plädoyer: Zuletzt diskutierte plädoyer im Jahr 2005 über das Erbrecht. Damals wurde konstatiert, dass die hohen Pflichtteile für viele Vermögende ein Grund für Offshore-Regelungen sind. Denken Sie, dass Offshore-Konstruktionen zurückgehen, wenn – wie vom Bundesrat jetzt vorgeschlagen – der Pflichtteil künftig kleiner wird?
Thomas Sutter-Somm: Nein. Für jene Leute, die wirklich vermögend sind, ändert sich durch die Reduktion der Pflichtteile wenig. Schauen Sie den angelsächsischen Raum an: Es ist doch kein Wunder, wie Leute dort ihren Nachlass regeln. Mit Trusts usw. kann man über seinen Nachlass frei verfügen. Aber das heisst nicht, dass der Vorschlag des Bundesrats auf Reduktion der Pflichtteile schlecht wäre. Das Erbrecht muss für die Mehrzahl der Leute vernünftig sein – nicht eine Lösung für alle bieten.
plädoyer: Erachten Sie es also als einen sinnvollen Schritt, die Pflichtteile zu reduzieren?
Sutter-Somm: Man muss zwischen zwei Problemkreisen unterscheiden: Das eine ist der rechtspolitische Aspekt. Da kann man unterschiedlicher Meinung sein – die vorgeschlagene Lösung muss einfach einigermassen kohärent sein. Wenn man den Pflichtteil der Eltern abschafft, müsste man auch die Verwandtenunterstützungspflicht diskutieren. Das ist die Kehrseite der Medaille – entweder man erhält etwas oder muss für jemanden aufkommen. Das andere sind rechtstechnische Fragen. Ziel einer Revision muss eine saubere Gesetzgebung sein. Der vorliegende Entwurf schafft das nicht. Das Erbrecht wird zwar revidiert – aber man hat danach mehr offene Fragen als zuvor.
Alexandra Jungo: Das ist tatsächlich so. Laut Botschaft wollte man den Pflichtteil der Eltern streichen, in Artikel 470 ZGB sind die Eltern aber bei der Aufzählung der Pflichtteilsberechtigten nicht gestrichen worden. Im Entwurf steht nur, dass nach dem neuen Artikel 471 ZGB nur noch Nachkommen und der überlebende Ehegatte Anspruch auf einen Pflichtteil haben. Rechtspolitisch betrachtet bin ich dafür, dass die Pflichtteile reduziert werden. Damit erhalten Erblasser mehr Möglichkeiten, jenen Leuten etwas zu geben, die ihnen emotional nahestehen, ohne mit ihnen verwandt zu sein. Zudem kennt die Schweiz noch kein Unternehmenserbrecht, was die Zukunft von Unternehmen gefährden kann.
plädoyer: Bei einer gänzlichen Abschaffung der Pflichtteilsrechte wären Erblasser frei, das Vermögen jenen zu vermachen, die ihnen am nächsten stehen. Oder die damit etwas Sinnvolles anfangen könnten. Braucht es neben dem gesetzlichen Erbrecht überhaupt noch ein Pflichtteilsrecht?
Jungo: Die Pflichtteile spielen nur eine Rolle, wenn man ein Testament schreibt. Ohne Testament wird die Erbschaft nach den gesetzlichen Regeln verteilt. Ich meine: Das Erbrecht muss auch ohne Testamente funktionieren. Ein gutes Erbrecht sollte für alle Leute stimmen, die kein Testament erlassen – das sind laut Untersuchungen etwa 80 Prozent der Bevölkerung.
Sutter-Somm: Dieser Meinung bin ich auch.
plädoyer: Hätte man nicht auch bei den gesetzlichen Erben Änderungen vornehmen sollen? Immerhin steht der Lebenspartner dem Verstorbenen in der Regel am nächsten, ob er mit ihm verheiratet ist oder nicht.
Jungo: Wenn ich meinen faktischen Lebenspartner begünstigen möchte, ist dies mit einem Testament möglich. Aber man muss es ausdrücklich anordnen. Das finde ich etwas heikel. Denn wenn man jemandem etwas per Testament zuwendet, nimmt man jemand anderem etwas weg. Ein Kind auf den Pflichtteil zu setzen, ist für das Kind belastend. Deshalb stellt sich die Frage, ob das Gesetz für gewisse Situationen – zum Beispiel bei gemeinsamen Kindern – einen gesetzlichen Erbteil für die faktischen Lebenspartner vorsehen sollte.
plädoyer: Kollegen von Ihnen haben schon vorgeschlagen, den Pflichtteil betragsmässig zu beschränken. Denn ab einem gewissen Vermögen ist ein Pflichtteilsanspruch kaum mehr schützenswert. Was halten Sie von einem Maximum – zum Beispiel bei 1 oder 2 Millionen Franken?
