1. Strafrecht
1.1 Allgemeine Bestimmungen
< Art. 12 Abs. 2 StGB (Eventualvorsatz): Die Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit kann im Einzelfall schwierig sein. Wie das Handeln motiviert ist, ändert nach Ansicht des Bundesgerichts für die Annahme des Eventualvorsatzes grundsätzlich nichts, da es sich dabei um kein Merkmal von Art. 12 Abs. 2 StGB handelt. Wesentlich ist, dass der Täter den Erfolg «in Kauf nimmt» und nicht, ob er ihm unerwünscht ist, ob er ihn billigt oder ob er ihn aus anderen, nur ihm einsichtigen oder nicht einsichtigen Gründen in Kauf nimmt. So kommt es etwa auf die innere Ablehnung nicht an, wenn der Täter auf das Ausbleiben des Erfolges nicht mehr vertrauen, sondern es sich bloss noch erhoffen konnte. Welches die Beweggründe der Tat waren, ist ohne Einfluss auf den Vorsatz.1
In einem weiteren Entscheid stellt das Bundesgericht klar, dass das sichere Wissen um die unmittelbare Lebensgefahr nicht mit der billigenden Inkaufnahme des Todes gleichzusetzen ist. Sicheres Wissen um die unmittelbare Lebensgefahr, also um die Möglichkeit des Todes, ist nicht identisch mit sicherem Wissen um den Erfolgseintritt. Ein Tötungsvorsatz kann angesichts der hohen Mindeststrafen bei Straftaten gegen das Leben und des gravierenden Schuldvorwurfs bei Kapitalverbrechen nur angenommen werden, wenn zum Wissenselement weitere Umstände hinzukommen. Solche Umstände liegen namentlich vor, wenn der Täter das ihm bekannte Risiko in keiner Weise kalkulieren und dosieren kann und der Geschädigte keinerlei Abwehrchancen hat.2
< Art. 20, Art. 56 Abs. 3 StGB (Sachverständige Begutachtung): Der psychiatrische Sachverständige darf die psychologische Fachperson nicht mit der vollständigen Bearbeitung sowie Beantwortung der wesentlichen Gutachterfragen beauftragen und letztlich mit seiner Unterschrift die Untersuchungsergebnisse lediglich übernehmen. Vielmehr muss der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie stets die Leitung und Organisation der Begutachtung innehaben; dabei kann er andere Fachpersonen mit einzelnen, klar umschriebenen Teilen seiner Aufgabe, wie beispielsweise Fragen aus der allgemeinen Medizin, der Psychologie und der Neurologie, betrauen, muss jedoch für die Befunderhebung, die Befundauswertung und die Befundbeurteilung die uneingeschränkte Verantwortung übernehmen können.3
< Art. 47 ff. StGB (Strafzumessung): Die Veröffentlichung von Videoaufnahmen vom Tatgeschehen zu Fahndungszwecken im Vorfeld der Gerichtsverhandlung kann eine problematische vorverurteilende Medienberichterstattung auslösen und die Meinungsbildung der Öffentlichkeit stark beeinflussen. Eine schweizweite intensive, die Unschuldsvermutung massiv verletzende Medienberichterstattung ist bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, wobei die Medienberichterstattung nicht losgelöst von der Internetpublikation betrachtet werden kann. Ohne den im Überwachungsvideo zu sehenden Tatablauf hätten die Printmedien keine Tat- und Täterbilder veröffentlichen können, und es wäre angesichts der (eher) harmlosen Verletzungen der Privatkläger nicht zu einer derart intensiven vorverurteilenden Medienberichterstattung gekommen, in deren Folge die Eltern des Angeklagten psychologische Hilfe in Anspruch nehmen mussten.4
Wenn nicht ein deutlich schwereres Delikt zusammen mit einer oder wenigen weiteren, leichter wiegenden Nebentat(en) zu sanktionieren ist, kann es bei der Bildung der Gesamtstrafe ausnahmsweise angebracht sein, die Delikte und die kriminelle Energie in einem Gesamtzusammenhang zu betrachten, sodass nicht für jeden Normverstoss einzeln eine (hypothetische) Strafe zu ermitteln ist. Insofern lässt das Bundesgericht eine Ausnahme von der konkreten Methode zu. Gleiches gilt in Fällen umfangreicher betrügerischer Anlageschäfte, in denen sich die einzelnen Tatkomplexe nicht wesentlich voneinander unterscheiden und die Einsatzstrafe für die schwerste Tat nicht ohne Weiteres zu bestimmen war.5 Zudem soll ein möglicher Verlust der Niederlassungsbewilligung (Art. 62 lit. b AuG) bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt werden dürfen.6
< Art. 50 StGB (Begründungspflicht): Das Bundesgericht bestätigt seine in den letzten Jahren erhöhten Anforderungen an die Begründungspflicht bei der Strafzumessung.7 Für die Bildung einer Gesamtstrafe hat das Gericht in einem ersten Schritt den Strafrahmen für die schwerste Straftat zu bestimmen und die Einsatzstrafe für diese Tat unter Einbezug aller straferhöhenden und strafmindernden Umstände innerhalb dieses Strafrahmens festzusetzen.
