1. Staats- und Verfassungsrecht
1.1 Grundrechte
1.1.1 Rechtsgleichheit
Die befristete Beibehaltung einer Entschädigung von 8,3 Prozent des Jahresgehaltes («14. Monatslohn») zugunsten nur der Ärzte öffentlicher Genfer Spitäler (eingestuft ab Klasse 27 und mit hierarchischen Verantwortlichkeiten ausgestattet), welche aArt. 23A des Gesetzes den oberen Besoldungskategorien des Kantons Genf zugestand, verletzt den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht (BGE 143 I 65).
Eine kantonale Steuerordnung, die nicht im Einzelfall, sondern nur im Durchschnitt aller Wohneigentümer zu einer Besteuerung des Eigenmietwerts in der Höhe von 60 Prozent des Marktmietwerts führt, ist mit Art. 8 Abs. 1 und Art. 127 Abs. 2 BV nicht zu vereinbaren. Das Bundesgericht kommt bei der abstrakten Normenkontrolle zum Schluss, dass sich § 27ter Abs. 5 StG/BL (SGS 331) auch unter Berücksichtigung seines gesetzlichen Kontexts einer verfassungskonformen Auslegung entzieht und daher aufzuheben ist. Die Bestimmung hat in einer erheblichen Zahl von Fällen eine steuerliche Privilegierung von Eigentümern selbstbewohnter Liegenschaften zur Folge, die mit dem Gleichbehandlungsgebot nach Art. 8 Abs. 1 BV nicht vereinbar ist (BGE 143 I 137).
1.1.2 Diskriminierungsverbot
Kann eine Initiative in der Form einer allgemeinen Anregung wegen ihres klaren Zwecks nur durch Beifügung von Vorbehalten oder Bedingungen, die ihre Natur tiefgreifend verändern, mit dem höheren Recht in Einklang gebracht werden, gerät eine solche Auslegung in Konflikt mit dem Willen der Unterzeichner der Initiative und des Volkes, das aufgerufen wird, sich zu äussern. Im konkreten Fall ist die Ungültigerklärung einer kantonalen Volksinitiative zu schützen, die gegen das Diskriminierungsverbot verstösst (BGE 143 I 129).
1.1.3 Lohngleichheit
Die Behörden haben beim Besoldungssystem im öffentlichen Dienst einen grossen Spielraum, der vom Lohngleichheitsgebot nicht grundsätzlich eingeschränkt wird. Die Lohngleichheit verbietet nur die Wahl geschlechtsdiskriminierender Bewertungskriterien, sie schreibt keine bestimmte Methode vor. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind Bewertungskriterien dann geschlechtsspezifisch, wenn sie von den Angehörigen des einen Geschlechts wesentlich leichter oder anteilsmässig häufiger erfüllt werden können als von den Angehörigen des anderen Geschlechts. Im konkreten Fall wurde eine geschlechtsspezifische Diskriminierung der Lehrpersonen Primarstufe/Einschulungsklasse durch das im Kanton Aargau geltende Lohnsystem für Lehrkräfte weder erstellt noch glaubhaft gemacht (BGE 143 II 366).
1.1.4 Willkürverbot
Eine kantonale Lösung, die den Verheiratetentarif auf jenen Elternteil anwendet, welcher den Unterhaltsbeitrag für eines der beiden Kinder erhält, obschon der Schuldner des Unterhaltsbeitrags den Unterhalt des anderen Kindes zur Hauptsache bestreitet, ist nicht willkürlich. Den Verheiratetentarif auf getrennte oder geschiedene Steuerpflichtige mehrfach anzuwenden ist unzulässig (BGE 143 I 321).
1.1.5 Privatsphäre
Die in die sogenannte Watchlist der Finma aufgenommenen Daten ergeben ein Persönlichkeitsprofil. Für die Aufnahme von erhärteten Daten zur Person in Verbindung mit zuverlässigen Daten zur Geschäftstätigkeit, welche für die Betroffenen einen schweren Eingriff in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung bewirkt, besteht mit Art. 23 des Bundesgesetzes über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finmag, SR 956.1) eine genügende gesetzliche Grundlage. Die Aufnahme anderer Daten wie von Beteiligten oder Behörden ausgesprochene Vermutungen und Anschuldigungen oder unbelegte Verdächtigungen sowie sonstige, nicht in einem kontradiktorischen oder sonstwie glaubwürdigen Verfahren erhobene und geprüfte Äusserungen, mündlicher oder schriftlicher Art, ist hingegen vom formellen Gesetz nicht erfasst und somit unzulässig. Die im konkreten Fall gesammelten Daten sind, abgesehen von den persönlichen Daten, bundesrechtswidrig (BGE 143 I 253).
1.1.6 Versammlungsfreiheit
Eine kantonale Bestimmung, welche die Kosten eines Polizeieinsatzes bei Veranstaltungen mit Gewaltausübung zwingend zu gleichen Teilen auf die an der Gewaltausübung beteiligten Personen aufteilt und keine Differenzierung aufgrund des konkreten Störungsanteils zulässt, verstösst gegen die Rechtsgleichheit sowie gegen das abgaberechtliche Äquivalenzprinzip und ist aufzuheben. Offen gelassen hat das Bundesgericht hingegen die Frage, ob die indirekte Beeinträchtigung der Versammlungs- und der Meinungsfreiheit im konkreten Fall erheblich genug ist, um für sich alleine als unverhältnismässiger Eingriff qualifiziert zu werden (BGE 143 I 147).
