Pro Tag verbringt ungefähr die Hälfte der Schweizer Bevölkerung durchschnittlich eine Stunde auf Internetnetzwerken, versendet rund 34 Whatsapp-Nachrichten und nutzt regelmässig weitere Onlinedienste wie etwa Instagram oder Facebook. Auf Letzterem haben rund drei Viertel aller Schweizerinnen und Schweizer ein Konto oder ein Profil.1 Viele der Bewegungen auf diesen Netzwerken und die Nutzung des Internets allgemein hinterlassen digitale Spuren und Inhalte, welche meistens auch nach dem Ableben noch sichtbar sind.
Fortan ist deshalb auch der digitale Nachlass ein Thema. Im folgenden Beitrag sollen einige zivil- und erbrechtliche Aspekte des digitalen Nachlasses beleuchtet und Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie mit dem digitalen Nachlass beim Ableben eines Nutzers umzugehen ist. Im ersten Teil dieses Beitrags wird der digitale Nachlass näher definiert und im zweiten Teil gehen die Autorinnen auf die rechtliche Einordnung des digitalen Nachlasses ein. Aus den Schlussfolgerungen ergeben sich wichtige Merkpunkte und Handlungsempfehlungen für die Nutzer, die sicherstellen, dass der Nachlass auch im digitalen Zeitalter umfassend und nach eigenen Wünschen gestaltet wird.
1. Definition des digitalen Nachlasses
Eine allgemeingültige Definition, was der digitale Nachlass oder das digitale Erbe einer Person ist, gibt es nicht. Es existieren verschiedene Ansätze, den Begriff etwas einzugrenzen. Treffend ist auf jeden Fall die Beschreibung des digitalen Nachlasses des Deutschen Anwaltsvereins. Danach umfasst der digitale Nachlass «die Gesamtheit des digitalen Vermögens, also Urheberrechte, Rechte an Webseiten, Domains sowie sämtliche Vertragsbeziehungen zwischen Providern und dem Erblasser hinsichtlich der Nutzung des Internets selbst, aber auch hinsichtlich diverser Internetangebote (beispielhaft aufgezählt: Verträge über Zugang zu und Dienste auf Internetnetzwerken, E-Mail-Dienste, Internetportale etc.) und erfasst damit auch die Gesamtheit aller Accounts und Daten des Erblassers im Internet.»2
1.1 Begriffsbestimmungen
Bevor auf den digitalen Nachlass eingegangen werden kann, ist es unausweichlich, einige Begriffe, die im Zusammenhang mit der Nutzung digitaler Medien und dem Internet stehen, zu verstehen und zu unterscheiden.
Der digitale Nachlass einer Person besteht aus verschiedenen Daten, welche grundsätzlich in drei Ebenen aufgeteilt werden können.3 Die erste Ebene stellt die binäre Datenebene dar. Daten sind Symbole, Buchstaben, Zahlen und Zeichen, ähnlich einem Code, welche durch den richtigen Kontext und Interpretation zur zweiten Ebene werden – nämlich zur Information. Die dritte Ebene von Daten bildet sodann das Speichermedium, auf welchem diese Daten gespeichert sind, etwa auf dem Laptop (physischer Datenträger) oder in einem Rechenzentrum, beispielsweise einer Cloud.4
Daten an sich sind gemäss herrschender Lehre keine Sachen.5 Sie sind daher nicht durch Eigentumsrechte geschützt. Der Schutz von gewissen Daten wird aber durch das Immaterialgüter-, das Urheber-, das Vertragsrecht sowie das Strafrecht sichergestellt. Dazu kommt das Datenschutzgesetz, das primär Personendaten schützt. Ein physisches Speichermedium, etwa ein USB-Stick oder ein Laptop, welches Daten enthält, qualifiziert demgegenüber als eine Sache und wird als physisches Speichermedium von den Eigentumsrechten erfasst. In Bezug auf Daten, die in einem Rechenzentrum gespeichert und online verfügbar sind, wird das Rechtsverhältnis zwischen dem Nutzer und dem Anbieter im Falle von Profilen bei Internetnetzwerken und Konten bei Internetspeichern (Cloud-Dienste) meistens als Innominatsvertrag und vielfach wohl auch als Vertrag sui generis qualifiziert.6
2. Rechtsgrundlagen zur Vererbung
2.1 Erbrecht
Gemäss Art. 560 ZGB geht der gesamte Nachlass des Verstorbenen, unter Vorbehalt von gesetzlichen Ausnahmen, kraft Universalsukzession auf die Erben über. Die Erben treten als Rechtsnachfolger des Verstorbenen in dessen Forderungs-, Eigentums-, Besitz- und beschränkt dinglichen Rechte ein.
