1. Staats- und Verfassungsrecht
1.1 Grundrechte
1.1.1 Allgemeine Grundrechtstheorie
Die Bundesverfassung kennt keine Hierarchie der Grundrechte. Eine Grundrechtskollision muss im Einzelfall aufgelöst werden, ausser der Gesetzgeber hätte eine Priorisierung vorgenommen. Es ist diejenige Lösung zu wählen, die am wenigsten schwerwiegende Grundrechtsbeschränkungen bedingt; Leitlinien ergeben sich insbesondere aus der Verhältnismässigkeit. Konkret wurde einer Studentenverbindung die Anerkennung als universitäre Organisation versagt, weil sie keine Frauen aufnimmt. Die Kollision wurde zugunsten der Versammlungsfreiheit aufgelöst, weil zur Gleichstellung der Geschlechter (Art. 8 Abs. 3 BV) auch mildere Massnahmen denkbar sind (BGE 140 I 201).
Grundrechte können staatliche Schutzpflichten gegen Gefährdungen begründen, die von Dritten ausgehen. Beispielhaft dafür ist etwa die friedliche Nutzung von Kernenergie, wo Schwere und Ausmass möglicher Grundrechtsbeeinträchtigungen auch bei sehr entfernter Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts staatliche Schutzpflichten begründen. Dabei muss der Gesetzgeber die Grenze zwischen unerlaubter Gefährdung und hinzunehmendem Restrisiko ziehen. Teil dieses Grundrechtsschutzes ist etwa, dass Art. 25a VwVG den Rechtsweg gegen die Aufsichtstätigkeit des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats unabhängig der Handlungsform öffnet. Der Gesetzgeber ist mit dieser Norm dem Auftrag von Art. 35 BV zum gewaltenteiligen Zusammenwirken bei der Grundrechtsverwirklichung nachgekommen (BGE 140 II 315).
1.1.2 Rechtsgleichheit
Ehepaare haben keinen allumfassenden Anspruch auf Gleichbehandlung mit Konkubinatspaaren. Die Rentenplafonierung bei der Altersrente nach AHV-Gesetz benachteiligt zwar Ehepaare und eingetragene Partnerschaften. Sie ist aber im Gesamtkontext des Sozialversicherungssystems zu betrachten, das die Ehe gegenüber anderen Lebensentwürfen vielfach auch privilegiert (BGE 140 I 77).
1.1.3 Diskriminierungsverbot
Das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU (FZA) sieht ein steuerrechtliches Diskriminierungsverbot gegenüber ausländischen Arbeitnehmern in der Schweiz vor. Da die Schweiz dem europäischen Binnenmarkt nur teilweise angeschlossen ist, gilt nicht die vollkommen hindernisfreie Freizügigkeit. Diskriminierungsverbote gelten nur bei Tatbeständen, die ausdrücklich in einem sektoriellen Vertrag geregelt sind. Konkret war zu entscheiden, ob die Quellenbesteuerung, die nur für Ausländer gilt, diskriminierend ist. Die Quellensteuer bezweckt eine Absicherung gegen Erhebungs- und Bezugsprobleme; deshalb sind Ungleichbehandlungen gerechtfertigt, die durch den Sicherungszweck bedingt sind (BGE 140 II 167).
1.1.4 Willkürverbot
Die Zweitwohnungssteuer, wie sie von einer Bündner Gemeinde eingeführt wurde, entfaltet einen Lenkungseffekt. Deshalb ist es nicht willkürlich, sie als andersartig als die Liegenschaftssteuer einzustufen (BGE 140 I 176).
Es ist nicht willkürlich zu verneinen, dass es einem allgemeinen Erfahrungssatz entspreche, höherer Lohn führe unmittelbar und entscheidend zu einer besseren Qualität der Arbeitsleistung (BGE 140 I 285).
1.1.5 Vertrauensschutz
Entscheide der Steuerbehörde gelten nur für die betreffende Steuerperiode und berechtigen nicht, darauf zu vertrauen, die Behörde würde in folgenden Jahren wieder gleich entscheiden. Es verstösst also nicht gegen Treu und Glauben, wenn ein Abzug in einem Jahr zugelassen, in einem anderen Jahr abgelehnt wird (BGE 140 II 157).
Änderungen der Rechtsprechung verletzen den Vertrauensschutz nicht, wenn sie sich auf ernsthafte und sachliche Gründe stützen. Betrifft die Änderung eine verfahrensrechtliche Frage, ist zusätzlich eine Vorankündigung nötig. Dies gilt unter Umständen auch bei blossen Klarstellungen der Rechtsprechung (BGE 140 II 334).
1.1.6 Vereinigungsfreiheit
Der Schutzbereich von Art. 23 BV ist auch durch indirekte Beschränkungen betroffen. Wenn eine Universität eine Studentenverbindung nicht als universitäre Vereinigung anerkennt, schmälert das zwar nicht deren Möglichkeit, sich als Organisation zusammenzuschliessen und tätig zu werden. Die Vereinigungsfreiheit ist aber dennoch betroffen, weil die Verweigerung der Anerkennung die Rekrutierung neuer Mitglieder erschweren kann und die Studentenverbindung von Leistungen ausschliesst, die andere an der Universität tätige Vereine geniessen (BGE 140 I 201).
1.1.7 Koalitionsfreiheit
Mit Bezug auf Gewerkschaften umfasst die Koalitionsfreiheit einen individuellen Anspruch, sich einer Gewerkschaft anzuschliessen, und einen kollektiven Anspruch, sich als Sozialpartner an Verhandlungen zu beteiligen. Eine Gewerkschaft muss gewisse Anforderungen an Repräsentativität und Loyalität erfüllen, um sich auf die Koalitionsfreiheit berufen zu können. Dies soll Qualität und Effektivität des «dialogue social» gewährleisten. Auch wenn es sich dabei nicht um eine Einschränkung des Grundrechts handelt, sondern um eine Konkretisierung des Schutzbereiches, müssen die Anforderungen verhältnismässig sein.