1.1.7 Eigentumsgarantie
Die Eigentumsgarantie ist nicht verletzt, wenn in einer einzigen Steuerperiode die Steuerlast die Vermögenserträgnisse übersteigt. Eine Besteuerung gilt nur dann als konfiskatorisch, wenn die Vermögenserträgnisse auf Dauer nicht ausreichen, um die Steuerlast zu decken. An der Besteuerung dieser Werte ändert nichts, dass der Steuerpflichtige im konkreten Fall keinen Einfluss auf die Verteilung von Dividenden nehmen konnte (BGE 143 I 73).
1.1.8 Wirtschaftsfreiheit
Die Parkings des Flughafens Genf gehören zum Verwaltungsvermögen und sind keine öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch. Eine Tätigkeit, die darin besteht, geschäftsmässig Fahrzeuge in Empfang zu nehmen und zu parkieren, ist keine bestimmungsgemässe Nutzung des Verwaltungsvermögens. Im konkreten Fall bewegte sich das gegen diese gewerbsmässige Tätigkeit auferlegte Verbot im Rahmen der anwendbaren Gesetze. Das Bundesgericht hält fest, dass sich der Beschwerdeführer nicht auf die Wirtschaftsfreiheit laut Art. 27 BV berufen kann, wenn die Tätigkeit nicht dem im Zusammenhang mit den Kurzzeitparkings auf dem Flughafenareal verfolgten gemeinnützigen Zweck entspricht (BGE 143 I 37).
1.2 Verfahrensgarantien
Eine elektronisch signierte Beschwerdeschrift kann beim kantonalen Gericht nur gültig eingereicht werden, wenn dafür eine spezifische gesetzliche Grundlage besteht. Dass im hier betroffenen Bereich der Sozialversicherungsgerichtsbarkeit im Kanton Wallis eine solche Bestimmung fehlt, verletzt weder das Willkürverbot noch das Verbot des überspitzten Formalismus oder die Rechtsweggarantie (BGE 143 I 187).
Die Rechtsweggarantie setzt eine Rechtsstreitigkeit voraus, d.h. die Streitigkeit muss im Zusammenhang mit einer individuellen, schützenswerten Rechtsposition stehen. Neben einem schutzwürdigen Interesse ist ein Berührtsein in Rechten und Pflichten erforderlich. Eine schutzwürdige Rechtsposition kann auch hinsichtlich der Modalitäten der Rechtsausübung bestehen. Im konkreten Fall wird plausibel geltend gemacht, dass die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung zur Ablieferung der Siedlungsabfälle durch die Entfernung von 1,6 km zur nächstgelegenen Sammelstelle erheblich erschwert wird und der angefochtene Akt die Rechtsstellung der Betroffenen berührt (BGE 143 I 336).
Es verletzt die Rechtsweggarantie, wenn den betroffenen Angestellten des Kantons Genf gegen die Eröffnung eines Verfahrens zur Zuweisung einer anderen Tätigkeit kein Rechtsmittel zur Verfügung steht. Die Betroffenen können durch den Zwischenentscheid einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil im Sinne des kantonalen Verwaltungsverfahrensgesetzes erleiden, wenn sie keine gerichtliche Überprüfung der Gründe für die Auflösung des Anstellungsverhältnisses verlangen können, ohne zugleich auf die Zuweisung einer anderen Tätigkeit zu verzichten (BGE 143 I 344).
Die Verwendung von unzulässig erworbenen Beweismitteln, die zur fristlosen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses aus schwerwiegenden Gründen führt, verstösst nicht gegen den Anspruch auf ein faires Verfahren, wenn die Interessenabwägung das Vorgehen des Arbeitgebers als gerechtfertigt erscheinen lässt (BGE 143 II 443).
1.3 Politische Rechte
Ein Kanton darf in einen Abstimmungskampf auf Bundesebene eingreifen, wenn er am Ausgang ein unmittelbares Interesse hat. Die besondere Betroffenheit begründet gleichsam eine Parteistellung, die es erlaubt, sich in einer Abstimmung des übergeordneten Gemeinwesens aktiv für die eigenen Anliegen einzusetzen. Ist die Intervention im Grundsatz zulässig, so ist der Kanton zwar zu Objektivität und Sachlichkeit verpflichtet, darf jedoch auch Stellung beziehen und muss nicht sämtliche für und wider eine Vorlage sprechenden Argumente darlegen (BGE 143 I 78).
Ein Wahlsystem, das für die Wahl des kantonalen Parlaments Wahlkreise zulässt, die gemessen am grundsätzlich noch zulässigen natürlichen Quorum von 10 Prozent deutlich zu klein sind, ist mit der Erfolgswertgleichheit als Teilgehalt der Wahlrechtsgleichheit von Art. 34 Abs. 2 BV unvereinbar, wenn vom Kanton keine geeigneten Massnahmen zum Minderheitenschutz getroffen wurden. Zu denken ist an die Schaffung von Wahlkreisverbänden oder die Methode «Doppelter Pukelsheim». In diesen Fällen lassen sich zu kleine Wahlkreise selbst dann nicht rechtfertigen, wenn für die Wahlkreiseinteilung gewichtige historische, föderalistische, kulturelle, sprachliche oder religiöse Gründe bestehen (BGE 143 I 92).
Das Wahlverfahren für Amtsgerichtspräsidien im Kanton Solothurn, das im ersten Wahlgang der Wiederwahl nur die bisherigen Stelleninhaber zur Wahl zulässt, dient der richterlichen Unabhängigkeit und ist mit der Wahl- und Abstimmungsfreiheit vereinbar. Durch die Abgabe von leeren Stimmen haben die Wähler die Möglichkeit, ihren Willen zur Abwahl eines Amtsgerichtspräsidenten zum Ausdruck zu bringen. Somit handelt es sich nicht um eine im Widerspruch zu Art. 34 BV stehende «Scheinwahl» (BGE 143 I 211).
