Verfassungsrecht
Grundrechte
Die Einführung der Menschenwürde in den Schweizer Verfassungen. Ein Überblick am Beispiel Nidwaldens. Paolo Becchi und Mike Bacher, ZBl 2016, S. 459 ff.
Der spannende Aufsatz nimmt die Nidwaldner Verfassung von 1965 zum Ausgangspunkt, bevor er den Bezug auf die Menschenwürde in der Bundes- und anderen Kantonsverfassungen untersucht. Die Autoren unterscheiden drei Ansätze: die Unverletzlichkeit der Menschenwürde, die Unantastbarkeit und die Achtung bzw. den Schutz.
Über Perlen, ihre Pflege und die Kunst der direkten Demokratie. Markus Müller, ZBl 2016, S. 50 f.
Der Autor ist der Ansicht, bei der Volksinitiative, der Perle der Schweizer Demokratie, sei jene Form vorzusehen, die den realen Möglichkeiten des Volkes am besten entspreche, dies sei die Form der allgemeinen Anregung. Der Autor fordert zudem eine adressatengerechtere Kommunikation zwischen Staat und Bürger, die ganzjährig statt nur vor Urnengängen erfolge.
Verwaltungsrecht
Umwelt-, Bau- und Planungsrecht
Diverse Entscheide des Bundesgerichts zum Altlastenrecht. URP 5/2016, S. 437 ff.
Die Entscheide geben viele Hinweise zu Fragen der Kostentragung der verschiedenen Beteiligten. Demselben Thema widmet sich der kritische Aufsatz von Denis Oliver Adler, «Aktuelle Entwicklungen im Altlastenrecht: Neue Urteile des Bundesgerichts – insbesondere zum Verursacherbegriff (Zweckveranlassung und Haftung des Bundes bei der Sanierung von Schiessanlagen), zur Erbenhaftung und zum Übergang der Verursacherhaftung im Rahmen einer Fusion».
Steuerrecht
Steuerharmonisierung. Aufgaben und Möglichkeiten der Steuerjustiz. Peter Locher, ASA 85/1 – 2, S. 1 ff.
Der langjährige Professor und Redaktor der ASA analysiert die Gerichtspraxis zum Steuerharmonisierungsgesetz, das seit 23 Jahren in Kraft und seit 15 Jahren voll wirksam ist. Die Praxis ist meist konsistent, im Unterschied zur Praxis der Bundesbehörden.
Sozialversicherungsrecht
AHV, IV, EL und ALV
Qualitätsleitlinien für versicherungspsychiatrische Gutachten. Gerhard Ebner, Etienne Colomb, Ralph Mager, Renato Marelli und Fulvia Rota, SZS 60/2016, S. 435–493.
Die dritte Auflage der Leitlinien wurde gründlich überarbeitet, erweitert und dem neusten Stand der Rechtsprechung angepasst. Ein Versicherungsgutachten, das in allen Punkten die Leitlinien befolgt, wird besser nachvollziehbar und mit allfälligen Vorgutachten oder Gegengutachten besser vergleichbar sein.
Privatrecht
Familienrecht
Die Anerkennung ausländischer Kindesverhältnisse in Leihmutterschaftsfällen. Lisa Turolla, SJZ 2016, S. 393 ff.
Die Autorin analysiert die noch ungefestigte Praxis des Bundesgerichts. Es verweigert die Anerkennung einer Leihmutterschaft bei angenommener ordre-public-widriger Rechtsumgehung und verweist dann auf den Adoptionsweg. Hingegen werden Kindesverhältnisse bei genetischer Verwandtschaft mit zumindest einem Elternteil anerkannt.
Nachehelicher Unterhalt als Auslaufmodell. Fulvio Haefeli, SJZ 2016, S. 417 ff.
Der Autor kritisiert die bundesgerichtliche Praxis, die der leichten Auflösbarkeit der Ehe eine unterhaltsrechtliche Systematik gegenüberstellt, die auf der nachehelichen Solidarität beruht. Sie stehe im Widerspruch zur gesellschaftlichen und rechtlichen Realität. Der Autor schlägt de lege ferenda vor, individuellen vertraglichen Vereinbarungen der Ehepartner mehr Raum zu geben.