Abgesehen von Ausnahmefällen8 ist es bundesrechtswidrig, mehrere strafbare Handlungen als schwerstes Delikt zusammenzufassen, ohne für jeden einzelnen Normverstoss eine (hypothetische) Strafe zu ermitteln.
Hinsichtlich der sexuellen Handlungen legt die Vorinstanz zwar ausführlich dar, welche Tat- und Täterkomponenten sie berücksichtigt, zeigt jedoch nicht auf, in welchem Umfang («leicht», «stark» etc.) sie die jeweiligen Kriterien gewichtet. Damit ist letztlich nicht nachvollziehbar, weshalb sie das Verschulden als «recht schwer» einstuft. Ebenso wenig ergibt sich aus den Erwägungen der Vorinstanz – mangels Benennung der Einsatzstrafe für die schwerste Tat(-gruppe) – in welchem Umfang sie die weiteren Delikte straferhöhend gewichtet.
Die kantonale Rechtsmittelinstanz muss die Strafe unter Berücksichtigung aller wesentlichen Strafzumessungsfaktoren neu festsetzen sowie nachvollziehbar begründen und kann sich nicht damit begnügen, die erstinstanzliche Rechtsanwendung zu überprüfen.9
Liegt die ausgesprochene Strafe deutlich über dem Antrag der Staatsanwaltschaft, muss dies eine besonders einlässliche Begründung der Strafzumessung zur Folge haben, um das Strafmass plausibel zu machen.10
< Art. 51 StGB (Anrechnung Untersuchungs- und Sicherheitshaft): Die Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft ist auch an freiheitsentziehende Massnahmen im Sinne von Art. 59 StGB im gleichen Umfang wie an eine Freiheitsstrafe anzurechnen.11
< Art. 56 Abs. 6 StGB (Aufhebung stationärer Massnahmen): Freiheitsstrafen, die auf umgewandelten Geldstrafen beruhen, können nicht nachträglich in eine stationäre Behandlung umgewandelt werden. Eine Ersatzfreiheitsstrafe bildet keine Freiheitsstrafe im Sinne von Art. 40 StGB.12
< Art. 59 StGB (Anordnung stationärer therapeutischer Behandlungen): Bei einem festgestellten Zerwürfnis des Massnahmepatienten mit dem behandelnden Therapeuten und der Institution und dem jähen Therapieabbruch und Sistierung der Behandlung kann es angezeigt sein, bei der Prüfung einer Verlängerung der Massnahme (Art. 59 Abs. 4 StGB) Abklärungen bei einem unabhängigen psychiatrischen Sachverständigen einzuholen, bevor die stationäre Massnahme um weitere fünf Jahre verlängert wird.13
< Art. 63b Abs. 5 StGB (Nachträgliche Anordnung stationärer therapeutischer Massnahmen): Die Umwandlung einer ambulanten in eine stationäre Massnahme kann auf Art. 63b Abs. 5 StGB gestützt werden, wenn die ursprüngliche Massnahme strafvollzugsbegleitend angeordnet wurde. Um von einer ambulanten Behandlung in eine stationäre therapeutische Massnahme zu wechseln, muss die erste Massnahme durch die Vollzugsbehörde aufgehoben werden. Irrelevant für die Kompetenzregelung ist, in welchem Rahmen die aufzuhebende Massnahme erfolgte (psychiatrische Einrichtung resp. Massnahmevollzugseinrichtung oder ambulant) und ob die Freiheitsstrafe aufgeschoben oder vollzogen wurde.14
< Art. 75a Abs. 1 StGB (Beweiswert von Berichten der konkordatlichen Fachkommission): Das Bundesgericht scheint die Beweiskraft der zweifelhaften KoFako-Berichte im Rahmen der Gewährung von unbegleiteten Urlauben resp. Versetzung in den offenen Strafvollzug insofern zu relativieren, als dass der forensischen Begutachtung die zentrale Aufgabe zukommt, die psychische Verfassung des Betroffenen als wesentliche tatsächliche Entscheidgrundlage abzuklären und prognostisch einzuschätzen. Von der gutachterlichen Beurteilung darf nicht ohne triftige Gründe abgewichen werden. Es stellt sich ohnehin ganz grundsätzlich die Frage, ob KoFako-Berichte eine wesentliche richterliche Entscheidgrundlage darstellen können.15
1.2. Besondere Bestimmungen
< Art. 122 StGB (Schwere Körperverletzung durch HIV-Infektion): Das Bundesgericht hat im Jahr 2013 entschieden, dass eine HIV-Infizierung durch ungeschützten Geschlechtsverkehr aufgrund der medizinischen Behandlungsmöglichkeiten heutzutage nicht mehr generell lebensgefährlich sei und insofern keine schwere Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Abs. 1 StGB vorliege (BGE 139 IV 214). Offen gelassen hat es, ob bei einer vorsätzlichen HIV-Infizierung eine schwere Körperverletzung im Sinne der Generalklausel von Art. 122 Abs. 3 StGB vorliegen kann, die eine schwere Schädigung der körperlichen und geistigen Gesundheit des Opfers voraussetzt.