Die Ungültigerklärung einer in der Form der allgemeinen Anregung eingereichten Initiative wegen Unvereinbarkeit mit höherrangigem Recht setzt im Kanton Graubünden laut Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 der Kantonsverfassung (SR 131.226) voraus, dass eine Umsetzung der Initiative ohne offensichtlichen Widerspruch zum übergeordneten Recht von vornherein ausgeschlossen erscheint. Praktische Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Initiative sowie allenfalls mit der Umsetzung verbundene hohe Kosten für das Gemeinwesen können nicht zur Ungültigerklärung der Initiative führen. Im konkreten Fall kann die in der Form der allgemeinen Anregung ausgestaltete kantonale Volksinitiative «Nur eine Fremdsprache in der Primarschule», welche für die Primarschule lediglich eine Fremdsprache als obligatorisch vorsieht (je nach Sprachregion Deutsch oder Englisch), vom Gesetzgeber ohne offensichtlichen Widerspruch gegen das Rechtsgleichheitsgebot, das Diskriminierungsverbot oder den Anspruch auf ausreichenden Grundschulunterricht ausgestaltet werden (BGE 143 I 361).
1.4 Drittwirkung der Grundrechte
Die direkte Anwendbarkeit der Eigentums- oder Wirtschaftsfreiheit auf eine privatrechtliche Streitigkeit über die ausserordentliche Ersitzung streitiger Wegrechte ist ausgeschlossen. Zwar ist die – wenn auch nicht direkte, aber immerhin indirekte – Anwendung der Grundrechte auf Beziehungen zwischen Privaten nicht ausgeschlossen, etwa wenn es um die Auslegung von Generalklauseln oder unbestimmten Rechtsbegriffen des Privatrechts geht. Dies ändert aber nichts daran, dass die Beziehungen zwischen Privaten direkt auf den Gesetzen des Zivil- und Strafrechts beruhen, die den Einzelnen vor Beeinträchtigungen schützen (BGE 143 I 217).
1.5 Legalitätsprinzip
Die Finma darf mit Blick auf den Gesetzeszweck aufsichtsrechtlich Anpassungen der Reglemente von Selbstregulierungsorganisationen zwangsweise durchsetzen, soweit es dabei um technische Präzisierungen zur Sicherstellung eines national oder international anerkannten «Minimalstandards» geht, die den Zielsetzungen der Art. 3 bis 11a GwG (SR 955.0) entsprechen; für weitergehende Änderungen und insbesondere die Einführung grundlegend neuer Pflichten ist eine Anpassung des Geldwäschereigesetzes erforderlich. Die Grenze zwischen erlaubten und vom Gesetz nicht mehr gedeckten Vorgaben der Finma ist fliessend. Der Gesetzgeber hat diesbezüglich keine klaren Vorgaben formuliert. Zudem steht das Selbstregulierungsprinzip in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Erfordernis eines wirksamen Schutzsystems sowie der möglichst einheitlichen Handhabung geldwäschereirechtlicher Sorgfaltspflichten (BGE 143 II 162).
1.6 Vorrang des Bundesrechts
Das im Kanton Genf eingeführte Gesetz, das die Rolle der öffentlich-rechtlichen Anstalt darauf beschränkt, die Tarife im Transportwesen zuhanden von Exekutive und Legislative vorzuschlagen, verletzt den Vorrang des Bundesrechts nicht (BGE 143 I 109).
Mit Blick auf den Vorrang des Bundesrechts kann eine Person, die ihren Medizinalberuf selbständig ausübt, nur mit den in Art. 43 des Bundesgesetzes über die universitären Medizinalberufe (MedBG, SR 811.11) abschliessend genannten Massnahmen diszipliniert werden; die im konkreten Fall vorgeschriebenen Disziplinarmassnahmen des Kantons Waadt sind unzulässig. Ebenso bundesrechtswidrig ist die Publikation einer Disziplinarmassnahme im kantonalen Amtsblatt (BGE 143 I 352).
1.7 Gemeindeautonomie
Die Zürcher Kantonsverfassung schreibt für die Auflösung einer Schulgemeinde die Zustimmung der Mehrheit der Stimmenden der Schulgemeinde vor. Von diesem unmissverständlichen Wortlaut darf nicht abgewichen werden. Die im kantonalen Gemeindegesetz neu geschaffene gesetzliche Grundlage erlaubt Zwangsfusionen, was verfassungsrechtlich nicht haltbar ist. Das kantonale Verfassungsrecht geht dem nachgeordneten Recht ausnahmslos vor, die angefochtenen Bestimmungen sind deshalb aufzuheben (BGE 143 I 272).
Das Verleihen der Konzession für ein Plakatwerbemonopol ist keine Vergabe eines öffentlichen Auftrags. Zwar finden einzelne Gesichtspunkte des Beschaffungsrechts Anwendung auf kantonale oder kommunale Monopolkonzessionen, es muss aber nicht das wirtschaftlich günstigste Angebot berücksichtigt werden und es können für die Übertragung des Monopols Leistungen im öffentlichen Interesse verlangt oder die Schaffung von Arbeitsplätzen berücksichtigt werden. Im konkreten Fall hat die Vorinstanz der Ermessensfreiheit der Gemeinde Lausanne nicht Rechnung getragen und dadurch ihre Autonomie verletzt (BGE 143 II 120).
