Verfassungsrecht
Grundrechte
Die punktuelle Neutralisierung der EMRK in der Praxis des Bundesgerichts. Stefan Schürer, ZBl 2016, S. 171 ff.
Der Autor geht auf fünf aktuelle Fälle – VgT, Kassensturz, Perinçek, Monnat und Rhino – ein. Er ist der Ansicht, solange es in der Praxis bei einer Neutralisierung der EMRK bleibe, werde die Konventionsgerichtsbarkeit gegenüber Anordnungen, die auf einer bundesgesetzlichen Regelung basieren würden, punktuell dem EGMR überlassen.
Ausländer- und Asylrecht
Die unentgeltliche Rechtsvertretung im beschleunigten Asylverfahren. Dominique Wetli, Asyl 2016/2, S. 15–19.
Der Beitrag beleuchtet die Unabhängigkeit der Rechtsvertretung, insbesondere ihre Möglichkeit, Mandate zu beenden. Nicht in Frage kommt eine Beendigung laut Autor bei Hinweisen auf die Fehlerhaftigkeit des Verfahrens oder materiellen Entscheids. Über einen Beschwerdeverzicht muss frühzeitig informiert werden, um eine alternative Rechtsvertretung zu ermöglichen.
Verwaltungsrecht
Umwelt-, Bau- und Planungsrecht
Der Wohnungsbegriff des Zweitwohnungsgesetzes (ZWG). Jonas Alig, Jusletter vom 30. Mai 2016.
Für die Anwendung des Zweitwohnungsgesetzes (ZWG) ist der Wohnungsbegriff von entscheidender Bedeutung. Der Autor beleuchtet die nicht einfach zu durchschauende Systematik des Gesetzes, der es teilweise an Stringenz mangelt.
Legitimation des Schweizerischen Alpenclubs (SAC) und seiner Mitglieder bei der Ausscheidung von Wildruhezonen. Nachbetrachtung zum Urteil des Bundesgerichts vom 23. Februar 2015 (1C_453/2014, 1C_454/2014, Nendaz und Anniviers VS). Erik Lustenberger, URP 1/2016, S. 62 ff.
Kritik an der restriktiven Praxis des Bundesgerichts zur Legitimation, die faktisch den Rechtsschutz der Bergsportverbände ausschliesst.
Der rechtliche Schutz der Lebensräume und Arten. Zustand und Perspektiven des Biodiversitätsrechts.
URP 2/2016, S. 105 ff.
Beiträge zur Herbsttagung 2015 der Vereinigung für Umweltrecht von Daniela Pauli, Astrid Epiney, Peter M. Keller, Urs Känzig-Schoch, Stefan Hasler, Adrian Fahrni und Kaspar Sollberger zu Möglichkeiten und Grenzen des Biodiversitätsrechts.
Abschöpfung von unrechtmässigen Vermögensvorteilen bei Umweltstraftaten – mit Fallbeispielen aus den Kantonen St. Gallen und Zürich. Anna Knobel und Martin Anderegg, URP 3/2016, S. 201 ff.
Straftaten sollen sich nicht lohnen. Wer wirtschaftliche Vorteile aus umweltrechtlichem Fehlverhalten zieht, ist dafür zur Rechenschaft zu ziehen. Werden Widerhandlungen lediglich mit einer (häufig milden) Busse oder Geldstrafe bestraft, ist dies nicht gewährleistet. Die Autoren zeigen auf, wie die Einziehungspraxis verbessert werden kann.
Sozialversicherungsrecht
AHV, IV, EL und ALV
Lohnstatistische Daten in der Invaliditätsbemessungsmethode des Einkommensvergleichs. Kaspar Gerber, SZS 60/2016, S. 237–269.
Der Autor gibt einen Überblick über aktuelle Gesetzgebung und Rechtsprechung und plädiert dafür, dass der Lohnrechner «Salarium» des BFS herangezogen wird, um den Invaliditätsgrad möglichst präzise zu bemessen.