In Bezug auf Daten des Verstorbenen, die auf einem physischen Datenträger gespeichert sind, ist die Rechtslage daher relativ klar. Der physische Datenträger des Verstorbenen sowie die darauf gespeicherten Daten gehen infolge Universalsukzession ins Eigentum der Erben über.7 Es ist jedoch zu beachten, dass Dritte Rechte an diesen Daten geltend machen können, falls sich darunter beispielsweise urheberrechtlich geschützte Bilder oder Texte von Dritten befinden.
Weniger klar ist die Rechtslage bezüglich Daten, die in einer Cloud gespeichert sind. Auf diese Onlinedaten, die in einem Rechenzentrum gespeichert sind, haben die Erben ohne Passwort keinen unmittelbaren Zugang. Die Vererbbarkeit solcher Daten hängt von ihrer rechtlichen Einordnung ab. Im Folgenden wird daher auf einige rechtliche Anknüpfungspunkte solcher Daten eingegangen.8
2.2 Persönlichkeitsrecht
Das Persönlichkeitsrecht gemäss Art. 28 ZGB schützt u.a.
die physische Person, z.B. mit dem Recht auf Leben sowie der persönlichen Freiheit,
die psychische Persönlichkeit, z.B. mittels Recht auf Beziehung und Respekt gegenüber Nahestehenden, sowie
die soziale Persönlichkeit, zum Beispiel mittels Recht auf Namen und Ehre oder das Recht auf Achtung der Intim- und Privatsphäre.9
Im Internet verfügbare Daten enthalten unzählige Informationen zu verschiedenen Aspekten des Lebens und der Persönlichkeit einer Person, von denen einige in den Schutzbereich von Art. 28 ZGB fallen. Da aber gemäss Art. 31 ZGB der Schutz der Persönlichkeit mit dem Tod endet, können Persönlichkeitsrechte des Verstorbenen von den Erben grundsätzlich nicht geltend gemacht werden. Ausgenommen ist namentlich der Fall der Veröffentlichung von Daten des Verstorbenen, etwa das Hochladen eines Fotos des Verstorbenen im Internet, wenn damit die eigenen Persönlichkeitsrechte der Erben verletzt werden. Diesfalls können die Rechtsnachfolger die Unterbindung der eigenen Persönlichkeitsverletzung verlangen (sogenannter Andenkensschutz).10
2.3 Urheberrecht
Urheberrechte sind nach Art. 16 Abs. 1 URG vererblich und werden somit von der Universalsukzession des Erbrechtes erfasst. Damit Dateien, an welchen die Erben keinen Besitz oder Eigentum begründen können, unter den Schutz des Urheberrechtes fallen, müssen diese sogenannten «Werkcharakter» im Sinne von Art. 2 URG aufweisen. Das heisst, die Daten müssen geistige Schöpfungen mit individuellem Charakter darstellen. Im Allgemeinen erfüllen Internetpublikationen einer verstorbenen Person (zum Beispiel Fotos und Videos auf Instagram) die Anforderungen an ein Werk im Sinne des Urheberrechtes wohl nicht. Zum Beispiel ein Blogeintrag in Form eines Gedichtes kann aber Werkcharakter aufweisen, sodass dieser durch das Urheberrecht geschützt wird. In diesem Fall stehen den Erben die damit verbundenen Rechte – etwa das Verwendungsrecht (Art. 10 Abs. 2 lit. a URG) oder das Verbreitungsrecht (Art. 10 Abs. 2 lit. b URG) – zu und könnten von diesen geltend gemacht werden.