Sutter-Somm: Hier spielt die Rechtstradition eine Rolle. Das römische Recht kannte die Verfügungsfreiheit, bei den Germanen war das nicht so. Wir – und das deutsche Recht – sagen, ein Teil des Erbes bleibt in der Familie. Das ist nun einfach so. Allenfalls müsste man differenzieren, ob jemand das zu vererbende Vermögen selbst erarbeitet oder es schon geerbt hat. Diskussionen über solche Lösungen gibt es aber nicht. Deshalb finde ich eine betragsmässige Beschränkung des Pflichtteils problematisch.
Jungo: Dem stimme ich zu.
plädoyer: Neu im Vorentwurf ist die richterliche Kompetenz, ein Unterhaltsvermächtnis zugunsten von minderjährigen Kindern und langjährigen Lebenspartnern anzuordnen. Eine gute Idee?
Jungo: Das ist in der Schweiz ein Novum. Ich hätte es anders formuliert. So wie es jetzt geregelt ist, bleiben sehr viele Fragen offen – zum Beispiel die Voraussetzungen und die Dauer des Unterhalts. Dies ist aber eine rechtspolitische Frage. Gut finde ich, dass damit die faktischen Lebenspartner berücksichtigt werden und dass es ein gesetzliches Legat ist, das nicht von einem Testament abhängig ist. Aber das Gericht verfügt über grosses Ermessen, wie lange der Unterhalt gewährt werden soll und wie gross der Nachlass sein muss.
plädoyer: Anspruchsberechtigte müssen klagen – angesichts der vielen offenen Fragen ist das recht riskant.
Jungo: Die Idee, dass der faktische Lebenspartner und die minderjährigen Stiefkinder etwas erhalten, finde ich gut. Die Schwierigkeit liegt aber darin, dass in jedem Fall ein Gericht über den Anspruch entscheiden muss. Dieser ist klageweise geltend zu machen, was sehr ungünstig ist. Das ganze Familiengefüge gerät aus den Fugen, wenn etwa eine Lebenspartnerin gegen die Kinder des Erblassers auf ein Unterhaltsvermächtnis klagt. Es wäre klarer und einfacher, eine minimale gesetzliche Begünstigung für Lebenspartner einzuräumen. Mein Vorschlag lautet: Wenn gemeinsame Kinder vorhanden sind, sollten Lebenspartner von Gesetzes wegen einen erbrechtlichen Anspruch haben.
plädoyer: Dazu kommt die zeitliche Problematik: Wenn jemand vom verstorbenen Lebenspartner abhängig war und dieser stirbt, muss er zunächst ein Verfahren in Gang bringen. Bis er dann wirklich an das Vermächtnis kommt, verstreicht viel Zeit.
Sutter-Somm: Ja genau. Und die Anspruchsberechtigten haben keine Informationsrechte. Grundsätzlich: Ich finde die Idee eines gesetzlichen Erbrechts für den faktischen Lebenspartner interessant. Die Tendenz geht dahin, dass man von der alleinigen Berücksichtigung des zivilrechtlichen Status wegkommt und mehr auch Realbeziehungen in Betracht zieht. Ein Unterhaltsvermächtnis ist hingegen eigentlich nicht die richtige rechtliche Konstruktion. Das Legat mit den unklaren gesetzlichen Konturen muss ja im Streitfall eingeklagt werden. Damit ist auch ein entsprechendes Prozess- bzw. Kostenrisiko verbunden.Viele Fragen dazu sind offen, insbesondere auch die Dauer des Vermächtnisses. Unklar ist zudem, was das Parlament dazu sagt. Anlässlich der Beratung der Motion Gutzwiller sagte das Parlament, es wolle keine Gleichstellung mit der Ehe. Der Vorentwurf bringt zwar keine Gleichstellung, aber doch mit dem Unterhaltsvermächtnis eine gewisse Annäherung.