Im konkreten Fall des «Heilers» von Bern bejaht dies das Bundesgericht. Ein medizinischer Expertenbericht zeigt, dass die Belastung für Körper und Psyche HIV-infizierter Opfer heute noch sehr gross und die Krankheit als solche mit einer enormen Stigmatisierung verbunden ist. Die antiretrovirale Therapie ist lebenslang nötig.16
< Art. 129 StGB (Gefährdung des Lebens): Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist aufgrund konkreter Tatbestände ein Schuldspruch wegen versuchter Gefährdung des Lebens möglich, wenn zwischen Tathandlung und Erfolgseintritt eine gewisse Zeitspanne liegt.17 Wer als Beifahrer auf der Autobahn bei Tempo 120 die Handbremse zieht, bringt die Insassen in skrupelloser Weise in unmittelbare Lebensgefahr. Der Täter kann wegen Gefährdung des Lebens verurteilt werden.18
< Art. 158 StGB (Ungetreue Geschäftsbesorgung in Einpersonen-AG): Die Aktiengesellschaft ist auch in der Form der Einpersonen-AG selbständige Vermögensträgerin, und ihr Vermögen ist nicht nur nach aussen, sondern auch im Verhältnis zu den einzelnen Gesellschaftsorganen ein fremdes. Die Einpersonen-AG ist auch für den Alleinaktionär jemand anderer. Handlungen des Verwaltungsrates zum Nachteil der Einpersonen-AG können den Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung erfüllen, auch wenn der Alleinaktionär darin einwilligt.19
< Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1 und Abs. 2 StGB (Freiheitsberaubung/Entführung von Unmündigen): Bringt ein sorgeberechtigter Elternteil sein Kind eigenmächtig und klarerweise gegen dessen Interessen an einen fremden Ort im Ausland, kann er – nebst Entziehens von Minderjährigen – auch wegen Entführung verurteilt werden. Eine Verurteilung wegen Freiheitsberaubung entfällt, weil die körperliche Bewegungsfreiheit des Kindes nicht aufgehoben wurde (vgl. die alte Rechtsprechung in BGE 126 IV 221). Jeder Elternteil, der das Recht hat, über den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen, ist grundsätzlich berechtigt, diesen zu verändern, ohne eine Entführung im Sinne von Art. 183 Ziff. 2 StGB zu begehen. Widerspricht die Ortsveränderung aber massiv den Interessen und dem Wohl des Kindes, lässt sich die Tat nicht mehr mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht rechtfertigen.20
< Art. 251 StGB (Urkundenfälschung): Wer dem Migrationsamt einen inhaltlich unwahren (nicht dem Parteiwillen entsprechenden) Arbeitsvertrag vorlegt, um eine Aufenthaltsbewilligung der Kategorie B zu erhalten, begeht kein Urkundendelikt. Das Bundesgericht qualifiziert den Vertrag als Simulation und damit entsprechend seiner Praxis als einfache schriftliche Lüge. Einem schlichten Einzelarbeitsvertrags gemäss Art. 319 OR kommt unter dem Gesichtspunkt der Falschbeurkundung kein Urkundencharakter zu.21
2. Nebenstrafrecht
2.1 Betäubungsmittelgesetz
< Art. 8 Abs. 1 lit. d BetmG (Ätherisches Hanföl): Das Inkrafttreten des neuen Betäubungsmittelgesetzes am 1. Juli 2011 hatte zur Folge, dass Hanfpflanzen über Nacht zu verbotenen Betäubungsmitteln wurden. Aufgrund Art. 8 Abs. 1 lit. d BetmG dürfen «Betäubungsmittel des Wirkungstyps Cannabis» weder angebaut, eingeführt, hergestellt oder in Verkehr gebracht werden.
Das EDI führt gemäss Art. 2a BetmG ein Verzeichnis der Betäubungsmittel, der psychotropen Stoffe sowie der Vorläuferstoffe und der Hilfschemikalien. Demnach sind Hanfpflanzen oder Teile davon, die einen durchschnittlichen Gesamt-THC-Gehalt von mindestens 1,0 Prozent aufweisen, und sämtliche Gegenstände und Präparate mit diesem THC-Gehalt respektive alle Präparate, die aus Hanf mit diesem THC-Gehalt hergestellt wurden, Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes sind (Art. 1 Abs. 2 lit. a i.V.m. Verzeichnis d der Verordnung des EDI vom 30. Mai 2011 über die Verzeichnisse der Betäubungsmittel, psychotropen Stoffe, Vorläuferstoffe und Hilfschemikalien [BetmVV-EDI]).