Im vorliegenden Fall war es unverhältnismässig, von einer Gewerkschaft der ETH Lausanne zu fordern, sie müsse neben einer Mindestanzahl Mitglieder auch je 20 Mitglieder an den anderen ETH-Standorten haben. Das Kriterium der Loyalität, das sich aus Treu und Glauben ableitet, dürfte in der Regel unproblematisch sein: Loyalität ist zu vermuten. Der Arbeitgeber muss anhand früherer Verhaltensweisen ernsthaft das Gegenteil glaubhaft machen können (BGE 140 I 257).
1.1.8 Eigentumsgarantie
Eine Zweitwohnungssteuer, die auf Verhinderung von «kalten Betten» abzielt, stellt eine vergleichsweise geringfügige Einschränkung der Eigentumsgarantie dar, da nur gerade die Bezahlung eines Steuerbetrags durchsetzbar ist und nicht ein eigentlicher Bewirtschaftungszwang (BGE 140 I 176).
Die Eigentumsgarantie schützt auch das Recht, Aussenanlagen mit Zierbeleuchtungen zu versehen. Vorgaben zur zulässigen Betriebsdauer solcher Beleuchtungen stellen lediglich eine geringfügige Einschränkung dar. Anders könnte es sich verhalten, wenn Auflagen zu Umfang, Intensität, Art und Platzierung der Zierbeleuchtung gemacht würden (BGE 140 II 33).
1.1.9 Wirtschaftsfreiheit
Wird einem privaten Spital die Bewilligung versagt, neue medizinische Grossgeräte (einen CT-Scanner oder eine MRT-Maschine) zu erwerben, beschränkt das die Wirtschaftsfreiheit. Das Bewilligungsverfahren dient dazu, das Bedürfnis nach solchen Maschinen abzuklären. Solche Bedürfnisklauseln verfolgen vermutungsweise wirtschaftspolitische Interessen, was nicht mit dem Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit (Art. 94 Abs. 1 BV) vereinbar ist. Kann der Staat aber andere als wirtschaftspolitische Beweggründe vorweisen, ist der Eingriff grundsatzkonform und unterliegt den üblichen Eingriffsvoraussetzungen von Art. 36 BV. Die Verhinderung eines Überangebots an medizinischen Grossgeräten verfolgt solche zulässigen Ziele: Einerseits das sozialpolitische Interesse, Gesundheitskosten tief zu halten, und andererseits ein originär gesundheitspolizeiliches Interesse: Nämlich, dass das medizinische Personal oft genug mit diesen hochdelikaten Maschinen arbeiten muss, um die entsprechenden Fähigkeiten zu üben und zu erhalten (BGE 140 I 218).
1.2 Konventionsgarantien
Platzknappheit infolge Überbelegung eines Gefängnisses stellt allein noch keine Verletzung von Art. 3 EMRK dar. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung ist nur überschritten, wenn auch Missstände bezüglich Lüftung, Heizung, Hygiene oder Möglichkeiten zur freien Bewegung vorliegen. In allgemeiner Weise ist Art. 3 EMRK nur verletzt, wenn die Freiheitseinschränkungen weiter gehen, als für die Vollziehung der Strafe notwendig ist (BGE 140 I 125).
Die zehntägige Festhaltung einer Person in einer fensterlosen und ununterbrochen beleuchteten Zelle stellt eine erniedrigende Behandlung nach Art. 3 EMRK dar. Die Feststellung der Konventionsverletzung allein reicht nicht als Wiedergutmachung, darüber hinaus war eine Entschädigung auszusprechen. Das Bundesgericht erhöhte den von der Vorinstanz gesprochenen Betrag von 250 auf 550 Franken. Es seien grundsätzlich auch andere Formen der Wiedergutmachung denkbar, wobei das Gericht offenliess, ob dies auch in Form einer Strafreduktion erfolgen könne (BGE 140 I 246).
Steuerverfahren fallen grundsätzlich nicht unter die Verfahrensgarantien von Art. 6 Ziff. 1 EMRK, anders bei Strafverfahren betreffend (versuchte) Steuerhinterziehung. Enthält ein Verfahren sowohl Elemente, die Artikel 6 unterstehen, als auch andere, ist nach der angerufenen Verfahrensgarantie zu differenzieren. Der Schutz, sich selber nicht belasten zu müssen (nemo tenetur) etwa, betrifft das gesamte Verfahren, sodass eine Unterscheidung in EMRK relevante und andere Verfahrensteile nicht möglich ist. Anders verhielt es sich im vorliegenden Fall, wo es um das Recht auf eine mündliche Verhandlung ging: Diese Verfahrensgarantie lässt sich ohne Probleme nur auf gewisse Verfahrensteile anwenden (BGE 140 I 68).
Aus Art. 8 EMRK ergibt sich kein grundsätzliches Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Land. Aus dem Recht auf Familienleben fliesst umso weniger ein Aufenthaltsrecht aus, wenn ein Elternteil nur ein Besuchsrecht hat und nicht die elterliche Obhut ausübt. Umgekehrt verhält es sich, wenn aus emotionalen oder ökonomischen Gründen derart starke familiäre Beziehungen bestehen, dass sie nicht über eine gewisse Distanz gelebt werden können. Art. 8 Ziff. 2 EMRK erfordert eine umfassende Interessenabwägung: Störungen der öffentlichen Ordnung, wie sie dem Betroffenen in mehreren Fällen angelastet werden können, dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Ausserdem ist die Intensität der familiären Beziehungen zum Zeitpunkt zu beurteilen, in dem die Konventionsgarantie angerufen wird, sodass frühere Phasen relativ geringer familiärer Interaktion nicht ins Gewicht fallen (BGE 140 I 145).