Zu den Rahmenbedingungen gutachterlicher Aufgaben im versicherungsrechtlichen Kontext. Hansjörg Koch, SZS 60/2016, S. 270–286.
Die Delphi-Umfrage zur Situation der versicherungsmedizinischen Begutachtung ergab die klare Notwendigkeit von medizinischen Leitlinien und Fortbildungsmöglichkeiten. Umstritten war, ob die Qualität der Gutachten mit einem externen Board gesteigert werden kann.
Schwerpunkt Nationales Programm gegen Armut. CHSS 2/2016, S. 3–77.
Das Heft belichtet breit abgestützt den Stand der Armutsbekämpfung in der Schweiz. Care-Arbeit, verbesserter Zugang zur Kita dank Betreuungsgutschriften, Zusammenarbeit IV und Arbeitgeber, Umverteilung AHV und Leistungskontrolle in der Krankenversicherung sind Themen dieser lesenswerten Ausgabe.
Strafrecht
Allgemeiner Teil
Verwahrung neben einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe. Peter Albrecht, AJP 5/2016, S. 692–694.
Das Bundesgericht hält die Anordnung der Verwahrung auch bei einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe für zulässig. Allerdings darf dies gemäss Autor nicht dazu führen, dass das Subsidiaritätsprinzip infolge des Verzichts auf eine einzelfallbezogene Prüfung der Voraussetzung von Art. 56 Abs. 1 lit. a StGB ausser Acht bleibt.
Eventualvorsatz und Taterfolg. Marcel Alexander Niggli und Stefan Maeder, AJP 5/2016, S. 589–595.
Die Autoren weisen darauf hin, dass es sich bei fahrlässigem Handeln nicht um eine mindere Form des Vorsatzes handelt, wie die häufig in der Nebenstrafrechts-Justiz, insbesondere im Wettbewerbsrecht, anzutreffende Formulierung «mindestens fahrlässig» suggerieren könnte. Während Vorsatz eine rechtswidrige Handlung, einen Willensentschluss voraussetze, bestehe Fahrlässigkeit in blosser Unvorsicht. Fälschlicherweise werde ein Eventualvorsatz regelmässig bejaht, wenn sich auch ein Taterfolg verwirklicht habe. Ein derartiger Rückschluss sei unzulässig.
Privatrecht
Erbrecht
Die Unternehmensnachfolge im Erbrecht – Vorschläge de lege ferenda. Balz Hösly und Nadira Ferhat, Successio 2/16, S. 100 ff.
Die Autoren plädieren für besondere gesetzliche Regelungen, um den Erhalt von Unternehmen im Erbgang zu ermöglichen. Sie zeigen auf, wo Handlungsbedarf besteht. Im Vorentwurf des Bundesrats vom 4. März 2016 für eine Erbrechtsreform werde das Thema stiefmütterlich behandelt.
Sachenrecht
Formvorschriften bei der Übertragung von Baurechtsdienstbarkeiten. Thomas J. Werner, ZBGR 3/2016, S. 153 ff.
Der Autor legt dar, dass die Vorschriften des Zessionsrechts bei der Übertragung von Baurechtsdienstbarkeiten analog zur Anwendung kommen und somit die einfache Schriftlichkeit ausreicht.
Digitale Daten als Wirtschaftsgut: digitale Daten als Sache. Martin Eckert, SJZ 2016, S. 245 ff.
Digitale Daten werden wie Waren produziert, übertragen und gehandelt. Sie sind zum alltäglichen kommerziellen Gut geworden. Eine klare rechtliche Einordnung fehlt jedoch. Der Autor legt dar, dass digitale Daten die Voraussetzungen der Sacheigenschaft erfüllen und dem Sachenrecht zugeordnet werden können. Der Eigentümer hat damit namentlich das Recht zu bestimmen, ob und wie seine Daten kopiert, reproduziert oder genutzt werden dürfen.
Obligationenrecht
Arbeitsvertragsrecht
Arbeitsrechtliche Fallstricke beim Jobsharing.
Isabelle Wildhaber und Thomas Geiser, ARV 1/2016, S. 1–9.