Daraus folgt – so das Bundesgericht –, dass sämtliche Erzeugnisse, die auf der Grundlage von Cannabis mit einem THC-Gehalt von über 1,0 Prozent erstellt worden sind, unabhängig von ihrem eigenen THC-Gehalt als verbotene Betäubungsmittel zu qualifizieren sind. Dazu gehört auch das ätherische Öl, das der Beschuldigte mit beschlagnahmten Hanfpflanzen – die einen THC-Gehalt von über 1,0 Prozent haben – herstellen möchte. Eine Überführung in einen legalen Stoff sei nicht möglich und die beschlagnahmte Ware sei in Anwendung von Art. 8 Abs. 4 BetmG zu vernichten.22
2.2 Strassenverkehrsgesetz (SVG)
< Art. 90 Ziff. 2 aSVG i.V.m. Art. 12 Abs. 2 VRV (Grobe Verletzung von Verkehrsregeln durch Bremsen): Das blosse Antippen der Bremse, um den zu nahe folgenden Fahrzeuglenker auf sein gefährliches Verhalten aufmerksam zu machen, wodurch das Fahrzeug nicht oder nur unwesentlich verzögert wird, gilt nicht als brüskes Bremsen und verletzt deshalb keine Verkehrsregel. Die Verantwortung, einen ausreichenden Abstand nach vorn zu wahren, trifft allein den hinterherfahrenden Lenker.23
2.3 Jugendstrafrecht
< Art. 5, 15 und 18 JStG (Vorsorgliche Anordnung von Schutzmassnahmen): Aufgrund geänderter Verhältnisse kann sich eine Schutzmassnahme als nicht mehr zweckmässig erweisen und durch eine andere ersetzt werden. Die Änderbarkeit der Massnahmen bildet ein Wesensmerkmal des Jugendstrafrechts. Bei gegebenen Voraussetzungen ist ein Verfahren betreffend Änderung der Massnahme einzuleiten. Gegebenenfalls kann die neue Schutzmassnahme während des Massnahmevollzugs im Verfahren betreffend Änderung einer Massnahme vorsorglich angeordnet werden.24
Soll eine jugendstrafrechtliche Massnahme abgeändert werden, muss der Betroffene vorher angehört werden. Es genügt nicht, informelle Gespräche ohne den Betroffenen oder seine Verteidigung abzuhalten und ihm erst nachträglich Gelegenheit zu geben, sich zu dem zu äussern, was längst beschlossene Sache ist.25
3. Strafverfahren
3.1 Allgemein
< Art. 5 Ziff. 4 EMRK (richterliche Haftkontrolle): Wer im Massnahmevollzug eine gerichtliche Überprüfung der Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs beantragt, kann sich im Rahmen der Garantie von Art. 5 Ziff. 4 EMRK nicht an das Zwangsmassnahmengericht wenden. Das Bundesgericht sieht es als zulässig an, dass einer richterlichen Überprüfung (durch das Verwaltungsgericht) ein mehrmonatiges verwaltungsinternes Beschwerdeverfahren vorgeschaltet wird.26
< Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK (Konfrontationsrecht): Auch bei Gewaltdelikten und Drohungen besteht ein direkter Konfrontationsanspruch. Das Bundesgericht bestätigt die Rechtsprechung, wonach der Beschuldigte sein Recht auf Ergänzungsfragen nicht verwirkt hat, wenn er es erst mit der Berufung geltend macht. Dies gilt insbesondere, wenn der Belastungszeuge von der ersten Instanz vorgeladen wurde, aber nicht zur Gerichtsverhandlung erschien.27
Im Vorverfahren muss das Konfrontationsrecht seitens der Verteidigung geltend gemacht werden. Es bedarf neben der schriftlichen Mitteilung einer Befragung an den Verteidiger keiner separaten, persönlichen «Vorladung» des Beschuldigten, da seine Teilnahme an Beweiserhebungen und Einvernahmen fakultativ ist.28
< Art. 29 Abs. 2 BV (Rechtliches Gehör): Das Bundesgericht prüft nur auf Willkür, ob die Vorinstanzen ein Obergutachten hätten einholen müssen (in casu machte die Verteidigung bei einem rechtspsychologischen Gutachten Zweifel an der Methodik geltend). Ob die Erörterungen im Gutachten die Richter überzeugen und sie den Schlussfolgerungen der Experten folgen sollen, ist eine Frage der Beweiswürdigung. Die beweisrechtliche Kognitionsbeschränkung gilt laut Bundesgericht auch für den Sachverständigenbeweis.29
3.2 Schweizerische Strafprozessordnung
< Art. 5 Abs. 2 StPO (Beschleunigungsgebot): Die Haft kann die bundesrechtskonforme Dauer überschreiten, wenn das Strafverfahren nicht genügend vorangetrieben wird (Art. 31 Abs. 3 und 4 BV). Eine Haftentlassung kommt allerdings nur bei besonders schwer wiegenden bzw. häufigen Versäumnissen in Frage, die erkennen lassen, dass die verantwortlichen Behörden nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen Rechnung zu tragen.30