Jungo: Nicht durchdacht ist auch die Frage, wie man gesetzliche Erbteile und Pflichtteile berechnen soll, solange man nicht weiss, wie dieses Rentenlegat betragsmässig aussieht und wie lange es dauert. Eigentlich stellt das Legat die ganze Erbteilung in Frage.
Sutter-Somm: Zudem besteht noch das übergangsrechtliche Problem. Irgendwann würde diese Bestimmung in Kraft treten. Was passiert dann mit Testamenten und Erbverträgen, die vorher erlassen wurden?
plädoyer: Heisst das: In diesem Punkt muss der Vorentwurf zurück an den Absender?
Sutter-Somm: Ja, man muss es noch einmal genau anschauen. Das ist kein Vorwurf an die Sachbearbeiter im Bundesamt für Justiz. Ich habe immer gesagt, man muss ein eigentliches Inventar der revisionsbedürftigen Punkte erstellen, diese inhaltlich untersuchen und dann entsprechend präzise Normtexte formulieren, die als Grundlage für die weiteren Gesetzgebungsarbeiten dienen. In einer von mir kürzlich erschienen Publikation habe ich dies getan (Sutter-Somm / Ammann, Die Revision des Erbrechts, Zürich 2016). Ich weiss aus eigener Erfahrung, wie Gesetzgebung funktioniert. Ich war ja Präsident der Expertenkommission ZPO. Die Arbeiten in dieser Kommission waren die Grundlagen der ZPO, die im Parlament in der Schlussabstimmung mit einer einzigen Gegenstimme angenommen wurde und heute in der Praxis bestens funktioniert.
Jungo: Ich plädiere dafür, dass man eine Expertenkommission mit Personen aus Praxis und Lehre zusammenstellt. Der Vorentwurf beruht auf drei Gutachten, was schon ein erster Schritt ist. Im Vorentwurf werden aber ganz massgebliche Werke, etwa jene von Paul Eitel und von Paul-Henri Steinauer, nicht oder kaum zitiert. Das wirft ein ungünstiges Licht auf den Vorentwurf und ist für mich unverständlich. Für den Gesetzesentwurf ist daher eine breiter abgestützte Expertenkommission ins Leben zu rufen.
Sutter-Somm: In der Expertengruppe sollte eine gute Mischung von Leuten aus der Wissenschaft, der Gerichte und der Advokatur mitmachen. So würden die Probleme aus unterschiedlicher Warte angeschaut. Daraus resultiert etwas, was eine tragfähige Grundlage für die weiteren Gesetzgebungsarbeiten ist.
Jungo: Sonst droht uns, was wir gegenwärtig bei der Umsetzung des Betreuungsunterhalts für Kinder erleben. Der Bundesrat hat hier die Regelung des Betreuungsunterhalts einfach an die Praxis delegiert. Beim Erbrecht droht nun dasselbe: Die Praxis soll es richten.
Sutter-Somm: Ich weiss nicht, wie lange an diesem Vorentwurf zur Revision des Erbrechts gearbeitet wurde. Ich vermute, man hat das sehr zügig gemacht. Rechtssicherheit aber ist ein hohes Gut. Eine schlechte Regelung, die immerhin klar ist, ist besser als eine ewige Streiterei. Ich denke etwa an die zahlreichen Fragen, die sich bei der Ausgleichung stellen.
Jungo: Da hat sich der Vorentwurf immerhin entschieden, dass unter Nachkommen nur noch Ausstattungen ausgleichspflichtig sind. Ausgleichen müssten sie also nur noch Zuwendungen zu Lebzeiten des Erblassers, die Ausstattungs- oder Versorgungscharakter hatten. Unklar sind im Entwurf aber noch die Herabsetzungsbestimmungen. Dort hat man sich laut Botschaft für die sogenannte objektive Theorie entschieden, im Entwurf ist dies jedoch unklar, es entstehen neue Probleme.
Sutter-Somm: Wenn ich das richtig sehe, ist die inhaltliche Diskussion, ob die Ausgleichung eine Schenkungs- oder eine Versorgungskollation ist, nicht geführt worden. Die Versorgungskollation stützt sich auf den Wortlaut ab und sagt, nur was zur Begründung, Verbesserung oder Erhaltung der Lebensgrundlage geschenkt wird, ist ausgleichspflichtig. Eine Luxusschenkung hingegen wie etwa ein Mercedes 350 an den Sohn, der nicht Taxifahrer ist, fällt nicht darunter.