Der Vorsorgeausgleich bei Scheidung nach neuem Recht. Franziska Grob, CHSS 3/2016, S. 58 ff.
Der Beitrag widmet sich der Berechnung des Vorsorgeausgleichs nach den per 1. Januar 2017 revidierten Art. 123 ff. ZGB und Art. 22d FZG. Ein Berechnungsbeispiel und Hinweise auf das Umrechnungstool unter www.bsv.admin.ch sind für Scheidungs- und Sozialversicherungspraktiker sehr hilfreich.
Sachenrecht
Disziplinarrecht im Berner Notariat – Praxisübersicht 2009 bis 2015. Adrian Glatthard, Der Bernische Notar 3/2016, S. 311 ff.
Der Verfasser gibt einen Überblick auf wichtige disziplinarische Fälle im Kanton Bern und deren Beurteilung durch die Aufsichtsbehörde. Auch für Juristen mit Bezug zum Notariat in anderen Kantonen interessant.
Baubeschränkungen und Grundbuch. Meinrad Huser, Baurecht 4/2016, S. 197 ff.
Baubeschränkungen, die gegenüber Dritten wirken, müssen bekannt sein. Diese Aufgabe übernimmt das Grundbuch, in welches in der Rubrik «Anmerkungen» auch Schranken aus dem öffentlichen Recht aufgenommen werden. Der Autor bespricht die ersten Erfahrungen mit solchen Einträgen und schlägt Verbesserungen bei den Lücken vor, die sich in der Praxis gezeigt haben.
Obligationenrecht
Allgemeiner Teil
Ersatzvornahme nach Art. 98 OR. Besprechung des Bundesgerichtsurteils 4A_524/2105 vom 31. März 2016 durch Luca Angstmann und Hans Caspar von der Crone, SZW 4/2016, S. 418 ff.
Die Autoren besprechen den zur Publikation vorgesehenen Bundesgerichtsentscheid, der eine gewisse Ordnung im Verhältnis zwischen den Bestimmungen des OR (Art. 98 OR, Art 366 Abs. 2 OR) und den Bestimmungen der ZPO (Art. 250 lit. a Ziff. 4 ZPO, Art. 343 Abs. 1 lit. e ZPO sowie Art. 236 Abs. 3 ZPO) schafft.
Haftpflichtrecht
Autonomes Fahren. Gedanken und Lösungsvorschläge.
Max B. Berger, Have 3/16, S. 289–295.
«Es gibt nichts Neues unter der Sonne.» Für den Autor zumindest nicht, was das autonome Fahren betrifft. Er wirbt für einen entspannten Umgang mit den aufgeworfenen Fragen, für die Antworten «bereits in den geltenden Regeln gefunden werden können, insbesondere was die Haftung anbelangt». Das gelte auch für die unter ethischen Aspekten diskutierten, schon bis anhin ungelösten Dilemma-Situationen. Vertiefte Abklärungen seien aber bei Regressfragen nötig, da neue Haftpflichtige auf den Plan treten.
Arbeitsvertragsrecht
Unterstellung von Aussenseiter-Mischbetrieben unter allgemeinverbindliche Gesamtarbeitsverträge. Jürg Brühwiler, ARV 2/2016, S. 69–79.
Wann sind Mischbetriebe, die nur teilweise Bautätigkeiten erbringen, dem Gesamtarbeitsvertrag für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (GAV FAR) unterstellt? Der Autor kritisiert die Schwelle von 500 000 Franken Umsatz und plädiert dafür, dass einzig darauf abgestellt wird, ob der Mischbetrieb faktisch von den Bautätigkeiten geprägt ist.
Datenschutzrecht
Steuerdaten in der Cloud? Datenschutzrechtliche Anforderungen an das Outsourcing durch Gemeinwesen. Hans Rudolf Trüeb und Martin Zobl, Digma 3/2016, S. 102–107.
