Dieser Gerichtspräsident könnte sogar im Spielfilm als Gerichtspräsident auftreten. Oder als Stardirigent. Und Chefarzt. Damit nicht genug. Er ist auch kultiviert. Spielt Cello - nimmt immer noch Unterricht! -, liest am liebsten Thomas Mann und Dostojewski und meditiert als praktizierender Buddhist täglich. Den einmal angeschlagenen milden Grundtenor des Gesprächs hält er bis zum Ende durch. Kein Crescendo, geschweige denn ein Forte. Nicht mal, als ein Thema zur Sprache kommt, das Markus Metz wirklich stört: die Bevormundung seines Bundesverwaltungsgerichts - des jüngsten und grössten der Schweiz - durch das Bundesgericht. Doch davon später.
Ein solches Naturell wird den turbulenten Laden in ruhigem, sicherem Fahrwasser halten, überlegte man wohl bei seiner Wahl. Schon, weil es sein letzter Job vor der Pensionierung ist. Heute, nach einem Jahr, scheint der Betrieb manchen allzu ruhig. Ein Markus Metz lässt sich halt nicht hetzen. Auch nicht in Asylverfahren, wo Rechtsparteien und Flüchtlingshilfe im Chor den «Flaschenhals Bundesverwaltungsgericht» beschimpfen: 280 Tage Verfahrensdauer pro Rekurs sind zu viel!
Der Präsident findet diese Zahl erstens überholt. Zweitens «steht hinter jedem Prozess ein Mensch, der das Recht auf eingehende Begutachtung hat». Als mitfühlendem Wesen tut ihm zwar manche juristisch korrekte Wegweisung weh. «Ins Urteil freilich dürfen solche Gefühle nicht einfliessen.» Und Missbrauch gibt es tatsächlich: Nur jeder zehnte der jährlichen 4500 Rekurse wird gutgeheissen.
Schon 2010 hatte Markus Metz bewiesen, dass öffentlicher Druck «spurlos an mir vorbeigeht». Ganz Bern heulte auf, als er zusammen mit vier andern Richtern den diensteifrigen Steuersünder-Datentransfer in die USA stoppte und damit monatelange Diplomatie zunichte machte. Sture Justiz ohne politischen Spürsinn! Egal. Richter Markus Metz wird nicht zum Erfüllungsgehilfen der opportunistischen Tagespolitik. Er folgt seinem juristischen Gewissen. Und dieses hatte sich an das Abkommen von 1996 zu halten, das Amtshilfe nur bei Steuerbetrug, nicht aber bei Steuerhinterziehung vorsah.
Zur Herausforderung anderer Art wurde die Umsiedlung des Gerichts von Bern nach St. Gallen. 100 der 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weigerten sich diesen Sommer, nach «Sibirien» umzuziehen. Nicht alle, die blieben, taten es aus Treue. Geblieben sind auch Richterinnen und Richter, die «das Amt als bequeme Pfründe» verstehen. Dies die Worte von Markus Metz' Vorgänger Christoph Bandli in einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung. Leider, schimpfte er, kann man faule und unfähige Richter und Richterinnen nicht entlassen. Aber vorknöpfen sollte man sie sich!
Markus Metz lächelt versöhnlich über seinen temperamentvollen und jetzt ins Glied zurückgetretenen Vorgänger. Sicher, nicht alle bringen die gleiche Leistung. «Doch das kann auch an unerfahrenen Gerichtsschreibern oder nicht optimalen Arbeitsmethoden liegen. Da muss man helfen statt kritisieren.»
Und überhaupt: In Zahlen ausgedrückt lässt sich die Leistung durchaus sehen. Die 75 Richterinnen und Richter und die 200 Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreiber bearbeiten jährlich 9000 Fälle und liefern 40 Urteile täglich.
Vieles im neuen Haus trägt die Handschrift des Präsidenten. Zum Beispiel das Fumoir. Obwohl selber Nichtraucher, fühlt er sich als Freisinniger selbst in Sachen Nikotin dem liberalen Gedankengut verpflichtet: «Alle im Haus sind erwachsen und tragen Eigenverantwortung.»
Auch die vielzitierten «Schlafkojen» sind seine Idee. Der Entspannungsraum - nein, er hat ihn noch nie benutzt - ist eigentlich ein erweitertes Sanitätszimmer. «Falls jemand Kopfweh hat», kann er sich auf eine Pritsche legen und den Vorhang ziehen. Seine Idee auch, dass die Richter im Gerichtssaal so sitzen, «dass wir den Parteien auf Augenhöhe begegnen und selbst die Gesichter in der letzten Zuschauerreihe erkennen».
Logisch, missfällt so viel Bürgernähe dem auf splendid isolation bedachten Bundesgericht. Der Kulturen-Clash zeigt sich schon beim Eingang. Das Bundesgericht betritt man über eine Freitreppe mit säulengeschmücktem Portal; das neue St. Galler Gebäude besitzt einen Einlass, der geradeso gut ein Garagentor sein könnte.
Markus Metz stört sich nicht daran, dass das Bundesgericht im Jahr rund 50 Urteile des Bundesverwaltungsgerichts ändert oder aufhebt: «Das Recht ist keine exakte Wissenschaft.» Ihn stört vielmehr, wie «wenig subtil» die Lausanner ihre Aufsicht handhaben. Fordern tatsächlich Rechenschaft über leerstehende Büros! «Da fühl ich mich wie ein Primarschüler, der seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Ganz abgesehen davon, dass diese Bevormundung unser Ansehen mindert.»
Wie alles im Leben ist Markus Metz das Präsidium schier mühelos zugefallen. Als Vizepräsident rückte er einfach nach, die Krönung eines rundum geglückten Lebens. Im richtigen Milieu aufgewachsen - sein Vater war Rechtsanwalt in Chur -, studierte er in Basel, wurde in den Boomjahren in die Führungsetage von Ciba-Geigy katapultiert und ergänzte seine Karriere mit einer eigenen Kanzlei in Basel und dem Strafrichter-Amt in Binningen. Politisches Credo: «Nichts emotional hochkochen, damit Lösungen möglich bleiben.»
Auch alles andere klappte. Im Militär war er Gebirgsartillerie-Oberst, privat ist er glücklich verheiratet mit einer gebürtigen Polin und Vater zweier Kinder, beide ebenfalls Juristen. Selbst dem Umzug in die Ostschweiz kann er nur Gutes abgewinnen. Erstens entfällt das tägliche Pendeln von Binningen nach Bern. Zweitens geniesst er im neuen Wohnort Teufen nicht nur die Aussicht auf den Bodensee, sondern auch den - dank 370 ansässigen Millionären - tiefen Steuersatz. Für die Prise Abenteuer in diesem wohlabgerundeten Leben sorgt ein Motorrad. Harley Davidson? «Nicht mein Stil. BMW.» Klar, die gediegenere Variante.