Jungo: Das ist jetzt in Artikel 626 Absatz 2 ZGB geregelt mit der Formulierung: «Als Erbvorbezug gelten alle Zuwendungen, die der Ausstattung dienen, sofern der Erblasser nicht ausdrücklich das Gegenteil verfügt.» Das Problem ist jetzt, ob das für Absatz 1 dieser Bestimmung auch gilt.
Sutter-Somm: Das Bundesgericht hat in diesem Zusammenhang gesagt, dass der Erblasser einen Nachkommen ausdrücklich – etwa in einem Testament – von der Ausgleichung dispensieren kann und dass dies rechtswirksam ist. Das ist eine klare bundesgerichtliche Rechtsprechung. Das hätte man ins Gesetz hineinschreiben können, wenn es revidiert wird.
plädoyer: Der Vorentwurf enthält neu ausdrückliche Informationsrechte für Erben und Vermächtnisnehmer. Das ist ein Fortschritt.
Jungo: Ja, es ist eine gute Idee, das zu regeln. Ich hoffe, dass auch virtuelle Erben darunter fallen. Also gesetzliche Erben, die im Testament leer ausgehen. Das ist aber noch nicht ganz klar. Positiv ist auch, dass explizit geregelt wurde, dass das Berufsgeheimnis den Informationsrechten nicht entgegengehalten werden kann.
Sutter-Somm: Dieses Informationsrecht finde auch ich eine gute Idee. Was fehlt: Die Frage der Teilungsklage des Willensvollstreckers kommt im Vorentwurf nicht vor. Nach heutigem Recht können Willensvollstrecker nicht auf Teilung klagen. Aber man ist sich einig: Es ist nicht sehr sinnvoll, wenn ein Willensvollstrecker ständig Vorschläge zur Erbteilung macht, die von den Erben abgelehnt werden. Immerhin kann er das Mandat niederlegen. Aber im Hinblick auf die Zukunft stellt sich die Frage, ob man nicht die Aktivlegitimation der Willensvollstrecker für die Teilungsklage in das Gesetz schreiben sollte.
plädoyer: Wären Sie dafür?
Sutter-Somm: Ich bin dafür, dass man zuerst einmal alle diese offenen Fragen lokalisiert. Dann sollte man inhaltlich darüber diskutieren, was richtig ist. Und schliesslich einen Gesetzestext formulieren. Solche Formulierungen müssen im Team gemacht werden. Das weiss ich aus eigener Erfahrung beim Scheidungsrecht und bei der Zivilprozessordnung.
plädoyer: Neu ist ein Artikel, der auch Anwälte betrifft: Personen, die in Ausübung ihrer beruflichen Funktion in einem Vertrauensverhältnis zum Erblasser stehen, darf per Testament nur noch höchstens ein Viertel der Erbschaft zugewendet werden. Eine sinnvolle Änderung?
Sutter-Somm: Daniel Abt hat dieses Thema behandelt und einen im Vergleich zum Vorentwurf besseren Vorschlag gemacht. Es geht hier nämlich um eine partielle Erbunwürdigkeit. Das ist ein Problemfeld, das man beachten muss. Ob der Vorentwurf der Weisheit letzter Schluss ist, ist eine andere Frage.
plädoyer: Die Formulierung ist sehr ausufernd. Es können nicht nur Geistliche, Ärzte und Anwälte gemeint sein, sondern auch Physiotherapeuten, Spitex-Personal und Vermögensverwalter. Sollte die Norm auf Ärzte, Anwälte und Geistliche beschränkt werden?
Jungo: Ja, man müsste die Erbunwürdigkeit sicher auf gewisse Kategorien von Berufen beschränken, die von Amtes wegen eine besondere Nähe zu dieser Person und auch einen besonderen Kenntnisstand über deren Vermögen haben.
plädoyer: Bisher war unklar, wie das Guthaben in der dritten Säule erbrechtlich behandelt wird. Diese Frage wird jetzt beantwortet.
Jungo: Ja, im bundesrätlichen Vorentwurf wird das jetzt geregelt: Die dritte Säule fällt nicht in den Nachlass. Die diesbezügliche Gleichstellung der beiden Arten von dritten Säulen finde ich sehr gut. Bislang gab es einen Unterschied zwischen Bankstiftungen und Versicherungslösungen. Das haben Regina Aebi-Müller und ich beide kritisiert.
plädoyer: In der Schweiz gibt es ein bäuerliches Erbrecht, aber kein Unternehmenserbrecht. Müsste sich die Expertenkommission dazu auch Gedanken machen?