Im Sinne einer staatlichen Schutzpflicht verpflichtet der EGMR die Staaten dazu, im Umgang mit gefährlichen Aktivitäten frühzeitig für die Einhaltung der Konventionsgarantien zu sorgen und nicht erst bei erfolgter, potenziell irreversibler Gesundheitsschädigung zu handeln. Insbesondere aus Art. 8 EMRK sind entsprechende Schutzpflichten abzuleiten; so etwa Regelungen bezüglich Genehmigung, Aufnahme, Betrieb, Sicherheit und Kontrolle einer potenziell gefährlichen Tätigkeit. Andere denkbare Massnahmen sind Beteiligungs- und Informationsrechte der betroffenen Personen oder der Öffentlichkeit. Aus diesen Vorgaben – zusammen mit den Schutzpflichten aus den verfassungsmässigen Grundrechten – folgte im konkreten Fall, dass ein genügendes Rechtsschutzinteresse an der Kontrolle der Aufsichtstätigkeit des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats im Bereich der Sicherheitsüberprüfung eines Kernkraftwerks besteht (BGE 140 II 315).
Einschränkungen der Koalitionsfreiheit für Staatsangestellte sind kompatibel mit Art. 11 Abs. 1 EMRK. Die Konvention lässt den Staaten einigen Spielraum in der Ausgestaltung dieses Freiheitsrechts; gefordert ist allemal, dass auch Staatsangestellte angehört werden, um ihre Interessen vertreten zu können (BGE 140 I 257).
1.3 Politische Rechte
Die Bundesverfassung verlangt als direktdemokratische Instrumente in den Kantonen mindestens die Verfassungsinitiative und eine obligatorische Verfassungsabstimmung (Art. 51 BV). Soweit Kantone oder Gemeinden weitergehende Instrumente vorsehen, misst sich deren Ausgestaltung an den bundesrechtlichen Vorgaben von Art. 34 BV. Im Kanton Aargau ist auf kommunaler Ebene ein fakultatives Referendum gegen Beschlüsse der Gemeindeversammlung oder des Einwohnerrats vorgesehen. Die formellen Anforderungen – Unterschriften von zehn Prozent der Stimmberechtigten innert 30 Tagen – sind zwar hoch, eröffnen aber realistische Chancen zur Wahrnehmung der gewährten Referendumsrechte. Weder die Anzahl Unterschriften, die gewährte Frist noch eine Kombination beider Voraussetzungen sind bundesrechtswidrig (BGE 140 I 58).
Das Proporzwahlverfahren des Kantons Wallis für die Wahl des Grossen Rates verstösst gegen die Bundesverfassung. Die Gebietsaufteilung des Kantons führt zu natürlichen Quoren von über zehn Prozent in den kleineren Wahlbezirken – das heisst eine Partei muss mehr als einen Zehntel Stimmen erzielen, um einen Sitz im Grossen Rat zu erlangen. Es gibt Methoden, die einen angemessenen Minderheitenschutz bei Beibehaltung von kleinen Wahlkreisen ermöglicht: Das Bundesgericht nennt Wahlkreisverbände und den «Doppelten Pukelsheim». Werden diese Möglichkeiten nicht ausgeschöpft, erweist sich das Wahlverfahren als bundesrechtswidrig, und selbst gewichtige historische, föderalistische, kulturelle, sprachliche oder religiöse Gründe mögen es nicht zu rechtfertigen (BGE 140 I 107).
1.4 Bürgerrecht
Die Kantone und Gemeinden verfügen zwar über erheblichen Spielraum in der Ausgestaltung des Verfahrens zur ordentlichen Einbürgerung, doch es gibt Grenzen. Der Entscheid enthält wohl eine politische Komponente, er erfolgt aber nicht in einem rechtsfreien Raum. Die Gemeinden müssen sich an die Verfahrensvorschriften halten und dürfen nicht willkürlich, rechtsungleich oder diskriminierend entscheiden, sodann müssen sie ihr Ermessen insgesamt pflichtgemäss ausüben. Diese Vorgaben sind verletzt, wenn zwei Gesuchsteller zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden und sie dann unangekündigt einen Test zum orts- und staatskundlichen Allgemeinwissen ablegen müssen (BGE 140 I 99).
Eine erleichterte Einbürgerung kann nichtig erklärt werden, wenn sie mit einem unlauteren und täuschenden Verhalten erwirkt worden ist. Dafür ist notwendig, dass der Betroffene bewusst falsche Angaben macht und es unterlässt, die Behörde über eine erhebliche Tatsache zu informieren. Darunter fällt auch eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse, von der der Betroffene weiss oder wissen muss, dass sie einer Einbürgerung entgegensteht. Die Voraussetzungen für eine Nichtigerklärung sind erfüllt, wenn ein Bewerber im Einbürgerungsverfahren angibt, die schweizerische Rechtsordnung eingehalten zu haben, und dabei begangene Straftaten verschweigt (BGE 140 II 65).
1.5 Vorrang des Bundesrechts
Im Bereich der obligatorischen Krankenversicherung hat der Bund seine Regelungskompetenz nicht vollends ausgeschöpft. Deshalb ist es mit dem Vorrang des Bundesrechts nach Art. 49 Abs. 1 BV verträglich, wenn ein Kanton für den Erwerb von medizinischen Grossgeräten ein Bewilligungsverfahren vorsieht. Die bundesrechtlichen Grundsätze von Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmässigkeit lassen es zu, dass der Kanton quantitative Kontrollen und Beschränkungen vorsieht. Auch hat der Bund bezüglich Spitalplanung nur eine Rahmengesetzgebung erlassen (BGE 140 I 218).
