1. Arbeitsrecht
1.1 Lohnfragen
Nach Art. 349a Abs. 2 OR ist eine Abrede, dass der Lohn ausschliesslich oder vorwiegend aus einer Provision besteht, nur dann gültig, wenn aus den Provisionen ein angemessenes Entgelt für die Tätigkeit des Handelsreisenden resultiert. In BGE 139 III 214 entschied das Bundesgericht, dass diese Bestimmung analog auf alle Arbeitnehmer anwendbar ist, die ausschliesslich oder vorwiegend mit Provisionen entschädigt werden. Die Angemessenheit des Entgelts sei unter Berücksichtigung des Arbeitseinsatzes, der Ausbildung, der Dauer des Arbeitsverhältnisses, des Alters, der Branchenusanzen und der sozialen Verpflichtungen des Arbeitnehmers zu bestimmen. Die von der Vorinstanz zugesprochenen 3874 Franken brutto stellten keinesfalls einen Ermessensmissbrauch dar, liege dieser Betrag doch unter dem Medianlohn für unqualifizierte Arbeit.
Gemäss einem Urteil des Bundesgerichts vom 4. Oktober 2013(1) ist die Entschädigung wegen ungerechtfertigter fristloser Kündigung pfändbar. Das Zwangsvollstreckungsrecht kenne keine Bestimmung, die Zahlungen mit Genugtuungsfunktion generell von der Pfändbarkeit ausnehmen würde. Unpfändbar sei eine Genugtuung lediglich, wenn sie wegen einer Gesundheitsstörung geschuldet ist, wozu die seelische Unbill wegen einer Persönlichkeitsverletzung nicht zähle.
In der Zeitschrift AJP 1/2014(2) erschien ein für die Praxis äusserst nützlicher Beitrag von Christoph Senti zum Thema «Rückforderung oder Verrechnung zu viel bezahlter Leistungen durch den Arbeitgeber».
1.2 Konkurrenzverbot
Hier ist auf den bereits erwähnten BGE 139 III 214 zurückzukommen. Gemäss Bundesgericht fiel auch das vom Arbeitnehmer eingegangene vertragliche Konkurrenzverbot dahin, weil die Kündigung aus einem vom Arbeitgeber zu verantwortenden Anlass erfolgt war. Ein weit unter einem angemessenen Entgelt liegender Lohn ist – so das Bundesgericht – ein solcher Anlass.
Das Bundesgericht schützte eine Konkurrenzverbotsklausel gegenüber einer Leiterin einer Personalvermittlungsagentur.(3) Das Gericht befand zunächst, dass die genaue Kenntnis der Zusammensetzung des Kundenkreises durchaus ein Umstand sei, der die bisherige Arbeitgeberin erheblich schädigen könne, wenn diese Kenntnis in Verletzung des Konkurrenzverbots für einen neuen Arbeitgeber verwendet wird.
Der Arbeitnehmerin hielt das Bundesgericht entgegen, im Vergleich zum schützenswerten Interesse der ehemaligen Arbeitgeberin sei ihr wirtschaftliches Fortkommen durch das Konkurrenzverbot nicht unbillig erschwert worden. Sie sei nicht gezwungen gewesen, für ein Personalvermittlungsbüro zu arbeiten, das auf dem gleichen Markt tätig ist; als kaufmännische Angestellte habe sie vielfältige anderweitige Arbeitsmöglichkeiten gehabt. Auch den der Arbeitgeberin zugesprochene Betrag von 63 000 Franken befand das Bundesgericht angesichts der Höhe der vertraglich vereinbarten Konventionalstrafe (100 000 Franken) zwar als an der oberen Grenze liegend, jedoch nicht als übermässig hoch. Gemäss der Lehre gelte das Jahresgehalt des Arbeitnehmers als Obergrenze für die Konventionalstrafe. Zulasten der Arbeitnehmerin sei zu berücksichtigen, dass sie eine Kaderangehörige gewesen sei und dass sie das Konkurrenzverbot kurz nach Ablauf der Kündigungsfrist verletzt habe, deren Verkürzung von der Arbeitgeberin freiwillig zugestanden worden war.
1.3 Fürsorgepflicht
Einen Fall falscher Referenzauskünfte behandelte das Bundesgericht in einem Urteil vom 31. Juli 2013.(4) Ein Waadtländer Spital hatte eine Krankenschwester entlassen. Auf deren Klage gegen die Kündigung hin wurde ein Vergleich geschlossen, wonach das Spital der Krankenschwester 30 000 Franken zu bezahlen hatte.
Nachdem die Krankenschwester eine bestimmte neue Stelle nicht erhalten hatte, verklagte sie das Spital ein zweites Mal, diesmal auf Schadenersatz und Genugtuung wegen falscher Referenzauskünfte. Es gelang der Krankenschwester zu beweisen, dass die Referenzauskunft des Spitals ausschlaggebend dafür gewesen war, dass sie die neue Stelle nicht erhalten hatte.
Die Auskunft hatte die (falschen) Behauptungen zum Inhalt, dass die ehemalige Angestellte gegen das Spital einen Mobbingprozess angestrengt und verloren habe und dass schon andere Arbeitgeber Probleme mit dieser Angestellten gehabt hätten, weshalb man ihre Anstellung nicht empfehlen könne. Das gute Arbeitszeugnis habe man nur deshalb ausgestellt, weil das Gesetz eine negative Auskunft verbiete. Das Kantonsgericht Waadt hatte den Kausalzusammenhang zwischen Auskunft und Nichterhalt der Stelle zwar für erwiesen gehalten, die Schadenersatzklage jedoch deshalb abgewiesen, weil die Krankenschwester ohnehin aus gesundheitlichen Gründen arbeitsunfähig gewesen sei.