Konziser Überblick über die verschiedenen Ausgestaltungen und die häufigsten rechtlichen Probleme beim Jobsharing. Themen wie Ferien, Überstunden oder Kündigung erfordern ein besonderes Augenmerk. Zum Schluss geben die beiden Autoren eine praktische Checkliste.
Datenschutzrecht
Schutz vor Whistleblowing in Europa? Zu den rechtlichen Regelungen zum Schutz von Whistleblower(inne)n in Europa. Martin Hilti, Digma 1/2016, S. 6–9.
Whistleblowing ist im Hinblick auf die Enthüllung und Verhinderung von Korruption wertvoll. Trotzdem kennt laut Autor nur eine Handvoll Mitgliedsländer der Europäischen Union rechtliche Rahmenbedingungen zum Schutz von Hinweisgebenden, die als fortschrittlich betrachtet werden könnten. Ähnlich viele EU-Mitgliedsstaaten würden Whistleblowing hingegen nicht oder höchstens sehr begrenzt schützen. Zwar hätten während der letzten Jahre verschiedene Länder die Rechte von Whistleblowern gestärkt. Gleichwohl fehle es meistens noch immer am politischen Willen, auf eine robuste Gesetzgebung hinzuwirken. Der Autor meint abschliessend, im europäischen Vergleich dürfte sich die schweizerische Regelung im Mittelfeld bewegen.
Handels- und Wirtschaftsrecht
Immaterialgüterrecht
Das neue administrative Löschungsverfahren im Gefüge des Markenprozessrechts. David Aschmann, Sic! 4/2016, S. 196 ff.
Anfang 2017 wird der Löschungsantrag wegen Nichtgebrauchs als neues Verwaltungsverfahren in Markensachen in Kraft treten. Mit diesem Antrag sollen Marken, die im Markt nicht gebraucht werden, aus dem Markenregister entfernt werden können. Zu erwarten ist eine spürbare Zahl von Löschungsanträgen, da die Kosten dafür massvoll sind. Zudem kann ein Löschungsantrag zur Vorbereitung einer Neueintragung und zur Verteidigung gegen Widersprüche dienen.
«Nivea Stress Protect / Stress Defence»: Starkes Element als Belastung? Stefan Hubacher, Sic! 5/2016, S. 267 ff.
Interessanter Beitrag, in dem anhand eines Bundesverwaltungsgerichtsurteils vom 3. November 2015, B-3005/2014, «Nivea Stress Protect / Stress Defence», die Fragen aufgeworfen werden, welchen Einfluss die Integration eines starken Elementes auf die Marke hat und ob diese Hinterlegungsstrategie sinnvoll ist.
Bank- und Börsenrecht
Schwerpunktnummer
Bank- und Finanzdienstleistungsrecht. Luc Thévenoz u.a., SZW 2/2016, S. 110–231.
Die Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht widmet sich in diesem Heft dem Schwerpunktthema Bank- und Finanzdienstleistungsrecht. Die Nummer liest sich fast ausschliesslich in Englisch und Französisch. So wird die «Know your Customer»-Rule in Bezug auf die Steuerehrlichkeit von Bankkunden behandelt oder die Tendenz beleuchtet, wichtige «Back and middle Office Processes» outzusourcen. Aufgegriffen werden weitere Aspekte, die heutige und künftige Finanzdienstleister auf Trab halten werden.
Le droit bancaire privé suisse 2015 / Das schweizerische Bankprivatrecht 2015.
Luc Thévenoz und Susan Emmenegger, unter Mithilfe von Endrit Poda und Michael Kissling, SZW 2/2016, S. 207–231.
Die Autoren geben – auf Deutsch und Französisch – einen kompetenten Überblick über das Schweizer Bankprivatrecht des letzten Jahres. Die thematisch gegliederte Zusammenfassung im Stil einer Chronik gibt Entscheide des Bundesgerichts, kantonale Entscheide und Veröffentlichungen der Finma wieder. Teilweise finden sich sehr interessante Entscheidungen. Empfehlenswert für Praktiker des Bankenrechts.