Die Kantone sind zuständig für die Überwachung der Betreibungs- und Konkursämter. Das Bundesgesetz bestimmt die möglichen Disziplinarmassnahmen aber abschliessend (Art. 14 Abs. 2 SchKG). Der Vorrang des Bundesrechts untersagt es den Kantonen also, andere Sanktionen auszufällen (BGE 140 I 277).
1.6 Konkordate
Die im Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen (Hooligankonkordat) vorgesehenen Massnahmen knüpfen zwar zum Teil an Straftatbestände an, verfolgen aber präventive und nicht pönale Zwecke. Sie sind also dem Verwaltungs-, nicht dem Strafrecht zuzurechnen, weshalb sie in den Regelungsbereich der Kantone fallen. Für diese Qualifikation ist auch nicht entscheidend, dass die Sanktionen von den Betroffenen subjektiv als pönal empfunden werden.
Das Bundesgericht hatte die Verfassungsmässigkeit derjenigen Massnahmen zu prüfen, die gegenüber der ersten Fassung des Konkordats von 2007 neu eingefügt wurden. Als unverhältnismässig erwiesen sich das Rayonverbot von mindestens einem Jahr sowie die Verdoppelung der Dauer einer Meldeauflage unter bestimmten Umständen. Für zulässig erklärt wurden die Bewilligungspflicht zur Durchführung bestimmter Spiele, Kombitickets für Eintritt und Anreise, die Pflicht zur Ausweiskontrolle und zum Abgleich mit einem Informationssystem sowie die Durchsuchung der Besucher. Es stimmt bedenklich, dass das Bundesgericht ohne Weiteres annimmt, die bestehenden polizeilichen Massnahmen reichten nicht aus zur Verhinderung möglicher Straftaten, und dass die sehr einschränkenden Instrumente des Hooligan-Konkordats für verfassungsmässig befunden werden, weil eine verfassungsmässige Anwendung zumindest möglich ist (BGE 140 I 2).
1.7 Gemeindeautonomie
Im Bereich der öffentlichen Beschaffung verfügen die Gemeinden über einen gewichtigen Spielraum, besonders bezüglich der Zuschlagskriterien. Steht die Beschränkung der Gemeindeautonomie durch kantonale Regelungen in Frage, prüft das Bundesgericht nur auf Willkür. Vorliegend war es nicht willkürlich vom kantonalen Gericht, das Kriterium einer gewissen Lohnhöhe mangels gesetzlicher Grundlage für unzulässig zu erklären (BGE 140 I 285).
1.8 Private Verwaltungsträger
Die 2012 beschlossenen Änderungen des Hooligankonkordats sehen unter anderem vor, dass private Sicherheitsdienste Veranstaltungsbesucher durchsuchen können. Solche Befugnisse zu übertragen ist grundsätzlich zulässig, weil es sich bei Sportstadien und Transportmitteln um halb-öffentliche Räume handelt, die sich dadurch auszeichnen, dass sie im privaten Besitz sind und der Zutritt auf einem zivilrechtlichen Vertrag beruht. Die vertragliche Einwilligung in die Durchsuchungsbefugnisse dient dabei als Rechtsgrundlage. Die Tätigkeit der privaten Sicherheitsdienste ist grundrechtsgebunden und wird beschränkt durch das staatliche Gewaltmonopol (BGE 140 I 2).
Die Billag AG, ein zivilrechtliches Subjekt, wurde mit der Funktion als Schweizerische Erhebungsstelle für Radio- und Fernsehgebühren beliehen. Sie ist damit funktionell gesehen ein Verwaltungsträger und wurde durch das RTVG mit Verfügungsbefugnis ausgestattet. Rechtsbeziehungen zu den Gebührenpflichtigen sind uneingeschränkt öffentlich-rechtlicher Natur. Bezüglich der mit der Gebühr verbundenen Mehrwertsteuer darf die Billag AG per Verfügung entscheiden – entgegen dem Wortlaut von Art. 6 MWSTG. Dieser sieht für Streitigkeiten über die Überwälzung der Mehrwertsteuer den Gang an die Zivilgerichte vor, was hier «vernünftigerweise nicht gewollt sein» kann, würde es doch für zwei Teilkomponenten desselben Rechtsverhältnisses zwei unterschiedliche Rechtswege vorsehen (BGE 140 II 80).
2. Verwaltungsrecht
2.1 Fremdenpolizei
Das Bundesgericht liess offen, inwiefern die Richtlinie 2003/9/EG zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahmen von Asylbewebern in den Mitgliedstaaten des Dublin-Abkommens für die Schweiz anwendbar ist. Diese Richtlinie bietet keine weitergehenden Ansprüche auf Sozialleistungen als Art. 12 BV (BGE 140 I 141).
Damit jemand in Ausschaffungshaft gesetzt werden kann, nachdem er im selben Verfahren aus administrativer Festhaltung entlassen wurde, müssen neue entscheidwesentliche Umstände vorliegen. Solche liegen etwa vor, wenn neue Festhaltungsgründe auftauchen oder ein Hindernis für den Vollzug der Wegweisung wegfällt. Dies kann beispielsweise eintreten, wenn ein Ausländer nach der Entlassung untertaucht. Im vorliegenden Fall war dem Betroffenen einzig anzulasten, dass er nach der erstmaligen Festhaltung umgezogen ist, ohne die Behörden darüber zu informieren. Dazu kam, dass der Betroffene bereits ein Kind in der Schweiz hat und ein zweites erwartete, was ohnehin daran zweifeln lässt, dass die Wegweisung bald vollzogen werden könnte. Die nochmalige Festhaltung war deshalb unzulässig (BGE 140 II 1).