Bestehen an einem Werk Urheberrechte, die grundsätzlich vererbbar sind, ist zu beachten, dass der Erblasser zu Lebzeiten oder von Todes wegen auf die Geltendmachung solcher Urheberrechte verzichtet haben kann.11 Ein solcher Verzicht ist für die Erben verbindlich. Sodann können Urheberrechte nach dem Tod der Urheber nur zeitlich limitiert geltend gemacht werden, nämlich 50 Jahre bei Computerprogrammen und 70 Jahre bei allen anderen Werken (Art. 29 URG).
2.4 Vertragsrecht
Sind Daten in einem externen Rechenzentrum gespeichert, hängen mit dieser Datenspeicherung fast immer Vertrags- und Vermögensrechte zusammen. Nutzer von Konten bei Internetnetzwerken gehen mit dem jeweiligen Plattformanbieter einen Vertrag ein. Dasselbe gilt für Personen, die eine Homepage betreiben oder über ihr Profil bei einer Videoplattform Videos hochladen. Aufgrund der Universalsukzession treten die Erben von Gesetzes wegen in die Vertragsstellung des Erblassers ein.
Da es sich bei den meisten Verträgen mit Plattformbetreibern um Verträge mit Konsumenten handelt, ist trotz meist anderslautenden allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) Schweizer Recht auf die Verträge anwendbar (Art. 120 Abs. 1 und 2 IPRG).12 Innerhalb der Schranken der Vertragsfreiheit (Art. 19 Abs. 1 OR) können der Erblasser und der Anbieter spezifische Regelungen im Hinblick auf den Tod des Nutzers treffen. Einige Marktanbieter haben von diesem Recht Gebrauch gemacht und in ihren AGB Klauseln eingefügt, die regeln, wie der Anbieter mit dem Nutzerkonto nach dem Tod des Nutzers verfahren wird.
Apple: Die Nutzungsbedingungen der Cloud von Apple enthalten beispielsweise folgende Klausel:
«D. Kein Recht des Überlebenden
Sofern gesetzlich nichts anderes vorgeschrieben ist, stimmst du zu, dass dein Account nicht übertragbar ist und dass alle Rechte an deiner Apple-ID oder deinen Inhalten innerhalb deines Accounts im Falle deines Todes enden. Bei Erhalt einer Kopie deiner Sterbeurkunde können dein Account aufgelöst und sämtliche Inhalte innerhalb deines Accounts gelöscht werden. Wende dich an den iCloud-Support unter https://support.apple.com/de-de/icloud, wenn du weitere Unterstützung wünschst.»
Facebook: Bei Facebook hingegen steht in den Nutzungsbedingungen Folgendes:
«5. Sonstiges
5. Du kannst eine Person benennen (der so genannte Nachlasskontakt), die dein Konto verwaltet, wenn es in den Gedenkzustand versetzt wird. Nur dein Nachlasskontakt oder eine Person, die du in einem gültigen Testament oder ähnlichen Dokument, das deine eindeutige Zustimmung zur Offenlegung deiner Inhalte im Todesfall oder bei Unfähigkeit ausdrückt, genannt hast, kann die Offenlegung deines Kontos beantragen, nachdem es in den Gedenkzustand versetzt worden ist.»