Das Bundesgericht hob dieses Urteil auf. Es erwog, dass eine Verletzung der Fürsorgepflicht von Art. 328 OR vorliege. Die Referenzauskunft sei schädlich und ungenau gewesen. Man könne aufgrund der vorhandenen Unterlagen auch nicht sagen, dass die Arbeitnehmerin vollständig arbeitsunfähig gewesen sei, als sie sich für die neue Stelle beworben habe. Die Vorinstanz wurde deshalb aufgefordert, neu über den Schadenersatz zu befinden.
Auch die Abweisung der Genugtuungsforderung wurde vom Bundesgericht aufgehoben. Voraussetzung für eine Genugtuung nach Art. 49 OR sei nicht ein Gesundheitsschaden. Es sei durch die Auskunft des behandelnden Psychiaters glaubwürdig nachgewiesen, dass die falsche Referenzauskunft die Persönlichkeit der Arbeitnehmerin in genügend schwerwiegender Weise beeinträchtigt habe, sodass eine Genugtuung geschuldet sei.
1.4 Kündigung
Einen bemerkenswerten Entscheid fällte der Staatsrat des Kantons Wallis am 27. November 2013 in einem die Kündigung eines Abteilungsleiters einer Gemeinde betreffenden Fall.(5) Die Gemeinde hatte sich wiederholt gegenüber Medien wie auch gegenüber der Bevölkerung zur Kündigung und ihren Hintergründen geäussert und dem Abteilungsleiter dabei öffentlich Pflichtverletzungen unterstellt.
Der Staatsrat hob nicht nur die Kündigung wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs auf, sondern verurteilte die Gemeinde darüber hinaus dazu, sämtliche Haushaltungen und alle auf dem Gemeindegebiet tätigen Unternehmungen per Brief über den Entscheid des Staatsrats zu informieren. Gestützt wurde diese öffentliche Rehabilitation des Gemeindeangestellten auf Art. 28a Abs. 2 ZGB. Der Gemeinde wurde vorgehalten, es sei ihr um eine gezielte Diskreditierung des Angestellten gegangen.
1.5 Arbeitsgesetz
Die X GmbH betrieb einen Tankstellenshop. Sie liess Familienmitglieder von geschäftsführenden Gesellschaftern am Sonntag arbeiten. Das kantonale Arbeitsinspektorat stellte fest, dass die X GmbH kein Familienbetrieb im Sinne von Art. 4 ArG sei, und hielt die Gesellschaft unter Androhung der Straffolgen gemäss Art. 292 StGB dazu an, an Sonn- und Feiertagen kein Personal mehr für den Verkauf von nicht bewilligten Waren zu beschäftigen.
Das Bundesgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde in BGE 139 II 529(6) letztinstanzlich ab. Da das Arbeitsgesetz den Schutz der Arbeitnehmer bezwecke, sei die Ausnahmebestimmung, wonach es auf Familienbetriebe nicht anwendbar ist, restriktiv auszulegen, umso mehr, als die Familienbeziehungen an und für sich ein erhebliches Ausbeutungsrisiko bergen würden.
Nur natürliche Personen könnten Familienbeziehungen haben. Deshalb könne die Ausnahmebestimmung nicht auf Familienangehörige einer juristischen Person angewandt werden. Eine Erweiterung der Ausnahme auf juristische Personen würde Missbräuchen Tür und Tor öffnen, denn es müsste nur die Zahl der geschäftsführenden Gesellschafter erweitert werden, um weitere Familien dem Schutz des Gesetzes zu entziehen, wie dies im beurteilten Fall auch geschehen sei, so die Erwägungen des Bundesgerichts dazu.
1.6 Internationales Privatrecht
Ein Unternehmen mit Sitz in Glarus beschäftigte einen deutschen Bäcker in Kabul. Der Arbeitsvertrag sah eine vertragliche Wegbedingung der Entschädigung von Überstunden vor. Er wurde schweizerischem Recht unterstellt; Glarus wurde als Gerichtsstand vereinbart.
Der Arbeitnehmer machte eine Überzeitforderung gestützt auf Art. 13 ArG im Betrag von 118 178 Euro geltend. Er argumentierte, dass gemäss Art. 342 Abs. 2 OR öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zu einem zivilrechtlichen Erfüllungsanspruch führten, wenn die Verpflichtung Inhalt eines Einzelarbeitsvertrags sein könne.
Das Bundesgericht trat dieser Ansicht in BGE 139 III 411 entgegen und befand, dass das Arbeitsgesetz nur auf in der Schweiz beschäftigte Arbeitnehmer direkt anwendbar sei und dass über Art. 342 Abs. 2 OR nur effektiv bestehende öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zu zivilrechtlichen Ansprüchen führen könnten.
1.7 Gesamtarbeitsvertrag
In BGE 139 III 60(7) hatte das Bundesgericht zu entscheiden, ob eine Arbeitnehmerin einem GAV für Festangestellte oder einem (für sie ungünstigeren) GAV für Aushilfspersonal unterstellt war. Beide GAV waren zwischen dem VPOD und der X. SA abgeschlossen worden. Und beide enthielten eine Klausel, dass der GAV auf alle Angestellten anwendbar sei, unabhängig davon, ob diese einer Gewerkschaft angehörten oder nicht (Gleichbehandlungs- oder Allgemeinverbindlichkeitsklausel).
Die Vorinstanz hatte der Arbeitnehmerin die Berufung auf den GAV Festangestellte unter Verweis auf BGE 123 III 129 verwehrt. Gemäss dieser Rechtsprechung verleihe eine Gleichbehandlungsklausel gewerkschaftlich nicht organisierten Arbeitnehmern keine zivilrechtlichen Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber.