Verfahrens- und Vollstreckungsrecht
Strafprozessrecht
Randdatenerhebung bei Vorliegen der Einwilligung sowie bei Dritten.
Eine Auseinandersetzung mit dem Urteil des Bundesgerichts 1B_256/2015 vom 4. November 2015.
Susanna Moor und Rafael Studer, Jusletter vom 30. Mai 2016.
Die beiden Autoren kommen in ihrer Urteilsanalyse zum Schluss, dass die Einschränkung gemäss Art. 270 lit. b StPO im Fall der Einwilligung der betroffenen Drittperson einer Randdatenerhebung nicht entgegensteht. Aber auch ohne Zustimmung stehe diese Bestimmung einer Erhebung bei Dritten nicht grundsätzlich entgegen, sondern finde nur sinngemässe Anwendung. Die Autoren entwickeln schliesslich die These, dass eine Erhebung von Randdaten mit Einwilligung keine geheime Überwachungsmassnahme darstellt. Vielmehr sollte sie als Edition betrachtet werden, womit das Erfordernis der richterlichen Genehmigung entfiele.
Die Grenzen des delegierten Ermittlungsauftrags an die Polizei. Nicole Burger-Mittner, Forumpoenale 2/2016, S. 90 ff.
Die Autorin trifft einen wunden Punkt in der strafprozessualen Praxis, indem sie aufzeigt, dass lege artis nur wenige Befragungen von der Staatsanwaltschaft an die Polizei delegiert werden dürften.
Zivilprozessrecht
Der Kautionsgrund bei der zivilprozessualen Sicherstellung der Parteientschädigung. Anwendbare Prozessmaxime zur Sammlung des Prozessstoffs und Verteilung der Beweislast. Jean-Daniel Schmid und Alexander Schmid, AJP 5/2016, S. 670–681.
Art. 99 ZPO sieht unter gewissen Umständen die Pflicht der klagenden Partei vor, eine Sicherheit für die Parteientschädigung der beklagten Partei zu leisten. Die Pflicht setzt namentlich voraus, dass ein Kautionsgrund vorliegt. Die Autoren gehen in ihrem Beitrag der Frage nach, wer für die diesbezügliche Sammlung des Prozessstoffs verantwortlich ist, welche diesbezügliche Prozessmaxime also zur Anwendung gelangt und wer die nachteiligen Folgen einer etwaigen Beweislosigkeit zu tragen hat, das heisst, wen die Beweislast trifft. Die Autoren erklären, diese Frage sei bislang weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur ausführlich diskutiert worden. In ihrer Untersuchung konstatieren sie, dass im Hinblick auf den Kautionsgrund keine Gründe für ein Abweichen von den allgemeinen materiell- und prozessrechtlichen Grundsätzen besteht. Demnach gilt also der Verhandlungsgrundsatz, konkret: Die Parteien sind für die Sammlung des Prozessstoffs in Bezug auf die Tatsachen, welche mit dem Kautionsgrund zusammenhängen, verantwortlich. Die Beweislast für das Vorliegen einer der in Art. 99 Abs. 1 ZPO genannten Kautionierungsgründe trage die beklagte Partei.
Europarecht
Einheit und Kohärenz der europäischen Mehrebenenrechtsordnung. Eberhard Schmidt-Assmann, EuGRZ 2016, S. 85 ff.
Der Autor analysiert fundiert die Ordnung, das Zusammenspiel und die Hierarchie der verschiedenen Rechtsschichten und Rechtsinstitute der massgebenden europäischen und staatlichen Normen.
Parteiverbote in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Kathleen M. Wolter, EuGRZ 2016, S. 92 ff.
Die Autorin durchleuchtet die gesamte Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Parteiverboten und behandelt die Fälle aus der Türkei, Deutschland, Bulgarien, Spanien und Russland. Sie zeigt dabei plastisch den Wandel von einer summarischen Prüfung des Missbrauchsverbots (Art. 17 EMRK) zu einer strikten Kontrolle der Verletzung der Vereinigungsfreiheit (Art. 11 EMRK).