Die Wegweisung eines Ausländers kann auf zwei Arten vollzogen werden: durch freiwillige selbständige Ausreise oder durch behördliche Ausschaffung. Eine Wegweisung aufgrund der Dublin-Assoziierungsabkommen (Art. 64a AuG) erfordert die Überstellung an den zuständigen Mitgliedsstaat. Im vorliegenden Fall hätte ein Ausländer nach Ungarn ausgeschafft werden müssen; mit seiner selbständigen Ausreise nach Deutschland war die Wegweisung also nicht vollzogen. Folglich war es zulässig, ihn danach in Ausschaffungshaft zu setzen (BGE 140 II 74).
Aufenthaltsbewilligungen, die sich aufgrund der Heirat mit einem Schweizer Staatsangehörigen oder einer Person mit Niederlassungsbewilligung ergeben, fallen nach Auflösung der Familiengemeinschaft grundsätzlich dahin (Art. 50 AuG e contrario). Die abgeleitete Aufenthaltsbewilligung bleibt nur bestehen, wenn der betreffende Ehegatte vor dem Dilemma geschützt werden soll, entweder in einer unzumutbaren ehelichen Gemeinschaft zu verbleiben oder in ein gesellschaftliches Umfeld zurückzukehren, wo er wegen der Trennung oder Scheidung möglicherweise geächtet wird. Die Ausnahmen dieser Bestimmung greifen nur bei einem (definitiven) Scheitern der Ehe. Die systematische, die historische und die teleologische Auslegung ergeben keine triftigen Gründe, um vom Wortlaut abzuweichen (BGE 140 II 129).
Das Bundesgericht hatte dieselbe Bestimmung in zwei weiteren Urteilen unter einem anderen Gesichtspunkt auszulegen: Die ausnahmsweise Weitergeltung der abgeleiteten Aufenthaltsbewilligung kann unter anderem dann zum Zug kommen, wenn «die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre bestanden hat und eine erfolgreiche Integration besteht» (Art. 50 Abs. 1 Bst. a AuG). Eine umfassende Auslegung ergibt, dass damit eine einzige Ehe gemeint ist. Es können nicht mehrere kürzere Ehegemeinschaften zusammengerechnet werden. Ausserdem ist das Integrationserfordernis kumulativ dazu zu erfüllen (BGE 140 II 289). Anders hingegen verhält es sich mit mehreren Abschnitten derselben Ehe, selbst wenn zwischen zwei Perioden ein «ungerechtfertigt langer» Unterbruch des Zusammenlebens liegt (Art. 49 AuG regelt die Ausnahmen vom Erfordernis des Zusammenwohnens; BGE 140 II 345).
2.2 Öffentliches Beschaffungswesen
Es ist zulässig, dieselben Kriterien für die Eignung (Zulassung zum Submissionsverfahren) wie für den eigentlichen Zuschlag zu verwenden, sofern die Kriterien eine gewisse Abstufung zulassen. Bei einer Ausschreibung für die Reinigung von öffentlichen Gebäuden wurden nur Submittenten zugelassen, die ihren Angestellten einen gewissen Mindestlohn entrichten. Die Höhe der Löhne war dann auch ein Kriterium für die Vergabe des Auftrags. Dies beanstandete das Bundesgericht nicht, obwohl die Lohnhöhe kein eigentliches Fähigkeitskriterium sei («critère d’aptitude»). Das Kriterium muss lediglich in Zusammenhang stehen mit der ausgeschriebenen Leistung (BGE 140 I 285).
2.3 Öffentliches Dienstrecht
Entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts können sich auch Gewerkschaften von Angestellten des öffentlichen Dienstes direkt auf die Koalitionsfreiheit nach Art. 28 BV berufen. Ihnen stehen insbesondere die Rechte zu, an Kollektivverhandlungen teilzunehmen, kollektive Vereinbarungen zu schliessen und ihnen zu folgen (BGE 140 I 257).
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist bei der aufschiebenden Wirkung im Einzelfall zu prüfen, ob sie die Wirksamkeit der Verfügung verhindert oder nur deren Vollstreckung. Es gilt aber der Grundsatz, dass der unterliegende Beschwerdeführer aufgrund der aufschiebenden Wirkung keinen Vorteil zulasten des Beschwerdegegners erhalten darf. Auf den Fall der Kündigung eines Angestellten der Eidgenössischen Zollverwaltung angewendet, ergab das, dass der Rekurs nicht zu einem Kündigungsaufschub führt. Der Angestellte darf sich nicht aufgrund der aufschiebenden Wirkung des Rekurses ungerechtfertigt bereichern: Er muss aber den während des Rekursverfahrens erhaltenen Lohn nicht zurückerstatten, da er während dieser Zeit seine Arbeit weiter geleistet hat. Bezüglich seiner Austrittsentschädigung kam die allgemeine Regel zum Zug, dass diejenige Rechtslage gilt, die zum Zeitpunkt bestand, als die Verfügung erlassen wurde (BGE 140 II 134).
2.4 Straf- und Massnahmenvollzug
Allgemeine Anforderungen an die Ausgestaltung der Haft ergeben sich aus der Menschenwürde (Art. 7 BV), dem Verbot von Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (Art. 10 Abs. 3 BV und Art. 3 EMRK). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung gehen die Konventionsgarantien dabei nicht über die Vorgaben der Bundesverfassung hinaus. Weiter gehende Regeln finden sich in der Empfehlung Rec(2006)2 des Ministerkomitees des Europarats.
Diese Vorgaben wurden weiter ausgeführt durch einen Kommentar des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) gemäss der entsprechenden Konvention des Europarates (SR 0.106). Zwar haben diese Vorgaben den Charakter von «soft law», das Bundesgericht misst ihnen aber verbindliche Bedeutung zu, wo sie die Unterbringung, die Ausstattung und die Grösse der Gefängniszellen betreffen (BGE 140 I 125).
