Ein Blick auf neuere Master- und Bachelorarbeiten zeigt: Sie tragen immer öfter englischsprachige Titel. «Das müssen sie auch, um im wissenschaftlichen Diskurs nicht unterzugehen», sagt Mira Burri, Professorin für internationales Wirtschafts- und Internetrecht an der Universität Luzern.
Burri koordiniert den englischsprachigen Lehrplan und das internationale Netzwerk der rechtswissenschaftlichen Fakultät und unterrichtet selbst auf Englisch. Die Professorin schwärmt: «Die Luzerner Rechtsfakultät ist zwar noch jung, bietet jedoch mit aktuell rund 30 Vorlesungen auf Englisch pro Jahr ein umfassendes englischsprachiges Programm auf Masterstufe an.»
Es wäre laut Burri nicht sinnvoll, Fächer wie internationales Handelsrecht oder internationale Menschenrechte auf Deutsch zu unterrichten. Die Literatur sei meist in englischer Sprache verfasst. Auch in der Arbeitswelt werde vermehrt Englisch verlangt.
Andreas Heinemann, Professor für Handels-, Wirtschafts- und Europarecht in Zürich, pflichtet Burri bei. Er kennt sich in der Bundesverwaltung aus und ist auch für die Wettbewerbskommission tätig. Da sei «Englisch absolut erforderlich», sagt er.
Ganze Masterstudiengänge in St. Gallen und Zürich
Die Universität St. Gallen bietet seit Jahren einen englischsprachigen Master of International Law an. Finanz- und Wirtschaftsrecht werden stark gewichtet, entsprechend viele Lehrveranstaltungen finden sich in englischer Sprache.
Auch an der Universität Zürich kann ein Masterstudium in englischer Sprache absolviert werden. In diesem Lehrgang sind alle Vorlesungen in Englisch, auch die Einführung ins Schweizer Recht. Professor Mark Thommen veröffentlichte dazu das Lehrbuch «Introduction to Swiss Law».
Thomas Gächter, Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät, verweist auf die vielen Kooperationen mit ausländischen Universitäten: «Deren Studenten wollen auch nach Zürich kommen. Deshalb mussten wir ein Masterprogramm komplett in englischer Sprache anbieten.» Die Nachfrage steige kontinuierlich, aktuell seien 148 Erstsemestrige eingeschrieben. Das hat Folgen auf die Auswahl der Professoren: «Wir fragen explizit, ob sie bereit sind, auch auf Englisch zu lehren», sagt Gächter.
Wolfgang Wohlers, Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät Basel, wertet den Vormarsch der englischen Sprache in den Rechtsfakultäten in weiten Teilen als einen «Hype». Straf- oder Zivilrecht in englischer Sprache zu lehren, sei «äussert gekünstelt». Allein schon die einzelnen Rechtsbegriffe zu übersetzen, sei bedingt sinnvoll und und teilweise auch gar nicht möglich.
Die Folge: Beim Unterrischt in Englisch werden dann die deutschen Fachbegriffe verwendet. Englisch sei für Leute nützlich, die später in einer Grosskanzlei arbeiten und dort Fälle mit internationalem Bezug bearbeiten. «Alle anderen Anwälte brauchen in der täglichen Arbeit vor Gericht Deutsch oder in der Romandie Französisch.» Auch beim Bund seien noch immer die vier Landessprachen wichtig, bei Deutschsprachigen werde vor allem Französisch als Zweitsprache vorausgesetzt.
“Für nationales Recht braucht es kein Englisch”
An der Universität Freiburg finden die Lehrveranstaltungen in deutscher und französischer Sprache statt. Englisch spielt laut Dekan Hubert Stöckli etwa im Europarecht, im Bereich der Menschenrechte und der Schiedsgerichtsbarkeit eine Rolle.
Freiburg kooperiert seit 2008 als einzige Universität der Schweiz mit dem Center for Transnational Legal Studies in London. Trotzdem sieht es Stöckli ähnlich wie Wohlers: «Für nationales Recht braucht es Englisch nur selten. Die Landessprachen stehen hier im Vordergrund.» Die Rechtswissenschaft habe eine starke nationale Komponente, das werde noch lange so bleiben.
In Deutschland machen die Universtitäten den «Englisch-Hype» – mit wenigen Ausnahmen – nicht mit, wie die Luzerner Professorin Mira Burri einräumt. In Rechtsbereichen wie beispielsweise dem Internetrecht oder dem internationalen Immaterialgüterrecht seien die Deutschen dann aber «vom globalen wissenschaftlichen Diskurs» abgeschnitten.