Als mitunter eitles Geschöpf ist es dem gemeinen Juristen nicht fremd, nach Titeln zu streben, die fürs berufliche Fortkommen von Bedeutung sind und auch dem Ego schmeicheln. Akademische Würden werden in der Privatwirtschaft nach wie vor geschätzt. Umgekehrt tummeln sich an den Universitäten eine Vielzahl Privatdozenten, Titularprofessoren, Postdocs und Lehrbeauftragte, die zumindest teilweise einer umfangreichen Tätigkeit in der freien Wildbahn nachgehen. Doch nicht nur Laien haben Mühe, die feinen Unterschiede des akademischen Rankings zu verstehen. Auch Studenten, Doktorierende und Juristen bewahren den Durchblick nicht immer.
Habilitation: Spezialität des deutschsprachigen Raums
Ein Blick in die Universitätsgesetze und Studienordnungen der Schweizer Universitäten zeigt jedoch, dass die Voraussetzungen für die Erlangung akademischer Titel weitgehend harmonisiert sind. So folgt nach dem Studium, das heutzutage mit einem Bachelor oder Master of Law abgeschlossen wird, als nächste Sprosse auf der akademischen Leiter das Doktorat. Dafür müssen die Kandidaten eine Dissertation in Form einer Monografie verfassen. Ist dies geglückt, wird dem Promovierenden der Titel Dr. iur. verliehen. Darauf folgt die Habilitation, eine weitere schriftliche Leistung in Form einer Monografie. Die Habilitation hat im Rechtsgebiet zu erfolgen, für das die Lehrbefugnis – die Venia Legendi – erteilt werden soll. Da die Habilitation als akademische Qualifikation hauptsächlich im deutschsprachigen Raum bekannt ist und ein Pendant im angelsächsischen Raum fehlt, wird eine gleichwertige wissenschaftliche Qualifikation bei Berufungen anerkannt. Sie kann beispielsweise aus mehreren wissenschaftlichen Publikationen bestehen, wie Beat Müller, Mediensprecher der Universität Zürich, darlegt: «Ohne die entsprechende Anerkennung könnten sich beispielsweise Kandidaten aus dem angelsächsischen Raum nicht für eine Professur an der Universität Zürich bewerben.»
Ausserordentliche Professur zum Start
Unterschieden wird auf dieser Stufe zuallererst zwischen einer ausserordentlichen und einer ordentlichen Professur. Erstere wird an der Universität Zürich vergeben, wenn der Berufene seine erste Stelle als Professor antritt. Erst nach diesem Schritt kann der oder die Berufene zum ordentlichen Professor befördert werden. Auch die Lehrverpflichtung ist unterschiedlich. Ausserordentliche Professoren haben Lehrveranstaltungen von 4 bis 6 Stunden pro Woche zu leisten, ordentliche von 6 bis 10 Stunden. Letztere sind in einer höheren Lohnklasse eingestuft.
Zu den weiteren Arten von Professuren zählen Assistenzprofessuren, Assistenzprofessuren mit Tenure Track und SNF-Professuren, wobei stets die Habilitation die Voraussetzung für die Erlangung des Titels bildet. Die Assistenzprofessur ist befristet und kommt nur für akademische Nachwuchskräfte in Frage, die das 45. Altersjahr noch nicht überschritten haben. Die SNF-Professur kommt ebenfalls Nachwuchskräften zu und wird gestützt auf ein Förderprogramm des Schweizerischen Nationalfonds vergeben. Bei einer Assistenzprofessur mit Tenure Track besteht die Aussicht auf eine unbefristete Professur.
Ebenfalls zum universitären Lehrkörper zählen die Privatdozenten. Diese haben eine Habilitation verfasst und die Lehrbefugnis erteilt bekommen, sind jedoch nicht als Professoren an der Universität tätig und halten keinen Lehrstuhl. An Privatdozenten, die auf eine erfolgreiche Karriere an der Universität zurückblicken, kann auf Antrag der Fakultät die Titularprofessur vergeben werden. Titularprofessoren sind hauptsächlich in der Privatwirtschaft tätig und nehmen nur vereinzelt am Lehrbetrieb der Universitäten teil.