Die Autoren sind der Meinung, dass sich die Anforderungen an Gemeinwesen nicht grundsätzlich von den Anforderungen an Unternehmen und Privatpersonen unterscheiden. Besonderheiten sind die «Erfolgshaftung» des Gemeinwesens nach Art. 16 DSG sowie die Ansprüche nach Art. 25 DSG im Verletzungsfall, die im Verwaltungsverfahren zu prozedieren sind.
Handels- und Wirtschaftsrecht
Immaterialgüterrecht
Eine «digitale Seniorin», aber kein altes Eisen: 75 Jahre ESchkG. Philipp Dannacher, Sic! 9/2016, S. 431 ff.
Der Autor geht zunächst auf die Geschichte und Aufgaben der Eidgenössischen Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (ESchK) ein. Die Prüfung im Tarifgenehmigungsverfahren sei immer eingehender geworden und von der Missbrauchs- zur Angemessenheitskontrolle umgestaltet worden. Dannacher macht sich dafür stark, dass an der ESchK als Tarifgenehmigungsbehörde festgehalten wird. Behörde und Verfahren würden als fair empfunden. Das schweizerische Tarifverfahren trage dazu bei, zahlreiche Zivilprozesse zu vermeiden.
Kartellrechtliches Erfassen von Wettbewerbswirkungen grosser Datenbestände. Seraina Denoth und Oliver Kaufmann, Sic! 10/2016, S. 501 ff.
Grosse Datenbestände werden als Big Data bezeichnet. Das Erfassen von deren Wettbewerbswirkungen stellt das Kartellrecht gemäss den Autoren vor grosse Herausforderungen. Es fragt sich laut den Autoren, ob die Entwicklungen in der digitalen Wirtschaft eine Neuorientierung bei der Marktabgrenzung erfordern. Big-Data-Fragen hätten sich bislang nur in der Fusionskontrolle gestellt. Die Autoren fordern, dass die Wettbewerbsbehörden beim Zugang zu Daten, deren Verwendung sowie deren Portabiliät Einfluss auf die digitale Wirtschaft nehmen, wo volkswirtschaftliche oder sozial schädliche Auswirkungen von Kartellen oder anderen Wettbewerbsbeschränkungen drohen.
Verfahrens- und Vollstreckungsrecht
Öffentliches Verfahrens- und Prozessrecht
Die prozessuale Durchsetzung der Rechte von Sprachgemeinschaften.
Corsin Bisaz, ZBl 2016, S. 475 ff.
Die Autoren vertreten die Ansicht, die prozessuale Durchsetzung der geschützten Interessen von Sprachgemeinschaften scheitere heute häufig am Beschwerdeobjekt und/oder an der Beschwerdebefugnis. Damit erfüllte das Verfahrensrecht seine Funktion, nämlich dem materiellen Recht zum Durchbruch zu verhelfen, nur unzureichend. Die Autoren zeigen Reformansätze auf, so eine Anpassung der allgemeinen Beschwerdebefugnis, die Anpassung des zulässigen Beschwerdeobjekts oder die Einräumung einer spezialgesetzlichen Beschwerdebefugnis. Die Autoren schreiben, «nur wenn die Regelung der Beschwerdebefugnis und die Anforderungen an das Beschwerdeobjekt der spezifischen Konstellation kollektiven Sprachenschutzes gerecht werden, kann auch in diesem Bereich die prozedurale Waffengleichheit hergestellt und dem materiellen Recht zum Durchbruch verholfen werden».
Strafprozess
Kommunikation zwischen Verteidigung und Gutachter im Strafprozess.
Bernhard Isenring und Rahel Müller, AJP 10/2016, S. 1334–1342.