2. Verwaltungsrecht
2.1 Fremdenpolizei
Die Regelung von Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG (SR 142.20), welche nach Auflösung der Familiengemeinschaft dem ausreisepflichtigen Gatten bzw. den Kindern bei wichtigen persönlichen Gründen einen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gewährt, kommt nicht zum Tragen, wenn die Kinder wie im vorliegenden Fall ausserehelich in einer Parallelbeziehung mit einer Drittperson gezeugt wurden und sie ausser der ursprünglich geltenden Vaterschaftsvermutung keinerlei Beziehung zum (sozialen) Vater und Ehemann aufgebaut haben. Ebenso erscheint es für den «besuchsrechtsähnlichen» Umgang zwischen dem in der Schweiz aufenthaltsberechtigten Kindsvater und seinen Kindern nicht erforderlich, dass sich die Beschwerdeführer in der Schweiz aufhalten dürfen. So genügt es unter dem Gesichtswinkel des Schutzes des Anspruchs auf Familienleben je nach den Umständen, dass der Kontakt zum Kind im Rahmen von Kurzaufenthalten, Ferienbesuchen oder über die modernen Kommunikationsmittel vom Ausland her wahrgenommen werden kann (BGE 143 I 21).
Für die Bewilligungen im Rahmen der Regelung des Aufenthalts gemäss Art. 32–35 und 37–39 AuG sind die Kantone zuständig. Die Bewilligungen unterliegen dem Zustimmungsverfahren des Bundes gemäss Art. 40 Abs. 1 und 99 AuG. Hingegen liegt die Ablehnung oder der Widerruf der genannten Bewilligung in der alleinigen Kompetenz der Kantone und stellt ein Widerruf der Niederlassungsbewilligung durch das Staatssekretariat für Migration eine Verletzung der im Ausländergesetz festgelegten Zuständigkeitsordnung dar (BGE 143 II 1).
Das Bundesgericht erklärt seine bisherige Rechtsprechung, wonach die Haftzeiten bei mehrfacher Inhaftierung im Rahmen von ein und demselben Ausweisungsverfahren zusammenzurechnen sind, auch im Geltungsbereich des aktuellen Ausländergesetzes für sachgerecht. Erfolgt die Haftanordnung jedoch im Rahmen eines neuen – von früheren Vorgängen unabhängigen – Ausweisungsverfahrens, laufen die gesetzlichen Fristen von Neuem und eine Inhaftierung ist wieder im vollen Ausmass der Maximaldauer zulässig (BGE 143 II 113).
Das Recht auf unentgeltliche Verbeiständung anlässlich der erstmaligen richterlichen Überprüfung der Dublin-Haft hängt nicht von den Erfolgsaussichten in der Sache selbst ab. Es entsteht, anders als bei ausländerrechtlicher Haft üblich, auch nicht erst nach einem bestimmten Zeitablauf. Dies folgt aus Art. 9, Art. 10 und Art. 11 der Richtlinie 2013/33/EU, die durch den in Art. 28 Abs. 4 Dublin-Verordnung enthaltenen Verweis auch im Verhältnis zur Schweiz anwendbar sind (BGE 143 II 361).
2.2 Personenfreizügigkeit
Damit sich eine Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige einer Person mit französischer und schweizerischer Staatsangehörigkeit ist, auf ein aus dem Freizügigkeitsabkommen (FZA, SR 0.142.112.681) abgeleitetes Aufenthaltsrecht berufen kann, müssen die massgeblichen familiären Bindungen bereits vor der Rückkehr der Doppelbürgerin in die Schweiz entstanden sein oder sich verfestigt haben. Ist dies nicht der Fall, ist der Familiennachzug allein unter Berücksichtigung des schweizerischen Landesrechts und nicht mit Blick auf das FZA zu beurteilen (BGE 143 II 57).
Den tripartiten Kommissionen kommt gestützt auf das Auskunfts- und Einsichtsrecht nach Art. 360b Abs. 5 OR (SR 220) ein Anspruch auf Herausgabe der entsprechenden Dokumente zu. Die kontrollierten Unternehmen sind verpflichtet, den tripartiten Kommissionen alle zur Durchführung der Untersuchung nötigen Unterlagen herauszugeben bzw. zuzustellen (BGE 143 II 102).
2.3 Öffentliches Beschaffungswesen
Die Zulassungsbewilligung nach Art. 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Zulassung als Strassentransportunternehmen (Stug, SR 744.10) ist Voraussetzung, um ein Strassentransportunternehmen im Personen- oder Güterverkehr betreiben zu können. Liegt die Bewilligung zum Zeitpunkt der Offerteinreichung nicht vor, ist das Unternehmen vom Submissionsverfahren auszuschliessen, ansonsten kantonales Recht qualifiziert falsch angewendet wird. Bei der Beurteilung einer Beschwerde ist der Sachverhalt zum Zeitpunkt des Vergabeentscheids massgebend (BGE 143 I 177).
Ein Verstoss gegen den Grundsatz der Wettbewerbsneutralität durch einen Anbieter mit staatlichem Hintergrund stellt einen Ausschlusstatbestand i.S.v. Art. 11 des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffunswesen (BöB, SR 172.056.1) dar und liegt namentlich vor, wenn die Offerte der staatlichen Anbieterin auf einer unzulässigen Quersubventionierung beruht und deshalb geeignet ist, den Wettbewerb auf dem fraglichen Beschaffungsmarkt zu verfälschen. Sofern der Fehlbetrag nicht auf unzulässige Weise mit Steuermitteln oder Erträgen aus dem Monopolbereich gedeckt wird, sondern etwa mit dem Erlös aus der (sonstigen) privatwirtschaftlichen Tätigkeit, liegt aber kein Verstoss vor. Bei Verdachtsfällen resultiert für die Vergabestelle aufgrund ihrer Grundrechtsbindung sowie aus dem Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen und der Untersuchungsmaxime nach Art. 12 VwVG eine Untersuchungspflicht (BGE 143 II 425).
