Verfassungsrecht
Die gegenwärtig gültigen völkerrechtlichen Verträge der Kantone. Bardo Fassbender und Raffael Gübeli, ZBl, 3/2018, S. 107 ff.
Art. 56 Abs.1 BV ermächtigt die Kantone, in ihren Zuständigkeitsbereichen mit dem Ausland Verträge zu schliessen. Die beiden Autoren liefern eine systematische Bestandesaufnahme der gültigen kantonalen völkerrechtlichen Verträge. Sie analysieren die Vertragsinhalte, die Vertragsart (bilateral oder multilateral) oder aber die zahlenmässige Entwicklung im Laufe der Jahrzehnte.
Mindestkörpergrösse als Zulassungsvoraussetzung für den Zugang zu Polizeischulen. Sibylla Flügge, Streit, 1/2018, S. 30 ff.
Die Autorin setzt sich mit dem EuGH-Entscheid C-409/16 Kalliri vom 18. Oktober 2017 auseinander. Die von Griechenland vorgelegte Frage befasste sich mit den Anforderungen an die Körpergrösse für die Zulassung zur Polizeischule. Sind die Anforderungen für Männer und Frauen gleich, so können sie eine mittelbare Diskriminierung für die Frauen darstellen. Diese ist nur hinzunehmen, wenn sie sachlich gerechtfertigt ist.
Grundrechte
Hausbesetzungen: Ein Problemaufriss aus öffentlich-rechtlicher Sicht. Patricia Egli, Sicherheit & Recht 1/2018, S. 38–47.
Fünf Autorinnen und Autoren schreiben Beiträge u. a. aus polizeirechtlicher oder strafrechtlicher Sicht. Besonders spannend: Patricia Eglis Überblick aus öffentlich-rechtlicher Sicht. Sie erläutert insbesondere die grundrechtliche Dimension von Hausbesetzungen und erörtert die für Behörden relevanten Grundsätze, die bei der Durchsetzung von zivilrechtlichen Urteilen durch eine Zwangsräumung zu beachten sind.
Wehrpflichtersatzabgabe: Ungleichbehandlung der Geschlechter. Martin D. Küng und Bernhard Waldmann. Jusletter vom 23.4.2018.
In einem Urteil von 2017 hielt das Bundesgericht fest, dass die auf Männer beschränkte Wehrpflicht(-Ersatzabgabe) zwar im Widerspruch zum Diskriminierungsverbot der Bundesverfassung steht, jedoch als lex specialis zur Gleichbehandlung anzusehen ist. Eine Verletzung der EMRK liege nicht vor. Die Autoren sind anderer Meinung. Werde Art. 14 EMRK i.V.m. Art. 4 EMRK geprüft, so erweise sich die auf Männer beschränkte Wehrpflicht (-Ersatzabgabe) als völkerrechtswidrig.
Verwaltungsrecht
Einflüsse der Digitalisierung auf das schweizerische Verwaltungsrecht. Andreas Glaser, SJZ 2018, S. 181 ff.
Der Autor zeigt auf, inwieweit sich das Verwaltungsverfahrensrecht und das materielle Verwaltungsrecht technologischen Einflüssen geöffnet haben. Durch die Digitalisierung der Verwaltung ist der Zugang und der Verkehr mit der Verwaltung erleichtert worden, wobei die Realität noch immer vom Erfordernis persönlicher Präsenz und Ausfüllen von Formularen auf Papier geprägt ist. Der Autor sieht in der Digitalisierung die Chance, die Fortentwicklung des Verwaltungsrechts voranzutreiben, indem Gesetzgeber in Bund und Kantonen eine Verwaltungsrechtsreform in Form einer Kodifikation des materiellen Verwaltungsrechts in Angriff nehmen.
Fehlender digitaler Kompass. Bruno Baeriswyl, Digma 1/2018, S. 6.
Die öffentliche Verwaltung beschäftigt sich zunehmend mit der Digitalisierung. «Doch welches Ziel strebt diese Digitalisierung an?», fragt der Autor. Eine Digitalisierungsstrategie brauche einen Kompass und klare Zielsetzungen. Jedoch würden hierzu aktuell grundlegende Überlegungen fehlen.