In einem anderen Fall stellte die Vorinstanz fest, dass das erstinstanzliche Gericht Art. 84 Abs. 4 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 StPO verletzt hat, weil zwischen dem Eingang der Berufungsanmeldung und dem Versand des schriftlich begründeten Urteils fast sieben Monate vergingen. Das Bundesgericht teilt die Ansicht der kantonalen Rechtsmittelinstanz, dass die Verzögerung nicht besonders belastend gewesen sei, weshalb sich eine Strafreduktion nicht rechtfertige.31
Das Bundesgericht hat jedoch eine Verletzung des haftrechtlichen Beschleunigungsgebots festgestellt, weil in einem nicht besonders schwierigen oder komplexen Straffall zwischen Anklageerhebung und Hauptverhandlung deutlich mehr als sechs Monate verstrichen sind.32
< Art. 9 Abs. 1 i.V.m. Art. 325 StPO (Akkusationsprinzip): Dem Gericht ist zwar untersagt, über den Anklagevorwurf hinauszugehen. Es darf den als erwiesen erachteten Sachverhalt jedoch ohne Verletzung des Anklagegrundsatzes in eigenen Worten formulieren und einzelne Vorwürfe als nicht bewiesen erachten.33 Es genügt nicht, dass sich die einzelnen Vorwürfe aus den Beilagen zur Anklage ergeben. Es kann einer beschuldigten Person nicht zugemutet werden, sich gegen sämtliche Vorwürfe, die sich aus den Beilagen oder anderen Akten zu einer Anklage ergeben, zu verteidigen und sich von vornherein gegen alle möglichen Eventualitäten zur Wehr zu setzen.34
< Art. 21 Abs. 1 lit. b / Art. 411 Abs. 1 StPO (Revision von Strafbefehlen der Bundesanwaltschaft): Als Revisionsinstanz von Strafbefehlen der Bundesanwaltschaft ist das Bundesgericht zuständig. Das Revisionsverfahren richtet sich nach der StPO (Art. 410 ff. StPO).35
< Art. 29 i.V.m. Art. 382 StPO (Zulässigkeit der Verfahrenstrennung): Die Staatsanwaltschaft darf erst dann prüfen, ob die Voraussetzungen für ein abgekürztes Verfahren nach Art. 358 ff. StPO gegeben sind, wenn eine Verfahrenstrennung aufgrund der bundesrechtlichen Vorgaben überhaupt in Frage kommt. In einer Konstellation, in welcher sich zwei Mitbeschuldigte gegenseitig belasten und die jeweiligen Tatbeiträge unklar sind, ist es unzulässig, dass sich ein Beschuldigter ins abgekürzte Verfahren «retten» kann und später dann als Hauptbelastungszeuge der Anklage gegen den anderen Beschuldigten aussagt.
In einer solchen Situation besteht für den Beschuldigten, der nicht in den Genuss des abgekürzten Verfahrens gekommen ist, die Gefahr, dass die Sache aufgrund des rechtskräftigen Urteils im abgekürzten Verfahren zu seinem Nachteil «vorgespurt» ist. In solchen Fällen ist eine Verfahrenstrennung unzulässig.36
< Art. 56 lit. f StPO (Ausstand): Das Bundesgericht schickt einen Kantonsrichter in den Ausstand, der mit einem Parteivertreter mehrfach verbunden war. Der Entscheid enthält eine gute Zusammenfassung der Rechtsprechung zu diesem Ausstandsgrund und gibt vor, dass die kantonale Vorinstanz die Pflicht hat, den angerufenen Ausstandsgrund von Amtes wegen abzuklären.37
Der Umstand, dass sich der amtliche Verteidiger durch die Terminansetzung für die Hauptverhandlung, die auf eine straffe Durchführung des Prozesses innerhalb eines halben Tages schliessen liess, und durch die vom Bezirksgericht in Aussicht gestellte Redezeitbeschränkung (Aufforderung, das Plädoyer von vier Stunden auf 90 Minuten zu kürzen) zeitlich unter Druck gesetzt fühlte, begründet keinen gesetzlichen Ausstandsgrund.38
In einem anderen Fall stellt das Bundesgericht zahlreiche und teilweise krasse Verfahrensfehler der Staatsanwaltschaft fest (Einmischung in die Verteidigungsstrategie, Verletzung der Dokumentationspflicht, Missachtung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen den Widerruf der amtlichen Verteidigung). Der Anschein der Befangenheit war für das Bundesgericht offensichtlich.39
