An insgesamt 35 Universitäten und Fachhochschulen gibt es seit mehr als einem Jahr keinen Präsenzunterricht mehr. Der Bundesrat verbot Lehrveranstaltungen an den höheren Bildungsinstitutionen. Vorlesungen, Seminare, Kolloquien, Übungen – alle Unterrichtsformen mit direktem Kontakt mussten innert weniger Tage auf Fernunterricht umgestellt werden. Yves Flückiger, Präsident des Dachverbandes der Hochschulen Swissuniversities und Rektor der Universität Genf, macht sich grosse Sorgen, dass bei einer langanhaltenden Umstellung auf Fernunterricht «die Qualität von Lehre und Forschung beeinträchtigt» werde und die Studenten wegen der Isolation einen wesentlichen Teil der Studienerfahrung auf dem Campus verpassten.
Einige Studenten leiden an der Vereinsamung
Hubert Stöckli, Dekan der Rechtsfakultät Freiburg, sieht die gleichen Probleme: «Der Austausch zwischen dem Dozenten und Studenten wird durch ‹Zoom› nicht etwa intensiver – im Gegenteil». Begegnung aber sei fundamental, damit Bildung funktionieren könne. Der Präsenzunterricht sei «lebensprägend, auch wegen den Beziehungen und Begegnungen». Den Onlineunterricht hält Stöckli aus seinem Büro an der Fakultät. Etliche seiner Kollegen haben sich zu Hause die nötige teschnische Ausrüstung installiert.
Aus Evaluationen der einzelnen Kurse weiss der Dekan zwar, dass sich viele Studenten gut mit der aktuellen Situation arrangiert haben. «Aber es gibt eben auch Leute, die an der Vereinsamung leiden.» Die Dozenten würden sich grosse Sorgen um ihre Studenten machen. Durch das Verbot des Präsenzunterrichts stosse die Lehrtätigkeit auf Dauer «bei uns allen» an die Grenzen, so Stöckli. «Die Politik kümmert sich zwar um vieles, aber nicht um die Hochschulen. Das ist ein Drama.»
Die Volksschulen und Gymnasien sind seit vergangenem Herbst praktisch durchgehend geöffnet. «Das ist richtig», meint Stöckli. Lockerungen sollten aber auch für die Hochschulen angedacht werden. «Die Frage ist: Welche Verluste nehmen wir in Kauf und was muten wir den jungen Menschen zu, wenn wir so weiterfahren?» Im Sommer seien es dann drei Semester, die im Fernunterricht stattgefunden hätten. «Das ist ein hoher Preis, den die Studierenden zahlen müssen.» Das gelte besonders auch für die Studienanfänger, die seit über einem Jahr praktisch nur Onlinevorlesungen kennen würden. «Wie sollen sie sich unter solchen Bedingungen zurechtfinden? Das ist enorm schwierig.» Dass die Fakultätsbibliothek offen blieb nennt der Freiburger Professor eine «Errungenschaft». Die Studenten hätten dies enorm geschätzt.
Bibliotheken zogen Scanservice auf
Auch an Rechtsfakultäten wie Zürich oder Luzern blieben die Bibliotheken offen. Plätze in der Zürcher Calatrava-Bibliothek können über ein Reservationssystem vorab gebucht werden. Die Universität Luzern baute den Kopierservice aus. Studenten können Scans, Kopien von Buchkapiteln oder Zeitschriftenartikeln in der Bibliothek bestellen. Der Studienladen bietet Onlinebestellungen und kostenfreie Hauslieferung an. Die Bibliothek der Juristischen Fakultät Basel schloss zwar bis 1. März ihre Tore. Die Studenten konnten aber bis zu 180 Seiten Scans pro Woche beziehen.
Der direkte Kontakt mit der Fakultät ist teilweise via Internet organisiert. An der Uni Luzern über eine eigens eingerichtete Taskforce «Arbeitsgruppe Corona», die unter anderem als Anlaufstelle für studentische Anliegen gedacht ist. Die Zürcher Rechtsfakultät stellte die persönlichen Sprechstunden der Fachstudienberatung und der Mobilitätsberatung auf Video um. Für die Studenten des ersten Jahres organisierte die Universität Freiburg Onlinetreffen zwischen Studenten und Professoren, wo das Studium, Arbeitsmethoden oder Examen besprochen werden können.