Umweltrecht
Biotopschutz und ökologischer Ausgleich im Siedlungsgebiet: dringend benötigt und rechtlich geboten. Alexandra Gerber, URP 1/2018, S. 2 ff.
Aufsatz zur Frage, welche – vorab raumplanerischen – Massnahmen geboten sind, um den gesetzlichen Auftrag des Biotopschutzes und der ökologischen Aufwertung zu erfüllen. Auch wird dargelegt, wie der Zielkonflikt zwischen der ökologischen Aufwertung des Siedlungsraums und der raumplanerisch gebotenen Verdichtung nach innen entschärft werden kann.
Baurecht
Die Bauanzeige bei Kleinstbauten – dargestellt am Beispiel des Kantons Zug. Philip R. Bornhauser, Baurecht 2/2018, S. 81 ff.
Mit der Bauanzeige werden der Behörde Bauvorhaben zu Kenntnis gebracht, die geringfügig sind und nachbarliche und/oder öffentliche Interessen nicht erheblich berühren. Einwände darf die Behörde dagegen nur erheben, wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Deshalb bedarf es auch keiner förmlichen Bewilligung. Der Autor zeigt die Handhabung in der Praxis.
Steuerrecht
Abzugsfähigkeit von Aus- und Weiterbildungskosten, eine kritische Würdigung der Bestimmungen.
Ingo Heymanns, Steuerrevue 2018, S. 180 ff.
Seit Anfang 2016 sind Aus- und Weiterbildungskosten abziehbar, doch erst seit Ende 2017 gibt es ein Kreisschreiben der Steuerverwaltung dazu. Der Autor kritisiert dessen Inhalt und weist auf Punkte hin, die nach einer gerichtlichen Überprüfung rufen.
Privatrecht
Persönlichkeitsrecht
Tweet und Retweet: mitgegangen, mitgefangen – Aber nicht immer. Regula Bähler, Medialex 2017, S. 40 ff.
Juristen, Journalisten und Politiker kommunizieren und polarisieren gerne via Twitter. Wer persönlichkeitsverletzende Botschaften verfasst und versendet oder diese auch nur tel quel weiterverbreitet, riskiert eine Bestrafung. Bähler geht aufgrund eines Zürcher Retweet-Falls auf die rechtlichen und medienethischen Aspekte der Plattform Twitter ein.
Erbrecht
Die gerichtliche Erbteilung zwischen Erwägung und Zufall. Martin Eggel, AJP 4/2018, S. 407–423.
Der Autor geht der Frage nach, ob dem Gericht nach der Konzeption des geltenden Erbteilungsrechts die Kompetenz zur Zuweisung von Gegenständen oder Losen gestützt auf sein Ermessen zukommt oder ob bei vollständiger Uneinigkeit der Erben – neben Versteigerung – einzig eine Losbildung mit dem Zufall überlassender Losziehung möglich ist.
Sachenrecht
Teilung und Vereinigung von Grundstücken. Adrian Mühlematter, Der Bernische Notar Nr. 1, März 2018, S. 201 ff.
Dritter und letzter Teil zum Thema Teilung und Vereinigung von Grundstücken, bei denen sich oft die Frage der Löschung nicht mehr relevanter Einträge stellt. Der Autor behandelt die (ausnahmsweise) Löschung eines Grundbucheintrags von Amtes wegen (Art. 976 ZGB) und die Löschung auf Begehren des Belasteten (Art. 976a und 976b ZGB).
Arbeitsrecht
Lohnfortzahlungspflichten des Arbeitgebers nach Niederkunft einer Mitarbeiterin. Simone Wetzstein, AJP 3/2018, S. 316 ff.
Die Lohnzahlungspflicht infolge Schwangerschaft richtet sich nach Art. 324a/b OR. Hingegen werden Leistungen nach der Niederkunft nach Erwerbsersatzgesetz ausgerichtet. Trotzdem gebe es nach der Niederkunft auftretende Situationen, die zu einer Lohnfortzahlungspflicht nach Art. 324a OR führen. Die Autorin fasst die in diesen Fällen herrschende Rechtsprechung und Lehre zusammen und zeigt auf, wo die angestrebte Gesetzesrevision zur Klärung der bestehenden Regelungslücken führt.