2.4 Öffentliche Abgaben
Im Bereich der Trinkwasserversorgung lässt sich die Rechtmässigkeit der Abgabe weder anhand des Kostendeckungs- noch des Äquivalenzprinzips überprüfen. Umso mehr gilt die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung mit ausreichender Bestimmtheit auch für den Fall, dass der Wassertarif eine Lenkungskomponente enthält (BGE 143 I 220).
Gerichtskosten sind Kausalabgaben, die als Beitrag an die Kosten der Rechtspflege zu verstehen sind, ohne dass alle Kosten gedeckt werden. Im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle zu den beiden einschlägigen Waadtländer Gesetzen ist festzuhalten, dass sie keine Bemessungsgrundlagen enthalten, was zwar als Verletzung von Art. 127 Abs. 1 BV anzusehen ist, aber vor dem Hintergrund der Rechtsrealität und der praktischen Erfordernisse zu relativieren ist. Soweit das Kantonsgericht seine ständige Praxis in Bezug auf die Festlegung der Gerichtskosten weiterführt, ist von sachgerechten und verfassungskonformen Gerichtskosten auszugehen. Der neue Gebührenrahmen ist grundsätzlich kein Hindernis für den Zugang zu den Gerichten. Die Überprüfung im Einzelfall bleibt vorbehalten (BGE 143 I 227).
Bussen und andere finanzielle Sanktionen mit pönalem Charakter, die juristischen Personen aus eigener Verantwortung auferlegt wurden, stellen keinen geschäftsmässig begründeten Aufwand dar und können steuerlich nicht abgesetzt werden. Ihre Aufrechnung zum Reingewinn gemäss Erfolgsrechnung verletzt weder das Leistungsfähigkeitsprinzip noch das Legalitätsprinzip im Abgaberecht (BGE 143 II 8).
Bringt ein Aktionär ein Grundstück in eine Gesellschaft ein und verlangt dafür einen Preis, der erheblich unter dem Preis liegt, der zwischen Unabhängigen vereinbart würde, handelt es sich um eine verdeckte Kapitaleinlage. Es ist nicht bundesrechtswidrig, wenn der Wert der verdeckten Kapitaleinlage bei der Erlösbestimmung zum ersten Verkaufspreis hinzugerechnet und auf den zweiten Verkaufspreis abgestellt wird (BGE 143 II 33).
Mangels spezialgesetzlicher Regelungen im Stromversorgungsrecht ist Art. 102 ff. OR für die Verzinsungspflicht von Forderungen analog anwendbar. Im konkreten Fall waren für einen früheren Zinsenlauf weder die Verzugszinsvoraussetzungen gegeben, noch rechtfertigte sich eine extensivere Bejahung von Vergütungszinsen. Auch sind im öffentlichen Recht die dank den ungerechtfertigten Zahlungen eingesparten Zinsen nicht als ungerechtfertigte Bereicherung zu betrachten. Ebenso liess sich ein Ersparnisbereicherungszins in der gegebenen Konstellation nicht rechtfertigen (BGE 143 II 37).
Nach der Auslegung von Ziff. 5 des Protokolls des DBA CH-IL gelangt eine in Israel ansässige Person in der Schweiz nur dann in den Genuss einer Befreiung von der schweizerischen Steuer, wenn die in der Schweiz generierten Einkommen in Israel tatsächlich besteuert wurden. Im konkreten Fall wurde die Schweizer Quellensteuer auf Kapitalleistungen aus beruflicher Vorsorge (einer privaten Einrichtung) eines israelischen Einwohners, der das Geld auf ein Bankkonto in Israel transferiert und dort nicht versteuert hat, da er während zehn Jahren von der Steuer befreit war, rechtmässig erhoben und ist deshalb nicht zurückzuerstatten (BGE 143 II 65).
Die bundesrechtliche Regelung des «dauernd und ausschliesslich selbstgenutzten Wohneigentums» im Zusammenhang mit dem Steueraufschub bei Ersatzbeschaffung lässt den Kantonen keinen Spielraum für abweichende Bestimmungen. Insbesondere besteht hinsichtlich der Mindesthaltedauer ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers. Art. 12 Abs. 3 lit. e des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG, SR 642.14) kann keine festgelegte Frist von fünf Jahren als Voraussetzung für eine dauernde und ausschliessliche Selbstnutzung entnommen werden (BGE 143 II 233).
Ein im Kanton Genf ansässiger Steuerpflichtiger erhielt bei der Auflösung seines Arbeitsverhältnisses in Frankreich mit Blick auf die Einhaltung einer Konkurrenzklausel eine Entschädigung – ohne Gegenleistung in Form von Arbeit zu erbringen. Sie ist als «anderes Einkommen» im Sinn von Art. 23 Abs. 1 DBA CH-FR zu qualifizieren. Die Besteuerung erfolgt in der Schweiz, was für die direkte Bundessteuer sowie die Kantons- und Gemeindesteuern gilt (BGE 143 II 257).
Die vorbehaltlose Bezahlung der Steuerrechnung steht einer Rückvergütung nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung über die Verrechnungssteuer (VSTV, SR 642.211) nicht entgegen. Ist eine Steuerschuld nicht i.S.v. Art. 5 Abs. 1 VwVG auferlegt worden, steht der steuerpflichtigen Person auch bei vorbehaltloser Bezahlung des Steuerbetrags der Nachweis offen, sie habe eine Nichtschuld bezahlt. Eine teleologische Reduktion des Begriffs «Entscheid» mittels Surrogaten läuft dem Schutzzweck der Norm zuwider (BGE 143 II 268).