Das Bundesgericht bestätigte zwar seine Rechtsprechung, dass eine Allgemeinverbindlichkeitsklausel in einem zwischen Verbänden abgeschlossenen Gesamtarbeitsvertrag nicht normativer, sondern obligatorischer Natur sei. In casu handle es sich indes um einen Firmen-Gesamtarbeitsvertrag. Die Auslegung ergab, dass es dem Willen der am GAV beteiligten Parteien entspreche, den nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern einen eigenständigen Rechtsanspruch einzuräumen. Ein solcher Vertrag sei als echter Vertrag zugunsten Dritter einzustufen. Das Bundesgericht hiess deshalb die Beschwerde der Arbeitnehmerin gut.
Gemäss BGE 139 III 165 sind Betriebe, die Erdwärmesondenbohrungen durchführen, dem Tiefbau zuzurechnen. Sie unterstehen daher dem GAV für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe. Ausgangspunkt für die Zuordnung eines Betriebs ist die auf dem Markt angebotene Leistung. Den dabei als integrierender Bestandteil anfallenden Hilfs- und Nebentätigkeiten komme keine eigenständige Bedeutung zu, selbst wenn sie einen grösseren Arbeitsaufwand als die Grundleistungen erforderten.
1.8 Zivilprozessordnung
Der Wert eines Arbeitszeugnisses kann nicht losgelöst vom konkreten Fall auf einen Bruchteil oder ein Mehrfaches des Monatslohns festgesetzt werden. Wie wichtig das Zeugnis objektiv ist, hängt vielmehr von der Situation auf dem Arbeitsmarkt sowie von der Funktion und Qualifikation des Arbeitnehmers ab.(8)
1.9 Gesetzgebung
1.9.1 Sanierungsrecht
Am 1. Januar 2014 trat das revidierte Sanierungsrecht in Kraft. Es ist auch in arbeitsrechtlicher Hinsicht von grosser Bedeutung. Gemäss dem neuen Art. 333b OR gehen bei einer Betriebsübertragung während einer Nachlassstundung, im Rahmen eines Konkurses oder eines Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung die Arbeitsverhältnisse nur noch dann auf den Erwerber über, wenn dies mit ihm vereinbart wurde.
Es gibt somit keinen automatischen Übergang des Arbeitsverhältnisses mit allen Rechten und Pflichten mehr. Die bisher zwingende Solidarhaftung des Erwerbes mit dem Veräusserer für die vorbestehenden Arbeitnehmerforderungen nach Art. 333 Abs. 3 OR entfällt in diesen Sanierungsfällen ebenfalls. Auch das Konsultationsverfahren muss nicht mehr durchgeführt werden.
Im Gegenzug zu diesem Abbau von Arbeitnehmerrechten wurde eine Sozialplanpflicht ins Gesetz aufgenommen. Allerdings gilt sie nur für Arbeitgeber mit mindestens 250 Arbeitnehmern und falls mindestens 30 Kündigungen beabsichtigt sind.
Wenn die Bestimmungen über den Sozialplan anwendbar sind, ist der Arbeitgeber verpflichtet, mit den am Gesamtarbeitsvertrag beteiligten Arbeitnehmerverbänden, mit der Arbeitnehmervertretung oder direkt mit den beteiligten Arbeitnehmern über einen Sozialplan zu verhandeln. Kommt keine Einigung zustande, kann ein Schiedsgericht angerufen werden, das einen Sozialplan durch verbindlichen Schiedsspruch erlässt. Eine Kommentierung dieser neuen Sozialplanpflicht durch Jean Christophe Schwaab findet sich in ARV 4/2013.(9)
1.9.2 Entsendegesetz
Am 15. Juli 2013 trat die Revision des Entsendegesetzes vom 14. Dezember 2012 in Kraft. Sie führte im gänzlich neu gefassten Art. 5 eine Haftung des Erstunternehmers für die Nichteinhaltung der in Art. 2 statuierten Mindestlohnbestimmungen und Arbeitsbedingungen durch Subunternehmer ein, allerdings beschränkt auf das Bauhaupt- und -nebengewerbe.
Die Solidarhaftung des Erstunternehmers gilt für sämtliche ihm nachfolgenden Subunternehmer in einer Auftragskette. Der Erstunternehmer kann sich von der Haftung befreien, wenn er sich die Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen durch die Subunternehmer anhand von Dokumenten und Belegen glaubhaft darlegen liess. Die Solidarhaftung kommt nur zum Zuge, wenn der Subunternehmer zuvor erfolglos belangt wurde oder nicht belangt werden kann.
1.9.3 Bundespersonalgesetz
Seit dem 1. Juli 2013 steht das revidierte Bundespersonalgesetz in Kraft. Es brachte insbesondere eine Aufweichung des Kündigungsschutzes für die Bundesangestellten. Eine der Kündigung vorangegangene Abmahnung ist nicht mehr zwingend vorgeschrieben. Von grösster praktischer Relevanz ist die Neuerung, dass Beschwerden nur noch dann aufschiebende Wirkung haben, wenn es die Beschwerdeinstanz anordnet. Eine Weiterbeschäftigungspflicht besteht im Wesentlichen nur noch, wenn eine Beschwerde gutgeheissen und die Kündigung von der Beschwerdeinstanz als missbräuchlich im Sinne von Art. 336 OR oder als gegen das Gleichstellungsgesetz verstossend qualifiziert wird.
2. Mietrecht
2.1 Zivilprozessordnung
Noch immer ist das Bundesgericht damit beschäftigt, die einheitliche Anwendung der ZPO zu gewährleisten und offene Fragen im Zivilprozess zu klären. Das gilt auch für die mietrechtlichen Verfahren.
2.1.1 Fristenlauf für Kündigungsschutzbegehren
Kurz vor Weihnachten setzte das Bundesgericht einen Paukenschlag. In knapper Form hielt es fest, dass sich der Beginn des Fristenlaufs für die Einreichung eines Kündigungsschutzbegehrens nach der absoluten Empfangstheorie richte.(10) Nicht nur die Aussage überraschte, sondern auch die Form. Die Klarstellung einer bis dahin umstrittenen Frage wurde in einem Nichteintretensentscheid als obiter dictum platziert.
