorar pro Stunde.
Stephan Fuhrer, Professor für Privatversicherungsrecht an den Universitäten Basel, Freiburg und Luzern, stellt klar: «Die Klienten müssen die Differenz zum üblichen Stundensatz ihres Anwalts nicht selbst bezahlen.» Eine Beschränkung des Honorars wäre nur zulässig, wenn dies in den Vertragsbedingungen stünde. Das sei aber nicht der Fall: «Die Versicherer scheinen dies nicht anzustreben, weil sie Konkurrenznachteile gegenüber anderen Versicherern fürchten, die auf eine solche Begrenzung verzichten», so Fuhrer.
Einige Versicherungen begründen ihre reduzierte Kostengutsprache mit der Schadensminderungspflicht der Versicherten. Fuhrer differenziert jedoch: Geht der Versicherte statt zu einem Vertrauensanwalt der Versicherung, der für 250 Franken pro Stunde arbeitet, zu einem doppelt so teuren Spezialisten, sei das keine Verletzung der Schadensminderungspflicht. Anders sehe es aus, wenn der Versicherte wegen eines Bagatellfalls zu einem «Zürcher Bahnhofstrassenanwalt» geht, der 1000 Franken pro Stunde in Rechnung stellt.
plädoyer befragte die neun in der Schweiz tätigen Rechtsschutzversicherungen, ob sie den Stundenansatz der Anwälte bei ihren Kostengutsprachen begrenzen. Die meisten Gesellschaften geben sich bedeckt. Nur die Dextra nennt konkrete Zahlen: Die Versicherung übernehme grundsätzlich Honorare zwischen 200 und 300 Franken pro Stunde. «Ein Stundenansatz von 250 Franken ist die Norm, auch in der Stadt Zürich», so Dextra. Eine Kürzung der Versicherungsleistung behält sich Dextra mit folgender Klausel in den Versicherungsbedingungen vor: «Die Dextra Rechtsschutz AG berät die versicherte Person und leitet im Einvernehmen mit ihr die geeigneten Massnahmen ein. Sofern damit keine Mehrkosten verursacht werden, kann die versicherte Person der Dextra Rechtsschutz AG jederzeit ihre eigene Vertretung vorschlagen.» Auf diese Klausel berufe sich Dextra aber nur bei teuren und gleichzeitig ineffizienten Anwälten.
Assista: “230 Franken pro Stunde sind angemessen”
Die Assista TCS will aus «wettbewerbsrechtlichen» Gründen keine Zahlen nennen. Zum Stundensatz von 230 Franken sagt sie, sie orientiere sich an den Honorarempfehlungen des Zürcher Anwaltsverbands aus dem Jahr 1998. Je nach Streitwert sah dieser einen Stundenansatz zwischen 180 und 480 Franken vor. Teuerungsbereinigt würde der minimale Stundenansatz auch heute noch unter 200 Franken liegen. 230 Franken pro Stunde erschienen deshalb als angemessen.
Auch die Axa Arag will aus «wettbewerbstechnischen Gründen» keine konkreten Zahlen nennen und sagt nur: «Wir übernehmen die notwendigen Rechtsanwaltskosten zu den ortsüblichen Tarifen.»
Die CAP sagt, sie entschädige den «gebotenen Aufwand nach marktüblichen, konkurrenzfähigen Ansätzen». Laut DAS und Orion werde der Stundenansatz im Einvernehmen mit dem Anwalt festgelegt.
Die Fortuna will sich nicht äussern, weil zurzeit Gespräche zwischen der Fachkommission Rechtsschutz der Schweizer Rechtsschutzversicherer und dem Schweizerischen Anwaltsverband stattfänden.
Keine Rolle spielt der Stundenansatz bei der Coop Rechtsschutz: «Wir haben mit keinem einzigen Anwalt Honorarabsprachen oder anderslautende Vereinbarungen.» Nur bei sehr teuren Anwälten wie Wirtschaftsanwälten mit Stundenansätzen ab 600 Franken schreite die Coop Rechtsschutz ein.
Auch die Protekta sagt, sie kenne beim Honorar keine fixen Ober- und Untergrenzen. Massgeblich sei die Komplexität des Falles und die Ortsüblichkeit.
“Mühsame Anwälte sind bekannt”
Gegenüber plädoyer sagen die Versicherungen, dass die Hälfte bis drei Viertel der Rechtsfälle durch eigene Juristen erledigt würden. Müsste ein Fall extern vergeben werden, schlage man in der Regel einen Anwalt vor, da die meisten Versicherten keinen Anwalt kennen. Gemäss Umfrage arbeitet die Coop Rechtsschutz mit mehr als 400 Anwälten zusammen, bei DAS sind es rund 130 Anwälte und bei Dextra inzwischen mehr als 100. Bei Assista TCS sei «die Grenze zum vierstelligen Bereich deutlich übertroffen». Offiziell führt keine der Versicherungen eine schwarze Liste mit unerwünschten Anwälten. Die «mühsamen und ineffizienten Rechtsanwälte» seien aber bekannt. Den Kunden würden in solchen Fällen andere Anwälte vorgeschlagen.
Was muss man als Anwalt unternehmen, um von der Versicherung empfohlen zu werden? Die Dextra sagt: «Es gibt Anwaltsbüros, die sich bei uns aktiv bewerben.» Diese erhielten dann einige Fälle. Seien die Anwälte erfolgreich und preiswert, würden sie wieder empfohlen.
Checkliste für Klienten
Der Schweizerische Anwaltsverband und der Schweizerische Versicherungsverband haben gemeinsam eine «Checkliste für den Umgang mit Rechtsschutzversicherungen» erstellt. Sie soll die Mandanten vor unnötigen Kosten oder Komplikationen bewahren. Sie ist im Internet zu finden unter www.sav-fsa.ch/Archiv/Umgang mit Rechtsschutzversicherungen/Checkliste für den Umgang mit Rechtsschutzversicherungen.