< Art. 131 Abs. 3 StPO (Ungültige Beweiserhebungen bei notwendiger Verteidigung): Das Bundesgericht bestätigt seine Rechtsprechung, wonach Art. 131 Abs. 3 StPO in der Regel keinen Anspruch auf Entfernung von Beweismitteln aus den Akten begründet. Besondere Umstände des Einzelfalls, die eine sofortige Prüfung der Verwertbarkeit ausnahmsweise als geboten erscheinen lassen, können nur angenommen werden, wenn der Betroffene ein besonders gewichtiges rechtlich geschütztes Interesse geltend macht und substanziiert (vgl. Urteil 1B_445/2013 vom 14. Februar 2014 [besonders belastende und schwierige Beweiswürdigung bei naturgemäss heikler Würdigung der Aussagen eines viereinhalbjährigen Kindes zu sexuellen Übergriffen]). Das faktische Interesse des Beschuldigten, belastende Beweisergebnisse möglichst zu vermeiden, fällt nicht darunter.40
Produziert die Staatsanwaltschaft einen unverwertbaren Belastungsbeweis, indem sie einen erkennbar notwendig zu verteidigenden Beschuldigten unter Verletzung der Art. 130 f. StPO ohne Rechtsbeistand vernehmen lässt, so kann dies der Beschuldigte dem Strafrichter zu Beginn der Hauptverhandlung (Art. 339 Abs. 2 lit. d und Abs. 3 StPO) vorbringen.41
< Art. 132 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 StPO (Unentgeltliche amtliche Verteidigung): Bei der Beurteilung, ob der Anwalt der ersten Stunde als amtlicher Verteidiger gemäss Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO eingesetzt werden kann, ist es unerlässlich, eine Ex-ante-Perspektive einzunehmen. Steht nicht bereits zu Beginn fest, dass es sich klarerweise um einen leichten und einfachen Straffall handelt, ist der Anwalt der ersten Stunde als amtlicher Verteidiger beizugeben.
Relevant ist auch, ob der Beschuldigte mit dem Schweizer Justizsystem vertraut ist, über juristische Fachkenntnisse verfügt und der Verfahrenssprache mächtig ist. Wird die amtliche Verteidigung gewährt, erfolgt dies rückwirkend per Mandatsantritt und erfasst somit auch die Leistungen als Anwalt der ersten Stunde.42
< Art. 135 Abs. 3 lit. b und Art. 439 Abs. 1 StPO (Beschwerde gegen Entschädigungsentscheid): Die amtliche Verteidigung, deren Honorar durch ein kantonales Berufungsgericht gekürzt wird, kann sich beim Bundesstrafgericht beschweren. Dies gilt nach einem neuen Grundsatzentscheid auch im Strafvollzugs- und Massnahmevollzugsverfahren.43
< Art. 138 StPO (Rückerstattungspflicht der Entschädigung): Das Bundesgericht ändert seine im Februar 2015 begründete Rechtsprechung (vgl. Urteil 6B_505/2014 vom 17. Februar 2015) zur Rückerstattungspflicht von Anwaltskosten des Opfers im Strafprozess. Seit neuster Praxis gilt der Verweis in Art. 138 Abs. 1 StPO nicht für das Opfer.44
< Art. 140 f. StPO (Verwertbarkeit rechtswidrig erhobener Beweise): Der Beschuldigte behält seine Rolle nach Abschluss des Verfahrens bei. Er kann in späteren Verfahren gegen Mitbeteiligte nicht als Zeuge, sondern nur als Auskunftsperson befragt werden (Art. 178 lit. f StPO). Ein umfassender Vorhalt zu Beginn der Einvernahme von Aussagen einer Auskunftsperson, die in einem früheren Verfahren als beschuldigte Person gemacht wurden, ist nicht sachgerecht, stellt aber keine verbotene Beweiserhebungsmethode gemäss Art. 140 StPO dar.45
Unklare Fragen machen eine Einvernahme nicht unverwertbar. Art. 143 Abs. 5 StPO ist eine blosse Ordnungsvorschrift.46
< Art. 147 StPO (Teilnahmerechte bei Beweiserhebungen): Das Bundesgericht bestätigt seine Rechtsprechung zur Parteiöffentlichkeit bei Einvernahmen von Mitbeschuldigten im Vorverfahren (BGE 139 IV 25). Gefahren im Sinn von Art. 149 Abs. 1 StPO, die eine Einschränkung der Partizipationsrechte rechtfertigen können, müssen ernsthaft zu befürchten sein und eine Einschränkung der Teilnahmerechte ist entsprechend zu begründen. Dabei muss die persönliche Teilnahme nicht explizit verlangt werden.47
Soweit Teilnahmerechte einer beschuldigten Person verletzt wurden, sind Aussagen, die sie belasten, nicht verwertbar.48