Der Paukenschlag schreckte die Praktikerinnen und Praktiker im Mietrecht auf, aber nicht nur sie. Jedenfalls reagierte Prof. Dr. Thomas Koller mit einem kritischen Kommentar unter dem Titel «Wenn mir Mon-Repos die Ruhe raubt…».(11) Harald Bärtschi und Ruedi Ackermann doppelten mit einer fundierten und ebenso kritischen Auseinandersetzung über die Fristberechnung im Mietrecht nach.(12)
Die Berechnung des Fristenlaufs bei Kündigungen gehört zu den in der Lehre umstrittenen Fragen. Das galt bis vor kurzem sowohl für die Frage, wann eine Kündigung noch rechtzeitig bei der Gegenpartei eintrifft, als auch wann der Fristenlauf für ein Kündigungsschutzbegehren beginnt.
Die erste Frage beantwortete das Bundesgericht in seinem Leitentscheid vom 14. Februar 2011.(13) Die Kündigung ist rechtzeitig, wenn sie noch vor Ablauf der Kündigungsfrist im Machtbereich des Empfängers eintrifft. Damit schloss sich das Bundesgericht der in der Deutschschweiz verbreiteten Anwendung der absoluten Empfangstheorie an. Doch dem Entscheid war nicht zu entnehmen, dass diese Regelung fortan auch für den Fristenlauf bei einer Anfechtung der Kündigung oder bei einer Erstreckungsklage gelten soll. Die in der Deutschschweiz verbreitete Praxis übertrug den Entscheid jedenfalls nicht auf den Fristenlauf für die Kündigungsschutzklagen. Das sieht nach dem Paukenschlag des Bundesgerichts nun anders aus.
Kann der Postbote die eingeschriebene Kündigung nicht zustellen, löst bereits die erste Abholmöglichkeit am Postschalter den Fristenlauf aus. Sie gilt als Tag null für die Berechnung der dreissigtägigen Frist, innert der die Mietpartei den Kündigungsschutz anrufen kann. In aller Regel ist das der dem erfolglosen Zustellungsversuch des Postboten folgende Tag.
Hingegen gilt für die Anfechtung von Mietzinserhöhungen und bei der Nachfristansetzung im Falle eines Zahlungsverzugs (Art. 257 OR) weiterhin die relative Empfangstheorie.(14) Der Mietpartei soll hier nach Bundesgericht die volle Frist zur Verfügung stehen, um den abgemahnten Zahlungsausstand zu begleichen oder um im Hinblick auf eine Mietzinserhöhung noch rechtzeitig zu kündigen. Das gewährt nur die relative Empfangstheorie. Sie knüpft bei der Berechnung der Frist an den Tag an, an dem die Postsendung tatsächlich am Schalter abgeholt wurde. Wird die Sendung nicht abgeholt, gilt der siebente Abholtag als Empfangstag.
Es fragt sich, ob diese Überlegungen nicht gleichermassen auf den Fristenlauf für das Kündigungsschutzbegehren zutreffen. Die erwähnten kritischen Kommentare zeigen, dass es dafür gute Gründe gibt. Sicher aber schuldet das Bundesgericht zu seiner Lösung eine vertiefte Begründung. Bis dahin muss der Fristenlauf für Kündigungsschutzbegehren nach absoluter Empfangstheorie berechnet werden. Andernfalls droht die Verwirkung dieser Rechtsbehelfe.
2.1.2 Mietgericht oder Handelsgericht
Im Kanton Zürich ist das Mietgericht für mietrechtliche Streitigkeiten zuständig. Gleichzeitig ist das Handelsgericht einzige kantonale Instanz für handelsrechtliche Streitigkeiten. Was nun, wenn die handelsrechtliche Streitigkeit den Zahlungsverzug für eine Geschäftsmiete betrifft? Die ZPO gibt auf diese Frage keine klare Antwort.
Die Klärung musste durch das Bundesgericht erfolgen.(15) Für die sachliche Zuständigkeit ist demnach die für das Prozessthema vorgesehene Verfahrensart entscheidend. Das Bundesgericht leitet das aus der dienenden Funktion des Prozessrechts ab. In erster Linie soll das Prozessrecht dem materiellen Recht zum Durchbruch verhelfen. Sieht die ZPO für alle Streitigkeiten aus dem Kernbereich des Mietrechts das vereinfachte Verfahren vor (Art. 243 Abs. 2 lit. c ZPO), müssen alle diese Streitigkeiten in einem einheitlichen Verfahren geführt werden. Das schliesst die Zuständigkeit des Handelsgerichts aus, denn vor diesem Gericht gilt ein anspruchsvolleres Verfahren.
2.1.3 Vertretung des Mieters vor Schlichtungsbehörde
Zuhanden des Kantons Genf präzisierte das Bundesgericht,(16) dass die ZPO abschliessend regelt, in welchen Fällen sich der Mieter an der Schlichtungsverhandlung vertreten lassen kann. Diese Regelung lasse keinen Raum offen für abweichende kantonale Bestimmungen. Die Vertretung ist nur in jenen Fällen erlaubt, in denen der Mietpartei das persönliche Erscheinen erlassen wird. Dafür braucht der Mieter gute Gründe, die in Art. 204 Abs. 3 lit. a ZPO abschliessend aufgezählt werden. Erscheint eine Mietpartei nicht persönlich zur Verhandlung und wurde ihr auch keine Vertretung erlaubt, gilt ihre Klage als zurückgezogen.