2.5 Urheberrecht
Die Regelung im Urheberrechtsgesetz, wonach Urheberrechte gegenüber Leistungsschutzrechten im Verhältnis von 10 zu 3 entgolten werden, ist bundesrechtskonform und widerspricht auch nicht den völkerrechtlichen Vorgaben. Das einschlägige Völkerrecht würde eine gleichwertige Entgeltung dieser beiden Rechte zwar erlauben, überlässt den Staaten aber erheblichen Spielraum, sodass die getroffene Regelung nicht zu beanstanden ist (BGE 140 II 305).
2.6 Schule
Der verfassungsrechtliche Anspruch auf ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulunterricht begründet ein sogenanntes Pflichtrecht. Dem Anspruch auf eine positive staatliche Leistung im Bildungsbereich steht eine Rechtspflicht zum Besuch des Unterrichts gegenüber. Fallen Wohn- und Schulort auseinander, darf dies zu keiner Einschränkung des Anspruchs aus Art. 19 BV führen. Soweit es den Schulpflichtigen unmöglich oder unzumutbar ist, den Schulweg selbst zurückzulegen, hat die Schule eine Beförderungspflicht (BGE 140 I 153).
Die Bestimmung des Lissabonner Übereinkommens über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich (SR 0.414.8) über die wechselseitige Akzeptanz der im Ausland erworbenen Qualifikationen ist direkt anwendbar («self-executing»). Hochschulreifezeugnisse gelten prinzipiell als gleichwertig, Ausnahmen bedürfen eines gewichtigen Unterschieds («substantial difference»). Ob ein solcher konkret vorliegt, ist eine justiziable Frage. Die Autonomie der Hochschulen wird dadurch nicht beschränkt; sie haben nach wie vor die Möglichkeit, im begründeten Einzelfall die tatsächlich fehlende Äquivalenz von Abschlüssen festzustellen und so den Zugang zu ihren Studiengängen zu verweigern. Es widerspricht dabei Sinn und Zweck der Hochschulmobilität, wenn die Äquivalenz nach allzu strengen Massstäben beurteilt wird. Ausschlaggebend ist, ob die Qualifikation den Zugang zur Hochschulbildung im anderen Vertragsstaat ermöglicht. Die Schweizer Rektorenkonferenz CRUS hat in diesem Zusammenhang nicht die Kompetenz, Rechtsnormen zu erlassen, sondern lediglich Empfehlungen (BGE 140 II 185).
2.7 Öffentliche Abgaben
Mit einer Veranlagungsverfügung werden nur die Steuerfaktoren rechtskräftig festgestellt, nicht auch die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zu dieser Veranlagung geführt haben. Die Rechtskraft erstreckt sich überdies nur auf die betreffende Steuerperiode. Wenn also einem Unternehmen in einem Jahr aufgrund zurückliegender Verluste eine Nullveranlagung verfügt wurde, wurde damit die Höhe der Verluste nicht abschliessend beurteilt. Sie kann in späteren Veranlagungen neu und anders beurteilt werden (BGE 140 I 114; fehlende Bindungswirkung der Veranlagungsverfügung für nachfolgende Steuerperioden auch in BGE 140 II 157).
Der Vertrag einer Schule mit einem Taxiunternehmen zum Transport ihrer Schülerinnen und Schüler begründet keine Leistungen, die mehrwertsteuerpflichtig sind. Da die Schule im Sinne einer Nebenleistung zum unentgeltlichen Transport auf dem Schulweg verpflichtet ist, stehen die Transportkosten in einem engen Zusammenhang mit dem Erziehungs- und Bildungszweck und gelten somit mehrwertsteuerrechtlich als Nichtentgelt. Insofern für diese Beurteilung relevant ist, ob es sich bei der entsprechenden Leistung um eine Subvention handelt, hält das Bundesgericht fest, dass das Mehrwertsteuerrecht keinen eigenen Subventionsbegriff kennt, sondern wegen der Einheit der Rechtsordnung auf das Subventionsgesetz abzustellen ist (BGE 140 I 153).
Eine kommunale Zweitwohnungssteuer, die auf alle Zweitwohnungen erhoben wird, ist keine Kausalabgabe, sondern eine eigentliche Steuer. Ob sie eine Lenkungswirkung entfaltet, ist für diese Einstufung irrelevant, es kommt auf ihre Natur an. Die fragliche Steuer war voraussetzungslos geschuldet und beruhte nicht auf einem persönlichen Verpflichtungsgrund, und stellte auch kein Gegenstück zu einer staatlichen Leistung dar, wie das bei Kausalabgaben erforderlich ist (BGE 140 I 176).
Der Stempelabgabe unterliegt unter anderem auch die Zahlung von Versicherungsprämien. Die Ausschüttung von Überschüssen aus einer «Rentenversicherung mit Rückgewähr» stellt keine solche Prämienzahlung dar. Der Versicherungsnehmer hat keinen Anspruch auf diese Zahlung und erhält auch keine höhere Versicherungsdeckung (BGE 140 II 16).
Wenn eine Gesellschaft einer Aktionärin ein Darlehen zu einem tieferen als dem marktüblichen Zins gewährt, handelt es sich um eine verdeckte Gewinnausschüttung (BGE 140 II 88).
Das Steuerharmonisierungsgesetz regelt nicht, ob im Ausland erwirtschaftete Gewinne vom steuerbaren Einkommen in der Schweiz abgesetzt werden können. Das Bundesgericht liess offen, ob die Kantone diesbezüglich eine Regelungsautonomie haben, zumal im zu entscheidenden Fall die kantonale Regelung identisch mit derjenigen der direkten Bundessteuer war (BGE 140 II 157).
Nach dem Wortlaut des Mehrwertsteuergesetzes ist unklar, ob die Einschätzungsmitteilung, mit der ein Kontrollverfahren der Steuerverwaltung abgeschlossen wird, Entscheidcharakter hat.