< Art. 183 Abs. 2 StPO (Ermittlungsberichte als Gutachten): Gemäss Art. 183 Abs. 2 StPO können Bund und Kantone für bestimmte Gebiete dauernd bestellte oder amtliche Sachverständige vorsehen. Mitarbeiter der wissenschaftlichen und kriminaltechnischen Dienste der Polizeikorps können unter gewissen Voraussetzungen als Sachverständige im Sinne von Art. 183 Abs. 2 StPO eingesetzt werden. Dies setzt jedoch voraus, dass sie im betreffenden Fall bei den polizeilichen Ermittlungen im Sinne von Art. 306 ff. StPO nicht eigentlich polizeiliche Funktionen wahrnehmen und sich ihre Tätigkeit auf Funktionen innerhalb dieser Spezialdienste beschränkt. Ein Ermittlungsbericht ist deshalb kein Gutachten.49
< Art. 212 Abs. 2 und 3 StPO (Haftentlassung wegen Überhaft): Ausnahmsweise ist bei der Frage der Aufrechterhaltung von strafprozessualer Haft bei drohender Überhaft zu berücksichtigen, dass der Sachrichter auch eine bloss bedingte Freiheitsstrafe aussprechen könnte oder dass die Möglichkeit besteht, dass die Vollzugsbehörden eine Entlassung nach zwei Dritteln verfügen werden.50
< Art. 221 Abs. 1 lit. a StPO (Haft wegen Fluchtgefahr): Das Bundesgericht hat Fluchtgefahr bei einem Asylbewerber ohne festen Wohnsitz und ohne verwandtschaftliche oder sonstige soziale Beziehungen und ohne Erwerbstätigkeit verneint. Das Bundesgericht ist der Ansicht, dass der inhaftierte Beschuldigte ausser durch eine Rückkehr in seinen Heimatstaat Marokko nicht legal aus der Schweiz ausreisen könnte und als Asylsuchender von einem Nachbarstaat mit einer sofortigen Rücküberstellung rechnen müsste, sobald er von den Behörden aufgegriffen würde.51
Andererseits wird eine ausländische beschuldigte Person, die ihre Strafe vorzeitig angetreten hat und diese ohne Fluchtversuche in einer offenen Vollzugsanstalt mit grosszügiger Urlaubsregelung verbüsst, nicht aus der Sicherheitshaft respektive dem vorzeitigen Strafvollzug entlassen. Das Fluchtrisiko sei bei einer definitiven Entlassung aus der strafprozessualen Haft deutlich höher, zumal Vorkehrungen für eine Flucht mehr Zeit beanspruchten als wenige Tage (wie im Hafturlaub) und die Wahrscheinlichkeit, bei einem Missbrauch des zeitlich begrenzten Hafturlaubs sofort festgenommen zu werden, um ein Vielfaches grösser sei.52 Manchmal scheint sogar eine «Fluchtneigung» als besonderer Haftgrund zu genügen.53
< Art. 221 Abs. 1 lit. b StPO (Haft wegen Kollusionsgefahr): Der Umstand, dass in einer Strafuntersuchung noch zahlreiche Personen zu befragen sind, genügt allein nicht zur Bejahung von Kollusionsgefahr. Die Vorinstanz hätte darlegen müssen, weshalb konkret zu befürchten sei, dass der Beschuldigte auf die zu befragenden Personen Einfluss nehmen würde, um sie zu einer für ihn günstigen Aussage zu bewegen. Es bestanden auch keine Anhaltspunkte, dass die zu befragenden Personen leicht zu beeinflussen wären, wie das namentlich bei einem Unterordnungs- oder Abhängigkeitsverhältnis der Fall ist.54
< Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO (Haft wegen Wiederholungsgefahr): In einem Fall verneint das Bundesgericht Wiederholungsgefahr, weil die betroffene beschuldigte Person gar keine Möglichkeit hat, ihrer Tochter Gewalt anzutun, da die Kesb ihr die Obhut über ihre Tochter entzogen und diese in einem Kinderheim fremdplatziert hat.55
Ausländische, einschlägige Vorstrafen, die in der Schweiz bereits gelöscht wären, dürfen nicht zur Begründung von Wiederholungsgefahr herangezogen werden. Eine Ausnahme gilt einzig für die psychiatrische Begutachtung.56
< Art. 221 Abs. 2 StPO (Haft wegen Ausführungsgefahr): Zur Beurteilung der vor der Rechtsprechung geforderten sehr ungünstigen Kriminalprognose ist auf vorhandene forensisch-psychiatrische Gutachten und Therapieverlaufsberichte abzustellen. Im konkreten Fall war das Risiko der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit auch als gering einzustufen, weil der Betroffene – trotz Wegfalls des vorzeitigen Massnahmevollzugs – nicht in die Freiheit entlassen wurde, sondern durch eine fürsorgerischen Unterbringung (Art. 426 ff. ZGB) weiterhin zwingend in der Klinik verbleiben musste, um adäquat behandelt zu werden.57