Der Kanton Genf wollte diese harte Konsequenz mit ergänzenden Bestimmungen abfedern, wurde dabei aber vom Bundesgericht gestoppt. Hart ist die Konsequenz, wenn die Klage nicht erneut eingebracht werden kann. Ein Kündigungsschutzbegehren oder die Anfechtung einer Mietzinserhöhung sind damit bei Säumnis verwirkt. Doch ist das Bundesgericht bereit, diese Säumnisfolge auf andere Weise zu entschärfen. Im zitierten Entscheid stellte es klar, dass die Wiederherstellung einer so verwirkten Frist möglich sein muss, falls den Mieter oder seinen bewilligten Vertreter kein oder nur ein leichtes Verschulden trifft. Im zitierten Entscheid setzt sich das Bundesgericht im Übrigen eingehend mit der Entstehungsgeschichte der ZPO- Bestimmung auseinander und mit den Gründen, die den Gesetzgeber bewogen, dem Mieter die Vertretung nur in Ausnahmefällen zu erlauben, sie beim Vermieter aber ohne Einschränkung zuzulassen.
Eine weitere Milderung des Rechtsverlustes findet sich in einem zweiten Entscheid des Bundesgerichts.(17) Die Schlichtungsbehörde oder das erstinstanzliche Gericht müssen gegen die Abweisung eines Wiederherstellungsgesuchs ein Rechtsmittel gewähren, wenn diese Abweisung zu einem Rechtsverlust führt. Denn damit kommt sie einem gerichtlichen Entscheid gleich. Dieser Entscheid ergänzt die ZPO, denn der Wortlaut von Art. 149 ZPO sieht ein solches Rechtsmittel nicht vor.
2.1.4 Schonfrist bei Zwangsausweisung
Ein Geschäftsmieter in Genf, der drei Büroräume und ein Archiv in Untermiete benutzte, wehrte sich ohne Erfolg bis vor Bundesgericht gegen seine Ausweisung. Sein Untermietverhältnis wurde mit der Begründung gekündigt, dass das Hauptmietverhältnis ende. Das traf im Zeitpunkt der Kündigung auch zu. Später dann ergab sich, dass der Hauptmieter sein Mietverhältnis fortsetzte. Der Ausweisungsrichter hiess die gegen den Untermieter angestrengte Ausweisung mit Entscheid vom 20. Dezember 2012 gut und ermächtigte den Hauptmieter, den Zwangsvollzug der Ausweisung ab 31. Januar 2013 zu verlangen.
Der Untermieter verlangte eine Rückweisung des Falles, allenfalls einen Aufschub der Zwangsvollstreckung bis 2014. Damit drang er vor Bundesgericht nicht durch. Allerdings stellte das Bundesgericht bei dieser Gelegenheit fest, es sei nicht zu beanstanden, wenn der Ausweisungsrichter eine angemessene Schonfrist einräumt und den Vollzug der Ausweisung damit aufschiebt.(18) Die Betonung liegt hier aber auf dem Begriff «angemessen», der nur eine kurze Zeitspanne beinhalten kann.
2.2 Mietzins
2.2.1 Verteilschlüssel bei Sanierungskosten
Die Rechtsprechung im Bereich Mietzins ist gefestigt. Seitens des Bundesgerichts bringt nur ein einziger Leitentscheid neue Informationen.(19) Er befasst sich mit den zulässigen Verteilschlüsseln für die Überwälzung von Sanierungskosten. Zu beurteilen war die Mietzinserhöhung nach der umfassenden Sanierung einer Siedlung mit 96 Wohnungen. Zu den Arbeiten gehörten im Wesentlichen die bessere Isolation von Fassade und Dach, Erneuerung der Balkone und Sanierung der Kanalisation.
Die Vermieterin überwälzte die wertvermehrenden Kosten auf die einzelnen Wohnungen nach ihrer Zimmerzahl. Die Genfer Richter setzten dagegen die erlaubte Mietzinserhöhung für die ganze Siedlung ins Verhältnis zu den jährlichen Nettomietzinseinnahmen und kamen so für den betreffenden Mieter zu einem günstigeren Ergebnis.
Bereits in früheren Entscheiden hatte das Bundesgericht ausgeführt, dass es verschiedene Methoden gibt, die Wertvermehrung für das einzelne Mietobjekt zu bestimmen. Dazu gehören der Verteilschlüssel nach den Regeln des Stockwerkeigentums, die Aufteilung nach Flächenanteil der Mietobjekte, nach deren Volumen, nach der Zimmerzahl, aber auch nach dem prozentualen Anteil der wertvermehrenden Investitionen im Verhältnis zum bisherigen jährlichen Mietzins für die ganze Liegenschaft. Der angewendete Verteilschlüssel muss jedoch korrekt widerspiegeln, in welchem Ausmass die Sanierung dem einzelnen Mietobjekt zugute kommt. Nur wenn der Vermieter einen Verteilschlüssel wählt, der diesen Grundsatz verletzt, kann der Richter korrigierend eingreifen.
Da im vorgelegten Fall die Aufteilung der Kosten nach Anzahl Zimmer nicht zu beanstanden war, hob das Bundesgericht das angefochtene Urteil auf und beauftragte die kantonale Instanz, die zulässige Mietzinsüberwälzung nach dem von der Vermieterin gewählten Verteilschlüssel festzusetzen.
2.2.2 Ortsüblichkeit und alternative Begründung
Der Mietzins einer Liegenschaft in der Stadt Zürich musste nach Entlassung aus der staatlichen Mietzinskontrolle und nach erfolgter Sanierung neu festgesetzt werden. Die Erhöhung wurde mit dem amtlichen Formular wie folgt begründet: «Mietzinsanpassung an die Orts- und Quartierüblichkeit nach Entlassung der Liegenschaft aus der staatlichen Mietzinskontrolle unter Berücksichtigung der getätigten Investitionen (umfassende Sanierung) von rund 13,5 Millionen Franken.» Dem folgten die Kostenstände des neuen Mietzinses.