Die Überwälzung von Kostenanteilen für die öffentliche Beleuchtung und öffentliche Uhren auf den Strom-Endverbraucher ist als Kostenanlastungssteuer zulässig, wenn damit wie im konkreten Fall nicht eine Sondergruppe belastet wird, sondern die Gesamtheit der Bevölkerung. Hingegen verletzt die Überwälzung der Konzessionsgebühr für die Allmendbenützung das Legalitätsprinzip, wenn sich die Höhe der Abgabe einzig durch eine regierungsrätliche Verordnung bestimmt und das formelle Gesetz, auf welches sich die Verordnung stützt, keine Bemessungskriterien enthält (BGE 143 II 283).
Die eidgenössischen Stempelabgaben haben insofern formellen Charakter, als für die Erhebung der Abgabe die gewählte Form und nicht der wirtschaftliche Zweck der Transaktion entscheidend ist: Der Eigentumsbegriff von Art. 13 Abs. 1 StG entspricht dem formellen zivilrechtlichen Begriff, ohne Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über die betroffenen Güter. Somit verhindert die Eigentumsübertragung durch den Schweizer Settlor auf den ausländischen Trust die Erhebung einer Umsatzabgabe. Es spielt unter diesem Blickwinkel weder eine Rolle, ob der Trust widerrufbar ist, noch ob der Settlor vorübergehend oder endgültig entreichert ist, und auch nicht, ob das investierte Kapital in der Bilanz des Settlors, der vorliegend die wirtschaftliche Verfügungsmacht darüber behielt, aktiviert wurde (BGE 143 II 350).
Eine Vorfälligkeitsentschädigung bei endgültiger Auflösung des Hypothekarschuldverhältnisses kann bei der Grundstückgewinnsteuer als «Anlagekosten» gemäss Art. 12 Abs. 1 StHG (SR 642.14) bzw. § 219 StG/ZH (LS 631.1) vom steuerbaren Erlös abgezogen werden. Voraussetzung ist, dass die Vorfälligkeitsentschädigung mit der bevorstehenden Veräusserung der Liegenschaft untrennbar verbunden ist und einer durch den Veräusserer getätigten, effektiven sowie wertvermehrenden Aufwendung entspricht (BGE 143 II 382).
Ist die vorzeitige Auflösung eines Hypothekarschuldvertrags auf den Verkauf des belasteten Grundstücks zurückzuführen, steht eine Entschädigung für die Vertragsauflösung nicht in ausreichend engem Bezug zur Hypothekarschuld, um als Schuldzins i.S.v. Art. 33 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG, SR 642.11) zu gelten, der von der Einkommenssteuer abgezogen werden kann. In diesem Fall ist die Situation nach Massgabe der Bestimmungen von Art. 12 StHG über die Grundstückgewinnsteuer zu beurteilen. Eine Gleichsetzung der Vorfälligkeitsentschädigung mit Schuldzinsen kann sich rechtfertigen, falls sie im Rahmen eines neuen Darlehensvertrags zu modifizierten Bedingungen anfällt – bspw. bei Vertragsschluss mit demselben Kreditgeber zu besseren Konditionen (BGE 143 II 396).
Bei der direkten Bundessteuer ist eine für den Verzicht auf eine Nutzniessung erhaltene Entschädigung im Privatvermögen des Steuerpflichtigen weder Einkommen noch Vermögensertrag. Eine allfällige daraus folgende Vermehrung des Vermögens ist als Kapitalgewinn zu berücksichtigen (BGE 143 II 402).
Die Einfuhr von ausländischen Getränken mit einem Alkoholgehalt von 14,3 Volumenprozent, die u.a. Wein enthalten, welcher mittels Gefrierkonzentration behandelt wurde – womit der enthaltene Alkohol nicht ausschliesslich durch Vergärung gewonnen wurde –, unterliegt dem Steuersatz für «gebrannte Wasser» gemäss Art. 23 der Alkoholverordnung (AlkV, SR 680.11). Der um die Hälfte reduzierte Steuersatz für Wermutweine und andere aromatisierte Weine gemäss Art. 23bis Abs. 1 lit. c des Bundesgesetzes über die gebrannten Wasser (AlkG, SR 680) fand im konkreten Fall keine Anwendung, da die Getränke über einen zu tiefen Anteil an (unbehandeltem) Wein sowie über einen zu tiefen Alkoholgehalt verfügen. Ebenso wenig erfüllen sie die Anforderungen an aromatisierte weinhaltige Getränke, da sie mit einer hochprozentigen, mittels Gefrierkonzentration gewonnenen Alkoholkomponente versetzt wurden (BGE 143 II 409).
Gemäss Art. 41 OR können die Kosten denjenigen Verfahrensbeteiligten auferlegt werden, die Verfahrensrechte in einer den guten Glauben verletzenden Weise, böswillig oder rechtsmissbräuchlich anwenden. Kantonale Normen, wonach in baurechtlichen oder raumplanerischen Streitigkeiten die Einsprecher die Kosten der Schlichtungsverhandlung zu tragen haben, wenn die Einsprachen offensichtlich unzulässig oder offensichtlich schlecht begründet sind, halten vor dem Bundesrecht stand. Mit Bundesrecht unvereinbar und aufzuheben ist hingegen die Kostenauflage an die Einsprecher im Fall einer erfolglosen Schlichtung, wenn der unterliegende Einsprecher die Kosten «ohne Notwendigkeit» verursacht hat (BGE 143 II 467).