Die Einschätzungsmitteilung betrifft nur den nicht-streitigen Verfahrensteil und darf deshalb gemäss bundesgerichtlicher Auslegung nicht als Verfügung erlassen werden (BGE 140 II 202).
Stiftungen, bei denen der Stifter die Verfügungsgewalt über das Vermögen behält, sind keine eigenständigen Steuersubjekte, weil sie nach Privatrecht unzulässig sind (BGE 140 II 255).
Der Bund kann nach dem Wohnbau- und -eigentumsförderungsgesetz Darlehen verleihen, um den gemeinnützigen Wohnungsbau zu fördern. Erlässt der Bund ausstehende Vorschüsse oder Zinszahlungen, gilt dies steuerrechtlich als Reinvermögenszugang (BGE 140 II 353).
2.8 Zollwesen
Die Einfuhr von Agrarprodukten ist kontingentiert und mit zwei verschiedenen Zolltarifen belegt: Ein prohibitiver Satz für Einfuhren ausserhalb des Kontingents und ein reduzierter Satz für Einfuhren innerhalb des Kontingents. Es ist unverhältnismässig, von einem Zollpflichtigen, der über ein Kontingent verfügt, den höheren Tarif zu verlangen, nur weil er die Zollgebühr zu spät zahlte. Diese Praxis ist nicht geeignet, das Ziel der Regelung zu befördern, nämlich Einfuhren ausserhalb der Kontingentierung zu verhindern (BGE 140 II 194).
2.9 Raumplanung und Baurecht
Nutzungspläne entfalten eine gewisse Planbeständigkeit und können nur unter bestimmten Voraussetzungen vorzeitig geändert werden. Nach Art. 21 Abs. 2 Raumplanungsgesetz ist eine zweistufige Prüfung durchzuführen: Erstens kommt es darauf an, ob sich die Verhältnisse erheblich geändert haben und ob eine Planänderung nicht von vornherein ausscheidet wegen sehr gewichtiger Rechtssicherheits- oder Vertrauensschutzinteressen. Ist diese Hürde genommen, muss zweitens eine Interessenabwägung vorgenommen werden, bei der die bisherige Geltungsdauer und das Ausmass der Konkretisierung des Nutzungsplans, das Gewicht des Änderungsgrunds und der Umfang der beabsichtigten Planänderung berücksichtigt werden. Im Fall einer Berggemeinde haben sich die Verhältnisse durch die Annahme der Zweitwohnungsinitiative derart stark geändert, dass ein Grundeigentümer einen Anspruch auf Überprüfung der Zonenplanung hat (BGE 140 II 25).
Richtplan, Nutzungsplan, Baubewilligung und Ausnahmebewilligung bilden ein raumplanungsrechtliches Ganzes, in dem jeder Teil eine spezifische Funktion erfüllt. Ob ein Bauvorhaben in einem Richtplan vorgesehen sein muss, entscheidet sich danach, ob eine umfassende Interessenabwägung nur im Richtplanverfahren sichergestellt werden kann. Im Fall eines Walliser Kleinwasserkraftwerks reichte es aus, dass der Richtplan gewisse Entscheidungsgrundlagen für Kraftwerke, nicht aber spezifische Standorte vorsieht (BGE 140 II 262).
2.10 Wasser
Unter zwei Grundstücken, die an den Murtensee angrenzen, wird ein Bach in einem Rohr geführt. Um das Hochwasserrisiko in den über den beiden Parzellen gelegenen Gebieten zu verringern, soll der Bach freigelegt werden. Dies entspricht den Vorschriften des Gewässerschutzes und des Wasserbaus und ist auch verhältnismässig, zumal die Nutzungsmöglichkeiten auf den betroffenen Parzellen durch den vom Bach beanspruchten Platz nicht erheblich eingeschränkt werden (BGE 140 I 168).
Ob die Wassermenge, die nach Bau eines Kraftwerkes verbleibt, ausreichend ist, beurteilt sich nach einer umfassenden Interessenabwägung. Dabei sind insbesondere die wirtschaftlichen Interessen an der Wassernutzung den landschafts- und naturschutzspezifischen Interessen gegenüberzustellen. Wer ein Wasserkraftwerk bauen will, muss auch nachweisen können, wie sich verschieden grosse Wasserentnahmen auf die Wirtschaftlichkeit des Projektes auswirken, insbesondere bei welcher Restwassermenge das Projekt noch wirtschaftlich tragbar ist.
Wenn die Stromproduktion des Wasserkraftwerkprojekts im Jahresverlauf stark schwanken würde, wirkte sich das negativ auf die ohnehin bestehende Divergenz von saisonaler Produktion und saisonalem Verbrauch aus. Wenn im Ergebnis eine geringe Stromproduktion zu erwarten ist, dafür aber in eine noch unberührte Landschaft eingegriffen werden müsste, erweist sich das Wasserkraftwerkprojekt als unzulässig (BGE 140 II 262).
2.11 Strassenverkehr
Im Gegensatz zum Warnungsentzug oder zu einem Strafverfahren wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand kommt bei einem Sicherungsentzug die Unschuldsvermutung nicht zur Anwendung, weil der Sicherungsentzug nicht an ein schuldhaftes Verhalten anknüpft, sondern der Verkehrssicherheit dient.
Es ist deshalb zulässig, auf einen gemessenen Mittelwert abzustellen, ohne die Messungenauigkeit abzuziehen. Lässt der mittels Haaranalyse gemessene Alkoholwert allerdings keinen eindeutigen Schluss zu, ob jemand die ihm auferlegte Totalabstinenz tatsächlich eingehalten hat, ist die Gesamtsituation der untersuchten Person zu berücksichtigen, dazu gehören etwa auch ermittelte Werte bei früheren Abstinenzphasen (BGE 140 II 334).