Zunächst prüften Mietgericht und Obergericht Zürich den quartierüblichen Mietzins.(20) Nebst der Anwendung der vom Bundesgericht entwickelten Grundsätze mussten sich die Gerichte insbesondere mit dem Begriff «Quartier» in der Stadt Zürich beschäftigen. Sie befürworteten eine grosszügige Betrachtung. Massgebend sind nach ihren Ausführungen nicht allein die stadtpolitischen beziehungsweise statistischen Quartiergrenzen. Das sind in Zürich die Stadtkreise. Sie sind nur der Ausgangspunkt. Das Erscheinungsbild eines Stadtkreises kann es aber nahelegen, Teile eines angrenzenden Kreises zu berücksichtigen. Trotz dieser offenen Auslegung des Quartierbegriffs scheiterte dann aber der strikte Beweis des quartierüblichen Mietzinses an den vom Bundesgericht streng ausgelegten Vergleichskriterien.
Die Vermieterin stellte sich allerdings auf den Standpunkt, die Mietzinserhöhung sei nicht nur mit der Quartierüblichkeit begründet, sondern alternativ dazu auch mit der Überwälzung der umfassenden Sanierung. Doch konnten die Gerichte keine gültige alternative Begründung der Mietzinserhöhung erkennen. Die Begründung berufe sich einzig auf die Ortsüblichkeit. Die Sanierung sei nur hilfsweise erwähnt. Eine alternative Begründung, so das Obergericht des Kantons Zürich, hätte sprachlich klarer ausgedrückt werden müssen. Sie hätte eine primäre Erhöhung zur Anpassung an die orts- und quartierüblichen Verhältnisse festhalten müssen und eine sekundäre beziehungsweise alternative Erhöhung, die einzig mit der Sanierung begründet wird. Die gewählte Formulierung im Erhöhungsformular drücke dies nicht aus.
2.3 Kündigungsschutz
2.3.1 Teilkündigung
Die Zulässigkeit einer Teilkündigung entscheidet sich an der Frage, ob im konkreten Fall ein einheitliches Mietverhältnis vorliegt, bei dem der Mieter die einzelnen Objekte nur zusammen sinnvoll nutzen kann.
Das Bundesgericht hatte einen Fall zu entscheiden,(21) bei dem diese Voraussetzung schon deshalb nicht erfüllt war, weil die Vermieterin für das Hauptobjekt (Restaurant) nicht identisch war mit der Vermieterin für das Nebenobjekt (Büroanteil). Doch nahm es die Gelegenheit wahr, näher auf die Grundsätze der unzulässigen Teilkündigung einzugehen. Es stellte dabei nicht allein auf die sinnvolle Nutzung durch den Mieter ab, sondern betonte, dass die vorausgesetzte Einheit auch für den Vermieter bereits bei Vertragsabschluss ersichtlich sein muss. Vor allem wenn separate Verträge abgeschlossen wurden, hat der Mieter nach Ansicht des Bundesgerichts oft auch bei Wegfall der Nebensache weiterhin ein Interesse an der Benutzung der Hauptsache. Das Bundesgericht ist daher nicht ohne weiteres bereit, von einer unzulässigen Teilkündigung auszugehen.
2.3.2 Kündigung der Hauswartwohnung
Bei einer klassischen Hauswartwohnung ist die Wohnung an die Hauswartstelle gebunden. Es liegt ein gemischter Vertrag vor mit arbeits- und mietrechtlichen Elementen. Nach der bundesgerichtlichen Praxis kann die Kündigung nur einem einzigen Recht folgen. Ob Arbeits- oder Mietrecht anwendbar ist, richtet sich nach dem überwiegenden Element.
Bei der klassischen Hauswartwohnung entscheidet sich diese Frage gemäss einem neuen Urteil des Bundesgerichts nach wirtschaftlichen Kriterien.(22) Ist der vereinbarte Hauswartlohn höher als der Mietzins, folgt die Kündigung dem Arbeitsrecht. Das Bundesgericht nimmt damit in Kauf, dass der Hauswart bei seiner Entlassung gleichzeitig ein Einkommen und die Wohnung verliert. Dabei kann ihm die Wohnung ohne Formularanzeige und unter Umständen relativ kurzfristig gekündigt werden. Eine Erstreckung steht dem entlassenen Hauswart nicht zu.
2.3.3 Unterschrift unter Vermieterkündigung
Das Bundesgericht zeigt eine Tendenz, die speziellen Formvorschriften zum Schutz der Mietpartei aufzulockern. Bereits in einem Leitentscheid vom 5. März 2012 erachtete es eine Mietzinserhöhung mit bloss faksimilierter statt eingehändigter Unterschrift zwar als ungültig, erklärte jedoch, die Berufung auf diese Formungültigkeit sei missbräuchlich, solange der Mieter die Erklärung einer eindeutig identifizierbaren Person zurechnen könne.(23) Das dürfte in einem Mietverhältnis in aller Regel der Fall sein. In einem früheren Entscheid sah das Bundesgericht diesen Rechtsmissbrauch noch nicht.(24)
Ein ähnlicher Entscheid erging nun im Bereich Kündigung.(25) Für die Vermieterkündigung gilt die Formularanzeige und damit eine qualifizierte Schriftform als Gültigkeitserfordernis. Dazu gehört nach Auffassung des Bundesgerichts weiterhin eine Originalunterschrift. Doch muss diese Unterschrift nicht auf dem Formular selbst stehen. Vielmehr genügt es nach neuer Rechtsprechung, wenn einzig der Begleitbrief zu einer fotokopierten Formularanzeige original unterzeichnet ist, sofern damit auf die Kündigung Bezug genommen wird.