< Art. 231 StPO (Sicherheitshaft nach zweitinstanzlichem Urteil): Die Zulässigkeit der Sicherheitshaft nach Art. 231 Abs. 2 StPO ist an den allgemeinen Vorgaben von Art. 221 StPO zu messen. Zwar kommt dem erstinstanzlichen Freispruch bei der Beurteilung des dringenden Tatverdachts durchaus Gewicht zu. Da die erste Instanz bereits eine Beweiswürdigung vorgenommen hat, sind die Anforderungen an die Bejahung eines dringenden Tatverdachts im Verfahren nach Art. 231 Abs. 2 StPO höher als vor dem Vorliegen eines Urteils. Die Begründungsanforderungen an das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts sind entsprechend hoch.58
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist dem Beschuldigten im Verfahren nach Art. 231 Abs. 1 StPO vor der Anordnung der Sicherheitshaft Gelegenheit zu geben, sich zu äussern, ansonsten eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorliegt. Gleiches hat auch im Verfahren nach Art. 231 Abs. 2 StPO zu gelten.59
< Art. 248 StPO (Siegelung): Wenn Handys und Smartphones physisch beschlagnahmt oder vorläufig sichergestellt werden und die Staatsanwaltschaft die gespeicherten Daten auswerten will, liegt nach der Praxis des Bundesgerichts grundsätzlich keine Fernmeldeüberwachung (Art. 269 StPO) vor und auch keine rückwirkende Randdatenerhebung (Art. 273 StPO). Der Rechtsschutz läuft hier in der Weise, dass die betroffene Person die Siegelung (Art. 248 StPO) des edierten oder sichergestellten Gerätes verlangen kann. Nur solange die betreffenden Nachrichten vom Empfänger noch nicht auf dem Gerät abgerufen worden sind, liegt eine Fernmeldeüberwachung vor.60
Die Entsiegelung ist gerade in Fällen minder schwerer Kriminalität auf untersuchungsrelevante Gegenstände zu beschränken. Es ist gesetzliche Aufgabe des Zwangsmassnahmengerichts, nötigenfalls eine Triage (Sichtung) der versiegelten Aufzeichnungen vorzunehmen und die nicht deliktsrelevanten Gegenstände auszuscheiden.61
< Art. 255 Abs. 1 lit. a und Art. 260 Abs. 3 StPO (DNA-Probe und erkennungsdienstliche Erfassung): Hinweise auf strafbare Handlungen müssen erheblich und konkret sein, um einen hinreichenden Tatverdacht für die Anordnung von Zwangsmassnahmen (Art. 196–298 StPO) zu begründen. Die Erstellung eines DNA-Profils ist vom Staatsanwalt oder Gericht anzuordnen. Art. 255 StPO erlaubt keine routinemässige (invasive) Entnahme von DNA-Proben. Die Generalstaatsanwaltschaft kann die Kompetenz zur Erstellung von DNA-Profilen nicht durch generelle Weisungen auf die Polizei übertragen.
Die mündliche Anordnung einer erkennungsdienstlichen Erfassung ist nur zulässig, wenn die Zwangsmassnahme unaufschiebbar ist. Abstrakte Zweckmässigkeitsüberlegungen können die gesetzlich verlangte Dringlichkeit nicht ersetzen.62 Wie aus Art. 1 Abs. 2 lit. a DNA-Profil-Gesetz hervorgeht, muss es die Erstellung eines DNA-Profils auch erlauben, den Täter von Delikten zu identifizieren, die den Strafverfolgungsbehörden noch unbekannt sind. Dabei kann es sich um vergangene oder künftige Delikte handeln. DNA-Analyse und erkennungsdienstliche Erfassung dürfen aber nicht routinemässig erfolgen.
Die Massnahmen sind somit nur dann verhältnismässig, wenn erhebliche und konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die betroffene Person in andere – auch künftige – Delikte verwickelt sein könnte. Dabei muss es sich um Delikte gewisser Schwere handeln. Gerade bei jungen, nicht vorbestraften Personen ist dem Prinzip der Verhältnismässigkeit besondere Beachtung zu schenken.63
< Art. 278 StPO (Verwertbarkeit von Zufallsfunden): Der Einwand, eine Genehmigung für die Verwertung von Zufallsfunden sei zu Unrecht nicht eingeholt worden (respektive die Frage der Zulässigkeit der Überwachung), kann nach neuster Rechtsprechung des Bundesgerichts auch vor dem Sachgericht noch vorgebracht werden.64
< Art. 309 Abs. 3 StPO (Eröffnung der Strafuntersuchung): Der Eröffnungsverfügung kommt lediglich deklaratorische Wirkung zu. Die Strafuntersuchung gilt als eröffnet, sobald sich die Staatsanwaltschaft mit dem Straffall zu befassen beginnt.65
< Art. 329 Abs. 1 StPO (Prüfung der Anklage):