Eine weitere Kategorie im Lehrkörper bilden die Lehrbeauftragten. Sie sind akademisch gebildete Personen, die für die Abhaltung von Lehrveranstaltungen beigezogen werden. Sie dienen dem Austausch von Lehre und Praxis und werden aufgrund verschiedenster Kontakte zwischen den beiden Welten rekrutiert. Eine Dissertation oder eine Habilitation ist für diese Funktion nicht nötig.
Zu den Postdocs werden akademische Nachwuchsforschende gezählt, die meist befristet an der Universität angestellt sind und wichtige Arbeiten in der Forschung übernehmen.
Austausch zwischen Hörsaal und Praxis
Entsprechend dem Bemühen der Universitäten, den Studenten eine möglichst praxisnahe Ausbildung zu ermöglichen, gibt es zwischen der Privatwirtschaft und den Hörsälen zahlreiche personelle Berührungspunkte. Umgekehrt sind viele Juristen aus der Praxis an einem andauernden Kontakt zur Universität interessiert.
Hans Rudolf Trüeb, Partner bei der Kanzlei Walder Wyss und Titularprofessor für schweizerisches und internationales Wirtschaftsrecht und Verwaltungsrecht an der Universität Zürich, gehört zu denen, die hauptsächlich in der Praxis tätig sind und dennoch Verpflichtungen an der Universität wahrnehmen. Am Lehrbetrieb der Universität wirkt der Anwalt vorwiegend bei Seminaren mit, wo er als Dozent fungiert sowie Arbeiten betreut und korrigiert. Trotz beträchtlichem Zeitaufwand möchte Trüeb den Lehrbetrieb keinesfalls missen. «Ich profitiere von der Zusammenarbeit mit den jungen Menschen sehr», beteuert Trüeb. Er, der in der Kanzlei auch für die Rekrutierung und Weiterbildung der Anwälte zuständig ist, bekennt, dass «die Aufgaben an der Universität für mich mindestens so befriedigend sind wie die Redaktion eines komplexen Vertrags». Kommerzielle Motive wie die Sichtbarkeit seiner Kanzlei oder das Prestige des Titels, das bei der Akquisition von neuen Kunden von Vorteil sein könnte, seien nicht relevant. «Die Universität ist mein liebstes Hobby – ich schätze die Neugier und Kreativität der Studenten und versuche, den manchmal etwas theorielastigen Lehrbetrieb mit Fällen aus der Praxis zu ergänzen.»
Martin Bernet ist Partner in der Kanzlei Schellenberg Wittmer und wirkt an der Vorlesung International Commercial Arbitration an der Universität Zürich als Lehrbeauftragter mit. Der Titel Lehrbeauftragter habe tatsächlich «einen gewissen, wenn auch geringen, PR-Effekt», sagt er, «so werden Studierende auf die Kanzlei aufmerksam, was uns bei der Rekrutierung von neuen Mitarbeitenden hilft.» Auch Bernet betont, dass kommerzielle Aspekte nicht ausschlaggebend seien. Er habe den Lehrauftrag übernommen weil er finde, «dass Rechtsgebiete, die sehr praxisgeprägt sind, von praktizierenden Anwälten gelehrt werden sollten».
Bernet sieht sein universitäres Mandat auch als Wahrnehmung einer Verpflichtung gegenüber der Öffentlichkeit und profitiert gemäss eigenen Angaben von der Vorbereitung der Vorlesung. So zwingt ihn diese, sich mit punktuellen Fragen, die in einzelnen Mandaten auftauchen, und dem entsprechenden Rechtsgebiet in einem Gesamtzusammenhang zu befassen.