Der Homeoffice-Vertrag als Innominatkontrakt.
Emanuel Georg Tschannen, Recht 2018, S. 1 ff.
Der Autor überprüft Homeoffice-Verträge nach den Vorschriften des Heimarbeitsvertrags und dessen typischen Merkmalen. Er kommt zum Schluss, dass bei Homeoffice – zumindest wenn ein Ergebnis geschuldet ist – meistens die Regeln des Heimarbeitsvertrags Anwendung finden. Dies wiederum schliesst die Anwendung des Arbeitsgesetzes (Art. 3 lit. f ArG) mit seinen Höchstarbeitszeitvorschriften und dem Nachtarbeitsverbot aus.
Kryptowährungen
Eigenschaften der Kryptowährung Bitcoin. Geld, aber ohne Sachqualität – wem «gehört» ein Bitcoin bei geteilter Verfügungsmacht?
Gabriela Hauser-Spühler und Luzius Meisser, Digma 1/2018, S. 6 ff.
Bitcoin und die zugrunde liegende Technologie der Blockchain sind längst keine Randphänomene mehr, jedoch ist die Kryptowährung in der Rechtslandschaft immer noch ein neues Phänomen. Die Autoren gehen in ihrem Beitrag der Frage nach, welche zivil- und vollstreckungsrechtlichen, aber auch regulatorischen und datenschutzrechtlichen Fragen noch ungelöst sind.
Anonyme Bezahlverfahren im Überblick. Christoph Sorge, Digma 1/2018, S. 189 ff.
Kryptowährungen werden oft als «anonym» bezeichnet. Gemäss dem Autor trifft das auf die Bitcoin aber nicht zu. Einzig die Bezahlung mit Bargeld dürfte in der Praxis die bestmögliche Anonymität erzielen, da keine Stelle registriere, wo und wann bestimmte Geldscheine eingesetzt werden. Des Weiteren setzt sich der Autor mit der Frage auseinander, was eigentlich die Anonymität von Bezahlverfahren ausmacht, und vergleicht verschiedene Verfahren wie Bargeld oder Prepaid-Karten.
Urheberrecht
Urheberrechte bei Ko-Autorenschaft am Drehbuch. Dieter Meier, Sic!, 3/2018, S. 134 ff.
Ein Drehbuch wird oft von mehreren Autoren verfasst. Wird der fertige Film später bei der Verwertungsgesellschaft angemeldet, um einen Verwertungserlös geltend zu machen, ist meist unklar, wer mit welchen Anteilen am Drehbuch mitgewirkt hat. Der Autor empfiehlt, für diese Festlegung den gesamten Entstehungsprozess zu berücksichtigen. Je später ein Ko-Autor hinzukommt, desto eingeschränkter dürfte sein schöpferischer Spielraum gewesen sein. Das ist im Lichte der urheberrechtlichen Qualifikation zu beachten.
Verfahrensrecht
Zivilprozessrecht
Teilen – Wettschlagen? Felix Hunziker-Blum, HAVE 1/18, S. 28 f.
Der Autor ist der Ansicht, dass das Gericht auch bei einem gerichtlichen Vergleich dem Entscheid über die Prozesskostenverteilung nicht ausweichen darf. Die Kostenverteilungsgrundsätze (Art. 106–108 ZPO) gelten für alle Prozesse, auch für jene, welche durch Vergleich erledigt werden; die praxisübliche Regel des Wettschlagens sei gesetzeswidrig.
Instruktionsverhandlung und Aktenschluss. Meinrad Vetter und Andreas Schneuwly, SJZ 2018, S. 157 ff.
Eine Instruktionsverhandlung führt im ordentlichen Verfahren nur dann zum Aktenschluss, wenn sich die Parteien darin ein zweites Mal unbeschränkt zur Sache äussern konnten. Dies setzt die Möglichkeit voraus, unbeschränkt Tatsachen behaupten und Beweismittel vorbringen bzw. beantragen zu können. Damit die Parteien und deren Vertretung wissen, ob dies der Fall sein wird, sollte das Gericht in der Vorladung bzw. in der separaten prozessleitenden Verfügung die einzelnen Elemente der Instruktionsverhandlung eindeutig aufzählen.