2.5 Internationale Steueramtshilfe
Gruppenersuchen (ohne Namensnennung) der Niederlande sind zulässig. Die rechtliche Grundlage ergibt sich aus dem DBA und nicht aus dem Bundesgesetz über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (StAhiG, SR 651.1). Enthält ein Ersuchen keine Namen bzw. wird gerade um Namen ersucht, sind die übrigen Umstände umso detaillierter zu beschreiben, damit die Notwendigkeit bzw. die Erheblichkeit der Informationsübermittlung beurteilt und eine unzulässige Beweisausforschung verhindert werden kann. Im Vordergrund steht der Nachweis von Tatsachen, die auf ein gesetzeswidriges Verhalten der Gruppenangehörigen hindeuten (BGE 143 II 136).
Informationen über den Betrieb, die Zahl der Angestellten und die Räumlichkeiten der Gesellschaft sind zur Überprüfung von Verrechnungspreisen innerhalb einer Konzerngruppe als voraussichtlich erheblich anzusehen. Dem kommt eine doppelte Bedeutung zu: Der ersuchende Staat muss die Erheblichkeit voraussehen und im Amtshilfeersuchen geltend machen und nur solche Unterlagen übermitteln, die voraussichtlich erheblich sind. Auskünfte dürfen nur dann verweigert werden, wenn ein Zusammenhang zwischen den verlangten Angaben und der Untersuchung wenig wahrscheinlich erscheint (BGE 143 II 185).
Einem Gesuch der französischen Behörden um Amtshilfe gestützt auf Art. 28 Abs. 3 lit. b DBA CH-FR ist zu entsprechen, obwohl die Anfrage auf illegal beschafften Daten beruht. Die Amtshilfe ist gemäss Art. 7 lit. c StAhiG nur für Fälle auszuschliessen, die in der Schweiz der strafrechtlichen Verfolgung unterliegen. Im konkreten Fall lagen auch sonst keine Anzeichen für die Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben oder des schweizerischen Ordre public durch Frankreich vor (BGE 143 II 202).
Anders verhält es sich bei einem Amtshilfegesuch der französischen Behörden über Kontodaten eines französischen Ehepaars bei einer Bank in der Schweiz, das auf Unterlagen zurückgeht, die bei der Genfer Bankfiliale gestohlen worden sind. Dem Gesuch kann nicht entsprochen werden, da in diesem Fall, der im Zusammenhang mit der «Falciani-Affäre» steht, auch ein rechtskräftiges Strafurteil in der Schweiz vorliegt. Dies ergibt sich auch aus Treu und Glauben, denn Frankreich hat sich verpflichtet, die Daten mit dieser Herkunft nicht für Amtshilfeersuchen zu verwenden (BGE 143 II 224).
2.6 Raumplanung, Baurecht
Aus Sicht des Gewässerschutzes rechtfertigt sich der Verzicht auf die Freihaltung des Gewässerraums nur in Gebieten, die bereits so dicht überbaut sind, dass der Gewässerraum seine natürliche Funktion auch auf lange Sicht nicht erfüllen kann. Der für die sachgerechte Planung genügend gross gewählte Perimeter, der zumindest bei kleineren Gemeinden in der Regel das Gemeindegebiet umfasse, ist auch für die Beurteilung des dicht überbauten Gebiets nach Art. 41c Abs. 1 lit. a der Gewässerschutzverordnung (GSchV) heranzuziehen, wobei der Fokus auf dem Land entlang des Gewässers liegt. Für den Weiler Seestatt, der ins Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) aufgenommen wurde und in der Gemeinde Altendorf liegt, wurde das Vorliegen eines dicht überbauten Gebiets verneint. Somit entfällt die gemäss Art. 41c Abs. 1 GSchV geforderte Interessenabwägung, bei der das ISOS unmittelbar Anwendung finden würde (BGE 143 II 77).
Das Bundesrecht lässt es zu, dass zu den Richtplänen der Kantone gemäss Art. 6 ff. RPG (SR 700) regionale oder Gemeinderichtpläne geschaffen werden. Beim streitigen «plan directeur de quartier Praille-Acacias-Vernets» (PDQ PAV) handelt es sich um einen Richtplan und keinen Nutzungsplan, weil er nur Elemente enthält, die für die Behörden, nicht aber für Privatpersonen verbindlich sind, sodass Privatpersonen der Rechtsweg nicht offen ist. Dagegen ist der Quartierplan, der für Bauvorhaben erstellt werden muss, der Beschwerde von Privatpersonen zugänglich, sodass der Rechtsschutz bzw. der Rechtsweg (Art. 14 ff. und 33 Abs. 2 RPG) gewährleistet ist (BGE 143 II 276).
Die Kantone sind nach Art. 15a Abs. 2 RPG für den Fall der Nichtüberbauung von Parzellen in der Bauzone zur Rechtsetzung befugt. Ohne nähere Vorgaben zu machen, führt das Bundesgericht aus, die Kantone seien verpflichtet, für die zuständige Behörde die Möglichkeit vorzusehen, dem Grundeigentümer, der nicht zur Überbauung der Parzelle schreitet, eine Frist zu setzen sowie Sanktionen für den Fall der Nichtüberbauung innerhalb der gesetzten Frist zu verhängen. Die streitige kantonale Norm, die für den Kanton Freiburg ein Kaufrecht für den Fall der Nichtüberbauung von Parzellen in Zonen mit Aktivitäten von kantonaler Bedeutung laut Richtplan vorsieht, ist zwar geeignet, die Vorgaben gemäss Art. 15a Abs. 1 RPG zu erfüllen. Allerdings kann die Behörde nicht formell eine Frist für die Überbauung festlegen und nicht in der ganzen Bauzone so vorgehen. Deshalb ist das Kaufrecht nicht geeignet, die zwingenden Vorgaben von Art. 15a Abs. 2 RPG zu erfüllen. Im Sinne eines Appellentscheids wird die streitige Bestimmung nicht aufgehoben, sie ist aber hinsichtlich der beiden Kritikpunkte abzuändern (BGE 143 II 476).