Das Bundesgericht stellt fest, dass weder Gesetz noch Verordnung die Originalunterschrift auf der Formularanzeige vorschreiben. Daher müsse die qualifizierte Schriftlichkeit nicht mit der Formularanzeige selbst erfüllt werden. Folgt man diesen Argumenten, kann der Begleitbrief alles auffangen, was zur qualifizierten Schriftlichkeit gehört, aber nicht als Angabe auf dem Formular vorgeschrieben ist. Mit dieser Auslegung will das Bundesgericht die Berufung auf die Formnichtigkeit auch bei einer Formularkündigung verhindern, wenn dem Mieter zweifelsfrei alle Informationen zukommen, die er benötigt, um seine Rechte gültig wahrzunehmen.
2.3.4 Kündigung gegen Treu und Glauben
Die Genfer Gerichte erachteten eine Kündigung aus rein spekulativen Motiven als missbräuchlich. Sicher hat zu diesem Urteil beigetragen, dass es sich um einen krassen Fall handelte. Die Vermieterin, eine Firma, die mit Immobilien handelt, hatte insgesamt sieben Wohnungen für 4,3 Millionen Franken erworben und sechs davon für insgesamt 6,95 Millionen Franken weiterverkauft. Die siebente Wohnung wurde gekündigt, weil die Vermieterin sie für 1,5 Millionen Franken ebenfalls verkaufen wollte. Das Bundesgericht erachtete die Kündigung als zulässig.(27) Zwar setze das Mietrecht dem Profit aus Immobilien Grenzen, doch dürfe daraus nicht abgeleitet werden, dass eine Kündigung nicht mehr schutzwürdig sei, wenn sie der Spekulation diene. Das Gewerbe des Immobilienhändlers unterstehe der Vertragsfreiheit.
Immerhin erhöhte das Bundesgericht die Erstreckung in diesem Fall auf die Maximaldauer von vier Jahren, obwohl die Kündigung rund ein Jahr im Voraus angezeigt worden war. Den Mieterinnen stand damit eine Suchdauer von insgesamt rund fünf Jahren zur Verfügung. Vom Haushalteinkommen her waren die Mieterinnen, eine betagte Mutter mit erwachsener Tochter, kein Härtefall. Doch Wohnungsnot und eine bereits lange Mietdauer überwogen die Interessen der Vermieterin an einer Profitmaximierung. Das galt insbesondere, weil es keine finanziellen Gründe gab, welche die Vermieterin zu einem raschen Verkauf des Mietobjekts zwangen.
Als treuwidrig erachtete das Bundesgericht demgegenüber die Kündigung einer Wohnung, welche die Vermieterin, eine Aktiengesellschaft, zunächst ohne Begründung anzeigte.27 Auf Nachfrage gab die AG an, sie wolle die Wohnung einer nahestehenden Person überlassen. Vor Mietgericht relativierte sie diese Aussage, weil die einzige Aktionärin der Gesellschaft eine Holding war, und ergänzte, die Wohnungen würden renoviert und danach entweder im Stockwerkeigentum verkauft oder aber an eine Person vermietet, die der Holding nahesteht.
All das war dem Bundesgericht zu wenig konkret und aktuell. Als die Vermieterin zudem über die geplanten Renovationsarbeiten nur vage Angaben machte und noch nicht in der Lage war, eine konkrete Person als Nachmieterin zu bezeichnen, schützte das Bundesgericht die Auffassung der Vorinstanz, welche die geltend gemachten Gründe als blossen Vorwand betrachtet hatte. In jedem Fall fehle zumindest ein aktuelles und konkretes Interesse an der Kündigung.
2.4 Vorzeitiger Auszug, Wille zur Rückgabe
Erklärt der Mieter seinen Auszug, räumt das Mietobjekt und schickt die Schlüssel zurück, muss der Vermieter allfällige Instandstellungsforderungen umgehend nach Erhalt der Schlüssel geltend machen. Und zwar auch dann, wenn die Mietzinszahlungspflicht des Mieters andauert. Das ist nicht neu, wird aber in der Praxis doch immer wieder übersehen.
Das Bundesgericht erläuterte in einem neuen Entscheid im Einklang mit der Lehre die Grundsätze des vorzeitigen Auszugs.(28) Danach kommt Art. 264 OR zur Anwendung, sobald der Mieter seinen Auszug unmissverständlich erklärt, die Wohnung räumt und die Schlüssel zurückgibt. Der Wille zur Rückgabe wird nicht schon zweifelhaft, wenn noch einige Gegenstände im Mietobjekt zurückbleiben. Das bewirkt nur eine allfällige Entsorgung auf Kosten des Mieters.
«Umgehend» heisst nach verschiedenen Autoren eine Mängelrüge innert zwei bis drei Arbeitstagen nach Erhalt der Schlüssel. Für andere ergibt sich die tolerierte Frist aus den konkreten Umständen. Die eher vermieterfreundliche Literatur räumt dem Vermieter dafür eine Frist von einer Woche ein. Was nun gilt, hatte das Bundesgericht nicht zu entscheiden, da der Vermieter im strittigen Fall auch aus vermieterfreundlicher Sicht zu spät reagiert hatte und seine Forderungen damit verwirkt waren.
Das Kantonsgericht Waadt ortete einen vorzeitigen Auszug, wenn eine von mehreren Mitmieterinnen um Entlassung aus dem Mietvertrag ersucht und die andern erklären, dass sie das Mietverhältnis alleine weiterführen wollen.(29) Die ausziehende Mieterin erklärt damit nach Auffassung des Kantonsgerichts ihren vorzeitigen Auszug und präsentiert dem Vermieter gleichzeitig Nachmieterinnen. Im vorliegenden Fall reagierte der Vermieter auf diese gemeinsame Erklärung der Mieterinnen nicht. Das wurde ihm vom Kantonsgericht als unzulässige Ablehnung der Nachmieter ausgelegt.
Die Konstruktion ist kühn und ungewöhnlich. Sie findet sich in einem Rechtsöffnungsentscheid und ist zumindest ein überdenkenswerter Lösungsansatz für das Vorgehen einer Gemeinschaft von Mitmietern, die sich auflösen will.