Jungo: Ja, ich denke, hier gäbe es verschiedene Probleme zu lösen. Bei der Ausgleichung etwa stellt sich die Frage: Könnte man ein Unternehmen zum Ertragswert übergeben, ohne dass das bei der Berechnung der Pflichtteile eine Rolle spielen muss? Soll es vielleicht ein Gewinnbeteiligungsrecht geben? Das heutige Ausgleichungsrecht ist starr: Wenn ein Unternehmen, das zu Lebzeiten des Erblassers übergeben worden ist, beim Tod zehnmal so viel Wert hat, wird es zu diesem Wert angerechnet. Ist das richtig? Wem dient das? Das sollte man klären.
plädoyer: Sie fordern also zusammengefasst die Zusammensetzung einer Expertenkommission, um die offenen Fragen zu benennen, Lösungen zu diskutieren und sie dann sorgfältig als Gesetz zu formulieren?
Sutter-Somm: Ja genau. Meine Hauptkritik am Vorentwurf: Man hat nicht vorher geschaut, in welchen wichtigen Bereichen der Rechtsprechung es Unklarheiten gibt. Zudem sind Gesetzesformulierungen eine Kunst. Die Kunst, Kompliziertes einfach und klar zu regeln. Und den Gerichten genügend Spielraum zu lassen, ihnen aber auch klare Vorgaben zu erteilen. Ich möchte den Leuten vom Bundesamt für Justiz keinen Vorwurf machen. Ich finde aber, die politisch Verantwortlichen des Departements sollten darauf achten, dass die Revision des Erbrechts kein Tagesgeschäft ist und Zeit braucht. Es darf nicht sein, dass man Druck aufsetzt und verlangt, jetzt müsse es vorwärts gehen, ohne zu berücksichtigen, wie aufwendig dies ist. Ich sage immer, die Gesetzgebung hat eigentlich keine Lobby mehr. Es muss alles möglichst schnell gehen. Wenn das Resultat dann nicht gut ist, ändert man es halt wieder, was meines Erachtens nicht das richtige Vorgehen ist.
plädoyer: Falsch war also die Methodik, wie man ans Werk ging, und in Sachen Gesetzestechnik ist die Note ebenfalls ungenügend?
Sutter-Somm: Ja genau. Bundesrat Arnold Koller hat in einem Gesetzgebungsverfahren einmal etwas gesagt, das ich nie mehr vergessen werde: Ein angeschlagenes Schiff bekommt man nie mehr auf Kurs. Es ist also ganz wichtig, dass am Anfang die Sache gut gemacht wird.
Alexandra Jungo, 51, ist Professorin für Zivilrecht an der Universität Freiburg im Üechtland. Zudem ist sie Mitglied der Direktion des interdisziplinären Familieninstituts.
Thomas Sutter-Somm, 59, ist Professor für -Zivilrecht und Zivilprozessrecht an der Universität Basel. -Zudem ist er -Mitglied der Advokatur-prüfungs-kommission im Kanton Basel-Stadt.
Revision des Erbrechts: Das schlägt der Bundesrat vor
Die wichtigsten Neuerungen im Vorentwurf: Die Pflichtteile werden gekürzt, so kann der Erblasser über einen grösseren Teil seines Vermögens frei bestimmen. Dadurch können Konkubinatspartner oder Stiefkinder stärker begünstigt werden. Neu sollen die Pflichtteile für Kinder von drei Vierteln auf die Hälfte und für Ehegatten von der Hälfte auf einen Viertel reduziert werden. Für Eltern wurde der Pflichtteil im Vorentwurf ganz gestrichen. Für Konkubinate wird ein Unterhaltsvermächtnis eingeführt. Der überlebende Partner kann damit vor Gericht einen Teil des Nachlasses verlangen, um seinen Unterhalt zu bestreiten.
Eine Härtefallregelung ist auch für Stiefkinder vorgesehen, die mindestens fünf Jahre im gleichen Haushalt wie der Erblasser lebten und von ihm unterstützt wurden.
Weiter soll das Risiko der Erbschleicherei eingedämmt werden, indem der Erblasser höchstens einen Viertel seines Vermögens an Personen vererben kann, die aufgrund ihres Berufes in einem Vertrauensverhältnis zu ihm stehen – also etwa auch Anwälte.