Es scheint, als habe Facebook diese Klausel aufgrund des «Facebook-Urteils» des deutschen Bundesgerichtshofes (BGH) vom 12. Juli 2018 13 neu eingefügt. In den vormaligen Nutzungsbedingungen fehlte eine solche Klausel. Früher wies Facebook in seinem Hilfebereich lediglich darauf hin, dass das Benutzerprofil mit dem Ableben des Nutzers in den Gedenkzustand versetzt oder gelöscht werde.14
Google: Den Nutzern seines E-Mail-Dienstes Gmail stellt Google einen sogenannten «Kontoinaktivität-Manager» zur Verfügung, mit dem Nutzer schon zu Lebzeiten regeln können, wie mit ihrem E-Mail-Konto im Falle des Ablebens umzugehen ist. Eine Variante ist beispielsweise das Teilen von einzelnen Informationen mit angegebenen Kontakten, falls während einer gewissen Zeit nicht mehr auf das E-Mail-Konto zugegriffen wurde. Hat der Nutzer nicht von diesem «Kontoinaktivität-Manager» Gebrauch gemacht, stellt Google ein eher langwieriges und kompliziertes Verfahren für die Erben zur Verfügung. Darin wird geprüft, ob den Erben tatsächlich Zugriff auf das Konto gewährt werden soll und welche Daten an sie herausgegeben werden können.15
Der Inhalt solcher Nutzungsbedingungen kann gemäss Art. 8 UWG gerichtlich überprüft und im Falle von Verstössen gegen Art. 8 UWG – etwa wegen Verletzung von Treu und Glauben zum Nachteil der Konsumenten – für ungültig erklärt werden.16
Die Erben des Nutzers treten grundsätzlich in die Rechtsstellung des Verstorbenen ein und übernehmen den Vertrag des verstorbenen Nutzers mit dem Anbieter. Haben die Erben aufgrund fehlender Kenntnis von Benutzername und Passwort keinen Zugriff auf das Konto, möchten aber solchen erhalten, so sind im ersten Schritt die Nutzungsbedingungen des jeweiligen Internetkontoanbieters zu prüfen. Sollten diese Nutzungsbedingungen keinen Zugriff gewähren, können die Erben gerichtlich Zugang zu den Daten verlangen. Die Beschreitung des Rechtsweges wird aufgrund der Haltung der Anbieter aber eher beschwerlich sein.
2.5 Datenschutzgesetz
Als Personendaten (Daten) gelten nach Art. 3 lit. a des Bundesgesetzes über den Datenschutz (DSG) alle Angaben, die sich auf eine bestimmte Person oder bestimmbare Person beziehen. Besonders schützenswerte Personendaten stellen z.B. Daten über religiöse Ansicht, Weltanschauung oder Daten über die Gesundheit, Intimsphäre oder strafrechtliche Verfolgung einer Person dar (Art. 3 lit. c DSG). Es ist davon auszugehen, dass Daten, welche eine Person auf einem Internetnetzwerk- bzw. E-Mail-Konto oder in einem Blog gespeichert hat, Personendaten und vielfach sogar besonders schützenswerte Personendaten darstellen. Aus diesem Grund ist auf diese Daten das Datenschutzgesetz anwendbar.
Nach Art. 8 DSG kann eine Person jederzeit und unter Vorbehalt von gewissen Einschränkungen gemäss Art. 9 DSG vom Inhaber einer Datensammlung Auskunft verlangen, ob Daten über sie bearbeitet werden und welche Daten das sind. Dieses Auskunftsrecht ist höchstpersönlich und nicht vererbbar.17 Art. 1 Abs. 7 der VDSG normiert allerdings, dass Auskunft über Daten von verstorbenen Personen erteilt wird, falls der Gesuchsteller ein Interesse nachweisen kann und keine überwiegenden Interessen von Angehörigen oder von Dritten entgegenstehen, wobei bei naher Verwandtschaft oder Ehe mit der verstorbenen Person ein schützenswertes Interesse angenommen wird.