Für die Erteilung einer Baubewilligung für nichtlandwirtschaftliche Nebenbetriebe ausserhalb der Bauzone gemäss Art. 24b RPG und Art. 40 RPV muss der angestrebte nichtlandwirtschaftliche Nebenbetrieb mit der landwirtschaftlichen Nutzung verwandt sein und sich geografisch im Hofbereich des landwirtschaftlichen Gewerbes befinden sowie eine Nutzung darstellen, die den Hofcharakter im Wesentlichen unverändert lässt. Ein Alpchalet, das über keine landwirtschaftliche Infrastruktur verfügt und bei dem das Vieh, das in der Umgebung übersommert, immer auf der Weide bleibt, hat keine landwirtschaftliche Funktion mehr im Sinne von Art. 40 Abs. 1 RPV (SR 700.1) und kann nicht als temporäres Betriebszentrum im Sinne von Art. 24b Abs. 1ter RPG betrachtet werden (BGE 143 II 485).
2.7 Emissionshandel
Erlässt der Bundesrat im Einklang mit den Regeln der Europäischen Union in Ziff. 4.1 Anhang 9 der CO2-Verordnung eine Bestimmung, die einen besonderen Anpassungsfaktor vorsieht, der bei Produktbenchmarks – die sowohl mit Brennstoffen als auch mit Strom betriebene Produktionsprozesse erfassen –, die kostenlose Zuteilung von Emissionsrechten für verwendeten Strom vermeidet, ist dies vereinbar mit den gesetzlichen Bestimmungen und der Delegationsnorm in Art. 19 Abs. 3 des CO2-Gesetzes. Auch verletzt die Bestimmung weder das Verursacherprinzip, noch widerspricht sie den Grundsätzen der Energiepolitik (BGE 143 II 87).
2.8 Moorlandschaften
Bei der Abgrenzung von Moorlandschaften hat der Bundesrat gemäss Auftrag in Art. 23b Abs. 3 NHG die bestehenden Nutzungen zu berücksichtigen. Auszugehen ist von einem weiten Begriffsverständnis, das auch die im Zeitpunkt der Inventarisierung konkret bestehenden umfasst. Die charakteristischen und zentralen Elemente einer Moorlandschaft müssen allerdings zwingend in den Perimeter einbezogen werden. Bei der (erstmaligen definitiven) Abgrenzung des Perimeters der Moorlandschaft Nr. 268 «Grimsel» war es dem Bundesrat somit nicht verwehrt, die bereits damals bestehenden Ausbaupläne für den Grimselstausee zu berücksichtigen (BGE 143 II 241).
2.9 Strassenverkehr
Nach Ablauf der dreijährigen Probezeit nimmt die Gültigkeit des Führerausweises auf Probe automatisch ein Ende. Anschliessend muss die Verwaltungsbehörde den definitiven Führerausweis – zumindest provisorisch – erteilen, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, auch wenn ein Gerichtsverfahren hängig ist, das zu einem Entzug des Führerausweises auf Probe und seiner Verlängerung um ein Jahr führen kann.
Wird nachher der Entscheid zum Entzug des Führerausweises auf Probe und zur Verlängerung der Probezeit gefällt, hat der Entzug des Führerausweises gemäss Art. 16 Abs. 1 SVG im Verfahren für den definitiven Führerausweis zu erfolgen. Die Verlängerung der Probezeit beim Führerausweis auf Probe, wenn der Entzug über die Probezeit hinaus dauert, richtet sich nach Art. 15a Abs. 3 Satz 2 SVG. Die Verlängerung um ein Jahr beginnt am Ende des Vollzugs des Führerausweisentzugs und muss ab diesem Zeitpunkt vollständig vollstreckt werden. Die Dauer des Entzugsverfahrens und die Zeitspanne, während welcher der Betroffene provisorischer Inhaber des definitiven Führerausweises war, zählen nicht als Probezeit. Diese Lösung drängt sich aufgrund der Systematik des Bundesrechts und aus Gründen der Rechtssicherheit auf, obschon sie nicht gänzlich zu überzeugen vermag (BGE 143 II 495).
2.10 Wettbewerb
Die Vereinbarung zwischen der Gaba International AG mit Sitz in Therwil BL und ihrer Lizenznehmerin Gebro Pharma GmbH mit Sitz in Fieberbrunn, Österreich, mit welcher sich die Gebro verpflichtet, die Vertragsprodukte ausschliesslich in Österreich herzustellen und zu vertreiben und weder direkt noch indirekt Exporte in andere Länder vorzunehmen, stellt eine unzulässige vertikale Vertriebs-Wettbewerbsabrede mit einem absoluten Gebietsschutz i.S.v. Art. 5 Abs. 4 KG (SR 251) dar, die nicht mit Gründen der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt werden kann und nach Art. 49a Abs. 1 KG zu sanktionieren ist (BGE 143 II 297).
3. Verfahrensfragen
Hat die Verweigerung des Erlasses der Kantons- und Gemeindesteuer bedeutende Folgen für das soziale und berufliche Leben, ist von einem besonders bedeutenden Fall i.S.v. Art. 83 lit. m BGG auszugehen, der die Betroffenen zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten legitimiert. Im konkreten Fall durfte das kantonale Gericht die unbestimmten Rechtsbegriffe im kantonalen Erlass willkürfrei anhand des DBG (SR 642.11) auslegen und von einem Steuererlass absehen (BGE 143 II 459).