Strafprozessrecht
Was kann das Strafrecht für das Zivilrecht leisten?, Damian K. Graf, Jusletter vom 23.4.2018.
Strafanzeigen, denen der Odem anhaftet, rein der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche zu dienen, erfreuen sich einiger Beliebtheit, werden aufgrund der knappen Ressourcen der Strafverfolgungsbehörden jedoch auch kritisch beäugt. Der Autor setzt sich mit diesem Phänomen auseinander, prüft prozessuale und materielle Aspekte, die den Strafweg für Zivilkläger attraktiv machen, und zeigt Verbesserungen auf.
Weisungen bei bedingtem Strafvollzug und deren Verhältnis zu Massnahmen. Luca Ranzoni, Sui generis 2018, S. 77–103.
Der Autor zeigt auf, dass das Weisungsinstitut von einem theoretischen Standpunkt nicht hinreichend durchdacht ist. Allein die Abgrenzung zu strafrechtlichen Massnahmen sei oft unklar.
Von der Auskunftsperson zur beschuldigten Person. Verwertbarkeit vormaliger Aussagen? Nicole Ebneter und Stefan Heimgartner, AJP 3/2018, S. 267–269.
Ist die Einvernahme einer Person verwertbar, die als Auskunftsperson im Sinne von Art. 178 lit. d StPO befragt wurde, wenn sie später zur beschuldigten Person wird? Die Doktrin ist gespalten, laut den Autoren bejaht ein Teil der Lehre die Verwertbarkeit, ein anderer Teil hält dafür, die Aussagen dürften nicht zulasten des später Beschuldigten verwertet werden.
Sozialversicherungsrecht
AHV, IV, EL und ALV
Zur geplanten Revision von Art. 44 ATSG. Massimo Aliotta, SZS 62/2018, S. 144 –160.
Der Autor kritisiert die geplante Gesetzesrevision betreffend das Einholen von Gutachten. Neu wird nicht mehr ausdrücklich die Unabhängigkeit des Gutachters verlangt, es können nur noch formelle Ausstandsgründe geltend gemacht werden, Ergänzungsfragen müssen innert 10 Tagen eingereicht werden. Eine solche Praxis wäre eine deutliche Verschlechterung der Rechtsstellung der Versicherten.
Die Verwendung der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) in der somatischen Begutachtung. Jörg Jeger, SZS 62/2018, S. 113–121.
Die ICF-Begutachtung hat sich in der Medizin und seit dem BGE 141 V 281 auch in der Rechtsanwendung zunehmend durchgesetzt. Hier erklärt ein erfahrener medizinischer Gutachter, was die ICF ist, wozu sie verwendet werden kann, aber auch, wo die Grenzen der Aussagekraft liegen.
Testgütekriterien im Rahmen der medizinischen Begutachtung am Beispiel der ICF. Kaspar Gerber, SZS 62/2018, S. 122–143.
In Ergänzung zu den medinischen Ausführungen von Jörg Jeger wird hier die rechtliche Bedeutung der ICF im Begutachtungsprozess dargelegt. Es wird auch aufgezeigt, wie die Resultate einer ICF sinnvoll in den Kriterienkatalog für die Standardindikatoren verwendet werden könnten.
Schweres Schädel-Hirn-Trauma im frühen Kindesalter: Schadenerledigung zum Nulltarif? Gerhard Jenzer, Sven Haller, Theodor Landis, Rolf P. Steinegger, HAVE 1/18, S. 3–11.
Die Autoren diskutieren die medizinischen Massnahmen von der Initialphase bis zur Schadenerledigung, die über 20 Jahre nach dem Unfall erfolgen kann. Welche Aussagekraft haben – unter Berücksichtigung von Zeitachse, Stand der Technik und Dynamik traumatischer Veränderungen – bildgebende Untersuchungen? Gibt es Gründe für falsch-negative klinische und/oder neuroradiologische Befunde, gegebenenfalls welche? Die Autoren fordern, dass die Spätfolgen eines Unfalls durch mehrere Gutachter abzuklären sind.