Wie oben unter Ziffer 2.2 ausgeführt, endet die Persönlichkeit mit dem Tod einer Person. Und Art. 1 Abs. 7 VDSG stellt nur eine Regelung auf Verordnungsstufe dar. Deshalb hat das Zürcher Obergericht mit Urteil vom 16. November 2016 die vorerwähnte Verordnungsnorm als bundesrechtswidrig erklärt. Es ist seither fraglich, ob Auskunftsersuchen von Verwandten über eine verstorbene Person gestützt auf Art. 1 Abs. 7 VDSG bei Internetkontoanbietern erfolgreich geltend gemacht werden können.
Das Bundesgesetz über den Datenschutz ist in Revision und der Gesetzesentwurf sieht im dritten Abschnitt neue Regelungen bezüglich Daten von verstorbenen Personen vor. Art. 16 E-DSG gewährt Personen mit schutzwürdigem Interesse unter Umständen Einsicht in die Personendaten von Verstorbenen. Zudem können Erben oder Willensvollstrecker vom Datenbearbeiter verlangen, dass die Personendaten der verstorbenen Person gelöscht oder vernichtet werden. Diese Löschung kann aber nicht verlangt werden, wenn dies der Erblasser zu Lebzeiten ausdrücklich untersagt hat oder überwiegende öffentliche oder Interessen Dritter der Löschung entgegenstehen.
In der parlamentarischen Beratung kam die Kommission des Nationalrats zum Schluss, dass im Bundesgesetz über den Datenschutz keine gesonderte Regelung mit dem Umgang von Daten verstorbener Personen vorgesehen werden soll. Die Mehrheit des Nationalrates stimmte der Streichung des Artikels 16 E-DSG zu. Die Kommission des Ständerats folgte im Wesentlichen den Anträgen des Nationalrates. Es ist daher davon auszugehen, dass der vorerwähnte Art. 16 E-DSG im revidierten Datenschutzgesetz nicht enthalten sein wird.
3. Kryptowährungen wie Bitcoins
Obwohl es um Bitcoin und Ether etwas ruhiger geworden ist, wird es in Zukunft Nachlässe geben, in denen Kryptowährungen (Token) ein Thema sind. Eine national oder international anerkannte Klassifizierung von Token gibt es bisher nicht. Im Allgemeinen lassen sich Token in die Unterkategorien Zahlungs-Token, Nutzungs-Token und Anlage-Token einordnen.18 Es gibt aber auch Token, die in mehr als eine dieser drei Kategorien fallen.
Zahlungs-Token wie Bitcoin sind dezentral auf einer Blockchain gespeichert. Deswegen können keine Schuldner dieses immateriellen Vermögenswerts ausgemacht werden.19 Der Zahlungs-Token (Guthaben oder Schuld) fällt aber als Teil des Nachlassvermögens des Inhabers mittels Universalsukzession an die Erben.
Nutzungs-Token vermitteln dem Inhaber in der Regel Zugang zu einem Service und sind als Forderungen gegenüber dem Leistungserbringer zu werten. Die Erben treten mit dem Erbgang grundsätzlich in die Forderungsstellung des Erblassers ein.
Anlage-Token verkörpern Forderungsrechte gegenüber dem Herausgeber der Token. Sie stellen ein Wertrecht im Sinne von Art. 973c OR dar und werden auch als solches vererbt.
Neben der rechtlichen Einordnung der Token innerhalb des Erbrechts sind die Lokalisierung und das Erhalten des Zugangs zu solchen Token meist der anspruchsvollere Teil in der Nachlassabwicklung. Token sind in sogenannten «Wallets» gespeichert. Diese Wallets können entweder «Custodian Wallets» sein, bei welchen, ähnlich wie bei einem Bankkonto, eine Drittpartei die Token sowie den Zugangsschlüssel aufbewahrt. Ein «Non-custodian Wallet» hingegen speichert die Token auf dem Konto des Benutzers selbst. Nur dieser hat mittels Zugangsschlüssel Zugriff darauf.20 Bei Custodian Wallets verfügt der Erblasser per vertragsrechtlicher Beziehung zum Walletbetreiber über sein Vermögen, weshalb die Erben nach seinem Ableben in diese Rechtsstellung des Erblassers eintreten und je nach Vertragsinhalt über das Vermögen verfügen können.