2.12 Gesundheitswesen
Darf der Staat aus Kostenüberlegungen auch in die Geschicke eines privaten Spitals eingreifen, das nicht auf der KVG-Liste steht? Ja, bezüglich Dienstleistungen, die unter Umständen doch über die obligatorische Krankenversicherung abgerechnet werden können. So verhält es sich mit CT- und MRT-Verfahren, die in einem privaten Spital ambulant durchgeführt werden können (BGE 140 I 218).
2.13 Umweltschutz
Künstliches Licht, wie es etwa von Zierbeleuchtungen ausgeht, gilt als Einwirkung im Sinne des Umweltschutzgesetzes. Für Licht gibt es keine Immissionsgrenzwerte, weshalb im Einzelfall zu beurteilen ist, ob die Einwirkung Menschen gefährdet oder sie in ihrem Wohlbefinden erheblich stört. Zeitliche Beschränkungen für Zierbeleuchtungen sind im Sinne des Vorsorgeprinzips angezeigt und zulässig. Während der Weihnachtszeit gelten längere Betriebszeiten, weil festliche Beleuchtungen traditionellen Wert haben und als weniger störend empfunden würden – ähnlich wie kirchliches Glockengeläut (BGE 140 II 33).
In einem ähnlichen Fall entschied das Bundesgericht, dass die nächtliche Perronbeleuchtung eines Bahnhofs nicht betrieblich erforderlich und deshalb vorsorglich zu begrenzen sei (BGE 140 II 214).
2.14 Tourismusförderung
Betriebe, die in einem Fremdenverkehrsgebiet liegen und spezifisch touristischen Bedürfnissen dienen, sind von der Bewilligungspflicht von Sonntagsarbeit befreit. Was in diesem Sinne als Fremdenverkehrsgebiet gilt, entscheidet sich nach den lokalen Verhältnissen. Es reicht nicht, als ein solches Gebiet im Anhang der Verordnung zum Bundesgesetz über die Förderung der Beherbergungswirtschaft aufgeführt zu sein (BGE 140 II 46).
3. Verfahrensfragen
Die verfassungsrechtlichen Verfahrensgarantien gelten auch im Verfahren der ordentlichen Einbürgerung. Dazu gehört das Recht auf vorgängige Orientierung über den Verfahrensablauf, was sich aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV ableitet. Dieses Recht wird verstärkt durch den Grundsatz von Treu und Glauben, der auch in prozessualer Hinsicht gilt. Demnach ist es unzulässig, ein Ehepaar, das um Einbürgerung ersucht, zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen und es dann ohne Ankündigung einem Wissenstest zu unterziehen (BGE 140 I 99).
Die Garantie des verfassungsmässigen Richters nach Art. 30 Abs. 1 BV ist verletzt, wenn bei objektiver Betrachtung Umstände bestehen, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken. Eine tatsächliche Befangenheit ist nicht erforderlich. Ein Richter muss in den Ausstand treten, wenn seine Ehefrau als stellvertretende Leiterin einer Behörde am angefochtenen Entscheid mitgewirkt hat (BGE 140 I 240).
Diese Garantie ist auch verletzt, wenn ein Schreiber der Steuerrekurskommission zugleich den Rechtsdienst des Departements leitet, dem die Kommission angegliedert ist (BGE 140 I 271).
Art. 30 Abs. 1 BV schützt zwar die ordentliche Zusammensetzung eines Gerichts, aber die Verletzung kantonaler Zusammensetzungs-Vorschriften prüft das Bundesgericht nicht von Amtes wegen. Ob eine Vorinstanz nach kantonalem Recht richtig zusammengesetzt ist, wird nur auf entsprechende Rüge hin geprüft (BGE 140 II 141).
Die Verhängung einer Administrativsanktion, die beinhaltet, dass ein Bewerber für eine gewisse Zeit von der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen bleibt, ist ein Entscheid «auf dem Gebiet der öffentlichen Beschaffung» im Sinne der Ausnahmebestimmung von Art. 83 Bst. f BGG. Eine Beschwerde ans Bundesgericht ist also unzulässig (BGE 140 I 252).
Bei Bauten und Anlagen muss die Nähe zur Streitsache vor allem in räumlicher Sicht gegeben sein. Bei Lichtimmissionen ist die besondere Betroffenheit – und somit die Beschwerdebefugnis – zu bejahen, wenn eine direkte Sichtverbindung zur Lichtquelle besteht und diese deutlich wahrnehmbar ist (BGE 140 II 214).
Gemeinwesen können unter restriktiven Voraussetzungen nach Art. 89 Abs. 1 zur Beschwerde legitimiert sein, wenn die auf sie zugeschnittenen Legitimationsanforderungen nach Abs. 2 Bst. c nicht erfüllt sind. Sind sie nicht gleich oder ähnlich wie ein Privater betroffen, müssen sie in qualifizierter Weise in ihren Hoheitsrechten verletzt sein. Dies ist als Bagatellklausel zu verstehen. Im vorliegenden Fall war diese Schwelle nicht überschritten. Ein übergeordnetes Gemeinwesen hatte eine finanzielle Verpflichtung auferlegt, die aber nicht gewichtig genug war, um die Existenz der Gemeinde zu gefährden oder etwa das System des kantonalen Finanzausgleichs insgesamt in Frage zu stellen. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde steht Gemeinwesen grundsätzlich nur zu, wenn sie privatrechtlich handeln (BGE 140 I 90).
Die Einleitung eines amtlichen Quartierplanverfahrens gilt dann als Endentscheid i.S.v. Art. 90 BGG, wenn das kantonale Recht vorsieht, dass gewisse Einwendungen nur mit Rekurs gegen den Einleitungsbeschluss und nicht mehr in einem späteren Verfahren geltend gemacht werden können (BGE 140 II 25).