Sachverständige und ihre Gutachten spielen im modernen Strafprozess eine grosse und in zahlreichen Konstellationen auch entscheidrelevante Rolle. Die Strafprozessordnung weist der Verteidigung bei Begutachtungen aber eine äusserst schwache Rolle zu. Sie sieht eine Möglichkeit direkter Kommunikation zwischen Verteidigung und Sachverständigem nur dann vor, wenn der Sachverständige sein Gutachten vor der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht persönlich erläutern bzw. vertreten muss.
Ob dies aber überhaupt geschieht, entscheidet die Verfahrensleitung. Ebenso liegt es im Ermessen der Verfahrensleitung, ob über sie zumindest eine indirekte Kommunikation zwischen Verteidigung und Sachverständigem stattfinden kann. Die Autoren benennen in ihrem Beitrag die de lege lata bestehenden Probleme der Verteidigung im Begutachtungsprozess wie auch bei der Überprüfung amtlicher Gutachten und diskutieren verschiedene Lösungsansätze.
Zivilprozessrecht
Gewährleistung und Haftung bei abgasmanipulierten Fahrzeugen.
Arnold F. Rusch und Angelo Schwizer, AJP 10/2016, S. 1299–1309.
Die Autoren analysieren den Abgasskandal von Volkswagen und weiteren Herstellern aus der Autoindustrie und gelangen so zu diversen Problemen des Zivilrechts sowie Ineffizienzen des Prozessrechts. Sie gehen der Frage nach, wie man als Käufer in Vertriebsketten zu seinem Recht kommt, wenn der Hersteller einen Mangel verschweigt, der Verkäufer aber die Fahrzeuge ahnungslos vertreibt. Rusch und Schwizer zeigen im Beitrag Lösungsansätze auf.
Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
L’ouverture de faillite: situation et mise en perspective. Isabelle Chabloz,
SZW 4/2016, S. 357 ff.;
La faillite bancaire: plus vite que la musique? Alain Girard,
SZW 4/2016, S. 370 ff.;
Assainissements dans le cadre d’un sursis concordataire.
Sébastien Bettschart, SZW 4/2016, S. 380 ff.
Diese Ausgabe der SZW setzt einen Schwerpunkt im Bereich des Sanierungsrechts, wobei die Beiträge in französischer Sprache abgefasst sind. Isabelle Chabloz befasst sich mit der Kostentragung im Konkursverfahren und der im Vorentwurf gegen den Konkursmissbrauch aufgenommenen Bestimmung, dass Organe der faillierenden Gesellschaft unter gewissen Umständen für Konkursverfahrenskosten haften sollen, Alain Girard mit den neuen Bestimmungen im Bankenkonkurs und Sébastien Bettschart mit dem aktuell noch zulässigen handelsrechtlichen Konkursaufschub und dessen bedrohter Flexibilität.
Mit neuen Methoden gegen Konkursverschleppungen – wie sich Strafverfolger, Handelsregister-, Betreibungs- sowie Notariats- und Konkursbeamte im Kampf gegen Misswirtschaft gegenseitig unterstützen können. Daniel Nussbaumer,
BlSchK 4/2016, S. 124 ff.
Der Autor erläutert das Phänomen der Konkursreiterei, die sich mittlerweile zu einem Massendelikt entwickelt hat und die allein im Kanton Zürich jährlich einen volkswirtschaftlichen Schaden von mehr als 100 Millionen Franken verursacht. Im Beitrag wird anschaulich aufgezeigt, wie dieser Konkursmissbrauch präventiv von den Handelsregister-, Betreibungs- und Konkursämtern und repressiv von den Strafverfolgungsbehörden bekämpft werden kann.
Aus der bundesrechtlichen Rechtsprechung zum Einsichtsrecht nach Art. 8a SchKG. Elisabeth Escher und Marco Levante, BlSchK 4/2017, S. 136 ff.
Bereits eines der ersten Urteile nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) im Jahre 1892 befasste sich mit dem Einsichtsrecht in das Betreibungsregister, schreiben die Autoren. Sie geben einen Überblick über die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Einsichtsrecht und zeigen de lege ferenda auf, wie ungerechtfertigte Betreibungen «einfach, rasch und weniger kostspielig» gelöscht werden könnten.