Bei Non-custodian Wallets dagegen hat nur der Erblasser selbst per Zugangsschlüssel (Code bestehend aus Zahlen und Buchstaben) Zugriff auf die Token. Die Erben müssen deshalb über diesen Schlüssel verfügen, um sich Zugang zum Vermögen verschaffen können. Ist dieser Zugangsschlüssel oder der daraus resultierende Seed (eine Kombination von Wörtern) nicht bekannt, können die Erben auf das Kryptovermögen meist nicht zugreifen.
Will der Erblasser sein Kryptovermögen in der Non-custodian Wallet seinen Erben hinterlassen, ist es somit unumgänglich, dass sie im Erbfall Zugriff auf den Zugangsschlüssel erhalten. Die Herausforderung ist, dass jede Person mit dem Zugangsschlüssel derart über das Geld verfügen kann, dass kaum Spuren hinterlassen werden. Kommt der Schlüssel in falsche Hände, kann dies zum unmittelbaren und nicht verfolgbaren Verlust des Kryptovermögens führen. Die Niederschrift des Schlüssels in einer letztwilligen Verfügung ist deshalb nicht zu empfehlen. Am besten wird der Schlüssel dem Willensvollstrecker anvertraut oder an einem sicheren Ort aufbewahrt. Eine weitere Möglichkeit ist die Authentifizierung mittels «Multisig». Mit diesem System kann der Zugriff auf das Kryptovermögen nur mit Eingabe von zwei Schlüsseln, welche unabhängig voneinander aufbewahrt werden können, gewährt werden.21 Der Erblasser kann im Multisig-System den ersten Zugangsschlüssel seinen Erben und den zweiten Schlüssel einer Vertrauensperson wie etwa dem Willensvollstrecker anvertrauen.
4. Tipps zum digitalen Nachlass
Es kann für Erben schwierig sein, Zugriff auf die digitalen Daten des Erblassers zu erhalten oder sie löschen zu lassen. Damit der Erblasser keinen «ewigen Datenfriedhof» hinterlässt, ist es angezeigt, schon zu Lebzeiten Vorkehrungen zu treffen. Es sollte daher über die genutzten Onlinekonten und deren Zugangsdaten Buch geführt und den Erben oder dem Willensvollstrecker diese Liste zugänglich gemacht werden. Als Grundregel gilt, nicht mehr genutzte Konten und Daten zu löschen und Daten, welche nicht an die Öffentlichkeit geraten sollen, als solche zu bezeichnen oder zu vernichten, damit die digitalen Spuren noch zu Lebzeiten beseitigt werden können. Nützlich ist auch, immer nur die gleiche E-Mail-Adresse zu verwenden und die Zugangsdaten zu diesem Konto aufzuzeichnen. Denn die meisten Onlinekonten verfügen über einen Passwortwiederherstellungsservice, der über die Registrierungsmailadresse funktioniert. Zudem können auch Passwortmanager-Apps genutzt werden, um Passwörter zentral aufzubewahren.22 Falls der Onlineanbieter selbst Nachlassplanungswerkzeuge – wie zum Beispiel der Aktivitätsmanager von Google – anbietet, so ist es sinnvoll, diese Werkzeuge zu nutzen.
Falls der Erblasser besondere Anordnungen in Bezug auf seinen digitalen Nachlass treffen möchte, kann er dies in Form einer letztwilligen Verfügung und Einsetzung eines Willensvollstreckers tun, dem er Anweisungen betreffend die Verwaltung oder Löschung der Daten erteilt. Weiter besteht die Möglichkeit, digitale Vererbungsdienste zu nutzen. Solche Dienste unterstützen den Internetnutzer bei der Aufbewahrung von Passwörtern, der Aufzeichnung von Wünschen betreffend bestimmte digitale Daten und der Benennung und Information einer Vertrauensperson.23
Das Internet kennt keine Landesgrenzen und die darin gespeicherten Inhalte berühren viele Rechtsgebiete. Ein geplanter und verantwortungsvoller Umgang mit den Daten bereits zu Lebzeiten sowie die Vorsorge mittels verschiedener oben erwähnter Instrumente sind daher unumgänglich, um sich als Nutzer beim Ableben nicht ungewollt digital zu verewigen.