2.5 Übertragung der Geschäftsmiete
In recht verwinkelten Verhältnissen zwischen Genfer Restaurantbetreibern sorgte das Geflecht von zwei benachbarten Gastgewerbelokalen mit verschiedenen Mietparteien und einem im Nachbarhaus zugemieteten Lager- und Containerraum zur Verwirrung. Der Lager- und Containerraum gehörte zum einen dieser Lokale, war aber dem andern in Untermiete überlassen worden.
Als der Untervermieter dieses Raumes seinen Geschäftsmietvertrag übertrug, war nicht mehr klar, wer nun berechtigt ist, die Kündigung des Lager- und Containerraums auszusprechen. Der bisherige Untermieter hielt seinen Mietzins zurück, bis er vom neuen Mieter des benachbarten Restaurants zur Zahlung an seine Adresse aufgefordert wurde.
Das Bundesgericht entwirrte die Verhältnisse, indem es einige Grundsätze in Erinnerung rief.(30) Die Übertragung der Geschäftsmiete ist ein Vertrag zwischen altem und neuem Mieter über den Mieterwechsel. Die Zustimmung des Vermieters ist dazu eine Suspensivbedingung. Mit der vorbehaltlosen Übertragung erlöschen der bisherige Hauptmietvertrag und damit auch der davon abhängige Untermietvertrag. Doch mit der Aufforderung zur Mietzinszahlung stimmte der neue Hauptmieter konkludent einem neuen Untermietvertrag zu. Parteien dieses Untermietvertrages waren der neue Hauptmieter und der alte Untermieter. Zur Kündigung dieses Vertrags war daher einzig der neue Hauptmieter berechtigt.
2.6 Rechtsetzung
2.6.1 Förderbeiträge für Verbesserungen
Auf 1. Juli 2014 tritt neu eine Verordnungsänderung in Kraft. Art. 14 Abs. 3 bis VMWG bestimmt, was schon nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung galt: Förderbeiträge für wertvermehrende Verbesserungen sind vom Betrag der Mehrleistung abzuziehen. Sie sollen den Mietern bei der Mietzinserhöhung vollumfänglich zugute kommen.
Neu ist dagegen die Bestimmung im revidierten Art. 19 Abs. 1 lit. a Ziff 5. Der Vermieter muss bei einer Mietzinserhöhung auf der Formularanzeige angeben, ob er Förderbeiträge für wertvermehrende Verbesserungen erhalten hat. Die Formularanzeige muss die Höhe dieser Beiträge nicht enthalten. Doch ist der Vermieter gestützt auf Art. 20 VMWG verpflichtet, die Höhe auf Nachfrage zu belegen.
2.6.2 Formular Anfangsmietzins
Seit 1. November 2013 gilt im Kanton Zürich wieder die Pflicht, die Anfangsmietzinse mit amtlich genehmigtem Formular anzuzeigen. Das Formular muss über den bisherigen Mietzins informieren und für eine allfällige Mietzinserhöhung bei Mieterwechsel eine Begründung nennen.
(1) Urteil des Bundesgerichts 5A_563/2013 vom 4.10.2013.
(2) AJP 1/2014, S. 40 ff.
(3) Praxis 2014 Nr. 15, Urteil des Bundesgerichts 4A_466/2012 vom 12.11.2012.
(4) Urteil des Bundesgerichts 4A_117/2013 vom 31.7.2013.
(5) Urteilsbesprechung durch Roger Rudolph in ARV 2013, 302 ff.
(6) Praxis 2014 Nr. 2.
(7) Praxis 2013, Nr. 54.
(8) Urteil des Bundesgerichts 4A_45/2013 vom 6.6.2013 = ARV 2013, 247.
(9) ARV 2013, 281 ff.
(10) Urteil des Bundesgerichts 4A_471/2013 vom 11.11.2013 in mp 1/2014, S. 56.
(11) Thomas Koller, «Wenn mir Mon-Repos die Ruhe raubt», Jusletter vom 3.2.2014.
(12) Harald Bärtschi / Ruedi Ackermann, «Fristberechnung im Mietrecht», Jusletter vom 3.2.2014.
(13) BGE 137 III 208, mp 2/2011, S. 115.
(14) BGE 137 III 208, mp 2/2011, S. 115.
(15) BGE 139 III 457 in mp 1/2014, S. 59.
(16) Urteil des Bundesgerichts 4C_1/2013 vom 25.6.2013 in mp 4/2013, S. 314.
(17) BGE 139 III 478, mp 1/2014, S. 70.
(18) Urteil des Bundesgerichts 4A_391/2013 vom 17.12.2013.
(19) BGE 139 III 209 in mp 3/2013, S. 220.
(20) Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer (NG120012-o/U) vom 15.1.2013 in mp 4/2013, S. 305.
(21) Urteil des Bundesgerichts 4A_283/2013, vom 20.8.2013 in mp 1/2014, S. 36.
(22) Urteil des Bundesgerichts 4A_102/2013 vom 17.10.2013 in mp 1/2014, S. 32.
(23) BGE 138 III 401.
(24) Urteil des Bundesgerichts 4C.10/2013 vom 8.7.2003 in mp 3/2003, S. 115.
(25) Urteil des Bundesgerichts 4A_285/2013 vom 7.11.2013, zur Publikation vorgesehen, in mp 1/2014, S. 47.
(26) Urteil des Bundesgerichts 4A_484/2012 vom 28.2.2013 in mp 3/2013.
(27) Urteil des Bundesgerichts 4A_431/2013 vom 10.1.2014.
(28) Urteil des Bundesgerichts 4A_388/2013 vom 7.1.2014.
(29) Tribunal cantonal Vaud, KC12.017353-121639 vom 10.1.2013 in mp 1/2014, S. 41.
(30) BGE 139 III 353 in mp 4/2013, S. 288.