Odile Ammann spricht Klartext: «Um den parlamentarischen Lobbyismus zu regulieren, braucht es wohl eine Volksinitiative.» Das Parlament, so die Lausanner Professorin, wehre sich nach wie vor «gegen weitergehende Transparenzvorschriften, die seine eigene Tätigkeit betreffen». Das Parlamentsgesetz sieht im Artikel 11 einzig vor, dass die Ratsmitglieder beim Amtsantritt und jeweils auf Jahresbeginn gewisse Interessenbindungen offenlegen müssen. Diese sind in einem öffentlichen Register einsehbar.
Ein öffentliches Register gibt es auch zu den persönlichen Mitarbeitern der Ratsmitglieder. Ein Blick in das Register des Ständerats zeigt: Von 46 Ratsmitgliedern haben 20 einen persönlichen Mitarbeiter angegeben. Im Nationalrat geben 90 Parlamentarier an, einen persönlichen Mitarbeiter zu beschäftigen. Unter anderem auch dafür erhalten alle Ratsmitglieder eine Jahresentschädigung von 33'000 Franken.
Die Ratsmitglieder sind gemäss Artikel 6c Absatz 3 Parlamentsverwaltungsverordnung verpflichtet, nebst den persönlichen Mitarbeitern auch «deren weitere Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und für diese ausgeübte Tätigkeiten» anzugeben.
Persönliche Mitarbeiter arbeiten für PR-Agenturen
Ein Blick in das Register zeigt, dass mehrere Ratsmitglieder persönliche Mitarbeiter beschäftigen, die auch in PR-Agenturen tätig sind – teils im Kader, etwa als Senior Consultant oder Partner. Ihre Arbeitgeber betreuen Unternehmen aus den unterschiedlichsten Wirtschaftszweigen. Seit 2019 haben die persönlichen Mitarbeiter laut Verordnung auch Zugriff auf «vertrauliche Kommissions-protokolle und -unterlagen».
Ein «Leitfaden für die Ratsmitglieder» hält fest, dass die persönlichen Mitarbeiter die gleichen Zugriffsrechte wie die Mitarbeiter der Fraktionssekretariate erhalten, «aber beschränkt auf die Sachbereichskommissionen, in denen Sie Mitglied sind». Und weiter: «Der Zugriff betrifft die Kommissionsprotokolle und Unterlagen Ihrer Kommission und der Schwesterkommission.»
Artikel 47 des Parlamentsgesetzes stuft die Sitzungen der Kommissionen als vertraulich ein. Deshalb unterliegen die persönlichen Mitarbeiter ebenfalls dem Amtsgeheimnis gemäss Artikel 8 des Parlamentsgesetzes.
Für Banken, Pharma- und Rohstofffirmen tätig
Fabio Regazzi ist seit 2023 Ständerat für die Mitte-Partei und sitzt in der Kommission für Wirtschaft und Abgaben sowie in der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats. Seine persönliche Mitarbeiterin Camilla Lafranchi ist Senior Consultant bei der PR-Agentur Furrer Hugi mit Standorten in Bern, Lausanne, Lugano, Zürich und Brüssel.
Allein im Segment «Public Affairs und Lobbying» führt die Agentur über 70 Kunden auf, wie beispielsweise die beiden Rohstoffunternehmen Glencore und Kolmar Group, die beiden Telekomkonzerne Ericsson und Swisscom, Pharmaunternehmen wie Roche und Novartis, die Swiss Blockchain Federation oder den Verband Schweizerischer Vermögensverwalter, zu dessen Mitgliedern diverse Banken wie die UBS, Julius Bär oder Société Générale zählen.
Ständerat Regazzi gibt im Register der persönlichen Mitarbeiter einzig den Namen von Lafranchi an. Die Angaben zu ihrem Arbeitgeber und zur Funktion fehlen, obwohl er verpflichtet wäre, diese Informationen anzugeben. Die Parlamentsdienste kontrollieren die Einhaltung dieser Gesetzesbestimmung jedoch nicht.
Seine Parteikollegin Andrea Gmür-Schönenberger gibt als persönlichen Mitarbeiter Adrian Bühler an. Auch sie schweigt zum Arbeitgeber und zur Funktion von Bühler. Er ist Partner und Mitinhaber der PR-Agentur Media Work und dort für die Beratung und politische Kommunikation zuständig. Zu den Mandanten der Agentur gehören die UBS, die Bierbrauereien Eichhof und Heineken sowie das im Baubereich tätige Unternehmen Sika. Die Luzerner Ständerätin hat aktuell Einsitz in den Kommissionen für Wirtschaft, Bildung und Kultur, für Verkehr und Fernmeldewesen sowie in der Sicherheitspolitischen Kommission.
Der Luzerner Mitte-Nationalrat Pius Kaufmann gibt ebenfalls einzig den Namen seines persönlichen Mitarbeiters Daniel Piazza an. Dieser ist Partner bei der PR-Agentur Dynamics Group, die Büros in Basel, Bern, Genf, Lausanne und Zürich hat. Gemäss der Internetseite der Firma ist Piazza in Bern als Spezialist für die Unterstützung von «Unternehmen und Organisationen bei der Positionierung und der entsprechenden Interessenvertretung im Kontakt mit Behörden, Verbänden und Politikern» tätig. Die Dynamics Group ist laut eigenen Angaben «für mehr als 200 nationale und internationale Klienten tätig».
plädoyer wollte von den drei Ratsmitgliedern wissen, wie sie verhindern, dass Informationen aus den vertraulichen Kommissionsprotokollen an unberechtigte Unternehmen im Arbeitsumfeld der persönlichen Mitarbeiter gelangen. Andrea Gmür-Schönenberger antwortete nicht. Regazzi und Kaufmann weisen darauf hin, dass ihre Mitarbeiter an das Amtsgeheimnis gebunden sind.
Fabio Regazzi ergänzt, die Zusammenarbeit mit Camilla Lafranchi basiere auch auf einem Vertrauensverhältnis, das über die Jahre aufgebaut worden sei. Dieses Prinzip sei vielleicht nicht formell niedergeschrieben, bilde aber für ihn die Grundlage jeder Arbeitsbeziehung. Pius Kaufmann erklärt: «Mein Mitarbeiter Piazza schaut die vertraulichen Protokolle nicht an.»
Besserer Schutz für vertrauliche Unterlagen
Der Basler Staatsrechtsprofessor Markus Schefer äusserst sich besorgt: «Für mich stellen sich ernsthafte Fragen der Vertraulichkeit des Kommissionsgeheimnisses. Wie kann ein Parlamentarier bei seinem persönlichen Mitarbeiter, der in einer PR-Agentur arbeitet, sicherstellen, dass dieser bei anderen Mandanten nicht auf vertrauliche Informationen zurückgreift?»
Laut Markus Schefer wäre zudem zu fragen, welche Auswirkungen die Anstellung derartiger persönlicher Mitarbeiter auf die Agentur selbst hat: «So müsste die Agentur etwa durch Regelungen sicherstellen, dass die vertraulichen Unterlagen eines Mitarbeiters keinen anderen Angestellten der Agentur zugänglich sind.»
Der Basler Professor schlägt vor, dass die Bundesversammlung Regeln für ihre Mitglieder und die von ihnen angestellten persönlichen Mitarbeiter und deren Agenturen aufstellt, damit das Kommissionsgeheimnis gewahrt bleibt. Denn der Einblick von PR-Beratern in Ratsgeschäfte «untergräbt die Wirksamkeit der Vertraulichkeit von Kommissionsgeheimnissen auf eklatante Weise».