Gabriela Dettwiler, «Die Nutzer misstrauen den Inhalten auf Facebook und reagieren mit Desinteresse», in: NZZ Online vom 25.1.2019, www.nzz.ch/feuilleton/social-media-nutzung-facebook-verliert-instagram-legt-zu-ld.1454032 (abgerufen am 19.9.2019).
Peter Bräutigam, Stellungnahme des Deutschen Anwaltsvereins zum Digitalen Nachlass, Berlin, 34/2013, S. 93.
Alain Schmid / Kirsten Johanna Schmidt / Herbert Zech, «Rechte an Daten – zum Stand der Diskussion», in: sic!, 2018, S. 628.
Stephanie Herzog / Matthias Pruns, Der digitale Nachlass in der Vorsorge- und Erbrechtspraxis, Bonn 2018, S. 10.
Gianni Fröhlich-Bleuler, «Eigentum an Daten?», in: Jusletter, 6.3.2017, Rz. 13.
Rolf H. Weber / Simon Henseler, «Daten als Entgelt», in: SZW, 2019, S. 339.
Hans Rainer Künzle, «Digitaler Nachlass nach schweizerischem Recht», in: Successio, 1/2015, S. 43.
Vgl. zu dieser Aufteilung auch: Elke Brucker-Kley / Thomas Keller / Lukas Kurtz / Kurt Pärli / Matthias Schweizer / Melanie Studer, Sterben und Erben in der digitalen Welt: Von der Tabuisierung zur Sensibilisierung. Crossing Borders, Winterthur 2013, S. 39.
Andreas Meili, N. 17 zu Art. 28 ZGB, in: Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I, Thomas Geiser /Christiana Fountalakis (Hrsg.), Basel 2018.
Brucker-Kley / Keller / Kurtz / Pärli / Schweizer / Studer, a.a.O, S. 49.
Denis Barrelet / Willi Egloff, Kommentar zum Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, 2008, N 14 ff. zu Art. 16 URG.
Alexander Kernen, «Persönlichkeitsverletzung im Internet», in: SSZR, 20/2014, S. 117.
Vgl. BGH Urteil III ZR 183/17 vom 12.7.2018.
Antonia Kutscher, Der digitale Nachlass, Göttingen 2015, S. 119.
Ebd., S. 118.
Florent Thouvenin, Rz. 146 zu Art. 8 UWG, in: Basler Kommentar Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), Reto M. Hilty / Reto Arpagaus, Basel 2013.
OGer ZH NP160017 vom 16.11.2016.
Finma, Wegleitung für Unterstellungsanfragen betreffend Initial Coin Offerings (ICOs), 16.2.2018, S. 2 f.
Benedikt Maurenbrecher / Urs Meier, «Insolvenzrechtlicher Schutz der Nutzer virtueller Währungen», in: Jusletter 4.12,2017, Rz. 21.
Vgl. zu den verschiedenen Typen von «Wallets» auch: Benedikt Maurenbrecher / Urs Meier, a.a.O., Rz. 9 ff.
Martin Hess / Stephanie Lienhard, «Darstellung der technischen Grundlagen und der Übertragsformen de lege lata et ferenda», in: Jusletter 4.12.2017, Rz. 12 ff.
Datenschutzbeauftragter Kanton Zürich, Merkblatt Passwortmanager, August 2019.
Brucker-Kley / Keller / Kurtz / Pärli / Schweizer / Studer, a.a.O, S. 74 f.