Im Oktober 2016 nahm Aleksandr Eivazov seine ­Arbeit als Gerichtssekretär beim Gericht des ­Landkreises Oktyabrsky in St. Petersburg auf. Sein Wunsch war es, eines Tages Richter zu werden. 
 
Doch schon bald erlebte er an seinem Arbeitsplatz Verstösse gegen das Arbeitsrecht und gegen ­ethische Grundsätze: Sekretariatsangestellte wurden ­aufgefordert, Protokolle über Verhandlungstermine zu fälschen, Richter führten ihre Beratungen nicht hinter verschlossenen Türen durch. ­Eivazov ­reichte Beschwerde ein – bei höheren gerichtlichen Instanzen, beim Qualifizierungskollegium der Justiz, aber auch beim Inlandgeheimdienst. Eine Reaktion blieb aus. Darauf informierte er Journalisten und verbreitete seine Feststellungen im Internet. 
 
Im Dezember 2016 kündigte Eivazov seine Stelle. Im folgenden Monat suchte ihn der Vizepräsident des Gerichts in Begleitung von uniformierten Beamten auf und forderte ihn auf, das rückdatierte Protokoll ­einer ­Gerichtsverhandlung zu unterzeichnen. Eivazov ­lehnte ab. Kurz darauf wurde gegen ihn ein Straf­verfahren wegen Behinderung der Justiz eingeleitet.
 
Seit dem 22. August befindet sich Eivazov in Untersuchungshaft. Amnesty International setzt sich für seine umgehende Freilassung ein. Aleksandr Eivazov ist ein gewaltloser politischer Gefangener, der lediglich aufgrund der Wahrnehmung seines Rechts auf freie Meinungsäusserung strafrechtlich verfolgt wird. Eivazov leidet an Asthma und befindet sich mittlerweile in einem besorgniserregenden Zustand, da ihm jegliche medizinische Versorgung verweigert wird.
 
Der Gerichtsschreiber ist nicht der Erste, der auf Mängel im russischen Justizsystem aufmerksam machte. 2014 brachte der Uno-Sonderberichterstatter für die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten seine «Sorge über Vorwürfe zu (…) Drohungen und unzulässiger Einflussnahme, Behinderung und Druck auf die Justiz» zum Ausdruck.