Einer von vier Patienten in psychiatrischen Kliniken wird gegen seinen Willen eingewiesen, wie plädoyer 2/15 aufgezeigt hat. Im Jahr 2013 wurden in der Schweiz rund 13 000 Personen fürsorgerisch untergebracht. Wer sich dagegen zur Wehr setzen will, muss Beschwerde erheben.
Das Problem: Die gerichtliche Beurteilung ist nicht kostenlos. Selbst bei Obsiegen erhält die eingewiesene Person keine Entschädigung und muss für die Kosten des Anwalts selbst aufkommen.
Christoph Lüthy von Pro Mente Sana, einer Stiftung für psychisch beeinträchtigte Menschen, fordert deshalb, dass die gerichtliche Beurteilung bei Zwangseingewiesenen von Bundesrecht wegen kostenlos sein muss. Der Zürcher Rechtsanwalt Guido Brusa macht geltend, dass Zwangseingewiesene im Prozess nicht schlechtergestellt werden dürfen als Beschwerdeführer und Kläger in allen anderen Gerichtsverfahren, sprich: Auch Zwangseingewiesene müssten im Falle des Obsiegens einen Anspruch auf angemessene Parteientschädigung haben. Dieser Anspruch ist nach Meinung von Brusa an sich bereits heute geltendes Verfassungsrecht.
Trotzdem erhalten obsiegende Patienten im Kanton Zürich keine Entschädigung. Brusa: «Die hiesigen Bezirksgerichte berufen sich dafür auf kantonales Sonderrecht. Das Zürcher Obergericht und das Bundesgericht stützen diese verfassungswidrige Auslegung.» Eine Entschädigung müsse deshalb auf dem Weg der Staatshaftung geltend gemacht werden.
Brusa beantragte in einem Fall, dass das Gericht im Falle des Obsiegens von Amtes wegen den grundsätzlichen Anspruch auf Schadenersatz feststellen solle – analog etwa der Regelung im Opferhilferecht. Das Bundesgericht habe davon in BGE 140 III 385 aber nichts wissen wollen.
In diesem Entscheid kommt das Bundesgericht zum Ergebnis, die Regelung der Parteientschädigung sei Sache des kantonalen Gesetzgebers. Und der Kanton Zürich habe für solche Fälle keine Entschädigung vorgesehen. Die schweizerische Prozessordnung sei nur dann anwendbar, wenn die Kantone nichts anderes bestimmen. Abschliessend ergibt sich aus dem Entscheid der Lausanner Richter, dass der Bundesgesetzgeber die Regelung betreffend Parteientschädigung den Kantonen überlassen wollte und damit von Kanton zu Kanton unterschiedliche Lösungen bewusst in Kauf genommen hat.
Im Kanton Zürich besteht weder im Einführungsgesetz zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht noch im subsidiär anwendbaren kantonalen Recht eine gesetzliche Grundlage für einen Anspruch auf eine Parteientschädigung. Das Bundesgericht liess aber offen, ob sich ein Anspruch auf Parteientschädigung ausnahmsweise unmittelbar aus Artikel 5 Ziffer 5 EMRK ergeben könnte.
In Zürich braucht es nur eine Verordnungsänderung
Brusa ist überzeugt: «Wenn der Staat Bürger unter dem Titel der Fürsorge einsperrt, soll das Verfahren der gerichtlichen Überprüfung kostenlos und eine Entschädigung im Erfolgsfall geschuldet sein. Alles andere ist verfassungswidrig.» Brusa schlägt eine Revi-sion des Zürcher Verfahrensrechts vor. «Eine einfache Verordnungsänderung würde im Kanton Zürich genügen.»
Der Zürcher Nationalrat Daniel Vischer überlegt sich einen Vorstoss in Richtung Unentgeltlichkeit des Verfahrens auf die Junisession. Er sagt aber: «Über die Chancen des Vorstosses mache ich mir keine allzu grossen Illusionen.»